Musikalische Forensik oder: wieviel Bruckner ist in Bruckners Neunter?

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    Salve!

    Inzwischen bin ich stolzer Besitzer von der neuesten Komplettierung der Neunten von Bruckner:

    Laut Interview im FonoForum steckt in der Neunten mehr Bruckner als beispielsweise Mozart im Requiem.

    Ist das für Euch ein Bruckner, den Ihr da hört, oder nur ein Versuch wie die Rekonstruktion von Ötzis Gesicht aufgrund von durchschnittlichen Muskel- und Fleischstärken über den Schädelknochen?

    Wie haltet Ihr es mit der Zehnten Mahler, beispielsweise von Cooke oder auch andere Fassungen? Ist das für Euch Mahler oder nur ein Gedankenexperiment?

    Peter Schickele spricht auf seinen P.D.Q.Bach-Alben immer davon, dass er 'Professor for Musical Pathology at the University of Southern North Dakota at Hooper' sei. Ist das hier Musikalische Pathologie?

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)

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    Laut Interview im FonoForum steckt in der Neunten mehr Bruckner als beispielsweise Mozart im Requiem.


    Klar, wenn man den ganzen Händel abzieht... :D

    Zitat

    Wie haltet Ihr es mit der Zehnten Mahler, beispielsweise von Cooke oder auch andere Fassungen? Ist das für Euch Mahler oder nur ein Gedankenexperiment?


    Also ehrlich gesagt interessiert mich bei Mahler X seit eh und je nur der Kopfsatz. Alle weiteren Sätze, die ich (z.T. unaufmerksam) hörte, haben mich nicht sonderlich beeindruckt oder zu sehr an die IX. erinnert (vielleicht bis auf den Hammerschlag); ähnlich wie bei Beethovens X., die ich in der Aufführungsversion zwar für ein anhörbares Werk halte, bei dem geschickt Beethovensche Themen verarbeitet wurden, aber das ist eben kein Beethoven.

    Mit Bruckner fange ich demnächst erst an, mich zu interessieren. Was ich bisher hörte, fand ich jedesmal schwächer als Mahler... das Scherzo der IX. Bruckner macht mich allerdings schon ziemlich an.

    :wink:

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    Ist das hier Musikalische Pathologie?


    Wie auch immer man es nennt: es ist eine Beschäftigungstherapie für hochbegabte Musiker, die sich selbst beweisen wollen, daß sie ebensogut sind wie der Komponist es war. Diese Aussage von mir ist keinesfalls negativ zu verstehen, sondern ganz nüchtern.

    Ich habe selbst sehr oft versucht, Schuberts D936A auf ein brauchbares Gleis zu setzen... ich habe dabei viel gelernt... vor allem, daß ich kein Schubert bin.

    :wink:


  • Klar, wenn man den ganzen Händel abzieht... :D


    Also ehrlich gesagt interessiert mich bei Mahler X seit eh und je nur der Kopfsatz. Alle weiteren Sätze, die ich (z.T. unaufmerksam) hörte, haben mich nicht sonderlich beeindruckt oder zu sehr an die IX. erinnert (vielleicht bis auf den Hammerschlag); ähnlich wie bei Beethovens X., die ich in der Aufführungsversion zwar für ein anhörbares Werk halte, bei dem geschickt Beethovensche Themen verarbeitet wurden, aber das ist eben kein Beethoven.

    Mit Bruckner fange ich demnächst erst an, mich zu interessieren. Was ich bisher hörte, fand ich jedesmal schwächer als Mahler... das Scherzo der IX. Bruckner macht mich allerdings schon ziemlich an.

    :wink:


    Klar, wenn man den ganzen Händel abzieht... :D


    Hallo Travinius, hallo Ulli !
    Einem von Euch Beiden verdanke ich die 9. Bruckner mit Daniel Harding... und sie überzeugt mich sehr, WAS kein Widerspruch für mich ist, meistens meiner eigenen HÖR-TRADITION zu folgen und die 3-sätzige Fassung aufzulegen (vorallem mit Zender , dann Welser-Möst, Gielen, Schuricht und Karajan's später Interpretation... obwohl ich KEIN Karajan-Fan bin).

    Bei der X. Mahler, in der letzten (von vielen Cooke-Fassungen), gibt es für mich eine neue Wertigkeit, das ADAGIO in seiner asketischen Monumentalität, scheint mir insofern sehr ergänzend, ja überzeugend überwunden, wenn man GIELEN's Aufnahme hört. DAS ist für mich ABSOLUT authentisch MAHLER, ja VOLLENDET in seiner ZEHNTEN.


    Arnulfus

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    Also ehrlich gesagt interessiert mich bei Mahler X seit eh und je nur der Kopfsatz. Alle weiteren Sätze, die ich (z.T. unaufmerksam) hörte, haben mich nicht sonderlich beeindruckt oder zu sehr an die IX. erinnert (vielleicht bis auf den Hammerschlag);


    Meinst Du hier nicht den Schlusssatz der VI.? Die jedenfalls überrascht mit den Hammerschlägen.

    Einem von Euch Beiden verdanke ich die 9. Bruckner mit Daniel Harding... und sie überzeugt mich sehr, WAS kein Widerspruch für mich ist, meistens meiner eigenen HÖR-TRADITION zu folgen und die 3-sätzige Fassung aufzulegen (vorallem mit Zender , dann Welser-Möst, Gielen, Schuricht und Karajan's später Interpretation... obwohl ich KEIN Karajan-Fan bin).

    Bei der X. Mahler, in der letzten (von vielen Cooke-Fassungen), gibt es für mich eine neue Wertigkeit, das ADAGIO in seiner asketischen Monumentalität, scheint mir insofern sehr ergänzend, ja überzeugend überwunden, wenn man GIELEN's Aufnahme hört. DAS ist für mich ABSOLUT authentisch MAHLER, ja VOLLENDET in seiner ZEHNTEN.

    Ich war es nicht. Bei Gielen kenne ich nur eine Aufnahme des Kopfsatz-Adagios in der unmodifizierten Fassung:

    Die Aufnahme hat mich restlos begeistert! Steht für mich auf einer Stufe mit der umwerfenden Kubelik-Einspielung. Übrigens ist die CD auch ansonsten eine echte Empfehlung. Vielleicht interessant, mal diese Fassung mit dem ersten Satz von Cooke zu vergleichen: man bemerkt auch im Adagio schon einige signifikante Unterschiede.

    Wie auch immer man es nennt: es ist eine Beschäftigungstherapie für hochbegabte Musiker, die sich selbst beweisen wollen, daß sie ebensogut sind wie der Komponist es war. Diese Aussage von mir ist keinesfalls negativ zu verstehen, sondern ganz nüchtern.


    Im Falle von Bruckner war es kein Komponist sondern ein Team von vier Wissenschaftlern, die tatsächlich Forensik betrieben. Bruckner hatte, so habe ich das verstanden, die Angewohnheit, für seine Symphoniesätze ein genauses "Storyboard" aufzuschreiben, also was er genau wie viele Takte lang zu tun gedenkt. Das ist wohl weitestgehend erhalten, ebenso die Skizzen zu den Themen. I.W. bestand die Ergänzung wohl aus der Ausführung der Skizzen. Es wurden nur sehr wenige Takte hinzukomponiert. So entnahm ich es dem FonoForum. An das Booklet komme ich nicht heran, das liegt 600km entfernt.

    • Offizieller Beitrag

    Meinst Du hier nicht den Schlusssatz der VI.? Die jedenfalls überrascht mit den Hammerschlägen.


    Nein. Ganz klar die Xte; nur möglich, daß ich den Hammerschlag mit einem anderen kuriosen Schlagwerk zu Beginn des Finalsatzes (?) verwechselt habe.

    Zitat von Arnulfus

    Einem von Euch Beiden verdanke ich die 9. Bruckner mit Daniel Harding...


    Isch 'abe keine Brücknärrr... :D

    Zitat von Travinius

    Im Falle von Bruckner war es kein Komponist sondern ein Team von vier Wissenschaftlern, die tatsächlich Forensik betrieben.


    Je sais, mais: ich glaube nicht, daß Musik auf rein wissenschaftlicher Basis entstehen kann. Etwas "Komponistsein", entsprechenden Ehrgeiz inkludiert, gehört schon dazu.

    :wink:

  • Mit Bruckner fange ich demnächst erst an, mich zu interessieren. Was ich bisher hörte, fand ich jedesmal schwächer als Mahler


    Interessant, ich empfinde es gerade umgekehrt...

    Aber die Musik der beiden ist wohl eher ganz unterschiedlich - in dem Sinne, dass sie über ganz andere Dinge sprechen. Mahler ist für mich immer etwas philosophisch-gedanklich - Bruckner aber betend-emotional.

    Die neue Bearbeitung des Finale zur Neunten von Bruckner habe ich noch nicht gehört, nur eine aus den Achtzigern, die hat mich aber nicht überzeugt.

    LG
    Tamás
    :wink:

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

    • Offizieller Beitrag

    Mahler ist für mich immer etwas philosophisch-gedanklich - Bruckner aber betend-emotional.


    Ich empfinde Mahler schon als sehr emotional, mit philosophisch-gedanklich könnte ich irgendwie leben (aber das trifft es imo nicht auf den Kopf), er ist irgendwie real, Bruckner hingegen wirkt auf mich im Moment noch eher irreal (und die Geistlichkeit ist so ein Punkt, der mich bislang stets Abstand wahren liess...).

    :wink: