Sind CD-Sammlungen aufgespießte Schmetterlinge?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    auch wenn in diesem Forum obligatorisch wenig diskutiert wird, so fand ich die nachfolgenden Zeilen von Helmut Breidenstein, die er mir jüngst zukommen ließ, für zumindest festhaltens- und nachdenkenswert:

    Zitat

    CD- und Schallplattenaufnahmen (ich habe sie mit einem aufgespießten Schmetterling verglichen) vergessen, dass Musik immer nur im Augenblick ihrer life-Aufführung "richtig" sein kann, deren Bedingungen der Akustik, des Ensembles, des Instrumentariums, des Temperamentes des/r InterpretInnen, des Anlasses, des Publikums ja jedes Mal wechseln - Lebenselement jedes "wahren mouvements".


    Ich finde den Vergleich vortrefflich: aufgereihte, farbenfrohe Schmetterlinge, die man sich sehr detailliert anschauen kann, leider tot, vs. frei herumflatternde Schönheiten, die man nur von Augenblick zu Augenblick genießen kann, dann ein tiefer - zufriedener - Seufzer und vorbei ist alles. Ganz gleich ist das mit CD-Sammlungen vs. Live-Konzerten: bei der CD hat man die Möglichkeit, unendlich viele Details durch mehrmaliges Hören kennen zu lernen (Werk und Interpretationsbezogen), die Spannung und Emotionsgeladenheit eines Live-Konzerts ersetzt es aber dennoch nicht.

    :wink:

  • Einen großen Unterschied möchte ich noch nennen: CDs haben einen viel breiteren Publikum, als ein Konzert. Es gibt zahlreiche Musiker, die ich nie kennen gelernt hätte, gäbe es die CDs nicht. Und dazu: ich glaube, eine gute Interpretation lebt auch in der Aufnahme. Bei der Aufnahme steht die zeit ja auch nicht still - klar: man kann zurückspulen, aber das ist bereits nicht dasselbe: der kontext des Zuvorgehörten verandert sich dabei. Zwar ist ein Konzert natürlich "lebendiger", präsenter, auch wegen dem körperlichen Dasein des Musikers, die Interpretation selbst behält ihr Leben auch in einer Aufnahme.

    LG
    Tamás
    :wink:

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

  • Ich kann euch beiden Recht geben! Es ist natürlich so, dass nichts ein Live-Konzert ersetzen kann, aber das Repertoire was man da hören kann, ist logischerweise begrenzt. Bei einer CD hat man da viel mehr Auswahl, und viele Werke würde ich nicht kennen, wenn es keine CDs gäbe; zwei meiner aktuellen Lieblingswerke, Elgars Sea Pictures und Rossinis Ermione wurden meines Wissens noch nie in Berlin gegeben.

    Das mit dem Schmetterling finde ich etwas hart gesagt (und Andrew Manze würde dazu sagen, dass Monty Python das ganze einen "Ex-Schmetterling" nennen würde), denn letztlich sind die Schmetterlinge ja nicht tot sondern sozusagen "un-tot"; ;) sie sind einen ganz bestimmten Ausschnitt ihres Lebens ewig lebendig und repertieren diesen.

    So würde ich das sehen. *sante*

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."
    Max Bruch (1838-1920)

    • Offizieller Beitrag

    Es ist natürlich so, dass nichts ein Live-Konzert ersetzen kann, aber das Repertoire was man da hören kann, ist logischerweise begrenzt. Bei einer CD hat man da viel mehr Auswahl, und viele Werke würde ich nicht kennen, wenn es keine CDs gäbe;


    Das ist ja bei einer Schmetterlingssammlung eben auch nicht anders... in freier Natur begegnen einem auch nicht so zahlreiche unterschiedliche Arten...

    Das mit dem Schmetterling finde ich etwas hart gesagt (und Andrew Manze würde dazu sagen, dass Monty Python das ganze einen "Ex-Schmetterling" nennen würde), denn letztlich sind die Schmetterlinge ja nicht tot sondern sozusagen "un-tot"; sie sind einen ganz bestimmten Ausschnitt ihres Lebens ewig lebendig und repertieren diesen.


    Naja, CD-Konserven sind quasi auch untot und werden jedesmal lebendig, wenn man sie anwirft. Genau dieses "Ewiglebendige" und "Repertieren(können)" macht ja eine CD aus, oder?

    *hä**sante*

    • Offizieller Beitrag

    Ist aber auch eine Preisfrage. Wenn ich mit meiner Frau hier im Gasteig ein Konzert besuchen möchte, kann ich mir von dem Geld vieeeeeeele CDs kaufen. Das kann ich nur ab und an mal, und das Repertoire ist insgesamt im Konzertbetrieb schon ziemlich eingeschränkt.

    Nein, wenn ich Musik hören möchte und das regelmäßig und intensiv, bleibt mir nur die Konserve.

    Und - das noch angemerkt: auf die "Live-Athmosphäre" aus Husten, Schniefen, Schnarchen, Rotzen und zu frühem Klatschen kann ich für das halbe ritterliche Vermögen, das ich dort zahlen muss, gerne verzichten.

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)

  • Ich finde eben, dass Aufnahmen und Konzerte nebeneinanderher existieren müssen. Ohne Aufnahmen wäre ich nie zum Großteil der Musik gekommen, die mein Leben bereichert hat. Erst recht nicht als Kind und Jugendlicher. Ich habe Opern erst auf CD gehört, bis ich irgendwann mal endlich mit der Schule zum ersten Mal in die Oper gefahren bin. Damals auf dem Land.

    Und heute? Hier in Berlin? Wenn hier jede Woche eine Oper von Lully, Charpentier, Marais oder Campra gegeben werden würde, dann bräuchte ich weniger CDs, das stimmt. :D