Musique à la carte: Konzert-Berichte

  • Ein überaus gelungener Abend! :jubel: :jubel: :jubel:


    Ich kann mich dem nur anschließen. Zum ersten Male habe ich einen Tangentenflügel nicht nur en Detail betrachten, sondern auch noch live und fachmännisch traktiert erleben dürfen. Das Instrument gliederte sich in das solistische Streicherensemble sehr schön ein und setzte doch mit seinem feinen silbrigen Klang immer wieder schöne Höhepunkte.
    Pleyels Werk war eine Wiederaufführung nach über über 200 Jahren. Ich fand es höchst unterhaltsam und wie die Musik seines Lehrmeisters Haydn stellenweise durchaus humoristisch. (Die Darbietung hat sicher zu diesem Eindruck beigetragen.) Im Mozartschen Konzert meinte ich sogar Vorschläge vernommen zu haben, die aber, wie Ulli mir anschließend versichterte, nicht korrekt ausgeführt worden waren. Ich hatte mich zugegebenermaßen auch erst in letzter Zeit begonnen intensiver in diese Konzerte KV 413-15 einzuhören, nachdem Ulli spekuliert hatte, dass eines davon zur Aufführung kommen könnte. Die sichtbar gutgelaunte humorvolle und spritzige Darbietung der Salzburger Hofmusik und des Herrn Brynner (trotz seiner äußerlich biederen Erscheinung) machte die Darbietung um so unterhaltsamer, wobei es mir aber auch gelang, mich phasenweise ganz der Musik hinzugeben.

    In der Tat ein überaus gelungener Abend

    :wink:

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    Im Mozartschen Konzert meinte ich sogar Vorschläge vernommen zu haben, die aber, wie Ulli mir anschließend versichterte, nicht korrekt ausgeführt worden waren.


    Vorschläge waren in allen Konzerten durchaus zu hören (z.B. 414, 1, T. 2 oder 4) - aber eben nicht diese "speziellen", an denen sich die Geister scheiden:


    KV 414, 1, 29ff.

    :wink:

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    Via Facebook nahm ich an einem Preisrätsel der Haydn2032-Gruppe teil; die Sachlage war denkbar trivial: es winkten je 2 Karten für 3 Konzerte (Eisenstadt, Berlin und Basel), es gab drei Teilnehmer, de facto "gewonnen": ich entschied mich entfernungshalber für Basel und gönnte mir gestern einen bezogen auf das Wetter erfreulichen Nachmittag bei unseren neutralen Freunden. Alles andere als neutral waren allerdings die finanziellen Vorstellungen der von-Düs: doppelter Preis für halbe Portionen… Hallo? Ein übersichtlicher Flammkuchen mit einem Kronenbourg 1664 für schlappe 20,-- €… Nun gut, dafür war das Konzert gratis.

    In der Martinskirche unweit des Münsters fand am Abend das Konzert der harmonischen Gardine (Il Giardino Armonico) mit Giovanni Antonini statt. Die Kirche war gerammelt voll, es gab nur wenige freie Plätze. Das Echo war - zumindest in Reihe 12 - einigermaßen erträglich, nicht so stark wie befürchtet; Kirchen sind für derlei filigrane Werke m. E. völlig ungeeignet - aber man braucht sie ja offenbar zu sonst nichts mehr, also gibt man dort Konzerte... Gegeben wurde das Programm der zweiten inzwischen erschienenen CD mit dem Arbeitstitel Il filosofo. Ein Drumherummogeln um den Wilhelm Friedemann war zur Unmöglichkeit geworden, das Programm war im Gegensatz zur CD anders aufgeteilt, so daß meine Lieblings-Sinfonie erst am Schluß gespielt wurde:

    Sinfonie G-Dur Hob. I:47
    Sinfonie Es-Dur Hob. I:22

    ~ Pause ~

    WFB: Sinfonia F-Dur
    Sinfonie H-Dur Hob. I:46

    Das Cembalo durfte nur bei der Streichersinfonie Willi Bachs für etwas weniger Langeweile sorgen, bei Haydn wurde es weggelassen (weil das angeblich in Esterházy so üblich war?); die Präsentation der Sinfonie des ältesten Bach Sohnes hat mir zwar live recht gut gefallen, der Funke konnte aber dennoch nicht überspringen. Die harmonischen Gärtner waren allesamt in Bestform und streiften durch die blühenden Sätze mit Verve, Vif , Dramatik und unüberhörbarer Spielfreude, die an nichts anderes als Sturm & Drang denken ließ ; im Gegenzug waren die langsamen Sätze überaus blumig, duftend und beruhigend gestaltet.

    Das leicht irritierte Publikum applaudierte im Finale der H-Dur-Sinfonie eine Wiederholung zu früh – es klang aber tatsächlich so, als hätte Haydn diesen Effekt vorprogrammiert und somit war diese Klatscheinlage recht amüsant und ein stilles Glucksen machte im Publikum die Runde und der Applaus an der „richtigen“ Stelle verzögerte sich um ein paar Sicherheitssekunden, nur um dann um so tobender einzusetzen.

    Das Konzert wurde von Annelis Berger, Mitarbeiterin eines Schweizer Rundfunksenders, zusammen mit Giovanni Antonini moderiert. Gefallen hat mir besonders, daß zu den vorgetragenen Texten auch Klangbeispiele gegeben wurden, so beispielsweise aus der Es-Dur-Sinfonie das extrem virtuose Hörnergetöse zu Beginn des Finalsatzes:

    *trööt*

    In der Pause gab es exzellente Weine, Canapés und andere Leckereien gratis dazu. Außerdem waren die für die Luxus-Edition gestalteten Original-Bilder im Kreuzgang des Staatsarchivs zu betrachten. Als Zugabe wurde nochmals der Finalsatz der G-Dur-Sinfonie gegeben, der mit seinen sogenannten Balkan-snaps wiederum für turbulenten Applaus sorgte. Gott dürfte sich gewundert haben...

    Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß frühe bis mittlere Haydn-Sinfonien solch eine Euphorie im Publikum heraufbeschwören können: wirklich unglaublich.

    :umfall::umfall::umfall:

    Nach der Veranstaltung gab es Gelegenheit, die beiden bislang erschienen CDs resp. Luxusbucheditionen mit Antoninigramm zu erwerben (hat sich für mich erübrigt, da ich beide CDs bekanntlich besitze).

    Meine Zweitkarte vermachte ich einem chinesischen Studenten aus Carlsruhe, mit dem ich einen luftig-lustigen Nachmittag in Basel erleben durfte (Bilder gegen Abend auf Facebook).

    Dem Haydn2032-Team an dieser Stelle nochmals vielen Dank für die edle Spende, die mir sehr viel Freude bereitet hat (ich habe nach einer kurzen Nacht; Bettgang gegen 1:30 h; heute Morgen um 7 Uhr noch immer das Finale der G-Dur-Sinfonie im Ohr...) und die wohl einen ehemaligen Zweifler jetzt an der Angel hat… Basel ist ja nicht so weit und sofern es keine terminlichen Kollisionen gibt, bin ich wohl 2016 wieder dabei.

    *head*

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    Toller Bericht! Ich beneide dich sehr um solche Möglichkeiten, denen bei mir die nicht vorhandene Zeit, die gewaltigen Entfernungen und natürlich auch meine Stabilitas-Loci-Mentalität entgegenstehen.

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    KulturGut Ulrichshalben (bei Weimar)

    Heute auch in Weimar im Liszt-Salon der Altenburg
    https://www.weimar.de/leben/kulturst…enburg-4896801/

    Trotz erheblicher gesundheitlicher Probleme meinerseits ein toller Abend mit einer bezaubernden Kleinen am Cello! Ich bin zwar nach wie vor der Meinung, dass man Bachs Cello-Suiten; die übrigens nichts Gleichwertiges haben; nicht blutjunge Virtuosen spielen lässt, weil sich die transzendente Tiefe erst im Alter erschließt; dennoch ging es unter die Haut, wie so ein junges zartes Ding sich am Höchsten abmüht, das es für ihr Instrument gibt. Beethovens eigenartige Sonate, die klingt, als wäre sie von verschiedenen Komponisten erschaffen worden, lässt dann ihren Vater und Begleiter in den Vordergrund treten, weil der Klavierpart doch recht dominant erscheint - ein Hochgenuss, der mir wieder einmal dartat, warum ich so selten daheim Kammermusik höre. Ich muss einfach auch sehen, wie die Musiker miteinander kommunizieren; nicht so aufgesetzt wie bei Haim und Konsorten; aber dennoch neben der Musik auch mit Mimik, Gestik, Körpersprache. Neu für mich dann Mjaskowski, der mir nicht auf Anhieb gefiel; auch wenn ich seit gestern nicht anderes mache, als seine Aufnahmen bestellen und über Spotify hören. Irgendwie zu schlicht mit zu vielen langen Bögen stimmte mich erst der fetzige letzte Satz um. Seine Klaviersonaten aber, seine Sinfonien und Streichquartette; sein Cello- und Violinkonzert etc. - das wird weiter verfolgt werden.

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    Zum 10. Male startete vergangenen Freitag das Festival de musiques anciennes und ich bin selbst erstaunt, daß ich bereits fünf Mal dabei zu sein die Ehre hatte (mit Unterbrechung). Seit drei Jahren wird das Festival genutzt, um die vollständige Clavierkonzert-Edition mit Arthur Schoonderwoerd an verschiedenen Instrumenten zu produzieren.

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    Das Festival wurde obligatorisch mit einer kurzen Ouverture], welcher geneigte Zuhörer kostenlos beiwohnen dürfen, eröffnet: nach barockem Paukenwirbel mit Fanfaren hatte diesmal das Bläserdestillat des Ensemble Cristofori mit Mozarts c-moll-Serenade KV 388 im Grand Kursal (Besançon) sein Debut. Vivan Berg & Éric Douchy (Hoboen), Markus Springer & Benjamin Reissenberger (Clarinetten), Nicolas Chedmail & Édouard Guittet (Hörner), Flora Padar & Zoé Matthews (Fagöttinnen). Ein kurzer, aber anrührender Moment.

    Das "gute Wetter" liess noch auf sich warten, so daß der Abend nach einem Einkauf im ortskernigen Bio-Supermarkt mit einem Pique-Nique auf dem Bett ausklang; geschmacklich verschönert wurde die Runde mit vier Sorten Pale Ale und India Pale Ale, die ich mitgebracht hatte: Maisel & Friends, ProtoTyp, Brło und Blackbone Splitter; nach den beiden ersten hatte Brło geschmacklich nichts Besonderes zu bieten, das Rennen bei den Bieren machte eindeutig Blackbone Splitter mit 60 Bittereinheiten - obligatorisch fehlte auch der Gin nicht (diesmal The Botanist und Sears zum Quervergleich).

    Der Samstag Vormittag wurde dazu genutzt, endlich einmal die Sehenswürdigkeiten der Stadt an der Doubs anzuschauen: zunächst besuchten wir die beeindruckende aus 30.000 Teilen bestehende astronomische Uhr im Turm der Cathédrale Saint-Jean inklusive einer Führung; in der Cathédrale selbst übte gerade der Organist - leider kenne ich mich in Orgelliteratur nicht aus... Das Geburtshaus Victor Hugos, das sich beim letzten Besuch (2013) im Renovierungszustand befand, war jetzt fertiggestellt und begeisterte mit beinahe perfekter Technik: auf einem tischgroßen "Wisch-Tisch" in der Art eines überdimensionierten Smartphone-Screens konnten alle Informationen rund um Personen aus dem Leben Victor Hugos in Besançon abgerufen werden; Spaßfaktor: 100%. Die Ausstellung an sich war auch sehr gut gemacht und ansprechend: der untere Teil befasste sich mit Hugo in Besançon, das Obergeschoß mit seiner politischen Laufbahn, im Basement gab es noch einige Videos zu schauen. Der Audio-Guide (wie auch der Wischtisch) ließen sich auch auf deutschsprachige Gäste ein. Am späten Vormittag erreichten wir die Citadelle de Besançon, von der aus man eine herrliche Aussicht über die Dächer von Besançon genießen kann. Allmählich brannte sich jetzt die Sonne ein Loch durch die speckige Wolkenschicht.

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    Ein nicht unbedeutender Teil des Festivals fand diesmal in dem kuriosen Ort Gray (Haute-Saône), etwa 45 km nord-westlich von Besançon statt: die Sonne hatte sich nun endlich durchgesetzt und brannte auf uns Hungrige darnieder; wir parkten gleich am Ortseingang; unwissend, daß das begehrte Theater unmittelbar 20 m hinter uns lag und uns hämisch grinsend beobachtete, wie wir uns auf der Suche nach dem Theater in die Innenstadt begaben. Die obere Stadt war der historische Kern, der sich nahezu unverändert präsentierte; hier hatte seit Dornröschens Einschlafen niemand mehr etwas verändert: dem Zerfallen nahe skurrile Häuser, üppig begrünte und verwilderte Parks... herrlich und zugleich schauderhaft-bedrohlich - nahezu jedes zweite Haus war zum Verkauf angeboten, auf dem Weg in die untere Stadt tummelten sich etliche Immobilienmaklerbüros, man hätte die halbe Ortschaft kaufen können. Im Zentrum der oberen Stadt präsentierte sich die Basilika.

    Es schien uns sinnvoll, die Suche für einen Imbiss zu unterbrechen und so verlockten uns Bierschirme mit den Schriftzügen belgischer Biere zum Niederlassen im oberen Ortskern. Eingerahmt von Leffe Ruby und Hoegaardens gab es leckere Salate mit warmem Schafskäse, Walnüssen, diversen Schinken und Speck. Jetzt musste erstmal eine Ruhepause her; die Theatersuche auf später verschoben lud uns das Ufer der Saône zu einem Oben-ohne-Sonnenbad ein (ein Grund mehr, keine Frau sein zu wollen :D ). Das herrliche Mahl konnte so, versüßt durch den zauberhaften Ausblick gut in die benötigte Energie umgesetzt werden.

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    Von der quirligen unteren Stadt begaben wir uns nun wieder auf die Suche nach dem Théâtre de Gray, in welchem am Abend das Konzert mit Arthur Schoonderwoerd stattfinden sollte. Ein kleiner unauffälliger Schlenker durch einen Feinkostladen verschaffte uns das (spätere) Unvergnügen eines Pinot Noir aus dem Franche-Compté (das Zeug schmeckte - entgegen meines Bauchgefühls - tatsächlich nur in Kombination mit dem Restkäse vom Vorabend und formte nach dem Erwachen am Sonntag einen großen kreisförmigen Buchstaben, der sich rauchzeichenartig fortbewegte... Schwamm drüber). Endlich fanden wir das Objekt unserer Begierde und waren stolz, daß wir den besten Parkplatz aller Zeiten hatten... das Théâtre präsentierte sich von außen unauffällig, von innen gut erhalten und mit trockenem aber sehr ansprechendem Klang.

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    Was ergibt 482+505+491? Leider nicht 1.756 oder 1.791 - dafür aber ausgewogene und herrliche Mozartklänge: die Konzertarie Ch'io mi scordi di te KV 505 wurde eingerahmt vom Es-Dur-Konzert KV 482 und dem c-moll-Konzert KV 491. Beide Konzerte wurden bereits bei unserem ersten Besuch 2010 in Besançon gespielt, aber damals war wohl das Projekt, sämtliche Mozartkonzerte aufzuzeichnen und als CD herauszubringen, noch nicht geboren; diesmal wurde für die CD-Produktion aufgezeichnet. Das Ensemble Cristofori hat sich teilweise neu formiert: neben bekannten Gesichtern waren jetzt auch wieder einmal neue mit von der Partie - der Klangzauber ist nachwievor unübertroffen: jedesmal staune ich, daß wieder neue Stimmen zu hören sind - und da glaubt man, die Konzerte seit Jahren in- und auswendig zu kennen. Zu beiden Konzerten phantasierte Arthur Schoonderwoerd in der Tat sehr phantasievolle Cadenzen. Die spanische Sopranistin Vanessa Garcia Simón war bei der Arie mit obligatem Clavier sehr engagiert, konnte mich allerdings nicht wirklich überzeugen. Ich bin gespannt, wie es auf der CD sein wird.

    Es war wieder einmal ein überaus gelungener Kurzurlaub mit beinahe zuviel des Guten und Schönen; ich glaube, ich habe 80% des berichtenswerten schon wieder vergessen... achja, mir ist aufgefallen, woher der Ort Gray (sprich: Grä) vermutlich seinen Namen hat: vor lauter (!) Krähen konnte man teilweise sein eigenes Wort nicht verstehen. So long, man lebt ja nur einmal und deswegen:

    [align=center]Adieu & au-revoir!

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    Ensemble Cristofori, Arthur Schoonderwoerd

    Wolfgang Amadé Mozart: Clavierkonzert Es-Dur KV 482

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    Spielzeit 2014/2015 - wo geht's hin ...?

    Es war furchtbar! 8-) Wenn ich sonst in Weimar, Jena, Gera, Hof, Erfurt, Leipzig unterwegs bin; ärgere ich mich zwar über die selbstverliebte arrogante Kulturschickeria, aber das ist noch gar nichts gegen die tiefste ostdeutsche Provinz. Wiewohl selbst schon angejahrt drückten meine Gute und ich den Altersdurchschnitt extrem nach unten, aber das Panoptikum vor Ort spottete jeder Beschreibung. Man kennt es ja schon aus Thomas Manns "Zauberberg", aber wie kommt es nur, dass diese alten Leute jedes Schamgefühl und solches für Schicklickeit verlieren? Eine Beobachtung, die man aus Krankenhäusern, Hotels etc. kennt: Sie drängeln, schubsen, nörgeln, quasseln, furzen, riechen, leben!!! Schon auf der Hinfahrt: Eine Brücke, zu schmal für zwei Wagen; daher auf jeder Seite ein Schild, eins mit rotem, eins mit grünem Pfeil. Ich komme zwar aus der roten Ecke, aber der Weg ist frei und ich kann also fahren - ich bin mitten auf der Brücke, da kommt von gegenüber ein Auto und hält nicht an; der uralte Sack fährt auf mich zu, blendet auf und hupt, seine ebenso greise Alte gestikuliert wild und schließlich beschimpfen mich beide. Ich will stehenbleiben, aber meine Gute heißt mich zurückfahren; ich will aussteigen und die Sache wie früher zu meinen aktiven Fußballfanzeiten klären, aber ich darf nicht. So habe ich nur Blutdruck und Puls! In Schloss Burgk rennen mich dann mehrfach Rentner über den Haufen, obwohl ich durchaus kein Hänfling; man schwatzt ungeniert während des Konzerts; einer stinkt so nach Knoblauch, das hält man nicht aus, ein anderer neben mir lässt einen nach den anderen fahren. So muss die Hölle aussehen!

    Die Musik freilich, wenn auch Mainstream, entschädigt für vieles, vor allem im Ambiente des Rittersaals. Allerdings ist man inzwischen in puncto Alte Musik furchtbar verwöhnt und durch Tonträger vielleicht auch ein wenig verbildet. Ich zählte zehn Musiker, meine Gute zwölf; wie mittlerweile üblich bei Kammerorchesterbesetzungen musizierte man im Stehen und bis auf den jungen Konzertmeister mit der 50er-Jahre-Brille ließ sich niemand auf die albernen Verrenkungen ala Haim ein. Händels op.6 Nr. 1 kam jedenfalls sehr ruppig und rauh rüber, wie mir das abendliche Nachhören meiner deutlich eleganteren Pinnock-Aufnahme auch bestätigte; es stand meinem Geburtsstadtkollegen aber gar nicht so übel an, des reinen Schönklangs beraubt zu werden, so gewann er eine tiefere, dämonischere Dimension. Telemanns Meisterwerk erzählender Musikprosa ließ mich nicht mehr ruhig auf dem harten Stuhl sitzen und burlesque ritt ich mit dem Helden und seiner Stute in die Abenteuer mit; allein die unglaublich verschleppten Tempi in den langsamen Sätzen werde ich nachzuprüfen haben an meinen Aufnahmen (wo kommt das hin hier im Forum bei Telemann?). Höhepunkt dann natürlich Bachs BWV 1043; beide Solisten gaben alles und der Sog ergriff einen von Beginn an, auch wenn das Orchester unsauber spielte und nicht immer mit den beiden harmonierte; überhaupt konnte man bei den Tuttis keinerlei Stimmen nehr auseinanderhalten und ich denke, das lag nicht nur an der lausigen Akustik im Saal. Ich bin gar nicht im Bilde, wie es um die Tradition von Doppelviolinkonzerten bestellt ist, ich kenne kaum welche; aber es ist höchst reizvoll, wie die Instrumente miteinander und gegeneinander agieren und natürlich jedes noch für sich und mit dem anderen gegen und mit dem Ensemble spielt. Griegs Holberg-Suite steht ja ein wenig im Schatten der bekannteren Peer-Gynt-Suite, zu Unrecht, wie ich finde; auch wenn ich sie eher selten höre wie Grieg überhaupt, der mir persönlich nicht das Format eines Nielsen oder Sibelius zu haben scheint. Das Air ist schon ein zum Schmelzen schwärmerischer Klebstoff, dem man schwer entkommt. Alles in allem musikalisch ein gelungener Abend und ich ehrte den Klangkörper, indem ich mehere seiner CDs erwarb. Die Rahmenbedingen jedoch werden mich inskünftig den Ort meiden lassen, auch wenn er nur wenige Minuten vor meiner Haustür liegt.

    P.S. Die Barockstücke alle mit Cembalo-Continuo ...

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    ...aber der Option, eine Bassettclarinette lebendig zu erleben, konnte ich nicht widerstehen; also mal eben 150 km und wieder zurück:

    Wolfgang Brunner am Hammerflügel (Walter, beledert) und Ernst Schlader an den Clarinetten (A-, B- und Bassett-) boten ein buntes und abwechslungsreiches Programm im herrlichen Ambiente des Krozinger Schlosses:

    Johann Baptist Vanhal (1739-1813)
    Sonate für Clarinette & Pianoforte B-Dur

    Wolfgang Amadé Mozart (1756-1791)
    Adagio h-moll KV 540 für Hammerflügel solo

    Johann Michael Haydn (1737-1806)
    "Concertino" A-Dur nach der Serenade MH68

    Nach der Zigaretten-Pause:

    Wolfgang Amadé Mozart (1756-1791)
    Grand Sonate pour Piano-Forte avec accompagnement d'une Clarientte de basset A-Dur
    (Bearbeitung von unbekannter Hand 1801, nach KV Anhang B zu 581: 1809, Wien, Artaria & Co)

    Brunner hat mich erneut enttäuscht: seine Spielfreude ist unüberhörbar, aber die Schnitzer eben leider auch; mich stört das zwar eigentlich nicht wirklich (zumal ich es auch nicht besser kann), aber heute war oftmals die linke Hand schneller als die rechte, dazu gesellte sich eine m. E. nicht ausgereifte und grobschlächtige Dynamik bei KV 540 (am Instrument lag es nicht); die Wiederholung des 2. Teils blieb dann auch nur in den Noten stehen... das Werk kenne ich nunmal wie meine Westentasche. Dennoch: ein sympathischer Mensch, dem ich gern zuhöre. Im Focus stand für mich ohnehin die Clarinette und dafür hat sich der Kurztrip allemal gelohnt.

    Der Finalsatz von Vanhals B-Dur-Sonate erinnerte mich stark an das Finale von Mozarts Clavierquartett Es-Dur KV 493; die Henne-Ei-Frage kläre ich heute nicht mehr. Besonders gefallen hat mir jedoch der 2. Satz. Der Michael Haydn war nett zu hören, wobei ich meine, den starken Alkoholkonsum dieses Komponisten just in diesem Stück besonders verorten zu können.

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    Die Besonderheit war für mich tatsächlich das zum "Grand Duo" umgearbeitete und als Stadlerquintett bekannte Clarinettenquintett KV 581: die Bearbeitung selbst schien mir recht ordentlich, im Clavierpart schon an die Romantik klopfend. Eine Bassettclarinette habe ich in meinem schon viel zu langen Leben tatsächlich erstmals live gehört (gesehen und ungesehen gehört schon öfters) und ich muß sagen: beindruckend. Was man bei CD-Einspielungen eben nicht sieht ist, daß der tiefste Ton durch Einsatz des Knies erzeugt wird, welches das unterste Loch bedeckt; insofern war die Performance des blutjungen Professors h.c. Schlader aus Linz (der heute an seinem Geburtstag blies) einem Jazzdance angelehnt.

    Der zylindrische Aufsatz am Instrument ist ein Schalldämpfer; obwohl das verwendete Tasteninstrument beledert war, was zu Mozarts Lebzeiten zumindest noch nicht üblich war (zu Beginn des 19. Jahrhunderts hingegen schon), übertönte die Bassettclarinette den Walterflügel mühelos.

    Hat Spaß gemacht. Gerne wieder.

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    Spielzeit 2015/2016 - wo geht's hin ...?

    Ein guter Abend mit Wagner und Bruckner war es dann, wenn man am Sonntag drauf dreimal angeschrien werden muss, ob man ein Frühstücksei wolle, ehe man versteht und begreift. Oder wie oder was?!

    Wieso wissen Sänger nicht, was sie können und was nicht? Mal abgesehen vom typischen Problem bei Wagner, dass das Orchester zu laut ist, hat MG sich hier schlicht übernommen. Indiskutabel die erste Nummer aus dem Holländer, besser schon, aber immer noch matt, der Wotan aus der Walküre. Dazu schneidendes Blech, das jegliche Atmosphäre tötet.

    Mit Bruckner 9 jedoch liefert Eschenbach (wusste gar nicht, wie klein und spillrig der ist) mit dem GWO ein volles Brett ab; martialisch, laut, lärmend, purer Krach, ohne jede Rücksicht auf Verluste; obwohl die leiseren Momente auch schon mal kammermusikalisch klangen. Dazu verweigerte er den schönen Stellen jegliches Verweilen und sang sie nicht aus, so dass kein Schwelgen möglich wurde. Das gerade noch störende schneidende Blech aus der Posaunengruppe hinten rechts zerriss immer wieder den Vorhang vor dem Tempel und bei den Paukenraserein und gewaltigen Tutti drohte der altehrwürdige Saal im Leipziger Gewandhaus geradezu zu bersten. Ganz großes Ohrenkino, das nach den fulminanten ersten beiden Sätzen im letzten eigentlich kaum noch Steigerungspotenzial besaß; aber da ging tatsächlich noch was. Das war Bruckner voll in die Fresse, ohne Mätzchen! Chapeau!!!

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    Nachtrag: Hier Sinfonien: Gesamteinspielungen (Diskographie) heißt es in einer Rezension:

    Zitat

    Noch mehr, als bei der Decca-Produktion werden die Sätze 1-3 der 9.Sinfonie zum Wegweiser in Richtung Mahler, Schostakowitsch und Webern.

    Das konnte man gestern natürlich nicht hören!

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    Spielzeit 2015/2016 - wo geht's hin ...?

    Mir schwante Schlimmes, als ich die Kleinstbesetzung sah, ein paar Hanseln nur auf wenigen Stühlen. Beethovens Neunte historisch informiert?! Das geht ja gar nicht!!! 8-) Ich sollte mich gottlob geirrt haben; als Überraschung spielte man vorher eine Sinfonie von Johann Gottlieb Graun, kürzlich wiedergefunden und seit 200 Jahren erstmals wieder zu hören. Eindruck hat sie nicht hinterlassen. Ganz nett eben. Dann ohne Umschweife und noch ohne Chor und Solisten das Hauptmenü. Der Beginn aus dem Nichts, später so verabsolutiert von Bruckner, wird einfach weggebügelt und es geht gleich in die Vollen. Überhaupt lässt der ukrainische Dirigent niemals Zeit für die schönen und leiseren Stellen, die Tutti dagegen krachen, was das Zeug hält. Eine Mainstreamveranstaltung, die im 4. Satz immerhin die Überraschung bereithält, dass wenigstens zwei Solisten (besonders der helle Bass) absolut überzeugen und die Damen im Chor tatsächlich ebenbürtig die enormen Schwierigkeiten meistern. Der Furor zum Schluss bleibt moderat, nur niemanden aufregen, Festtagsbraten für biedere Bürger, nicht orgiastische Endzeit für Ästheten. Insgesamt gut, was will man mehr! Zumal ein ukrainisches Lied als Zugabe ...

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    Beethovens Neunte historisch informiert?! Das geht ja gar nicht!!!


    Dann frag mal Herrn Beethoven, wie er das damals gemacht hat... gab es sowas wie futuristisch informierte Aufführungspraxis?

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    Dann frag mal Herrn Beethoven, wie er das damals gemacht hat... gab es sowas wie futuristisch informierte Aufführungspraxis?


    Stöckchen! :wink: 8-) :)

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    Spielzeit 2015/2016 - wo geht's hin ...?

    Mir schwante Schlimmes, als ich die Kleinstbesetzung sah, ein paar Hanseln nur auf wenigen Stühlen. Beethovens Neunte historisch informiert?! Das geht ja gar nicht!!! 8-) Ich sollte mich gottlob geirrt haben; als Überraschung spielte man vorher eine Sinfonie von Johann Gottlieb Graun, kürzlich wiedergefunden und seit 200 Jahren erstmals wieder zu hören. Eindruck hat sie nicht hinterlassen. Ganz nett eben. Dann ohne Umschweife und noch ohne Chor und Solisten das Hauptmenü. Der Beginn aus dem Nichts, später so verabsolutiert von Bruckner, wird einfach weggebügelt und es geht gleich in die Vollen. Überhaupt lässt der ukrainische Dirigent niemals Zeit für die schönen und leiseren Stellen, die Tutti dagegen krachen, was das Zeug hält. Eine Mainstreamveranstaltung, die im 4. Satz immerhin die Überraschung bereithält, dass wenigstens zwei Solisten (besonders der helle Bass) absolut überzeugen und die Damen im Chor tatsächlich ebenbürtig die enormen Schwierigkeiten meistern. Der Furor zum Schluss bleibt moderat, nur niemanden aufregen, Festtagsbraten für biedere Bürger, nicht orgiastische Endzeit für Ästheten. Insgesamt gut, was will man mehr! Zumal ein ukrainisches Lied als Zugabe ...


    Das sagte übrigens die Lokalpresse (TLZ) dazu; ich denke, dem kann man beipflichten. Nebenbei noch eine Bemerkung zu Konzert- und Opernbesuch: Neben uns saß ein älteres Ehepaar, er sicher um die 75 und jener hat sich die ganze Zeit nicht ein einziges Mal bewegt. Ich stieß mit den Knien an der Lehne vor mir an, konnte kaum sitzen und war ständig am Beine versetzen; dazu musste wie ich wie stets nach wenigstens 40 Minuten pullern wie eine Bergziege. Wenn ich dann Anfahrt und Latscherei dazurechne, das Tragen von Anzug und Fliege bei schlechter Luft und all den anderen Stress, den Verweilen unter anderen Menschen mit sich bringt, werde ich meine diesbezüglichen Aktivitäten wohl auf ein Minimum einschränken.

    • Offizieller Beitrag

    Lass Fliege und Anzug weg, das erleichtert die Sache schon mal. Bequeme Jeans, bequemen Pullover, und es sitzt sich gleich viel besser!

    Niemals! 8-)