01. - Clavierkonzert op. 61a D-Dur: Einspielungen (opi)

    • Offizieller Beitrag

    Auf einem Hammerflügel von Johann Fritz, etwa aus dem Jahre 1810, wird das ehemalige Violinkonzert zu einem faszinierend neuartig klingenden Clavierkonzert.

    Eigentlich sollte man sowieso die gesamte Box besitzen:

    Schade ist bloß, daß die Chorfantasie op. 80 und das Tripelkonzert op. 56 noch nicht aufgenommen wurden.

    „Clavierkommafünfkonzert“ übrigens deswegen, weil es zeitlich zwischen dem 4. und 5. anzusiedeln ist; gelegentlich wird es als 6. Clavierkonzert bezeichnet - dieser Zählung kann ich leider nicht logisch folgen. Für mich hat diese Einspielung Schoonderwoerds das Violinkonzert, das ich bis zum Kennenlernen der beiden Einspielungen von Kopatchinskaja und Grimal nie wirklich mochte, vollständig ersetzt.

    Da Arthur Schoonderwoerd erneut eine Uraufführungssituation simulieren wollte, fällt die sagenhafte "Paukenkadenz", die erst nach 1810 komponiert wurde, aus dem Rahmen. Diese Kadenz wurde zudem für ein 6 Oktaven umfassendes Instrument komponiert, daher ist es leider nicht möglich gewesen, dieses Phantastikum auf dem Johann Fritz wiederzugeben. Stattdessen improvisiert Schoonderwoerd knappe und knackige Kadenzen zu den jeweiligen Sätzen, die sich kaum bemerkbar in den Fluß der Musik integrieren. Das Konzert wird also nicht großartig zur Präsentation des Solisten unterbrochen, das wesentliche Ohrenmerk kann also bei der Musik Beethovens bleiben.

    Erstaunlich erneut, welche Wucht und Klangstärke die vermeintlich handzahme und definitiv überschaubare Cristofori-Mannschaft an den Tag legen kann - ganz im Kontrast zu den sehr ausgearbeiteten lyrischen Momenten, die bestenfalls überhaupt nicht mehr aufhören wollen.

    Auch wird in dieser Interpretation die Nähe zu op. 58 und 73 sehr deutlich: der fast nahtlose Übergang des Mittelsatzes zum Finalsatz beispielsweise ist eines dieser Merkmale. Und ganz ähnlich dem 4. Konzert sind die Klangeffekte, die nur in dieser Klavierfassung zu hören sind: die Instrumente versprühen im 2. Satz Klänge wie Parfum. Was kann herrlicher sein, als die Streicher-Pizzicati mit den Klaviertröpfchen bei ca. 4:50 ? Wenn ich da an die originäre Violinversion denke, weiß ich, warum ich op. 61a so schätze.

    • Offizieller Beitrag

    Endlich gesellt sich eine weitere HIP-Version des Clavierkommafünfkonzertes dazu:


    51mhMT1QUTL._SS300.jpg



    Gottlieb Wallisch, Hammer-Flügel

    Orchester Wr. Akademie
    Martin Haselböck

    Auch materiell zu haben:

    Wallisch bespielt einen Hammerflügel von Franz Bayer, Wien c1825 mit Stiefeldämpfung und vier Pedalen (Moderator, Dämpfer, Fagottzug, Verschiebung).

    Später mehr ...

    • Offizieller Beitrag
    Arthur Schoonderwoerd (2007) Gottlieb Wallisch (2018)
    Johann Fritz c1810 Franz Bayer c1825
    I. Allegro ma non troppo 19:33 21:37
    II. Larghetto 7:35 7:36
    III. Rondo 8:29 9:44

    Die Einspielung mit Gottlieb Wallisch am kernigen Franz-Bayer-Flügel gewinnt an Kuriosität, da hier - technisch bedingt - die Darbietung der bekannten „Pauken-Kadenz" möglich war (der im Ambitus noch bescheidenere Johann-Fritz-Flügel ließ dies nicht zu und forderte von Schoonderwoerd entsprechende Improvisation).

    Trotz der stärkeren Besetzung der Wr. Akademie und des im Klang verbindlicheren Bayer-Flügels erklingt Schoonderwoerds Ergebnis deutlich harscher, meinetwegen „kriegerischer", was mitunter auch daran liegen mag, daß Schoonderwoerd während der „reinen Orchesterteile" nicht mit gefalteten Händen sinnlos am Instrument sitzt, sondern den Hammerflügel meistensteils colla Parte mitwirken lässt (und somit einen besonderen - für manche Hörer mitunter ungewöhnlichen - „Sound" erzeugt).

    Die überaus lobenswerte Einspielung Wallischs reiht sich somit in die Clavierkonzert-Editionen Immerseels, Levins, Lubins [...] gleichwertig, vor allem aber: ergänzend, ein. Wer als Hörer schon den Unterschied im Soloinstrument (Violine vs. Tasteninstrument) als krass empfindet, dem wird beim Vergleichen dieser beiden Aufnahmen mindestens ein Ohr aufgehen ... der Unterschied zwischen Lyriké und Pólemos ist bei Schoonderwoerd deutlich stärker ausgeprägt, aber bei Wallisch/Haselböck sicher wahrnehmbar, wenn auch nicht so intensiv.

    Ich kann mich jetzt kaum für eine „bessere" Einspielung (von beiden) entscheiden: beide herausragend und einsam den Gipfel im HIP/opi-Bereich behütend ... sie sind zu unterschiedlich im Klang und im Detail, als daß man sie wirklich vergleichen könnte. Meinetwegen: Wallisch kommt m. E. etwas „verbindlicher" an, Schoonderwoerd bedarf sicher für den einen oder die andere ein größeres Maß an (Klangum-) Gewöhnung.

    Natürlich: das „Orchester" ist bei Cristofori feingliedriger, durchhörbarer, mitunter dadurch schockierender; wer also den herkömmlichen Orchesterklang bevorzugt, ist mit Haselböck und den Seinen bestens bedient, denn auch hier ist das Orchester in einzelnen Stimmen sehr gut durchhörbar, rhythmisch mitreißend und mit tollen Bässen ausgerüstet; die ReSOUND-Truppe geht das Conzert insgesamt etwas ausgeglichener - weniger unruhig und aufgeregt als Schoonderwoerd also - an (was u.a. die Spielzeiten verdeutlichen; ich fühle mich aber keinesfalls gelangweilt, sondern stets gespannt), dennoch stets den Blick gespitzt und das Ziel vor Augen nach vorn gerichtet und, ohne aufdringlich zu sein, sanft drängend.

    Fazit: in jedem Fall eine unverzichtbare Bereicherung!

    Zu enthaltenen Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93 hier