Warum ausgerechnet Klassik?

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    Hallo,

    warum hört ihr ausgerechnet Klassik?

    Warum setzt ihr Euch dem Zustand aus, Außenseiter zu sein? Oder ist es gerade das "Anderssein als andere", das euch dazu treibt, diese doch nach allgemeinem Verständnis eher uncoole Art von Musik zu hören? Wer wurde in seiner Schulzeit deswegen nicht gehänselt oder blöd belächelt?

    Was mich selbst betrifft, so ist es eine (Ideal-) Kombination aus verschiedenen Bestandteilen: zum einen möchte ich natürliche Klänge erleben (also keine elektronisch erzeugten), zudem fasziniert mich der historische Hintergrund und Zusammenhang von Musik und Geschichte (das ist spannender als jeder Krimi oder Thriller und es gibt fast pro Note etwas Neues zu entdecken). Die Liebe zu historischen und seltenen (ausgefallenen) Instrumenten gesellt sich immer mehr hinzu. Ich verbinde auch mit der Art von Musik, die ich höre, stets die Zeit, aus der die Musik stammt und versuche, das "Feeling" nachzuempfinden. Es ist vielleicht für mich schon so eine Art "Flucht aus dem Alltag" - dort würde die gängige, heute aktuelle, Musik eher die aktuellen Probleme noch vertiefen; das brauche ich nun wirklich nicht (wenn es vielleicht auch eine der Aufgaben von Musik ist, ich betrachte das lieber mit sicherem Zeitabstand).

    Mit andern Worten, ich weiß es eigentlich gar nicht genau :D

    Wie schaut's bei euch aus?

    :wink:

    • Offizieller Beitrag

    Ich bin da emotionaler: Klassische Musik ist diejenige, welche mich berührt. Das ist alles. Dass mich das zum Außenseiter macht, behagt mir nicht. Ich wünschte, alle um mich herum würden so empfinden.

    Ich bin immer wieder auf der Suche nach neuen Stücken und Komponisten, um neue Klänge zu finden.

    Der historische Aspekt interessiert mich tatsächlich nur am Rand, und so kann mich ein KV 466 von Schoonderwoerd ebenso begeistern wie von Buchbinder. Die Musik ist es, die mich berührt, nicht das Wissen.

    Mir hat schon einmal jemand vorgeworfen (ein Pop-Hörer, was sonst), ich würde das ja nur hören, um meinen Intellekt zu befriedigen. Unsinn. Klassik trifft mich bis ins Mark. Jede(r) muss die Musik finden, die bei ihm oder ihr eine Resonanz der Seele erzeugt. Bei dem einen mag das Hardrock sein, beim nächsten Kuschelpop, und bei mir eben Mahler.

    • Offizieller Beitrag

    Mir hat schon einmal jemand vorgeworfen (ein Pop-Hörer, was sonst), ich würde das ja nur hören, um meinen Intellekt zu befriedigen.


    Achso. Eine gewisse Abgrenzung findet ja aber schon statt; zwar wohl unbeabsichtigt (also durch den Geschmack verursacht, gegen den man ja nun einmal machtlos ist...), aber ab einem gewissen Zeitpunkt der Erkennens doch mehr bewußt, oder? Ich meine damit, daß man es nach der Erkenntnis (daß man nicht mit dem Strom mitschwimmt) oder besser: dem Bekenntnis auch in dem Bewußtsein, anders zu sein, dabei ebenso bewußt der Liebe zur Musik wegen belässt (bei mir etwa ab Lebensalter 14/15) und nicht auf Popmusik umswitcht, um "dazu zu gehören". Dafür gibt's noch immer Zigaretten...

    Mir war gar nicht aufgefallen, daß mein Eröffnungsbeitrag so phlegmatisch war, wobei ich schon gezielt etwas objektiver als sonst schreiben wollte.

    Um es etwas liebevoller auszudrücken: ohne Klassik geht bei mir absolut gar nichts. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht diese Musik höre oder selbst spiele - dafür glüht mein Herz zu viel für diese Klänge.

    :wink:

  • Auf Deine Frage, lieber Ulli, >>>Wie schaut's bei Euch aus" antwortetete "Travinius" >Ich seh das wesentlich emotionaler<.

    ICH sehe das wesentlich analytischer (aber auch erst seit einigen Jahren). Wenn man nicht an die >Jungfrauengeburt< glaubt, entsteht für mich die Frage der >Prägungsstrukturen<... damit meine ich gar nicht, daß Mama/Papa automatisch das Talent an Sohn oder Tochter vererbt, ODER die entsprechende Beeinflussung / Hörkultur im Elternhaus... im Normalfall ausschlaggebend sein müssen.

    Meine Geschichte beginnt im Krieg... und dem danach folgendem Schweigen in unserer Familie... >DAS NICHTGESAGTE IST AUCH IM RAUM<. Kinder sind erfinderisch, vorallem in der Not... neigen sie zur Legendenbildung oder z.B. zu einer Art Rettungsanker, in der all das VIELE NICHTGESAGTE und DAS, was Kinder ausschließt, nicht ernst nimmt oder kränkt, einfliessen kann.

    Bei mir wurde mit 13 Jahren die KLASSISCHE MUSIK zur (Rettung) Entdeckung in einem Kindererholungsheim. Ich habe an anderer Stelle schon mal erwähnt, daß der damalige Leiter der Gruppe von 15 rekonvaleszenten Jungen, neben Fußball und Wandern AUCH den ehrgeiz hatte KLASSIK näher zu bringen. Also ich sprang damals auf die Sinfonie "Aus der Neuen Welt" an.

    Diese Sinfonie wurde zum Ausgangspunkt und Sammelbecken meiner alleingelassenen Seele nach 13 Jahren UNBEDARFTHEIT. Ich konnte einen unglaublichen Schatz an Gefühlen, verschiedenen Welten von Empfindungen jeder Art und unterschiedlicher Herkunft entdecken. PLÖTZLICH wurde mein Herz/mein Leben VOLL... LEERE und Kränkung als Kind nicht ernst genommen worden zu sein, wurden kleiner und kleiner...

    Die Frage des MINDERHEITENSTATUS, die Du, lieber Ulli, ansprichst hat sich für mich nie gestellt. DAS was mich bereichert und glücklich macht, habe ich für mich entdeckt... vielleicht konnte ich so zum ersten Mal auf was EIGENES stolz sein.


    P.S. gestern habe ich 3 Std Jazz gehört *bunny**bunny**bunny*


    Arnulfus

  • naja warum ... wahrscheinlich, weil meine eltern vorwiegend klassik hörten, sodass dann irgendwann bei den späten tschaikowski-sinfonien die begeisterung losging? und weil ich an die geige gekettet ward mit zarten 6 jahren? das führte jedenfalls dazu, dass ich pop und rock als kind ganz furchtbar fand und mich auch in der tanzschule nur durch gewöhnung selektiv damit anfreundete. und heute finde ich das nicht-klassische immer noch nur ab und zu ganz nett aber nicht gleichwertig.

    in der schule war es für mich selbstverständlich, mich nicht beeinflussen zu lassen von den mitschülern, ich bin gar nicht auf die idee gekommen, sie könnten mit ihrem musikgeschmack recht haben. und ich hatte auch keine scheu, im musikunterricht kundzutun, dass ich die stockhausen-klavierstücke toll fand, die unser lehrer uns wohl nur der information wegen vorspielte, er mochte sie auch nicht. auf unserer matura-saufreise sah ich auch keine anbiederungsnotwendigkeit und hörte per walkman berio und henze. nichtklassische musik gesammelt habe ich erst seit 3 jahren und das schläft eher wieder ein.

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    wahrscheinlich, weil meine eltern vorwiegend klassik hörten, sodass dann irgendwann bei den späten tschaikowski-sinfonien die begeisterung losging?


    Entsprechend müsste ich Heino und Hugo Strasser hören... 8o
    Das führte übrigens auch dazu, daß ich das ganz furchtbar fand.

    :beatnik:

    • Offizieller Beitrag


    Entsprechend müsste ich Heino und Hugo Strasser hören... 8o
    Das führte übrigens auch dazu, daß ich das ganz furchtbar fand.

    Hierauf angemessen zu antworten halte ich Arnulfus wesentlich berufener als mich; aber meine Erfahrungen mit meinen Mitmenschen lehrten mich, dass beide Varianten vorkommen: Aufnehmen von Anregungen des Elternhauses und verinnerlichung dieser Werte und Leitlinien zu den eigenen, aber auch das Gegenteil: Protest und bewusste Abgrenzung - ich mache das Gegenteil, um nur ja nicht so zu sein, wie ihr. Ich glaube, dass das ganz wesentliche Bestandteile der Pubertät sind.
    Mit zunehmender Reife selektiert man dann eben seine Werte und und Leitlinien aus der Auswahl und wird zur eigenständigen Persönlichkeit. Dabei spielen natürlich auch weitere Einflüsse wie Schule, Freundeskreis, eigene Erfahrungen etc. eine Rolle.

    Arnulfus, bitte stell meine naiven Ansätze richtig, wo Du es für angemessen hältst.

    Bei mir war es tatsächlich im Bezug auf die Klassik weder noch. Meine Eltern hörten Schlager. Mein Großvater war Klassikfanatiker in extremo, aber den sah ich nur ein- oder zweimal im Jahr, und dann sprach er kaum mit mir. An der Musik teilhaben ließ er mich nicht, wir waren eh alles nur Banausen. Mein Großvater war ein ziemlicher Misanthrop...
    Meine Eltern haben mir alles angeboten: Sportvereine, Musikschule etc. Und da hat sich dann eben rauskristallisiert, was mir am besten gefällt. Für die vorbehaltlose Art, mir alles zu präsentieren und mich selbst wählen zu lassen, unabhängig von eigenen Vorlieben, bin ich meinen Eltern wirklich dankbar.

  • Aufnehmen von Anregungen des Elternhauses und verinnerlichung dieser Werte und Leitlinien zu den eigenen, aber auch das Gegenteil: Protest und bewusste Abgrenzung - ich mache das Gegenteil, um nur ja nicht so zu sein, wie ihr. Ich glaube, dass das ganz wesentliche Bestandteile der Pubertät sind.


    Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war, als ich bemerkte, dass mich Tschaikowskys Sinfonien begeistern können, jedenfalls war das vor der Pubertät. Mit 14 war ich bei Strawinskys Sacre, mit dem ich nicht meine Eltern sondern meine Schulklasse per Referat schockte. Meine Eltern haben das zwar nicht selbst aufgelegt aber sie haben auch nichts dagegen gesagt, und dass die Musik, die ich damals komponierte, allmählich atonal wurde, haben sie auch nicht in einer Weise kommentiert, die mir noch erinnerlich wäre - allerdings bin ich ein Meister darin, alles Autobiographische zu vergessen, mein Leben ist mir also größtenteils unbekannt.

  • Bei mi ist das eine Verschmelzung mehrerer schon genannten Aspekte:

    meine Eltern hören ausschließlich klassische musik, und betrachten nur diese für wertvoll. Ich war so um die 15, als ich selbst das Bedürfnis hatte, Musik zu hören - ich wollte aber irgendwie "meine Musik" finden, gegen den gekannten Schemen rebellieren. Das führte letztendlich dazu, dass ich zu suchen anfing, welche Musik mir behagt, aber klassische Musik habe ich zunächst ausgeklammert.
    Ich fand ugf. eine Jahr später die sog. "Electronica"-Szene, also die experimentelle elektronische "Pop"-Musik, mit Acts wie Aphex Twin, Squarepusher und Autechre. Hier fand ich eine mehr zusammengesetzte und weniger seichte Musik, als die übliche Pop-Rock-Szene. Dabei erreichten mich aber immer wieder Eindrücke von der klassischen Seite: Mahler, Bruckner, Victoria, Biber - hab ich zu dieser Zeit zum ersten Mal gehört, und die haben mich alle sehr beeindruckt, blieb aber trotzdem bei der elektronischen Gequietsche.

    Langsam aber bin ich draufgekommen, dass sogar diese "experimentell" genannte Musik sehr vorschaubar ist und in dieser Hinsicht doch nach ähnlichen Prinzipien wie Pop-Musik funktioniert. Ich wollte langsam mehr.

    Genau zu dieser Zeit erlebte ich meine "traditionalistische Phase" (ich Stand unter dem Einfluss der Lektüre von René Guénon und Julius Evola) und drehte mich von allem ab, was mir als "modern" dünkte. Auch die Musik, die ich hören wollte, habe ich danach gewählt und zunächst vor allem mittelalterliche Musik (und Bruckner) gehört. Diese Wahl fiel mir umso leichter, da meine Familie ja Klassikhörer ist, so war das mir ein sehr natürlicher Schritt.

    Da ich aber sehr schnell auch denken anfing ( :D ) habe ich oben genannte "Philosophen" schnell in Zweifel gezogen und ich begann meine Interesse an Musik langsam kronologisch auszuweiten. Ich bin zurzeit an der vorklassischen Epoche angekommen und möchte mir langsam auch die Klassiker erarbeiten.

    Da ich sehr viel über das Problem "Musik hören" nachgedacht habe, habe ich einige Argumente neben klassischer Musik gesammelt: wenn jemand mir erklärt, er möge nur Pop/Rock-Musik, frage ich ihn, was er an diese Musik mag. Zu oft bekomme ich als Antwort, das ihm die Texte gefallen. Da frag ich ihn dann: ist deine Liebe zu dieser Musik also von literarischer Natur? Dann magst du eigentlich die Musik nicht. Erst wenn man sich an musikalische Elemente bei ihrer Muskliebe orientiert, mag man Musik.

    Neuerdings kommt es vor, dass ich in die Stimmung komme und wieder das alte elektronische Gequietsche hervorkrame. Nach ein paar Tagen ist das aber vorbei und ich kann es wieder nicht ertragen.

    LG
    Tamás
    :wink:

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

  • Bei mir hat das ganze vielleicht etwas ungewöhnlich angefangen - ursprünglich hatte ich klassische Musik dazu benutzt, mal zu meditieren, abzuschalten. Ich war damals - so mit ca. 17 total interessiert an allem was irgendwie mit Psychologie zu tun hatte. Und es kam dann auch irgendwann die "Musikalische Hausapotheke" dazu - auch wenn ich das Buch schon ewig nicht mehr in der Hand hatte, aber schlecht war es nicht. Einerseit haben mich die emotionalen Beschreibungen darin schon sehr - ja, fast "heiß" gemacht, andererseits gab es Tipps für Aufnahmen. Ich glaube, Klassik-Akzente habe ich dann auch in der Stadtbibliothek für weitere Recherchen zu guten Aufnahmen ausgeliehen - ja, und dann habe ich im Prinzip langsam aufgebaut.
    Vorteilhaft war natürlich, als das Mozart-Jahr 91 kam. Immerhin gab es günstige Sampler, wo z.B. das fis-Moll Adagio von Mozarts Klavierkonzerts A-Dur KV488 enthalten war, nebst dem langsamen Satz aus seinem Klarinettenkonzert. Beide Stücke habe ich sehr oft gehört und gerade den fis-Moll Satz habe ich tief empfunden, der ging runter wie bittersüße Schokolade... Und ab da ging es eigentlich so richtig los, dass ich mich immer mehr für klassische Musik interessierte, möglichst günstig und möglichst auch in guten Aufnahmen. Was gute Aufnahmen sind, habe ich schnell gemerkt - und dass mir besonders die klar durchhörbaren Aufnahmen, und da vor allem die opi besonders gut gefallen, wurde auch schnell immer klarer. Wobei es mir wirklich nicht rein auf opi ankommt, sondern wirklich auf das schlanke musizieren.
    Anfang der 90er hatte die Pop-Musik auch so eine komische Phase, mit der ich überhaupt nichts anfangen konnte. Und ich habe dann so ab 92/93 bis ungefähr 2003 eigentlich ausschließlich klassische Musik gehört und gekauft - Stammkunde bei jpc (Bielefeld), Zweitausendeins und Saturn. Ich glaube, ich habe alles Geld, was ich als Student übrig hatte, an Musik verscherbelt ;) Das monatliche Paket von zweitausendeins war keine Ausnahme.
    Wichtigster Komponist war damals für mich Mozart, wobei auch schon Schubert, Beethoven und Mendelssohn für mich sehr wichtig waren. Schubert hat allerdings Mozart immer mehr den Rang abgelöst.
    Anfang der 2000er hatte ich eine Minimalisten-Phase, mit Nyman, Reich und Glass.
    2003 kam wieder eine größere Wende, Popmusik war eigentlich abgeschrieben für mich. Ich hörte damals allerdings Coldplay mit Clocks (das Album damals war noch ziemlich gut), und es hat mich völlig umgehauen. Irgendwie waren das ja auch minimalistische Elemente verbunden mit Pop/Rock und damals was völlig neues für mich. Und dann folgte für mich eigentlich die große Indie/Alternative-Phase - Musik, die ich auch heute noch gerne und oft höre - und die schließt klassische Musik auch nicht aus, sondern ergänzt sie für mich. Manchmal sind die Künstler ja auch mit klassischer Musik aufgewachsen - man hört es denen an! Es gibt - um nochmal auf Coldplay (von damals) zurückzukommen, auch Streichquartett-Bearbeitungen, die als Streichquartett sogar richtig gut klingen - mit musikalischem Inhalt! Ein andere Künstlerin, die ich sehr schätze und die Live auch unheimlich musikalisch rüber kommt ist Vienna Teng - die eigentlich einen Crossover aus Pop/Alternative/Klassisch/Jazz - mit Betonung auf den ersten beiden Elementen - bietet. Das ist echt teilweise anspruchsvolle Musik, sehr harmonisch. Andere Bands die ich mag, sind Nada Surf, Death Cab for Cutie, Shearwater, Guillemots,...
    Ja, und dann höre ich spontan wieder Kammermusik, nicht weil ich genug von Pop-Musik habe, sondern weil ich Lust auf was anderes habe.

    Übrigens - jetzt mal musikalische Hausapotheke / Psychologie hin oder her - es ist echt so: Beethoven höre ich gerne, wenn ich gut drauf bin, wenn ich aber schlecht drauf bin, verstärkt Beethoven bei mir auch diese Stimmung. Ich kann auch mit Musik am PC arbeiten, aber da dann tatsächlich besonders gut mit aufheiternder, spritziger Musik - etwa Haydn, Boccherini, Danzi oder Telemann, Vivaldi usw.
    Teils habe ich die Musik also instrumentiert, teils lege ich mich wirklich auch zurück und höre intensiv durch, teils auch gerne unterwegs als Untermalung und Erheiterung beim Wandern.

    Tja, warum also klassische Musik? Weil ich darin aufgehe. Weil ich Musik absolut liebe - aber bitte auch wirkliche Musik, kein Trallalla. Weil ich die unterschiedliche Herangehensweise von Künstlern an klassische Werke absolut spannend finde. Weil die emotionalen Tiefen, die sich in manchen Werken auftun (bestes Beispiel z.B. der langsame Satz aus Schuberts Streichquintett) absolut berührend sind.
    Ich bin eh ein Sensibelchen - ich glaube da passt klassische Musik einfach sehr gut.

    :wink:

    • Offizieller Beitrag

    Aus dem Vorstellungsthread destilliert:

    Zitat von Mordent

    Und es kamen mitunter lang anhaltende Episoden, in denen ich mich mit großem Eifer in den Konsum "unernster" Musik gestürzt habe. [...] Seit eineinhalb Jahren höre ich wieder verstärkt Klassik, eigentlich fast ausschließlich. Und nachdem ich mit meiner Frau zusammen extra einen Flug übers Wochenende nach Paris gebucht habe, nur um der Aufführung einer Oper von Marc-Antoine Charpentier beiwohnen zu können, muss ich der Wahrheit ins Auge sehen: Ich bin wohl doch ein Klassik-Freak.


    Diese Erkenntnis wird wohl den meisten Menschen für immer verschlossen bleiben.

    *flirt*

  • Bei mir war die Liebe zur Klassik nie ausschließlich und ist es auch heute nicht. Bei meinen Eltern lief nur zu Weihnachten Klassik, sonst -- wenn überhaupt Musik -- Rolling Stones, Creedence Clearwater Revival und 60er Jahre.

    Mein Nachbar, mit dem ich zu Grundschulzeiten immer gespielt habe, kam dann mit Mozarts Kleiner Nachtmusik an, und über dieses Stück erwachte mein Interesse für Geigen und klassische Orchester. Meine Eltern hatten zwar nicht wirklich viel mit Klassik am Hut, haben mein Interesse aber unterstützt. So durfte ich dann mal im Fernsehen ein Symphonie-Konzert anschauen, wenn eines übertragen wurde, zu meinem ersten Plattenspieler (billige Kompaktanlage, auf der ich sämtliches Vinyl zuschanden gehört habe :)) bekam ich einen ersten Mozart-Sampler, und dann fing ich an, erspartes und/oder verdientes Taschengeld in die Lerche nach Stuttgart zu tragen. Und mit elf bekam ich endlich selbst eine Geige.

    Zur Konfirmation gab es dann einen CD-Spieler. Meine Eltern haben mir um den Dreh rum auch die Solti-Aufnahme des Lohengrin mit Domingo und Norman geschenkt, die ich bald darauf auswendig konnte. Meine erste Oper. Viel zu selten, aber immerhin sind meine Eltern mit mir dann auch nach Stuttgart in die Staatsoper gefahren. Freischütz, Zauberflöte, Lohengrin, Othello, Parsifal. Mitunter sagenhafte Inszenierungen, wie zumindest mein jüngeres Selbst urteilte.

    So ab 1990 (da war ich gerade mal 15) bahnte sich dann ein stärkerer Paradigmenwechsel an, ich hörte nun auch mit größerem Interesse Rock/Pop, vor allem das Zeug, mit dem ich als kleines Kind schon berieselt wurde, und auch 70er. Im November 1992 kaufte ich meine erste Nicht-Klassik-CD, die damals soeben erschienene Harvest Moon von Neil Young.

    Tja, dann ging es aufs Abi zu, es kamen Nirvana und Pearl Jam, deren Wucht einfach mitriss, und es war eine gute Zeit, um meine damals entstehende Liebe zu West Coast, Pschedelic u.ä. mit der Grungewelle zu verbinden. Es war großartig, mit Freunden gründete ich eine Schulband, allerdings setzte ich meine klassischen Aktivitäten wie Kantorei, Schulorchester etc. dennoch fort. Ich konnte mich für Bruckners Te Deum genauso begeistern wie für die neue Stones-Platte.

    Bei einer Schulfahrt in der elften Klasse nach Köln hatte ich übrigens eines meiner denkwürdigsten Opern-Erlebnisse. Der Besuch einer nicht weiter bemerkenswerten Zauberflöte war fest ins Programm eingeplant und obligatorisch. Der Hälfte unserer sehr kleinen Klasse gefiel das dann aber so gut, dass wir in kleinerer Besetzung am nächsten Tag gleich noch in den Maskenball gingen. Damit hatten dann alle genug. Nicht so mein Lehrer und ich, die wir an wiederum folgenden Abend uns erkühnten, noch in die Poppea zu gehen. Ahnungslos schlappten wir zur Oper, denn eigentlich gab es keine Karten mehr. Als wir in der langen Kassenschlange standen, wurden wir aber von einem angequatscht, der noch zwei Karten loswerden wollte. Er hätte auch einen der fünfzig anderen Wartenden fragen können, was für ein Zufall. Jedenfalls war das dann die Poppea von Jacobs, die man heute auch auf DVD bewundern kann, und ich war vollkommen geflasht. Danach habe ich mit meinem Lehrer noch ein paar Runden Kölsch und Korn getrunken, und da wir erst nach der vereinbarten Uhrzeit im Hotel zurück waren, bekamen wir einen Anschiss von der Kollegin. :D

    In dieser Phase (bzw. im unmittelbaren Vorfeld) kam ich auch mit Cyrano (ich hatte das Stück erst ein paar Mal gelesen, bevor der Film mit Depardieu in die Kinos kam) und später mit Die siebente Saite in Berührung. Das war der Keim für meine Begeisterung für französischen Barock. Allerdings hatte ich damals nicht die Ressourcen und Möglichkeiten, mich intensiv in dieses Thema zu vertiefen. Erst nach Mitte der Neunziger als Student habe ich hin und wieder im kleinen CD-Laden in Tübingen eine der scheißteuren Marin- oder St Colombe-CDs gekauft.

    Ab 1999 wurde mein Verhältnis zur klassischen Musik schwierig, denn da studierte ich dann Gesang. Einerseits wäre es natürlich gewesen, mich da umso mehr in die Klassik zu stürzen, aber ich lernte eben auch sehr viele Aspekte des Musiklebens kennen, die mir die Sache gehörig vergällten. Nie zuvor hatte ich mit so vielen Idioten und/oder Arschlöchern zu tun gehabt wie in dieser Zeit. Dazu kam, dass die Beschäftigung mit Klassik teilweise auch zum Zwang wurde, was die Sache unattraktiver macht. Jedenfalls kam ich damals zu der Meinung, dass Bob Dylan der größte lebende Künstler sei.

    Aber ich bekam auch wichtige Impulse. Ein Projekt war Monteverdis Marienvesper, was eine unschätzbare Erfahrung war, die Musikgeschichte-Vorlesungen und -Seminare waren mitunter Augenöffner, über ein anderes Projekt gelangte ich (als Zuschauer) in den Parsifal nach Bayreuth, wo ich während des dritten Aufzugs wie auf Drogen nur noch gegrinst und geflennt habe, und für meine Abschlussprüfung in Musikgeschichte referierte ich über Lully.

    Danach entdeckte ich die jungen Bands, war auf der Jagd nach spannenden Debuts, ging in viele Konzerte. Der Rekord waren fünf Konzerte innerhalb einer Woche, vier davon junge Rockbands (Wolf Parade und Foals, die anderen habe ich vergessen), das fünfte als Abschluss irgendein Vivaldi im Konzerthaus. Ich denke, dass ich diese Jahre einfach brauchte, um mit meiner traumatischen "Sängerkarriere" fertig zu werden. Anscheinend ist das nun überwunden, und seit eineinhalb Jahren höre ich wieder viel Klassik und kann mich sogar auch wieder -- wenn auch in Maßen -- für nach-barocke Oper begeistern.

  • (Offenbar war mein Post zu lang, deshalb musste ich ihn auf zwei Portionen aufteilen, sorry!)

    Nun aber die Frage, warum Klassik?

    Mit Emotion dürfte das bei mir auf der ersten Ebene erst einmal nichts zu tun haben, denn ich gehe emotional bei anderen Musikarten genauso ab. Von daher ist es schon eher eine intellektuelle Sache. Und deshalb wiederum eine Sache der Nachhaltigkeit. Ich versuche, das mal zu erklären.

    Die abendländische "klassische" Musik ist im Grunde ja eine Kopfgeburt. Wenn man sich die mittelalterliche Mehrstimmigkeit anschaut, hat man es ja mit einem absichtlich "widernatürlichen" Konstrukt zu tun, also mit etwas "Künstlichem". Die Entsprechung in der Architektur wäre die Gotik, die sich ebenfalls absichtlich an nichts "Natürlichem" orientiert, sondern -- zumindest im Sakralbau -- das Göttliche darstellen soll. Dass dahinter teilweise ganz einfache Zahlenverhältniss und Proportionen stehen, sei dahingestellt, Fakt bleibt, dass der Abglanz des himmlischen Jerusalem optisch wie akustisch sich wie ein Alienkonstrukt ausmacht.

    Schon alleine dieser Gedanke fasziniert mich, diese absolute Abstraktion und Überhöhung, dass man eine Kunst schaffen wollte, die förmlich aus dem Leben bzw. der Lebenswelt hinausdrängt, die gar nicht im Alltag verankert sein will, sondern ganz bewusst versucht, jeden Naturalismus abzustreifen. Nun entwickelt sich diese Kunst ja immer mehr zum Natürlichen hin. In der Renaissance kommt es zur Emanzipation der Terz usw. Aber letztlich dauert es noch Ewigkeiten, bis die Folklore vollends Einzug in die Kunst hält, bis statt Affekten wirklich Gefühle ausgedrückt werden. Man kennt das ja aus der parallelen Entwickung in der Literatur. Aber Klassik wird eigentlich fast nie so naturalistisch, dass ihr die Problematik der (Kunst)form nicht mehr bewusst bliebe. Klassische Musik hat immer zum Thema das Ringen um die Lösung eines formalen Problems, das sich aufgrund ihrer Abstammung aus der mittelalterlichen Mehrstimmigkeit stellt. Im Grunde ihres Herzens kann sie nicht sagen: Mir ist gerade so und das klingt irgendwie gut, also machen wir das jetzt so. Ausnahmen und Sonderentwicklungen bestätigen die Regel. Für mich ist das Paradebeispiel für diese Eigenschaft der Klassik die Sonatenhauptsatzform. Gerade bei Mozart finde ich es oft unfassbar spannend, mitzuverfolgen, wie die schwierige Aufgabe gelöst wird, einen Anfangston zu haben und ihn so zu einem Schluss hin fortspinnen zu müssen, dass alles passt. Und so gefällig das klingt, so hat das eben nichts mit Natürlichkeit zu tun, sondern ist eine vom Leben meilenweil abgekoppelte Kunst.

    Gerade in der Wiener Klassik, so weit ich sie kenne, finde ich dieses intellektuelle Spiel unglaublich faszinierend.

    Was mich inzwischen so richtig wegflasht, ist nicht allein der Wohlklang. Es ist auch und zu einem erhelblichen Teil, dabei zuhören zu können, wie formale Probleme gelöst und Ideen entwickelt werden. Wie Monteverdi in seiner Marienvesper Tradition und Fortschritt, Polyphonie und Monodie vermischt, als gäbe es kein Morgen. Wie Lully sich beim höfischen Tanzspektakel bedient, um die großartigen Divertissementszenen in seinen Tragödienopern zu implementieren, verblüffend, und ohne Reue unterhaltsam und unendlich geschmackvoll. Und wenn er diese wie Suiten aufgebauten Megaszenen schließlich in eine einzige viertelstündige Chaconne packt!

    Beim ersten Hinhören mag einem das alles ebenso unmittelbar erscheinen wie eine Live Performance von Smells Like Teen Spirit. Aber die Rock- und Popmusik ist oder tut doch zumindest immer so, als wäre sie tatsächlicher, spontaner Ausfluss von Gefühlen. Die Klassik dagegen -- zumindest anfänglich, in ihrer Geschichte mag das immer mehr abnehmen -- bemüht sich um künstlerische Überhöhung und vor allem um eine formal meist weitaus komplexere Lösung.

    Und deshalb schrieb ich von Nachhaltigkeit. Mich haben schon viele Rock-Konzerte begeistert und ich behalte sie in berauschender Erinnerung. Trotzdem ist die Wirkung eines solchen Konzerts nach spätestens zwei Tagen verflogen. Bei Klassik-Konzerten oder Opernbesuchen verfolgt es mich oft noch wochenlang, weil ich nicht nur emotional mitgerissen werde, sondern auch intelletuell in Staunen versetzte werde. Manchmal ist es auch dieses intellektuelle Staunen, das mich zutiefst berührt.


    Übrigens kann man sich nach meinen Ausführungen wohl denken, dass ich mich mit klassischer Musik in ihrer Geschichte ab der Romantik zunehmend schwer tue. Kürzlich war ich in einem Konzert mit einem Rachmaninov-Klavierkonzert und einer Bruckner-Sinfonie und war trotz der vollen Dröhnung underwhelmed.

    Uff, das war lang, sorry.

    • Offizieller Beitrag

    Uff, das war lang, sorry.


    Aber toll! :jubel:

    Die abendländische "klassische" Musik ist im Grunde ja eine Kopfgeburt. Wenn man sich die mittelalterliche Mehrstimmigkeit anschaut, hat man es ja mit einem absichtlich "widernatürlichen" Konstrukt zu tun, also mit etwas "Künstlichem".


    Das unterscheidet die Klassische Musik aber bei weitem noch nicht eindeutig von Pop-usw-Musik (Deine späteren Ausführungen gehen allerdings näher darauf ein). Das "Widernatürliche", das Du beschreibst, ist auch einer jener Aspekte, die mich an der Klassik (im Allgemeinen) faszinieren; wobei ich meine, das diese Widernatürlichkeit (auch im Allgemeinen) eher als Übernatürlichkeit gewertet und verstanden wird.

    Zitat

    Für mich ist das Paradebeispiel für diese Eigenschaft der Klassik die Sonatenhauptsatzform. Gerade bei Mozart finde ich es oft unfassbar spannend, mitzuverfolgen, wie die schwierige Aufgabe gelöst wird, einen Anfangston zu haben und ihn so zu einem Schluss hin fortspinnen zu müssen, dass alles passt. Und so gefällig das klingt, so hat das eben nichts mit Natürlichkeit zu tun, sondern ist eine vom Leben meilenweit abgekoppelte Kunst.


    [...], die aber stets so wirkt, als sei sie das Natürlichste von der Welt: ändert man nur eine Note oder gar die gesamte Struktur, erkennt man womöglich das "Konstrukt", das (zumindest für mich) weniger reizvoll ist.

    :wink:

    • Offizieller Beitrag

    Warum? Tja, warum? Schwer zu sagen! Viele Aspekte (anders sein wollen, Meditation, Elternhaus, rührige Pädagogen, etc.), die auf mich gar nicht zutreffen, sind hier von euch schon genannt worden und ich hatte ja auch im Vorstellungsthread Vorstellungsecke schon einiges geschrieben. Familiär vorbelastet war ich überhaupt nicht, auch in meinem Umfeld kam ich zwar mit Literatur und Kunst in Berührung, nicht aber und nie mit klassischer Musik. Ich denke, es sind mehrere Aspekte; die für mich zutreffen.

    1. Zum einen war und ist Kunst für mich immer schon existentiell gewesen; nie nur ein Zeitvertreib so nebenher. Michel Houellebecq schrieb ja in seinem Buch über H.P. Lovecraft „Gegen die Welt, gegen das Leben“, es wendeten sich nur diejenigen Kunst und Kultur zu, die vom Leben enttäuscht, mit ihm unzufrieden wären. Auch ich beobachte verstärkt in den letzten Jahren, dass ich immer energischer Zuflucht zu Büchern, Musik, Film- und bildender Kunst suche und ohne die großen Kulturleistungen wohl vor die Hunde gehen würde. Klassik bedeutet also für mich auch eine Gegenwelt zur meist unerträglichen wirklichen.

    2. Für mich spielt der Begriff oder Wert Ehrlichkeit immer eine enorm große Rolle! Und diese Wahrhaftigkeit finde ich persönlich nur in klassischer Musik und im Heavy Metal; alles andere scheint mir verlogen und seicht; heuchlerisch und voller Doppelmoral.

    3. Ich wollte nie anders sein; sehnte mich nach Gemeinschaft und Freunden, war es aber in allen meinen Interessen; ob ich wollte oder nicht.

    4. Ich bin meiner Verfassung nach ein konservativer Geist, eine konservative Natur und richte mich auf am Beständigen; denn nur das Wahrhafte und Gute dauert und währt. Denn so schrieb Matthias Claudius an seinen Sohn Johannes: "Es ist nichts groß, was nicht gut ist; und nichts wahr, was nicht bestehet."

    5. Es gibt keine Kunstform, in welcher geistige und emotionale Sphären derart miteinander verschränkt sind. Die aufgewühlten Emotionen nach Tschaikowskis Violinkonzert oder die kristalline intellektuelle Klarheit einer Bachpartita kenne ich nur aus der Klassik. Nichts berührt mich im tiefsten Inneren mehr; nichts stillt mehr meine Sehnsucht nach der großen Harmonie des All-Einen. Weder Literatur noch bildende Künste können so im gegenwärtigen Augenblick wirken.

  • Ich bin mit italienischer "Schlagermusik" (Eltern), Pop-Musik (Geschwister/ Zeitgeist) und "Neuer Deutscher Welle" aufgewachsen. Klassik spielte während meiner Erziehung - leider - gar keine Rolle. Meine Mutter mochte das ein oder andere Klassik-Stück, da mein Opa wohl früher gern Opernmusik hörte. Jedenfalls war es im Jahre 1992, dass meine Mutter, gemeinsam mit einer Arbeitskollegin, zu einem Konzert von "Ivan Rebroff" wollten, jedoch niemand verfügbar war, der sie fahren konnte. Also stellte ich mich als "Fahrerin" zur Verfügung und begleitete sie halt. Das Konzert fand in einer kleinen Kirche in Herzebrock-Clarholz statt. Puh ... nach der ersten Arie war ich bereits geflasht! Hätte nie gedacht, dass mir das soooo gut gefällt. Ich war absolut fasziniert. Am Ende signiert er uns noch CDs (die CD habe ich noch immer) und er war äußerst charmant. Ein tolles, unvergessliches Erlebnis, an das ich gern zurückdenke ... zumal meine Mutter mittlerweile verstorben ist. Später dann folgten die "Drei Tenöre", die ich noch (in München) live erleben durfte. Auch unvergesslich. Placido Domingo dann noch mal separat (in Halle, Westfalen) in einem Liederabend erlebt. Seine "Una furtiva lagrima" ... war einfach göttlich!! :jubel: So fing es an ... ich bereue es aber dennoch, dass ich mich nicht schon viel früher mit klassischer Musik beschäftigt habe und - bis heute - hauptsächlich andere Musikrichtungen höre. Es lohnt sich so sehr, sich der klassischen Musik zu öffnen. Es ist so bereichernd.


    4. Ich bin meiner Verfassung nach ein konservativer Geist, eine konservative Natur und richte mich auf am Beständigen; denn nur das Wahrhafte und Gute dauert und währt. Denn so schrieb Matthias Claudius an seinen Sohn Johannes: "Es ist nichts groß, was nicht gut ist; und nichts wahr, was nicht bestehet."

    Ich fühle mich dir in einigem verbunden, lieber Yorick, aber bei diesem Punkt ... *tiefLufthol* ... müsste ich dir widersprechen. Ich fürchte, wir brauchen einen "Philosophie-Thread", falls es ihn nicht schon geben sollte. :D Hier müsste man weit ausholen ...

    • Offizieller Beitrag

    Danke für deinen interessanten Beitrag, liebe Newbie69. :)

    Ich fühle mich dir in einigem verbunden, lieber Yorick, aber bei diesem Punkt ... *tiefLufthol* ... müsste ich dir widersprechen. Ich fürchte, wir brauchen einen "Philosophie-Thread", falls es ihn nicht schon geben sollte. :D Hier müsste man weit ausholen ...

    Sei mir bitte nicht böse, aber über Derartiges werde ich, auch im philosophischen Gewande, nicht diskutieren. Das hat in einem Forum wie diesem nichts zu suchen.

  • Yorick:

    Ich kann deine Bedenken sehr gut nachvollziehen, lieber Yorick. Da kann/ könnte eine Meinungsverschiedenheit schnell in Streit ausarten, wenn man nicht gewaltfrei kommuniziert. Das Risiko besteht natürlich auch in anderen Bereichen, aber bei gewissen Standpunkten und Überzeugungen, die einem sehr wichtig sind, kann man natürlich auch emotionaler reagieren. Vielleicht sollten wir es wirklich besser bei der Musik belassen. ;)

    • Offizieller Beitrag

    Vielen Dank für dein Verständnis, auch wenn es mir weniger um aufbrandende Emotionen geht, gewaltfreie Kommunikation oder betonierte Überzeugungen. Meinen Erfahrungen noch ist es leider derzeit in der Bundesrepublik nicht möglich; sich über historische, politische; überhaupt sozial- und gesellschaftswissenschaftliche Themen zu unterhalten, ohne dass sofort in immer gleichen Variationen die Diskurse durch nicht sachliche, rein ideologische Vorhaltungen erstickt werden unter erheblichen Angriffen auf die disputierenden Personen. Daher halte ich es jetzt wie die Amerikaner in ihren Kneipen: "No politics, no religion, no sports!" Also keine Themen mit Reibungsmöglichkeiten; nur insofern, als wir natürlich bei der Musikbetrachtung um sie nicht herumkommen.

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)

  • Warum setzt ihr Euch dem Zustand aus, Außenseiter zu sein?

    Gute Frage - Antwort: keine Ahnung...*hä*

    Oder vielmehr:

    ich war schon immer ein Außenseiter. Als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener mochte ich Musik, die viele - fast alle! - meiner Klassenkameraden nicht interessant fanden. Ich hörte Santana, als Nik Kershaw angesagt war; ich mochte Barclay James Harvest, als die anderen auf Stock/Aitken/Waterman (Rick Astley, Jason Donovan, Kylie Minogue u.a.) abfuhren - es gab gerade mal Frankie Goes To Hollywood als Berührungspunkt in sechs Jahren Sekundarstufe I. Das ist verdammt wenig.

    Auf dem Gymasium, wo ich Arbitur machte, wurde die Welt von Dance, Trance oder Tekkno überrannt. Das war nie meine Musik gewesen - damals nicht und heute kann ich sie als verklärende Folklore höchstens mal hörend akzeptieren. Und was nachher in den Charts lief, war einfach eine ganz andere Musik, als ich sie mochte. Die 90er Jahre sind das erste Jahrzehnt, in dem ich die Musik, die ich mochte, nicht mehr in den Charts fand, sondern in den diversen Nischen, die es damals reichlich gab. Und bis heute, der ich öfters Radio höre, erlebe ich eine Musik, die wenig mit meinen Idealen zu tun hat.

    Allerdings: diese Musik gibt es. Nur findet man sie in Foren, in Nischen, in kleinen Konzertsälen usw. Doch rede ich bis jetzt nur von Rock/Pop.

    Klassische Musik war mir nie ganz fremd, aber anfangs nicht im Fokus wie heute: ich hatte einige Sachen zusammengetragen (Beethovens Symphonien, einige populäre Werke, die ich sehr mochte) und aufgrund meiner studentischen Beschäftigung Einblick in die Alte Musik bekommen. Und da hörte ich Renaissance-Polyphonie und war hin und weg, und wenn ich später jahrelang zu Klassik-CDs griff, waren es immer die gleichen zehn aus dem Alte-Musik-Bereich.

    Dann kam ab 2010 mein Umschwenken, aber darüber hatte ich bereits woanders berichtet (finde ich jetzt nicht).

    Wie sieht es nun nach 8 1/2 Jahren Beschäftigung mit Klassischer Musik aus? Ganz ehrlich, es ist keine Phase - es ist echtes Neuausrichten, das kann ich inzwischen so sagen. Mein musikalischer Horizont - vorher nicht gerade schmal gewesen - hat sich potenziell erweitert und so dermaßen freigeschaufelt, wie ich es nicht mehr für möglich gehalten habe. Ende 2009 war ich an Musik wenig interessiert, weil ich einfach keine neue Inspiration mehr gefunden hatte - und dann hatte ich das Bedürfnis, meine Klassik-CDs neu durchzuhören, und plötzlich war das Gefühl der Neugierde wieder da, wie früher. Und jetzt? Es kommt durchaus vor, daß ich gelegentlich Rock/Pop höre - einfach deshalb, weil das, was ich noch in meiner Sammlung behalten habe, Musik ist, die mir absolut gefällt. Und sie deckt den Teil ab, den Klassik kaum erfassen kann, nämlich brutale Wut, brachiale Kraft und Genialität in der Einfachheit.

    Ich habe heute Bravo-Hits aus den Charts von 2010 und Mahlers 7. hören können - was ist besser? Mahler natürlich, einfach weil er eher meinen Neigungen entspricht. Aber es zeigt sich auch die unverhohlene Nihilität, die die Pop-Musik um 2010 seit damals bereits 20 (!) Jahren in den Charts eingeführt hatte. Da war keinerlei Substanz mehr da, kein Geheimnis, keine Klasse, nur Kommerz und platte Attitüde. Die paar Ausnahmen, die man pro Jahr in den Charts gelistet sieht, sind wohltuend; aber eben auch nur eine kleine Menge gegenüber Massen an produzierter Musik. - Und Mahler? Nach 110 Jahren, als seine 7. der Welt erstmals aufgeführt wurde, steckt noch immer soviel Rätsel und Kraft drinne, die sich nie auflösen wird. Das ist wahre Zeitlosigkeit.

    Doch was mich am Meisten stört: ich habe immer auf handgemachte Musik gestanden, was zunehmend im Rock/Pop ausgehebelt wurde. Der Schlagzeug-Sound der 80er Jahre ist seltsam steril und hat mich immer geärgert, der gesamte Sound von Tekkno und Konsorten war prinzipiell immer schwer goutierbar - ich gewöhnte mich daran, um nicht ganz isoliert zu sein, aber es wurde nie meine Welt. Die Phase, die mich am Meisten geprägt hat, ist tatsächlich die Rockmusik von ca. 1965 bis 1975; was ich auch gerne höre, sind bestimmte Underground-Sachen von ca. 1980. Bestimmte Bands gehören auch dazu, die manchmal nicht in diesen zeitlichen Breiten liegen.

    Und dieser Aspekt des Handgemachten ist es wohl u.a. auch, daß ich mich der Klassischen Musik zuwandte - ihre uralte Geschichte, ihre wechselvolle Tradition durch die Jahrhunderte hindurch, ihre eigene Harmonik und Klanglichkeit, die sie ausprägte, ihre ausgeprochene Theorie, die immer neu Grenzen auslotete, die immer neuen Gattungen, die Instrumente - inmitten einer lebendigen Musizierpraxis, die weitaus umfassender war, als man heute wirklich erahnen könnte. Eine ganz neue Welt war das, und es sind immer noch nicht alle Kontinente entdeckt.

    Heute habe ich auch gemerkt, daß ich das Bedürfnis nach Klassischer Musik verspüre, wenn ich etwas genießen will - ich will nicht Rock/Pop hören, sondern Klassik. Ich will diese harmonischen Verästelungen hören, diese komplexen Rhythmen, diese ausufernden Durchführungen - nicht einen durkomponierten Strophe/Refrain-Satz mit Schulenglisch als Text, der von "Partyparty" quatscht. Gut, Led Zeppelin, The Who, Steely Dan oder Fiona Apple sind weit entfernt von solch einem Niveau, aber ich brauche inzwischen mehr als das. Klassische Musik hat eine ganz andere emotinale Basis als Rock/Pop, die sich anders äußert, die mehr herausfordert, mehr Mitarbeit erfordert. Ich werde immer wieder meine Rock/Pop-Lieblinge laufenlassen, aber nun sind Klassik-Lieblinge dazugekommen, die meine Zeit mehr beanspruchen.

    Gott sei Dank... :)

    Ich bin ein Außenseiter - und werde es immer sein.

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.