Filmkunst: Große Werke der Filmgeschichte

    • Offizieller Beitrag

    Ich plane für nächstes Schuljahr eine AG zur Filmkunst und zu großen Werken der Filmgeschichte. Vielleicht könnt ihr mir helfen mit Tipps von der Stummfilmzeit bis heute.

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)

  • Uhh, da gibt es so viele... wie viele sollen es überhaupt ausgewählt werden? Man könnte ja tausende aufzählen.

    LG
    Tamás
    *castor*

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

    • Offizieller Beitrag

    Na ja, was euch so einfällt, mir kurzen Hinweisen, warum der Film so wichtig ist. Etwa "Der Pate 2" wegen der kunstvollen Rückblenden.

  • Okay...

    Chaplin: Zirkus - wegen der perfekten Mischung von Drama und Humor.
    Lang: Metropolis - weil dieser Film ist der Urvater von allem Sci-Fi.
    Murnau: Nosferatu - wegen der subtilen Kameraarbeit.
    Eisensetein: Panzerkreuzer Potomkin - was vermag allein der Schnitt?
    Dreyer: Jeanne D'Arc vor dem Gericht - zeigt, wie Film nur durch Bilder bewegen und erschüttern kann.
    Lang: M - wie Ton im Film eine dramaturgisch tragende Funktion bekommen kann
    Chaplin: Monsieur Verdoux - perfekter Begleter zu M.
    Welles: Citizen Cane - filmische/cinematographische/dramaturgische Vielschichtigkeit
    Hitchcock: Die Vögel - Suspense
    Hitchcock: Psycho - Suspense, Spiel mit Erwartungshaltung
    Hitchcock: Fenster zum Hof - Spannung und Action auf kleinstem Raum
    Godard: Außer Atem - die Großstadt auf Film, neue Techniken in Dreh und Schnitt
    Kubrick: 2001 - Space Odyssey - Philosophie und Sci-Fi
    Tarkowskij: Solaris - Philosophie und Sci-Fi
    Tarkowskij: Spiegel - Poesis und Film
    Bergman: Der siebente Siegel - Mysteriumspiel und Film
    Malick: Badlands - Wirkung des europäischen auf den amerikanischen Fim
    Scorsese: Taxi Driver - Wirkung des europäischen auf den amerikanischen Fim
    Besson: Nikita - und einmal zurück: Wirkung von Hollywood auf Europa
    Tarantino: Pulp Fiction - Zeit und Dramaturgie in Film
    Spielberg: Saving Private Ryan + Malick: The Thin Red Line - zwei amerikanische Filme über den Krieg aus dem selben Jahr, thematischer Vergleich
    Kurosawa: Yojimbo + Leone: Für eine handvoll Dollar + Hill: The Last Man Standing - Dasselbe dreimal: Das "Remake"
    Von Trier: Dogville - Theater und Film

    Soviel für's erste, aber ich habe eine Menge ausgelassen. Das meiste davon habe ich selber durchgenommen mit Kindern, als ich noch Lehrer war...

    LG
    Tamás
    *castor*

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    • Offizieller Beitrag

    Okay...

    Tausend Dank! :jubel:

    Soviel für's erste, aber ich habe eine Menge ausgelassen. Das meiste davon habe ich selber durchgenommen mit Kindern, als ich noch Lehrer war...

    Wieso war? 8-) Bist ein Kollege und sachst jar nüschte ... :)

  • Weil ich zur Zeit telefonischer Kundenservice-Mitarbeiter bin... und ich möchte nicht zurück zum Lehrerpult... *hide*

    LG
    Tamás
    *castor*

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  • Ein paar leidlich ungeordnete Gedanken, mehr zu mir selbst gesprochen...
    Von Tarkowskij würde ich eher zu "Iwans Kindheit", dem letzten Bild aus "Andreij Rubljow" und "Stalker" greifen, einfach weil alle drei für Jugendliche mehr Anknüpfungspunkte bieten bzw. leichter zugänglich sind als die genannten. Poesie und Philosophie, auch Religiosität und Mystik sind da natürlich ein Thema aber vor allem auch Tarkowskijs Thema Zeit einzufangen, so wie ich es verstehe, wirklich erlebbar zu machen und dabei - im Kino - über Augen und Ohren alle Sinne anzusprechen.

    Von Kurosawa würde ich zu Rashomon greifen, weil die wiederum erkenntnisphilosophische und kommunikationspsyhologische Thematik nicht nur hochspannend ist, sondern auch wiederum für Jugendliche gut erfassbar und erhellend, dabei filmisch und schauspielerisch natürlich genial umgesetzt. Die "Sieben Samurei" lassen sich natürlich mit dem Hollywood-Remake vergleichen und "Träume" (der Film ist schwer zu bekommen) ist ein exemplarisches Beispiel für einen Episodenfilm, der ein Thema einkreist.

    Bunuel dürfte natürlich nicht fehlen: Das Frühwerk "Chien andalou" ist bis heute irritierend und amüsant. In Bezug auf die Handlungsführung, Montage ein perfektes Beispiel für die surreale Wahrnehmungserweiterung. Dann natürlich "Nazarin" als Christusfilm, der Tarkowskij inspirierte in seiner Auffassung filmischer Poesie und in seiner Dichte wie Bilder nicht manieriert um ihrer selbst willen, sondern vollkommen organisch die Handlung tragen (Pesthauch). Ein später Bunuel, etwa die "Milchstraße", käme natürlich auch in Frage.

    Der italienische Film ist auch nicht zu verachten:
    Pasolini "Il vangelo secondo Matteo" (besser auf Deutsch) - Laienschauspieler, Verismus ...
    Fellini: La Dolce Vita - Woher kommt das Wort Paparazzi? Barocke Lust und menschliche Ödnis.

    Ja, und auch im deutschsprachigen Nachkriegsfilm...
    Edgar Reitz: "Mahlzeiten" - Aufbruch, Scheitern, Flucht, von Wenders wollen wir gar nicht erst reden, aber am Himmel über Berlin ist's schwer vorbeizukommen und die Bildregie in "Paris, Texas" ist auch schwer zu toppen.
    Reitz: "Die andere Heimat" - filmisch-epische Geschichtsschreibung, ein anderes Beispiel: Haneke "Das weiße Band"
    Bei Fassbinder kenne ich mich nicht wirklich aus, genausowenig, bedauerlicherweise, im ostdeutschen Film.

    Ein herausragender Vertreter des chinesischen Films: Zhang Yimou "Leben" - filmische Vergangenheitsbewältigung der Kulturrevolution in der Diktatur; "Hero" - seine vermeintliche Anbiederung an das System - die Dekonstruktion des Helden-Mythos.

    USA als Filmland:
    John Huston: "Der Schatz der Sierra Madre". Hollywood Starkino mit existentialistisch-europäisch (B. Traven) gefärbtem Anspruch. Sein letzter Film "Die Toten" ist leider kaum zu bekommen. Wie Marylin Monroe in "The Misfits" vermenschlicht wird, ist auch ein Thema für sich (Arthur Miller).

    Dann: Es gibt auch Komödien. Europe goes Hollywood. Billy Wilder "Manche mögens heiß" Gegen die Regeln: Tragik-Komik-Travestie. Von Lubitsch reden wir besser nicht, da es sich erübrigt.

    Western war ein populäres Genre und ist es bis heute: "12 Uhr mittags" - Zeit! Und eine fragwürdige Moral.
    Vergangenheitsbewältigung auf amerikanisch: "Little Big Man"

    Jim Jarmush als exemplarischen Vertreter des trockenen Humors der 80er Jahre nicht vergessen (egal was)

    Und als krönenden Abschluss: Terry Gilliam "Brazil" Dystopie als Satyrspiel.

  • Also "Solaris" und "Yojimbo" haben bei meinen Stunden durchaus sehr guten Anklang gefunden - wir haben beide Filme in einem Projekt über Remakes angeschaut, dem tarkowskijschen "Solaris" wurde die soderbersche Fassung gegenübergestellt. Es wurde dann behandelt, wie Story und Inhalt sich zueinander verhalten - hier gleiche Story verschiedener Inhalt.

    Bei Yojimbo/Fistful/Last Man - haben wir das Thema Genre-Kino behandelt: westerninspirierter Jidaigeki-Samuraifilm vs. Italo-Western vs. Gangster-Neo-Western.

    Ich halte nichts davon nach "Anknüpfungspunkte für Jungendliche" zu suchen. Ich habe mal mit meiner Gruppe Antichrist von Lars Von Trier angeschaut, und nie hatte ich eine bessere Diskussion mit ihnen über Film, Kunst und weitere Theman gehabt, als danach.
    Ich habe in der Mittelschule (9.-12. Klasse bei uns) auch Film gelernt, und den größten Eindruck hat bei mir damals "Nostalgia" von Tarkowskij (meine erste Begegnung mit seinen Filmen) und "Das Kind von Macon" von Greenaway hinterlassen. Und freilich der Trias: Caligari-Nosferatu-Metropolis...ach ja und Jeanne D'Arc von Dreyer.

    LG
    Tamás
    *castor*

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  • Jim Jarmush als exemplarischen Vertreter des trockenen Humors der 80er Jahre nicht vergessen (egal was)


    Jarmush, habe ich als Jugendlicher nicht richtig verstanden.Seine Ironie ist zu subtil, und man muss zum richtigen Verständnis ein großes Vorwissen an Genre-Elementen haben, um den Humor richtig mitzubekommen. Das muss natürlich jetzt nichts bedeuten. Mein zweitbester Freund war - mit mir gleichaltrig - der größte Jarmush-Fan zur selben Zeit.

    LG
    Tamás
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  • Noch ein Tipp:

    "Akira" von Katsushiro Otomo. Bietet eine menge Gesprächstoff angefangen vom Bilderwelt, und wie das eine Menge heutige Filme beeinflusst hat, über den Vorurteil Zeichentrickfilm=Kindermärchen, und freilcih auch über INhaltliches.

    Gleiches gilt freilich auch für "Ghost in the Shell".

    LG
    Tamás
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    • Offizieller Beitrag

    ... und ich möchte nicht zurück zum Lehrerpult... *hide*

    Es hat schöne Facetten, aber sie werden weniger ... siehe PN ...

    • Offizieller Beitrag

    Ein paar leidlich ungeordnete Gedanken, mehr zu mir selbst gesprochen...

    Und trotzdem höre ich zu und danke dir und Tamàs für eure interessanten Beiträge. Schon seltsam, dass wir Klassikfreaks auch noch die gleichen Filme (JD wohl auch) mögen, denn praktisch alle aufgeführten kenne und goutiere ich auch.

    Meine Favoriten:

    Friedrich Wilhelm Murnau, Fritz Lang, Sergeij Eisenstein, Quentin Tarantino, „Monty Python“, Stanley Kubrick, Werner Herzog, Andrej Tarkowskij, Volker Schlöndorff,Luchino Visconti, Francis Ford Coppola u.v.a.m.

    • Offizieller Beitrag

    Ich halte nichts davon nach "Anknüpfungspunkte für Jungendliche" zu suchen. Ich habe mal mit meiner Gruppe Antichrist von Lars Von Trier angeschaut, und nie hatte ich eine bessere Diskussion mit ihnen über Film, Kunst und weitere Theman gehabt, als danach.

    Das ginge hier in Deutschland schon rein rechtlich gar nicht. Einmal wegen der FSK und ein andernmal wegen des Copyrights. Man darf als Lehrer seine eigenen DVDs nicht in der Schule zeigen, nur solche, die über die offiziellen Medienstellen des Landes auszuleihen sind.

  • Ich hatte es leicht: ich arbeitete im Schülerwohnheim, und bin dann mit meiner Gruppe einfach ins Kino gegangen. Die meisten Gruppenmitglieder waren damals schon über 18, und bei den wenigen, die es noch nicht waren, habe ich ein Auge zugedrückt.

    LG
    Tamás
    *castor*

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  • Ich halte nichts davon nach "Anknüpfungspunkte für Jungendliche" zu suchen.


    Neben dem was Yorick dazu angenmerkt hat, was natürlich die Auswahl limitiert, denke ich, dass hier unterschiedliche Wege gangbar sind. Wesentlich ist die authentische Vermittlung (die Lehrerpersönlichkeit). Im Übrigen geht es hier in jedem Fall um Filme auf höchstem Niveau. Die individuellen Offenheiten, Sehgewohnheiten, Toleranzen sind bei Jugendlichen sehr unterschiedlich. Es wird nicht wenige geben, die noch nie einen S-W-Film gesehen haben. Geschweige denn einen Stummfilm. Eine Filmsprache wie die von Tarkowskij war in meiner Jugend und jungen Erwachsenenzeit etwas sehr Ungewöhnliches. Aber es war nicht SO ungewöhnlich wie heute. Es kamen Filme von Fassbinder in die Mainstreamkinos. Im Fernsehen lief Solaris u.v.a.m. nicht im Nieschenprogramm. Die Filmsprache von Hollywoodfilmen war noch nicht so sehr auf visuelle Achterbahnfahrt gemünzt wie heute.

    Im Übrigen gibt es noch manches nachzutragen:
    Truffaut: Fahrenheit 451
    Überhaupt gibt es im französischen Film noch einige Perlen. Nehmen wir nur mal Themroc oder Das große Fressen (aber das fällt wieder unter Yoricks FSK Verdikt, das obwohl diese Filme zwar verstörend, aber trotzdem viel weniger manipulativ sind als heutiges FSK-16-Mainstream-Kino). Ich glaube Frankenstein von 1931 mit Boris Karloff ist auch noch FSK 18.

    • Offizieller Beitrag


    Neben dem was Yorick dazu angenmerkt hat, was natürlich die Auswahl limitiert, denke ich, dass hier unterschiedliche Wege gangbar sind. Wesentlich ist die authentische Vermittlung (die Lehrerpersönlichkeit). Im Übrigen geht es hier in jedem Fall um Filme auf höchstem Niveau. Die individuellen Offenheiten, Sehgewohnheiten, Toleranzen sind bei Jugendlichen sehr unterschiedlich. Es wird nicht wenige geben, die noch nie einen S-W-Film gesehen haben. Geschweige denn einen Stummfilm. Eine Filmsprache wie die von Tarkowskij war in meiner Jugend und jungen Erwachsenenzeit etwas sehr Ungewöhnliches. Aber es war nicht SO ungewöhnlich wie heute. Es kamen Filme von Fassbinder in die Mainstreamkinos. Im Fernsehen lief Solaris u.v.a.m. nicht im Nieschenprogramm. Die Filmsprache von Hollywoodfilmen war noch nicht so sehr auf visuelle Achterbahnfahrt gemünzt wie heute.

    Schön formuliert. Auch mir geht es ja nicht um ein Hochschulseminar zur Cineastic, sondern um das Aufbrechen der Sehgewohnheiten der Schüler. Obwohl Tag und Nacht von audiovisuellen Medien umgeben und täglich in der Regel mehrere Filme oder Serienepisoden schauend wissen sie nichts, aber auch gar nichts über filmkünstlerische Mittel, über Film als Kunst. Woher auch, wenn die Eltern es nicht vorleben. Bislang gelingt es mir meist innerhalb der Behandlung von Dramen und Romanen, auch verschiedene Verflmungen als eigene Kunstform mit einzubeziehen, freilich immer nur als EINEN möglichen Aspekt der Interpretation überhaupt. Der Film selbst als Kunstgattung mit seinen eigenen Möglichkeiten reizt mich aber sehr, denn die Einheit von Sprache, Musik, Bildern etc. schafft schon ein Gesamtkunstwerk, das heutigen jungen Menschen weitaus näher ist als alle klassische Musik, Literatur oder bildende Kunst.

  • Oder man schaut sich "Blue" von Derek Jarman an, und redet über Schnitt und Kameraarbeit... ;)*lol*

    "Caravaggio" mag ich allerdings über alles! Ist wohl aber weniger für Kids... obwohl, weir weiß, was ankommt?

    LG
    Tamás
    *castor*

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    • Offizieller Beitrag

    Ich finde, die ganz großen Filme definieren sich nicht nur über filmeigene Aspekte wie Kamera und Schnitt, sondern eben auch über sonst eigenständige Kunstformen wie Literatur, Musik etc. Vergleiche "Der Kontrakt des Zeichners" ...

  • um das Aufbrechen der Sehgewohnheiten der Schüler


    Ja, das ist sehr wichtig, darum ging es mir auch.

    Dieses Remake-Projekt (Solaris vs. Solaris; Yojumbo vs. Fistful... vs. Last Man..; La Jetée vs. 12 Monkeys, und noch einige) war in meiner Gruppe in diesem Sinne sehr erfolgreich.

    LG
    Tamás
    *castor*

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