Neu am Start: TYXart - das Label für Musik und Klangkunst

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    es ist ein neues Label am Start, das sich von anderen Labels abhebt: TYXart. Das Label hat eine eigene Homepage und die bisher erschienenen CDs sind auch allesamt bei jpc gelistet:






    Es ist kein reines KlassikLabel, sondern es gibt auch Bearbeitungen, neue Musik, Newcomer, Unbekannte... ein weites Versuchsfeld ohne erkennbare Schranken offenbar. Der Inhaber des Labels, Andreas Ziegler, kam auf mich zu und fragte, ob wir als Forum seine Produktionen etwas promoten können und wollen und da ich persönlich solche Projekte überaus schätze, habe ich prompt zugesagt. Einige unserer Mitglieder werden kostenlos CDs aus dem Programm nach Wahl erhalten und diese dann hier in diesem Thread in loser Folge rezensieren.

    Soweit ich das zu beurteilen vermag, gibt es bereits einige sehr interessante Scheiben bei TYXart. Ich persönlich freue mich auf Beethovens große Saxofonphuge *yepp*

    Ich bin jedenfalls gespannt auf die ersten Rezensionen und wünsche dem Label einen guten Start!

    *salut*

    • Offizieller Beitrag

    Salve,

    die Lieferung ist inzwischen eingetroffen und peu à peu gehen die CDs auf die Reise zu ihren Rezensenten. Eine habe ich mir zunächst aus besonderem Interesse hierbehalten, werde sie aber nach Gebrauch auch gerne weiterreichen:

    All about Fugues
    Aus den Fugen geraten

    Das Deutsche Saxophon Ensemble spielt Fugen von Bach (Contrapunctus I, IV und IX aus der KdF), Hindemith (Fuga secunda, nona, quarta und quinta aus "Ludus tonalis"), Mendelssohn (Präludium und Fuge D-Dur op. 35 Nr. 2, Fuge B-Dur op. 35 Nr. 6), Brahms (Choralvorspiel und Fuge über "O Traurigkeit, o Herzeleid"), Strauss (Fuge zu vier Themen), Schumann (Fugen über B-A-C-H op. 60 Nr. 2 und 5) und Beethoven (Große Fuge B-Dur op. 133). Arrangiert wurden die Werke jeweils von Michael Ruf.

    Verwendet werden Sopran-, Alt- und Tenor-Instrumente "Mark VI" sowie ein Baritonsaxophon "Super Action Serie II", jeweils von Henry Selmer.

    Die Instrumente entfalten in der Tat einen zum Teil ungewöhnlichen Klang: Bei Bachs Contrapunctus z.B. wird ein orgelähnlicher, sehr sphärischer Sound erwirkt, bei Beethovens "Großer Fuge" hören sich die Instrumente eher wie erkältete Clarinetten an (was mir aber durchaus behagt); im (noch physischen) MGG wird ja das Saxophon als "Abart der Clarinette" bemitleidet. Schumanns B-A-C-H-Fugen hören sich in dieser Besetzung teilweise recht "freimaurerisch" an und erinnern mich an Mozarts Bläsermusiken für Clarinette, Bassett- und Englischhörner.

    Das Booklet ist auch sehr informativ gestaltet: schön, daß die Instrumente beim Namen genannt werden (!), auf sechs Seiten äußert sich Michael Ruf zum Thema "Fuge" im Wandel der Zeit und geht auch auf die eizelnen hier vorgestellten Kompositionen kurz ein. Der Volltext ist in deutscher und englischer Sprache abgedruckt, die Texte zu den Ausführenden auch in Französisch und Japanisch. Michael Ruf gehört neben Katharina Stashik, Nicole Schillings und Monika Leufgen zum Deutschen Saxophon Ensemble.

    Ich muß zugeben, daß mich der Klang des Ensembles stellenweise doch positiv überrascht hat, fast würde ich sagen, daß man von einer modernen Form des Streichquartetts sprechen kann (für das ja seinerzeit etliche Fugen ebenalls bearbeitet oder speziell komponiert wurden). Hier unterhalten sich jedenfalls vier vernünftige Leute... manchmal klingen mir die hohen Töne zu spitz und schrill. Ich hatte ein wenig Bedenken, daß mir das Ergebnis zu verjazzt ist... völlig unnötig: hier erklingen ernstzunehmende Instrumente.

    :wink:


  • Werke für Solo Bassgambe von Carl Friedrich Abel, Johann Sebsatian Bach, Georg Philipp Telemann, Mr. Demachy, Marin Marais, Jean Baptiste Forqueray und Louis de Caix d’Hervelois

    Jakob David Rattinger (Viola da Gamba)

    Die CD ist recht liebevoll und auch kreativ aufgemacht, es ist das moderne Digipack zum aufklappen, mit guten Photos, einem mehrsprachigen Booklet, das aber leider einige Kritik einstecken muss. So ist bei der Edition nicht angegeben, aus welchen Werken nun die verschiedenen Stücke stammen. Einzig bei Telemann wird der „Getreue Musikmeister“ im Text erwähnt. Aus welchem Buch, bzw. Suite die Sarabande von Marais stammt, erfährt man nicht. Das gleiche auch bei den anderen Werken – so etwas ist eigentlich nicht ok.

    Dann passiert leider noch ein böser Schnitzer, es werden Marais und Forqueray zwar gegenübergestellt, ja nur Hubert Le Blanc sprach von Antoine Forqueray und nicht Jean Baptiste seinen Sohn, doch genau jener ist es, dessen Musik man hört. Forqueray d.J. brachte im Jahre 1747 eine Sammlung von 5 Suiten heraus und diese widmete sie der hochbegabten Tochter Louis XV, die hervorragend Gambe spielte: Madame Henriette. Diese Suiten beinhalteten die erhalten gebliebenen Stücke seines Vater, der sich zu Lebzeiten weigerte, seine Werke in den Druck zu geben. Und gerade die Chaconne 'La Morangis ou La plissay' die hier zu hören ist, stammt nun aber eben vom Sohnemann (dieser hatte 3 eigene Stücke für die 3. Suite hinzukomponiert). Auch etwas missverständlich die Beschreibung „Deutschlands“ im Zeitalter des Barocks. Es gab eben kein Deutschland, sondern nur eine Ansammlung von Kleinstaaten unter dem Banner des heiligen römischen Reichs deutscher Nation. Dass dieses Staatengebilde mit den griechischen Stadtstaaten zu vergleichen wäre, ist mir irgendwie unbehaglich. Aber genug genörgelt, nun zur Musik und zur Interpretation:

    Denn umso behaglicher ist aber die Interpretation. Jakob David Rattinger spielt auf einer Gambe von Domenique Freguin nach einem Modell von Colichon aus dem Jahr 2010. Wem das nichts sagt, Michel Colichon war ein frz. Instrumentenbauer (ca. 1666-1693). Rattinger hat einen eigenen Stil, er ist kernig, aber auch sanft, völlig anders als z.B. die Spielweise von Savall. Rattinger spielt vielleicht sogar noch ein Hauch präziser als der Gottvater der Gambe. Die berühmte Prélude Arpeggiata von Abel eröffnet die Aufnahme. Bemerkenswert ist das hin und her zwischen den Musikstilen, das in der Tat mehr Abwechslung bietet, als man vielleicht zuerst glauben mag. Rattinger gelingt das Einfühlen in die jeweilige Mentalität, so erfährt man deutsche Strenge, wie die französische Leidenschaft. Höhepunkt der Aufnahme ist sicherlich die schon angesprochene Chaconne von J. B. Forqueray, hier hat man fast den Eindruck, dass die Grenzen des Instruments erreicht werden, man hält den Atem an. Ein Vergleich mit der Interpretation von einem der Lehrer Rattingers, Paolo Pandolfo, ist auch sehr aufschlussreich. Rattinger riskiert mehr und gewinnt. Auch wenn bei Pandolfo vielleicht mehr das tänzerische Moment zu Tage tritt, vermeidet Pandolfo jegliche Extreme. Bei Rattinger ist dies aber voll zum Tragen gekommen und damit zum absoluten Gambenerlebnis geworden. Den Ausklang der Aufnahme bilden Demachy und Bach. Demachys Werke gehören zu den ersten jemals gedruckten Werke für Solo Gambe und für mich auch zu den schönsten – leider gibt es nur sehr wenige Aufnahmen – umso erfreulicher, dass nun wieder 3 Stückchen in einer schönen Interpretation zu hören sind.

    Den ollen Bach hätte ich persönlich nicht gebraucht – interessanter gewesen wäre vielleicht Musik von August Kühnel, dem Gambenmeister am Hofe des Landgrafen Carl von Hessen Kassel, oder Werke von Johan Schenk, der am Hof des Jan Wellem in Düsseldorf die Gambe spielte. Die beiden Stücke von Bach, eine Sarabande und ein Menuett, sind zudem Transkriptionen aus den Suiten für Violocello (aus der 1. Suite in G-Dur). Die Werke kommen allerdings via Gambe für meinen persönlichen Geschmack wesentlich besser rüber als auf dem Violoncello.

    Das Finale ist wieder ein berühmtes Stück: ‚Le Badinage’ von Marin Marais, bekannt aus der Filmmusik zur „Siebenten Saite“ (Tous les matins du monde) und neben 'La Rêveuse' wohl eines der am meisten strapazierten Werke für die Gambe. Auch hier geht Rattinger einen eigenen Weg, völlig losgelöst von dem Denkmal Savalls. Das ganze ist fast nur dahingehaucht und die Beschreibung von Hubert Le Blanc, wie er einst Mr.de Sainte de Colombe charakterisierte, dass er mit der Gambe sowohl das sanfte Atmen einen schlafendes Kindes, wie auch den gewaltigen Schlachtruf des Heinrich von Navarra imitieren könnte, mag nirgendwo treffender sein als hier.

    Leider hat die CD nur eine Gesamtspielzeit von 44:46 Minuten – bei einer solch beseelten Interpretation hätte man durchaus die Gesamtlaufzeit ausnutzen können und sollen.

    In jedem Fall eine Empfehlung für Gambenfans und welche die es werden wollen.

  • Giora Feidman & Elena Denisova

    Cover Informationen:
    Die Informationen in der beigelegten Broschüre sagen viel über die Befähigung der agierenden Musiker. Auch bin ich in keiner Weise enttäuscht worden von der dargebotenen Kunst. Über die Entstehung der beiden Stücke, Hatikva & Fukushima, gibt Franz Hummel eine kurze Erklärung ab. Hier hätte ich mir gewünscht, eine etwas ausführlichere Darlegung des Stückes zu lesen. Für denjenigen der in die Modern Classics einteigen möchte und nach einer Vertiefung der Stücke sucht, wird hier alleine gelassen.

    Allgemeiner Klangeindruck:

    Hatikva – Die Stimmung am Anfang des Stückes entrückt mich in eine andere Welt. Feidman holt mich, mit seinen Tonverlockungen, auf eine außergewöhnliche Reise ab. Mit einsetzen der Bass Klänge wird die Tür geöffnet die mich an unterschiedliche Orte führen möchte. Der Klangkörper, des Orchester untermalt die entstehende Landschaft und die Klarinette erzählt die unterschiedlichen Geschichten der Leute die mir begegnen. Entsetzen wird in Zuversicht verwandelt. Sehr einfühlsame Tonbilder entstehen und wechseln vor meinen Augen. Hier und da versetzen sie mich in Schrecken. Doch immer wieder treffe ich das Thema – Hatikva. Außergewöhnlich harmonisch schön trägt das Orchester die erzählende Klarinette auf ihre Reise. Dramatik und einkehrende Ruhebilder entstehen in meinem Kopf. Das versöhnliche Wechselspiel von Klarinette und Piano (hier Klavier zu sagen, trifft es nicht) ist einfach große Kunst. Ein wunderbarer Dialog. Was geschieht als Nächstes? Dramatik, Aufschrei und wieder entsteht Hoffnung. Langsam schließt sich die Tür für den Betrachter in diese andere Welt. Eine Pause entsteht. Die Zuschauer waren so verzaubert bis endlich tosender Beifall die Musikkunst belohnte. HATIKVA – ja die Hoffnung ist die Kraft zu Leben! Diese CD werde ich nicht zu weit weg legen.

    Fukushima – Eine völlig andere Stimmung wird durch das grandiose Spiel von Elena Denisova durch das Stück getragen. Eine Atemberaubende Dramatik die durch das Orchester untermalt wird. Bei so viel (für mich) entstehenden Disharmonie, eine runde Harmonie entstehen zu sehen, versetzt mich in Erstaunen. Hier sind mehrere Klangbilder die aufbäumen und Schreckensbilder malen. Ach ja, es geht um Fukushima und auf einmal bin ich mitten im Thema. Alexei Kornienko dirigiert Meisterhaft durch das Anspruchsvolle Stück. Manchmal vergesse ich das diese Klangbilder durch Instrumente entsteht und ich fühle mich mitten im Geschehen versetzt. Ich sehe die Menschen in ihren Trümmern, in dem was das Schicksal übrig gelassen hat suchen, betäubt... Aber auch hier entsteht Neues. Es geht weiter! Wie? Werden wir aus der Geschichte etwas lernen? Am Schluss entstehen
    diese Fragen und wie lautet meine Antwort? ...

    Erwartungen: Ich war sehr gespannt wie Giora Fidman das Thema Hatikva in seiner Interpretationsart umsetzt. Die Art wie Feidman mit seiner Klarinette zu spielen vermag, versetzt mich als Freizeitklarinettist immer wieder in Erstaunen. Das auf einer modernen Klassikart zu hören war ich sehr gespannt.

    Modern Classics:
    Mit Klassik Musik verbinde ich eine Zeitepoche mit deren eigentümlichen Musikempfinden. Die Gefühle der Menschen, die Schwingungen des Alltags in Musik gesetzt. Jene Zeitgenossen konnten beim hören der Klänge berührt werden und den Alltag hinter sich lassen oder erträglicher finden. Beziehungsweise auch ihr Glücksempfinden wiederfinden. Beim hören dieser alten Musik gelingt es mir auch Heute noch Gefühle zu verarbeiten. Ich persönlich tue mich schwer, mit dem Begriff Modern Classic. Der Widerspruch im Namen?

    Kaufempfehlung:
    Die CD wird nicht der große Renner werden. Aber die außergewöhnliche Musik wird ihre Liebhaber finden. Daher ein Dank an TYXart für die Auflage der Musik die ihre Käufer finden wird, aber mit der nicht das große Geld zu verdienen sein wird. Schön das solche Werke Beachtung finden. Für mich war die CD in jeder Hinsicht eine musikalische Bereicherung.

    So weit Euer
    Detlef

    • Offizieller Beitrag

    Inzwischen habe ich auch mal die Zeit gefunden, mir die mir zugesandte CD einige Male zu hören.

    Beschäftigt habe ich mich mit Musik des 20.Jahrhunderts: Schönberg, Adorno und Strawinsky.

    Verglichen habe ich insbesondere das Konzert mit Zvi Zeitlin (Vl) und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Rafael Kubelik von 1972 sowie meinem persönlichen Favoriten bei dem Konzert, Hilary Hahn (Vl) mit dem Schwedischen Radio Symphonie Orchester unter Esa-Pekka Salonen (2008).

    Interpretatorisch fand ich das Konzert ansprechend. Liana Issakadze spielt den Schönberg als ZwölftonMUSIK, sie buchstabiert die Noten nicht, ganz im Sinne von Schönberg. In der Hinsicht hat sie mich mehr überzeugt als Zeitlin, was aber vor allem an Kubelik liegen mag, den ich als Dirigenten von Mahler und Bruckner sehr schätze, nicht aber als Dirigent von Schönberg & Co. Im Tempo ist Issakadze langsamer als zum Beispiel Hahn, die nach meinem Empfinden einfach zupackender an das Konzert herangeht. Auch tonlich liegt Hilary Hahn mir mehr, was aber auch an der Aufnahmetechnik liegen kann.

    Hier kommen wir auch schon zu meinem größten Problem mit der Einspielung: es handelt sich um eine Live-Aufnahme. Der Applaus wurde leider nicht herausgeschnitten, was mich nach einem solchen Werk immer etwas stört. Aber das ist eine persönliche Sache. Noch mehr allerdings stört mich der offenhörbare Mangel an Hustenbonbons; im langsamen Satz hört man eine U-Bahn, ein Flugzeug oder was auch immer, was mich schon arg gestört hat. Was mag das für ein Saal gewesen sein. Den stampfenden Dirigenten, der versucht, sein Orchester bei der Stange zu halten, kenne ich auch von Bernstein, da gibt es Schlimmeres... Warum man aber in ein Konzert mit diesem Programm ein Baby mitnimmt, wird das Geheimnis der Eltern bleiben. Kein Wunder — in dem Alter hätte ich da auch angefangen, zu weinen. Alles in Allem: für mich klanglich nicht der Stand der Technik, selbst bei Live-Aufnahmen. Leider ein klares Minus für mich persönlich. Interpretatorisch bei meinen drei Aufnahmen die Mitte. Besser als Zeitlin/Kubelik, nach meinem Empfinden aber hinter Hahn/Salonen. Klanglich allerdings das Schlusslicht.

    Für den Adorno habe ich keinen Vergleich. Genaugenommen habe ich die Stücke zum ersten Mal gehört. Interessant für alle Hörer, die sich für Musik des XX. Jahrhunderts begeistern können. Die Stücke haben meinen persönlichen Horizont erweitert. Auch hier allerdings die klanglichen Beeinträchtigungen.

    Zum Abschluss gab es Strawinksy, die Suite Nr. 2 aus dem "Feuervogel" von 1919. Diese Fassung kannte ich auch noch nicht. Gut dargeboten, aber irgendwie mag der Funke nicht so recht überspringen, was leider auch wieder am Klangbild liegen mag.

    Fazit: Klasse Programm, tolle Musik. Aber ich glaube, aufgrund der klanglichen Mängel und weil die Interpretationen zwar gut aber m.E. nicht Spitzenklasse sind, hätte ich mir die CD nicht gekauft. Allerdings hätte ich dann wohl den Adorno verpasst...

  • Morgen schreibe ich endlich etwas zu dieser tollen CD.

    Nur soviel vorab: ein echter Genuss, ich habe mich immens gefreut, diese CD hören zu können und kann dem Label dazu nur gratulieren! *sante*

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."
    Max Bruch (1838-1920)


  • Lieder einer Reise - Songs of Travel - Chants du Voyage
    Franz Grundheber - Bariton
    Matthias Veit - Klavier
    Werke von Frank Martin, Franz Schubert, Richard Wagner, Robert Schumann und Hugo Wolf
    TYXart TXA12010


    "Wenn jemand eine Reise tut, so kann der was erleben" - dies weiß schon der Volksmund treffend zu berichten. Wohin die Reise geht und wie die Umstände derselben sind, ist oftmals nicht nur eine Sache des Geldes und der Zeit, die zur Verfügung steht, sondern - in konkret diesem Falle - der Fantasie. Franz Grundheber und Matthias Veit laden auf dieser CD zu einer Reise ein, die man aus verschiedenen Gesichtspunkten betrachten kann; eine Reise durch die Jahrhunderte, durch Musikstile und -gattungen, durch körperliche und geistige Verfassungen, durch Lebensabschnitte, jedoch spielt sich alles im Zeitraum der Romantik und in der territorialen Begrenzung des deutschsprachigen Liedes ab, und das aus gutem Grunde - die Metapher der Reise birgt in sich viel Romantik oder ist zumindest in deutscher Hinsicht das Motiv der Romantik schlechthin, und diese kommt auf der CD sehr gut zur Geltung. Ich dachte bei erstmaligem Studieren des Titels, dass Ralph Vaughan Williams mit seinen Songs of Travel ebenfalls enthalten sein würde - aber das Konzept der CD lässt für mich schlüssig erscheinen, warum dies nicht der Fall ist.

    Beginnen tut die CD sehr eindrucksvoll mit Frank Martins Sechs Monologen aus Jedermann. Von Anfang an wird der Hörer unmittelbar in diese nachdenklich stimmenden, hoch emotionalen und aufreibenden Stücke hineingezogen. Ich hatte das Werk vor einiger Zeit in der Orchesterfassung gehört, bin aber auch von der Klavierversion, die intimer und demnach der Stimmung der Monologe durchaus eigentlich passender erscheint, ebenso angetan. Man hört diesen Zyklus seltener, als er es verdient, und es ist deshalb ein Statement, damit eine CD zu beginnen - und wie. Franz Grundheber singt die Werke mit ungeheurer Textverständlichkeit, tiefer Durchdringung ihres emotionalen Gehaltes und verleiht dem ganzen die Würde und Reife eines lebenserfahrenen Mannes, welcher der Jedermann ja ist. Vokal leistet er beeindruckendes; seine Tessitur ist meines Erachtens schon die eines Bass-Baritons, denn auch die tiefen Passagen meistert er mit erheblicher Sonorität. Diese modernsten Lieder der Platte begleitet Matthias Veit mit großem Feingefühl, aber auch jener emotionalen Distanziertheit, die dem Stück eigen ist; er übernimmt somit die Aufgabe des kühlen, sachlichen Beobachters und Kommentators, was dem Zusammenspiel zusätzliche Schärfe und Spannung verleiht.

    Weiter geht die Reise mit Liedern von Felix Mendelssohn, wobei das Erntelied das hervorstechendste ist; Mendelssohn verarbeitet hier einen alten Kirchenchoral (Es ist ein Schnitter, heißt der Tod) und unterlegt diesen, ohne stilistisch einen Bruch zu provozieren, mit einer sehr Mendelssohnschen Begleitung, die den Vanitas-Charakter des Liedes noch zusätzlich unterstreicht. Etwas verwundert war ich, dass auch das Hexenlied aufgenommen wurde - ist es doch sonst eher eine Domäne der Soprane (auch durchaus logisch begründbar), jedoch vermag es Grundheber durch seine rauhe und pointierte Herangehensweise diesem vielgehörten Lied zusätzlichen Charakter abzugewinnen. Auch begleitet Veit mit beeindruckender Intensität - und vor allem im Hexenlied - großer Virtuosität.

    Die Ausschnitte aus Schuberts Schwanengesang profitieren einmal mehr von der unglaublich guten Textverständlichkeit und der gereiften Interpretationsweise Grundhebers. So wird zum Beispiel das Fischermädchen zu einem charmanten, aber hoffnungslosen Gruß eines alten Mannes an ein junges Mädchen, welches offenbar außerhalb seiner Reichweite liegt und damit diesem eher leichtgewichtigen Lied zusätzliche Tiefe verleiht.

    Eine Entdeckung waren die vier Lieder von Richard Wagner. Branders Lied ist herrlich komisch, und inspiriert Grundheber und Veit zu einem ausgelassenen Charakterbild eines verschrobenen alten Herren. Die beiden Mephistopheles-Lieder geben dann genügend Raum, des Teufels Hörner auf leise und bedrohliche Weise zu zeigen, wohingegen der Tannenbaum wieder ganz romantisches Kunstlied mit ergiebigen Kontrasten ist.

    Robert Schumanns Liedschaffen ist wiederum sehr gut erschlossen, und Grundheber kann den prominenten Kollegen sehr wohl das Wasser reichen. Ein Höhepunkt ist Aus den hebräischen Gesängen, auch sonst eher die Domäne (dramatischer) Soprane. Hier versteht er, seine tiefe Lage bruchlos und wohlklingend, aber nicht gedrückt und forciert einzubauen, ein Kunststück, an dem seine Kolleginnen oftmals zu knabbern haben. Der Spielmann hat mich emotional sehr berührt - hier geht es um einen Spielmann, dessen Geliebte ihm nicht nur ausgespannt wird, sondern auf deren Hochzeit er auch noch aufspielen muss. Ein treffendes und nachdenklich stimmendes Lied, was mir vorher nicht bekannt war.

    Vier Lieder von Hugo Wolf beschließen diese CD - hier konfrontiert Grundheber gleich zu Anfang das Lied Der Musikant mit dem genannten Schumann-Lied; ein sehr guter Schachzug, denn sofort werden die Zweifel und die Betroffenheit in leichtgewichtige, aber trotzdem melancholisch angehauchte Fröhlichkeit umgewandelt. Nach dem sehr patriotischen (und sehr schönen) Heimweh folgt mit Der Tambour noch einmal eine Demonstration der Komik, die Grundheber so geschmackvoll einzubinden versteht. Mit Mörickes Fußreise schließt die CD ganz versöhnlich, aber auch nachdenklich - der Kreis schließt sich, die Reise ist vorbei, oder ist sie das? Geht die Reise, das Leben, nicht endlos weiter, auch wenn man denkt dass sie/es vorbei ist?

    Ich war nach erst- und nochmaligem Anhören der CD sehr davon angetan und möchte eine ganz herzliche Empfehlung aussprechen. Franz Grundheber gelingt das Kunststück, tiefgehende und gehaltvolle Liedinterpretationen mit großer Textverständlichkeit darzubieten, ohne - und das ist der springende Punkt - ins übertrieben dramatische ("opernhafte") oder, noch schlimmer, artifiziell gekünstelte abzurutschen. Er bleibt immer authentisch, klar deutlich und wahrhaftig und man nimmt ihm sämtliche Emotionen ab, etwas, was er meiner Meinung nach sehr prominenten und durchaus legendären deutschen Liederinterpreten meilenweit voraus hat. Matthias Veit ist Begleiter, Partner, Träger und Kommentator des ganzen und versteht es nicht nur, dem Sänger das berühmte "Bett" zu bereiten, sondern auch eigenes Profil kenntlich zu machen. Eine sehr präsente, aber angenehme Tontechnik und ein interessantes, mehrsprachiges Booklet runden diese gelungene und wirklich spannende Produktion ab. Unbedingte Kaufempfehlung für Liedfreunde und solche, die es werden wollen.

    Ein großes Dankeschön an TYXart, dass sie dieses bereits 2003 aufgenommene Recital endlich verfügbar gemacht hat!

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."
    Max Bruch (1838-1920)

    • Offizieller Beitrag

    Es ist so ruhig hier im Thread — ich hätte mir eigentlich gewünscht, zu den anderen CDs aus dem Eröffnungsbeitrag noch etwas zu lesen. Kommt da noch etwas? Möchte jemand mal den Schönberg/Adorno hören, um eine zweite Meinung abgeben zu können?

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Hallo Herr Blees,

    [...]

    Folgend eine neue CD aus unserer (in Zeiten andauernder Superstar-TV-Shows bewußt etwas provokant betitelten...) CD-Reihe "Rising Stars" - vom 19-jährigen Pianisten und Komponisten Alexander Maria Wagner - über die ich Sie gerne informieren möchte:

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    ganz überraschender Weise habe ich heute Post mit Neuheiten von TYXart folgenden Inhaltes erhalten:

    TIERISCH BAROCK
    When animals talk

    Das Kölner Barockensemble „Nel Dolce“ präsentiert:

    Marco *uccellini* (c1603-1680)
    Maritati insieme la Gallina, e 'l Cucco fanno un bel concerto (Die Hochzeit der Henne und des Kuckucks)
    La Tarantola (Die Tarantel)
    La Tartarua (Die Schildkröte)

    Tarquinio Merula (1595-1665)
    La Gallina (Die Henne) aus Canzoni
    overo Sonate concertante per chiesa e camera op. 12

    Giovanni Battista Buonamente (c1595-1642)
    Cavalletto zoppo (Das lahme Pferdchen) aus il quarto Libro de varie sonate: Sonata X

    Maurizio Cazzati (1616-1678)
    La Pellicana (Der Pelikan) aus Sonate op. 55, 1

    Heinrich Ignaz Franz *castor* (1644-1704)
    Sonata Representativa C146

    Robert Orme (?-1711)
    The Imitation of several birds

    Nicola Matteis (1670-1714)
    Il Russignolo (Die Nachtigall) aus Second Book of Aire's in three Parts

    William Williams (1675-1701)
    Sonata in Imitation of Birds

    Domenico Scarlatti (1685-1757)
    Fuga del gatto (Katzenfuge) aus Sonata g-moll K30

    Antonio Vivaldi (1678-1741)
    Il Gardellino (Der Distelfink) RV 90

    Robert Fuchs (1847-1927)
    Trio für Klavier, Violine & Viola fis-moll op. 115
    Six Fantasy Pieces für Viola & Klavier op. 117
    Sonate für Viola & Klavier d-moll op. 86

    Máté Szücs, Viola
    Noah Bendix-Balgley, Violine
    Oliver Triendl, Klavier

    ...und besonders freue ich mich über:

    Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788)
    Sonaten für Flöte & b.c.

    e-moll Wq124 (H551)
    G-Dur Wq133 (H564)
    G-Dur Wq123 (H550)
    D-Dur Wq131 (H561)
    D-Dur Wq129 (H556)
    a-moll Wq128 (H555)
    G-Dur Wq127 (H554)
    E-Dur Wq84 (H506) mit obligatem Clavier

    Katalin Horvath, Traversflöte
    Eva Maria Pollerus, Cembalo, Clavichord, Tafelklavier
    Thomas Platzgrummer, Violoncello

    Da bin ich ja wirklich aufs angenehmste überrascht und auf alles sehr gespannt :)

    • Offizieller Beitrag

    Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788)
    Sonaten für Flöte & b.c.

    e-moll Wq124 (H551)
    G-Dur Wq133 (H564)
    G-Dur Wq123 (H550)
    D-Dur Wq131 (H561)
    D-Dur Wq129 (H556)
    a-moll Wq128 (H555)
    G-Dur Wq127 (H554)
    E-Dur Wq84 (H506) mit obligatem Clavier

    Katalin Horvath, Traversflöte
    Eva Maria Pollerus, Cembalo, Clavichord, Tafelklavier
    Thomas Platzgrummer, Violoncello

    Abgesehen von der ein oder anderen Intonationsschwäche der Flötistin (mich stört es nicht, aber es sollte erwähnt werden, damit ich nicht als taub eingestuft werde), gefällt mir diese mitunter sehr einfühlsame Präsentation sehr gut. Vielleicht hat es so geklungen, wenn Quantz und Bach sich privat „unterhalten“ haben? Besonderes Ohrenmerk wurde darauf verwendet, das Continuo mit unterschiedlichen Tasteninstrumenten auszustatten, so daß sich die Klangfarben ständig verändern, was auch dazu beiträgt, daß das Hören dieser CD recht abwechslungsreich gelingt. Neben einem Cembalo von Matthias Griewisch (2012 nach einem Original von Christian Zell, 1728, gebaut) erklingt auch ein fünfoktaviges Tafelklavier anonymer Herkunft (c1790) sowie ein Clavichord, das 1986 von Karin Richter nach Christian Gottlob Hubert (1771) geschaffen wurde. Damit widerfährt auch der jeweiligen Entstehungszeit der Werke, zwischen denen mitunter 50 Jahre des kompositorischen Schaffens Carl Philipp Emanuel Bachs liegen, Gerechtigkeit. Die D-Dur-Sonate Wq131 (H561) wird als einzige auf einem Clavichord begleitet, erklingt besonders berührend und wird von Kammermusik zu Privatmusik, während sich die Sonaten Wq133, 128 und 84 durch den Gebrauch des moderneren Tafelklaviers klanglich deutlich absetzen und diese Sonaten von ihrem angedichteten verzopften Dasein befreien: so erklingt CPE zwischen den Zeiten.

    Das Booklet ist gewohnt detailreich und informativ gestaltet; dabei wird bewußt auf eine Kurzbiographie des Komponisten verzichtet, da sie ohnehin inzwischen in den Weiten des Netzes nachlesbar ist. Stattdessen gibt es eine kleine Zitatensammlung über CPE, ein von der Clavieristin verfasstes Essay über CPE und die Flötisten; alle Texte in Deutsch, englisch und... ungarisch.

    *budapest*

    Fazit für mich, der ich als der Flöte als Soloinstrument nicht besonders zugetan gelte: eine angenehme Überraschung, bei der die sphärischen Klänge mir Lust machen, selbst mit Clavichord und Flöte musizieren zu wollen.

    Ich möchte an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, daß das Label TYXart uns in unregelmäßigen Abständen kostenlos CDs zur Verfügung stellt; wer also zu einer Rezension bereit ist, darf sich gern melden und erhält dann die Promo-CD zu diesem Zwecke überlassen.

    • Offizieller Beitrag

    Robert Fuchs (1847-1927)
    Trio für Klavier, Violine & Viola fis-moll op. 115
    Six Fantasy Pieces für Viola & Klavier op. 117
    Sonate für Viola & Klavier d-moll op. 86

    Máté Szücs, Viola
    Noah Bendix-Balgley, Violine
    Oliver Triendl, Klavier

    Als Bruckner-Student und Mahler-, Sibelius- und Richard-Strauss-Lehrer sollte man Robert Fuchs und seine Musik vielleicht kennen; mir war leider nicht so und meine erste Assoziation während des ersten Hörens dieser CD war Schumann - vielleicht auch gar nicht so verkehrt: bewegte er sich musikalisch wurzelnd „in jener alten Wiener Schule, die Franz Schubert, wie mit einem Rosenzweig winkend, auf den Pfaden der Anmut und des Wohllautes, den Nicht-Wiener Schumann die Poesie des kleinen gelehrt hatte“, wie Julius Korngold pittoresk zu berichten weiß. Fuchs' Werke wurden denn auch „im Besonderen vom Kreis um Johannes Brahms hoch geschätzt“, schreibt Christian Heindl im Booklet.

    Auffallend ist die Affinität zur Bratsche bei dieser CD-Produktion, wobei insbesondere das 1921 entstandene Klaviertrio davon profitiert und es in die Ecke der Ausnahmefälle katapultiert, wo es neben Mozarts Kegelstatt-Trio, Schumanns Märchenerzählungen op. 132 und Regers h-moll-Trio op. 2 seiner Wiederentdeckung harrte (nota bene: auch Max Bruch und Felix Mendelssohn schrieben für diese seltene Besetzung).

    Den Solisten gelingt eine überzeugende Darbietung der herbstlich-melancholischen Musik - ein Violoncello vermisse ich hier eher nicht; die Musik funktioniert auch - oder gerade wegen - des fehlenden Bassinstrumentes wunderbar und bekommt durch die beiden Streicher (besonders im Finalsatz des Trios op. 115) einen burlesken Caféhausmusik-Einschlag, der mir sehr gefällt. Weder Bruckner und noch weniger Mahler scheinen einen bleibenden Einfluß auf den Komponisten gehabt zu haben; allenfalls orientiert sich vielleicht Mahlers frühes (nicht mehr vollständiges) Klavierquartett an Fuchs' Musik; vielmehr stelle ich Fuchs neben Max Bruch, dessen Musik auch eher unmodern für das 20. Jahrhundert ist, wobei Fuchs die eher lyrische und nicht so emotionsgeladene Bruchsche Schiene bereist. Wenn ich „eher“ schreibe, soll dies bedeuten, ich habe die Violasonate op. 86 nicht ausgelassen: hier weht ein deutlich anderer Wind im Kopfsatz.

    Zu verdanken ist die Wiederentdeckung der Fuchsschen Kammermusik der Joachim-Wollenweber-Edition, die vergessene Komponisten der Klassik und Romantik wieder in den Focus der Öffentlichkeit rückt. Parallel zu den CD-Herausgaben erscheinen auch die Noten im Druck.

    Zu einer regenbetropften Scheibe, die ungemütliches Nass-Dunkel von knisterndem Kaminfeuer und einer Flasche guten Rotweins scheidet, passt die Musik dieser CD außerordentlich gut.

  • Tierisch Barock
    Nel Dolce - Das Kölner Barockensemble

    Die Idee hinter der CD ist so interessant, wie selbstverständlich: eine Auswahl der "Barockkarnevalen der Tiere" zusammenzustellen. Dabei wird ein großes Bogen gespannt und Komponisten vom Anfang bis zum Ende des Barocks ins Feld gerufen, namentlich: von Giovanni Battista Buonamente (1595-1642) bis Domenico Scarlatti: (geboren: 1685-1757).
    Kernstück der Aufnahme ist - wie könnte es anders sein? - die "Sonata represantiva" Bibers, und zwar in einer durchaus lebendigen und von lautmalerischen Spielereien nicht abschreckenden Interpretation.Der "Musiketier Mars" gefällt mir besonders mit ihrer volksmusikalischen Wucht hier.

    Aber die anderen Stücke sind mehr als nur bloße Beilage: viele davon sind absolute diskographische Raritäten, wo sonst findet man Werke von Komponisten Robert Orme oder Wiliam Williams? Aber auch von Einspielungen der Werke von Maurizio Cazzati oder Nicola Matteis sind rar gesät.

    Für mich eine Entdeckung waren aber die gewitzten Werke Marco Uccellinis - das größte Gelächter hat bei mir den Schildkröten gewidmeter kleiner Tanz ausgeholt. Hier werden alle Schildkröteneigenschaften musikalisch vollkommen beschrieben: es geht nämlich um einen zur Zeit bereits etwas veralteten Tanz, einen Pavan, genauso urzeitlich, wie ein Schildkröte, langsam fortschreitend, dabei aber beharrlich und unbeirrt immer in eine und dieselbe Richtung (je eine Schildkröte im Terrarium gesehen? *lol* ), der "Körper" (also die drei Unterstimmen) der Musik dicht und schwerfällig, der Kopf (die Soloflöte) etwas flinker und neugieriger tastend. Man sieht die Schildkröte wie in Musik gemalt. Einfach genial.

    Geschlossen wird die CD mit dem bekannten Kammerkonzert "Il giardellino" von Antonio Vivaldi in einer transparenten und träumerischen Aufnahme.

    LG
    Tamás
    *castor*

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

  • Tierisch Barock
    Nel Dolce


    Heute habe ich die CD ein zweites Mal gehört, und den Eindruck, denn ich beim ersten Hören gewonnen hatte, bestätigte sich nochmals: es handelt sich um ein Schatzkästchen voller Kleinode. Tatsächlich ist hier eine exzellente Auswahl an lautmalerischen Werken aus der Barockzeit getroffen worden, die einerseits die karikierten Tiere würdig in Musik gefaßt haben und andererseits in vorzüglicher Weise zum Leben erweckt werden.

    Uccellinis Sonate aus seinem op. 3 verteilt den Wettstreit zwischen der Henne und dem Kuckkuck kongenial auf die Blockflöte und die Violine, und das langsame Gefühl der Schildkröte wird mit der (Alt)Blockflöte würdig zum Ausdruck gebracht. Herrlich ist auch der dreitaktige Tanz der Tarantel, der der Sonate einen besonderen Schwung gibt. Biber bringt den ganzen "Zirkus" gleich in seiner Sonate C. 146 mit beeindruckender Lebendigkeit zur Geltung, einschließlich mit Froschquaken und Katzenmiauen, und Scarlattis Katzenfuge bringt das Kunststück fertig, das läuferische Talent des Vierbeiners in einer Fuge durchzuexerzieren. Als Letztes Vivaldi mit seinem Konzert Der Distelfink (RV 90), in der die Blockflöte den Gesang perfekt konserviert hat.

    Neben der grundsätzlichen Idee und der Konzeption dieser Auswahl erweist sich Nel Dolce als die perfekte Umsetzung der Musik. Stets bleibt das solistisch besetzte Ensemble transparent und geschlossen, und die Soloinstrumente (zumeist Stepanie Buyken an der Blockflöte und Olga Piskorz an der Violine) sind virtuos geführt. Das exzellente Zusammenspiel ist besonders gut im Vivaldi dokumentiert, welches das Konzert mit einer tänzerischen Leichtigkeit und herrlichen Klangfülle versieht, die man so eher selten finden kann. Ich persönlich würde mal gern mehr barocke Kammermusik von Nel Dolce erleben, denn besonders der Vivaldi hat mir Geschmack darauf gemacht.

    Klanglich ist das Ensemble sauber eingefangen worden, mit wenig Hallanteil, aber dennoch Körper im Klangraum. Wenn das Label weiterhin solche CDs produziert, wird es damit eine feste Fangemeinde aufbauen können.

    Fazit: absolute Spitzenklasse... :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup:


    jd :jubel:

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

  • Zitat

    Gerhard Weinberger stellt hier spätromantische Orgelmusik von Komponisten der sogenannten ›Münchner Schule‹ (Ende 19.Jh./erste Hälfte 20.Jh.) vor. Größtenteils in Ersteinspielungen erklingen auf der 2015 erbauten Goll-Orgel von St. Martin in München-Moosach Kompositionen von Rüdinger, Haas, Beer-Walbrunn, Schmid, Renner, Piechler und Geierhaas.

    ... heißt es in der JPC-Produktbeschreibung.

    Rüdinger: Orgelsonate op. 68
    +Haas: Impromptu in e
    +Beer-Walbrunn: Fuge op. 29 Nr. 2
    +Schmid: Elegia op. 48; Passus et sepultus est op. 110 Nr. 3
    +Renner jun.: Thema mit Variationen op. 58
    +Piechler: Puer natus est op. 16 Nr. 3; Nocturno (Salve Regina) op. 39 Nr. 4
    +Geierhaas: Phantasie & Fugato capriccioso in D

    Ich halte das für eine sehr interessante Programmidee, wenn es um die Frage der Entwicklung der Orgelmusik in Deutschland nach Reger bis etwa 1950 geht.

    Organ 03/2016, S. 58
    Tyxart