OPI - Nachvollziehbare Vorliebe oder Einseitigkeit?

  • Hast Du dafür Beispiele, Tschabrendeki?


    Auf Anhieb fällt mir z.B. Collegium Aureum ein. Oder manche opi-Einspielungen von Bachschen "Klassiker" mit riesengroßem Chor, und einen doch eher an die romantische Vorstellung angelehntem Klang (Gardiner). Oder Harnoncourts Einspielungen der späten Monteverdi Opern mit dazuinstrumentierten Bläsern. Oder barocke Violinsonaten mit vieköpfigem Continuo.


    Also in der Richtung. Un-HIP ist da vielleicht der falsche Ausdruck. Schein-HIP, vielleicht?


    LG
    Tamás
    :wink:

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    wer den Flügelvergleich anstellen möchte:



    Ludwig van Beethoven (1770–1827)
    Werke für Klavier 4-händig


    Alle Titel in zwei Versionen (auf modernem Klavier & auf historischen Klavieren)


    Amy & Sara Hamann


    :wink:

  • Zitat

    Auf Anhieb fällt mir z.B. Collegium Aureum ein. Oder manche opi-Einspielungen von Bachschen "Klassiker" mit riesengroßem Chor, und einen doch eher an die romantische Vorstellung angelehntem Klang (Gardiner). Oder Harnoncourts Einspielungen der späten Monteverdi Opern mit dazuinstrumentierten Bläsern. Oder barocke Violinsonaten mit vieköpfigem Continuo.


    Also in der Richtung. Un-HIP ist da vielleicht der falsche Ausdruck. Schein-HIP, vielleicht?



    Ich wäre da etwas vorsichtig.
    Darf sich denn nur HIP nennen, was sich ausschließlich bestimmten damaligen Aufführungsbedingungen annähert ?


    Dies würde bedeuten, jede italienische Oper des 17. Jh. die mit mehr als drei Instrumenten aufgeführt wird, ist automatisch unhip.
    Zudem kenne ich einige Beispiele für mehrfache Continuo-Besetzung in der Kammermusik (z.B. bei den Konzerten die Couperin für Louis XIV und Madame de Maintenon jeden Sonntag arrangierte)
    Teilweise sogar mit Doppelbesetzungen der ersten Stimmen.


    In dieser Zeit war alles machbar, es gab eben keinen Dogmatismus - man hat das umgesetzt was gerade möglich war.


    Und was große Ensembles anbelangt:
    Lully führte sein Te Deum mit mehr als 300 Musikern auf.
    Bei den Concerti Grossi in Rom spricht man ebenfalls von Hundertschaften die dort auftraten.
    Man kann sich nun darüber streiten, ob man dies dann auch auf Bach, Händel und andere übertragen "darf"


    Ich denke, solange es gut gemacht und im Stil der Zeit umgesetzt wird, ist das absolut legitim.
    Mir persönlich geht diese solistische Besetzung mittlerweile auch auf die Nerven.

  • Mir persönlich geht diese solistische Besetzung mittlerweile auch auf die Nerven.


    Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass ich diese weniger an den historisch verbürgten Aufführungsbedingungen angelehnte Aufführungen nicht mag, oder manchmal sogar nicht besser mag, als historisch korrektere. Ich wollte nur sagen, dass - nimmt man den Begriff "HIP" streng - diese vielleicht nicht dazugehören.


    Ich wäre ja auch dafür, dass Repertoire, die jetzt von den opi-Ensembles "entdeckt" wird, auch omi-Ensembles übernehmen, und langsam in das Standard-Repertoire übernehmen. Würde zu gerne z.B. Biber-Solosonaten mit Klavier und Violine vorgetragen hören (wie es Gidon Kremer mit der 4. Rosenkranzsonate tut - was würde ich nicht für eine Komplettaufnahme geben!)


    LG
    Tamás
    :wink:

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    • Offizieller Beitrag

    Mir persönlich geht diese solistische Besetzung mittlerweile auch auf die Nerven.


    Mir ganz und gar nicht. Das liegt wohl aber auch daran, daß mir Kammermusik sehr viel wichtiger ist als großorchestrale Werke. Im Übrigen ist es ja auch so, daß zwei Geigen nicht automatisch doppelt so laut sind wie eine resp. 40 Geigen nicht die 40fache Lautstärke produzieren wie ein Soloinstrument. Dein "Argument" zieht also nicht wirklich, siehe auch hier.


    :wink:

    • Offizieller Beitrag

    Es geht mir keinesfalls um die Lautstärke, mich nervt aber gerade bei Violinen, wenn sie solistisch besetzt sind, dass es allzuoft kratzt und schabt - bei einem größeren Streicherensemble geht das meist unter - der Klang ist einfach weicher.


    Auch nicht unbedingt: vgl. die frühen Concerto-Köln-Aufnahmen. Die sind nicht solistisch besetzt und kratzen wie ein Öko-Wollpulli (was mich nicht im mindesten juckt). Der weichere Klang ergibt sich doch eher durch gezielten Vibratoeinsatz, der auch bei z.B. modernen Streichquartettensembles für einen glattgebügelten Heile-Welt-Rosamunde-Plicher-Filmmusiksound sorgt, den ich persönlich für völlig fehl am Platze halte.


    :wink:

  • [...] dass es allzuoft kratzt und schabt [...]

    :D :D :D Das ist ein allgemeines Problem des Instruments Geige...


    Nein, im Ernst, ich verstehe das gut; außerdem mischen sich zwei Geigen auch intonatorisch gesehen viel schwerer als zehn oder zwölf - und, ich spreche aus Erfahrung, mit Darmsaiten, die temperatur- und luftfeuchtigkeitsabhängig sind und launisch wie eine kleine Prinzessin, ist das noch schwieriger.


    Wenn man zwei Geiger findet, die gut zueinander passen - tonlich, klanglich, temparamentstechnisch - und sich zu allem Überfluss auch noch menschlich mögen, dann kann man gute und schöne Ergebnisse erzielen, es kann aber auch echt schwierig sein.


    Mir geht die solistische Besetzung auch weniger auf die Nerven, aber ich verstehe, dass man dagegen Aversionen haben kann.

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."
    Max Bruch (1838-1920)

  • Mir geht die solistische Besetzung auch weniger auf die Nerven, aber ich verstehe, dass man dagegen Aversionen haben kann.


    Ich hab damit nur probleme, wenn es unpassend ist. Ein Beispiel:


    das f-moll Requiem von Biber ist für Ripieno-Chor, Solisten, mit den unteren drei Stimmen colla parte Posaunen und für 5-Stimmigen Streichern gesetzt: die vier unteren Stimmen der Streicher gehen dann wieder colla parte mit dem Chor - nur die erste Violine erhebt sich über den Chor und erhält eine eigenständige Stimme.


    Oft wird das Chor dreifach besetzt: Solist + 2 Ripieni. + Posaune + Streicher.


    Wird die erste Violine solistisch besetzt, hört man davon kein Mucks, während der Chor singt. So, wie hier:


    Wird die erste violine mehrfach besetzt, kommt die wundervolle Polyphonie der Stimme zum Hervorschein, wie hier:


    In anderen Werken wieder (z.B. in Händels Concerti Grossi) bevorzuge ich wegen dem kammermusikalischen Klang eher die solistische Besetzung.


    LG
    Tamás
    :wink:

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  • Die Aversion kam erst in diesem Sommer, durch die Tanzwut einer meiner Höflinge mussten ständig CDs mit Musiken aus Playfords Dancing Master aufgelegt werden - genau dieses Gekratze und Gejaule hasse ich mittlerweile.... mal ganz abgesehen, das dieses Zeugs wohl nie am Hof gespielt wurde.
    Purcell muss sich auch nicht wie irische Volksmusik anhören - das geht auch anders.
    Und wenn eben barocke Musik in diesem "Playford-Stil" interpretiert wird, dann pochen meine Schläfen und ich werde agressiv, zum Glück gibt es das ja nicht so häufig. *flöt*


    Mir ist da der Klang der Ensemble "Les Arts Florissants" oder "Les Talens Lyriques" schon sehr genehm - und die schaffen es, absolut HIP zu sein, auch ohne Geschindigkeitsrekorde und Aggrocrescendi.

    • Offizieller Beitrag

    Weil's vielleicht hier am besten hineinpasst, ein Auszug aus einer wochenendlichen Facebook-Diskussion:


    Zitat von Brilliant Classics Deutschland


    Eine historisch-durchdachte, stringent umgesetzte, technisch brillante Gesamteinspielung der Violinsonaten Beethovens auf modernen Instrumenten. Nicht nur wegen des günstigen Preises eine überaus empfehlenswerte Wahl für den Neuling, aber auch Beethoven-Fans sollten sich diese Einspielung nicht entgehen lassen: Von diesen beiden Musikern möchte man in Zukunft mehr Beethoven hören!


    Zitat von Ulli Blees

    Was bitte ist historisch durchdacht, wenn moderne Instrumente benutzt werden? --> gefällt mir nicht :P


    Zitat von Brilliant Classics Deutschland

    Die Erklärung dazu steht in der Besprechung: Baráti und Würtz spielen auf modernen Instrumenten, »beide Musiker halten sich aber was Lautstärke und (im Falle des Klaviers) Resonanz und Legato-Spiel deutlich zurück«. Gerade das Klavier perlt fast wie ein echtes Fortepiano, hat aber den Vorteil eines insgesamt wärmeren, volleren Ton.


    Zitat von Ulli Blees

    Der Umstand, auf modernen Instrumenten zu spielen wie auf alten, erschließt sich mir nicht. Warum so kompliziert? Man spannt auch keine vier Pferde vor einen Porsche...


    Ausserdem: "fast" ist mir nicht gut genug. Dann lieber gleich ein echter Hammerflügel. Es scheitert z.b. an der G-Dur-Sonata, bei der das Pizzicato der Geige von den hohen Klaviertönen kaum zu unterscheiden ist. Mit einem modernen Flügel ist das nicht möglich...


    :wink:

  • @system


    Da kann ich Deine Meinung nun voll und ganz nachvollziehen :D
    Und ich kenne Aufnahmen von Klara Würtz - das ist himmelweit entfernt von historisch informierter Aufführungspraxis.



    übrigens hab ich nochmal etwas in meinem Bestand gewühlt - die solistische Besetzung ist es nicht unbedingt, was ich so unerfreulich für das Ohr empfinde.


    z.B. solistischer als hier, geht es ja nicht mehr:



    Rachel Pine: Solo Baroque


    Sie spielt auf einer historischen Violine (1770 Gagliano) Werke von Bach (auch die große Chaconne) Biber (Passacaglia) Westhoff und Pisendel.


    Und was soll ich sagen - ein wunderbarer Klang, schöne Dynamik - absolut gelungen.


    Dass Violinen unschön klingen (können) thematisierte schon Hubert Le Blanc, über die Violine schrieb er in seiner "Defense de la Basse de Viole" (1740):
    Unsaubere Klänge, schreiende Töne und unerträgliches Kratzen und Quietschen.
    Weiterhin betitelt er die Violine als "Mißgeburt" und "Zwerg"
    Um den störrischen und dicken Saiten einen Ton zu entlocken, sei ständiges Üben von Nöten um den groben Ton zu zähmen und Finger aus Eisen.
    Da sei von der Natur gut eingerichtet, so schreibt er, dass sich an den Fingerspitzen Hornhaut bildet, wie sie bei den Zug- und Lasttieren entsteht, die mit Hufen ausgestattet sind.
    Desweitern schreibt er, dass es eben die Gambe ist, die Eingang in die fürstlichen Zimmer hielt, die Violine musste jedoch auf den Fluren spielen, oder auf den Treppen, wo sie sich vereine mit dem Gejaule der rolligen Katzen. *lol*


    [Interessant ist auch, dass er den sogenannten "Glockenton" anspricht, dass die alten Gambisten stets nur einen Ton spielten und diesen dann wärend des Spiels ausklingen ließen.]


    Damals war es wohl nur ein Problem der Technik des Interpreten, als man dazu überging die Instrumente für große Säle umzubauen, dann auch statt Darmsaiten Metall verwendete, gab man Klang zu Gunsten von Lautstärke auf.

    • Offizieller Beitrag

    Da kann ich Deine Meinung nun voll und ganz nachvollziehen


    Ich werde dann künftig auch bloß "verkehrstechnisch informiert" Auto fahren... *flirt*


    [...] die Violine musste jedoch auf den Fluren spielen, oder auf den Treppen, wo sie sich vereine mit dem Gejaule der rolligen Katzen


    :thumbup:

  • Unsaubere Klänge, schreiende Töne und unerträgliches Kratzen und Quietschen.
    Weiterhin betitelt er die Violine als "Mißgeburt" und "Zwerg" [...] Desweitern schreibt er, dass es eben die Gambe ist, die Eingang in die fürstlichen Zimmer hielt, die Violine musste jedoch auf den Fluren spielen, oder auf den Treppen, wo sie sich vereine mit dem Gejaule der rolligen Katzen.


    Hart, aber wahr, ihr lieben Freunde. ;(


    Ich muss allerdings sagen, dass man auch - obwohl ich vom Prinzip her mitgehe, dass man durch die Entwicklung der Stahlsaiten Lautstärke vor Klang stellte - sowohl auf Darm- als auch auf Stahlsaiten entsetzlich quietschen kann, es kommt eben auf die Kompetenz des Spielers an.


    Ich rate mal, hier reinzuhören:


    Das ist so historisch informiert wie es nur irgendwie geht, und ebenso klangschön und sauber - abgesehen davon, dass ich es nicht wirklich emotional berührend finde, vermisse ich hier nichts was mir eine Interpretation auf einer Barockgeige zusätzlich geben könnte (denn Emotionalität hat nichts mit Aufführungspraxis zu tun).


    Zum Vergleich:


    Das ist ebenfalls sehr klangschön und sauber, nur eben "authentischer" durch die Benutzung einer Barockgeige. Dass mir diese Aufnahme mehr liegt als die von Isabelle Faust liegt aber nicht daran, dass sie hier Barockgeige spielt, sondern daran dass sie mich musikalisch mehr packt und mir mehr "erzählt".


    Was machen wir nun daraus? Vom Ansatz decken sich beide Interpretationen - Isabelle Faust ist sogar mitunter "historisch informierter", weil sie sich de Tanzcharakter der Sätze noch mehr hingibt und sich sogar traut, sehr geschmackvoll zu verzieren - nur das "Gerät" ist ein anderes. Letztlich finde ich dass beide Lesarten ihre Berechtigung haben und man einfach ganz subjektiv entscheiden muss welche einem mehr liegt - und das sollte man nicht unbedingt davon abhängig machen, welches Gerät nun verwendet wird.


    Mir ist heute eine saubere, "informierte" aber nicht historische Interpretation lieber, als eine "korrekte", aber unsauber gespielte (und das gibt es seeeeehr oft!).


    Ist das nachvollziehbar?

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."
    Max Bruch (1838-1920)

    • Offizieller Beitrag

    Ist das nachvollziehbar?


    Klar ist das aus Hörergehör nachvollziehbar und entzieht sich somit jeglicher Kritik. Was ich aber nicht nachvollziehen kann ist, wenn etwas als angeblich "historisch informiert" angeboten wird, es dann aber nicht ist; oder wenn man sich historisch informiert, es dann aber doch anders macht und das Etikett "historisch informiert" draufpappt. Ich halte das für Leuteverarschung... sorry.


    Bei der ganzen Angelegenheit frage ich mich wirklich, was der Aufwand im vorliegenden Fall soll, sich historisch zu informieren, um dann zu versuchen, mit modernen Instrumenten den Klang alter Instrumente herzustellen? Es tut mir leid, aber das ist vollkommen schwachsinnig (unabhängig davon, ob jemandem das Ergebnis gefällt oder nicht) und entbehrt imo jedweder nachvollziehbaren Grundlage. Nur wenig Legato zu spielen ist noch lange nicht historisch korrekt; ein Legato, wie es mit modernen Geräten möglich ist, wäre auf einem historischen Flügel per se unmöglich: so sehr man sich auch bemühen würde, es würde kein astreines Legato werden; insofern ist das doppelter - dazu noch überflüssiger - Aufwand, der hier betrieben wurde.


    :boese:

  • Was ich aber nicht nachvollziehen kann ist, wenn etwas als angeblich "historisch informiert" angeboten wird, es dann aber nicht ist; oder wenn man sich historisch informiert, es dann aber doch anders macht und das Etikett "historisch informiert" draufpappt. Ich halte das für Leuteverarschung... sorry.

    Da hast Du völlig recht. Das ist Leuteverarschung. Ich würde sogar vermuten, dass das auf dem Mist des Werbetexters von Brilliant Classics gewachsen ist, der dachte, damit die Aufnahme - die sicherlich ihre Meriten hat - für einen gewissen Hörerkreis spannender zu machen, den ich mal ganz vorsichtig "pseudo-informiert" nennen möchte. Denn HIP kommt, da machen wir uns mal nichts vor, langsam in Mode, darf aber weder wehtun noch wirklich anders sein als das was die Leute kennen. Ein bestimmtes Klientel wird die Aufnahme kaufen, weil die Kritik oder Werbung oder wer auch immer von "historischer Informierung" redet - egal ob es das nun ist, oder nicht. Der Rest kauft die CD weil die Interpretation gefällt, oder kauft sie nicht, weil sie nicht gefällt. Also hast Du Recht - im Grunde eine sehr sanfte Form von Demagogie.


    Bei der ganzen Angelegenheit frage ich mich wirklich, was der Aufwand im vorliegenden Fall soll, sich historisch zu informieren, um dann zu versuchen, mit modernen Instrumenten den Klang alter Instrumente herzustellen? Es tut mir leid, aber das ist vollkommen schwachsinnig [...].

    Ich halte es auch für sinnlos, den Klang alter Instrumente nachahmen zu wollen. Wenn man den Klang so super findet, dann soll man alte Instrumente nehmen.


    Was ich vielmehr nachvollziehen könnte ist die Tatsache, dass man sich der Spielart annähern möchte - denn man möchte ja weder altmodisch sein (aus Gründen des Geschmacks, der Gewohnheit oder der allgemeinen Diktion) noch alles den Spezialisten überlassen (dazu ist die Musik einfach zu gut), und nicht jeder ist flexibel oder fit genug, ständig die Gerätschaften zu wechseln. Wenn man sich dazu entscheidet, von Barock bis Moderne alles abzudecken und in allen Bereichen flexibel zu bleiben aber trotzdem jeweils etwas zu sagen zu haben, dann hat man ja die Möglichkeit, jede Epoche auf dem jeweiligen Instrument zu spielen. Das ist die Idealvorstellung (meiner Sicht aus). Wenn man aber aus verschiedenen Gründen nur ein Instrument bedienen möchte oder kann - aus welchen Gründen auch immer - dann finde ich, sollte man das respektieren. Ich selbst stand vor einiger Zeit vor genau dieser Entscheidung und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich, wenn ich in Zukunft die Chance haben möchte, jeden musikalischen Bereich, der mich interessiert, aktiv abdecken zu können, eine (temporäre) Entscheidung zuungunsten des barocken Instrumentariums zu treffen. Trotzdem werde ich Barockmusik immer auf "historisch informierte" Art und Weise spielen (ich kann gar nicht anders) und damit vielleicht ebenso einen "authentischen" Zugang haben wie jemand mit einer Barockgeige - nur der Klang wird nie der gleiche sein und es ist keinesfalls möglich, sich dem anzunähern - und wie Ulli schon ganz richtig behauptet hat, außerdem sinnlos und vergebliche Liebesmüh.

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."
    Max Bruch (1838-1920)

  • Zitat

    Klar ist das aus Hörergehör nachvollziehbar und entzieht sich somit jeglicher Kritik. Was ich aber nicht nachvollziehen kann ist, wenn etwas als angeblich "historisch informiert" angeboten wird, es dann aber nicht ist; oder wenn man sich historisch informiert, es dann aber doch anders macht und das Etikett "historisch informiert" draufpappt. Ich halte das für Leuteverarschung... sorry.


    Bei der ganzen Angelegenheit frage ich mich wirklich, was der Aufwand im vorliegenden Fall soll, sich historisch zu informieren, um dann zu versuchen, mit modernen Instrumenten den Klang alter Instrumente herzustellen? Es tut mir leid, aber das ist vollkommen schwachsinnig (unabhängig davon, ob jemandem das Ergebnis gefällt oder nicht) und entbehrt imo jedweder nachvollziehbaren Grundlage. Nur wenig Legato zu spielen ist noch lange nicht historisch korrekt; ein Legato, wie es mit modernen Geräten möglich ist, wäre auf einem historischen Flügel per se unmöglich: so sehr man sich auch bemühen würde, es würde kein astreines Legato werden; insofern ist das doppelter - dazu noch überflüssiger - Aufwand, der hier betrieben wurde.


    Hart, aber wahr II :thumbup:



    ich verstehe es auch nicht, aber mir scheint, dass hier eine Menge Angst mitschwingt. man will einfach beweisen, dass auch die konventionellen Klankörper diese Musik genauso gut spielen können - vielleicht sogar besser.
    Man darf ja auch nicht vergessen, seitdem Mitte der 90er Jahre HIP extrem auf dem Vormarsch ist, sind die ganzen Kammerorchester die zuvor barocken Mainstream spielten von der Bildfläche verschwunden (ich empfinde dies jetzt nicht als Verlust...)
    Und viele wollen eben auch nicht einsehen, dass bestimmte Werke eben auch bestimmte Instrumente brauchen um zu wirken, einfach weil der Komponist sie für ein bestimmtes Instrument schrieb.
    Daher empfinde ich auch Couperins Cembalowerke auf dem Flügel als Zumutung.


    Und um mein Paradebeispiel noch mal anzuführen:
    Hier hört man auf wunderbare Weise den Unterschied zwischen einem HIP Ensemble das seine Sache ernst nimmt und einem nicht unbekannten Dirigenten, der HIP als Unsinn abqualifiziert und meinte beweisen zu können, dass man diese alte Musik für ein modernes Publikum auch auf einem modernen Klankörper spielen muss. (Das Booklett ist der Hammer...)


    Man bilde sich am besten selbst eine Meinung (reinhören bitte, auf die Reaktionen bin ich gespannt):



    Alberto Zedda, der HIP für Unsinn hält



    Gabriel Garrido, mittlerweile einer der großen Namen in der HIP Szene



    und ja, es handelt sich um die gleiche Oper.....

  • Man bilde sich am besten selbst eine Meinung (reinhören bitte, auf die Reaktionen bin ich gespannt):

    Oh Mann das ist wirklich der Hammer - ein Kabinettstück, möchte man meinen. So sollte man es nicht machen. Das war jetzt das Totschlagargument, aber jetzt bin ich still. ^^


    Und viele wollen eben auch nicht einsehen, dass bestimmte Werke eben auch bestimmte Instrumente brauchen um zu wirken, einfach weil der Komponist sie für ein bestimmtes Instrument schrieb.

    Jep - geht ich voll mit, Lieblingsbeispiel Gambe. Aber vielleicht bin ich bei bestimmten Instrumenten - wie Cello, Geige - etwas "offener" weil ich vielleicht durch Hörgewohnheiten davon überzeugt bin dass es auch anders geht.... denn Bachs Geigensoli wurden ja seit Joseph Joachim immer gespielt (siehe meine Signatur... :D ), Gamben-Musik dagegen erst wieder seit der HIP-Bewegung....

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."
    Max Bruch (1838-1920)

    • Offizieller Beitrag

    ich verstehe es auch nicht, aber mir scheint, dass hier eine Menge Angst mitschwingt. man will einfach beweisen, dass auch die konventionellen Klankörper diese Musik genauso gut spielen können - vielleicht sogar besser.


    An dieser Beobachtung scheint mir etwas Wahres dran zu sein. Nur vergisst man dabei offenbar, daß moderne Instrumente niemals "besser" sein können, als jene, für die es wirklich geschrieben wurde. Sie sind allenfalls weiterentwickelt und anders, aber nicht besser (wobei "besser" ersteinmal einer Definition bedürfte...). Auf mich macht diese Beethoven-Sonaten-Geschichte tatsächlich den Eindruck, als würde man die Verwendung moderner Instrumente begründen wollen, was ja immerhin schonmal ein Fortschritt ist :D - vor noch nicht allzu langer Zeit mußte man die Verwendung historischer Instrumente rechtfertigen... hier schwingt dann ganz offenbar durchaus ein wenig Angst mit, mit einer Interpretation auf modernen Instrumenten heutzutage noch landen zu können. Diese Angst wiederum halte ich für überflüssig, da letztlich die Güte der Interpretation entscheidet, ob sich eine Aufnahme verkauft oder nicht.


    :wink:

    • Offizieller Beitrag

    Gamben-Musik dagegen erst wieder seit der HIP-Bewegung....


    Das 6. "Brandenburgische" Konzert Bachs wurde aber doch in den 1950er ff. Jahren nicht ausgelassen, nur weil der Komponist dort 2 Gamben und eine Violone vorschrieb? Die wurden einfach durch Violen, weitere Celli resp. einen Contrabass (oder was auch immer dem Ensemble gerade eingefallen ist) ersetzt. Genauso Schuberts Arpeggione-Sonate... gespielt wird sie stets unter dem ihr zugedachten Titel, in den seltensten Fällen wurde jedoch ein Arpeggione verwendet, meistens ein Violoncello. Beispiele in der Art gibt es sicher unzählige... als "Hammer" z.B. noch Beethovens "Hammerklavier-Sonate": daß es nie jemandem aufgefallen ist, daß das Werk nie Steinway-Sonate oder Bösendorfer-Sonate hieß, tut schon etwas weh...


    :umfall: