Der Widmungsträger dieser heute so berühmten Konzerte war Markgraf Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt (1677–1734), Onkel Friedrich Wilhems I. von Preußen, genannt „der Soldatenkönig“. Die Bezeichnung der Konzerte als "Brandenburgische Konzerte" geht jedoch auf den deutschen Musikwissenschaftler Philipp Spitta (1841-1894) zurück.
Der Markgraf Christian Ludwig von Brandenburg
Der Soldatenkönig war im Gegensatz zu seinem Vater und seinem Großvater, den man den „großen Kurfürsten“ nannte, absolut desinteressiert an Kunst und Musik und entließ fast alle Künstler aus seinen Diensten. Er sammelte stattdessen lieber besonders große Soldaten, die „langen Kerls“ und verschenkte sogar das wertvolle Bernsteinzimmer der Berliner Residenz an den russischen Hof. Seinem Onkel, dem Markgrafen von Brandenburg, wie auch später seinem Sohn, der als "Friedrich der Große" in die Geschichte eingehen sollte, gestattete er die Haltung von Hofkapellen.
Bach traf wahrscheinlich 1719 den Markgrafen in Berlin, um ein neues Cembalo für seinen Dienstherrn, den Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen zu bezahlen. Den Transport sollte Bach überwachen, gebaut wurde das Instrument von Michael Mietke. Man geht davon aus, dass Bach auch die Hofmusik des Markgrafen, der mit Leidenschaft Kompositionen von Vivaldi, Albinoni, Corelli und vielen anderen Italienern sammelte, erlebte. Bach demonstrierte seine musikalischen Fähigkeiten am Hofe und es kann durchaus sein, dass der Markgraf ihn bat, ihm beizeiten eigene Kompositionen im welschen Stil zu übersenden, oder aber dass Bach mit diesen Konzerten vielleicht eine Art Bewerbung für eine mögliche Anstellung als Kapellmeister am Hofe in Berlin im Auge hatte.
Die Partitur der Brandenburgischen Konzerte wird auf das Jahr 1721 datiert und ist von Bach mit
„Concerts avec plusieurs instruments“
betitelt, also eine Concertoform, die weniger das Concerto Grosso Corellis oder das Solokonzert Vivaldis kopiert, sondern sich vielmehr an die sehr in Mode gekommenen großbesetzten Concerti nach dem Dresdner und Münchner Vorbild richten. Bach hatte sich allerdings nicht direkt die Mühe gemacht, die Konzerte für den Markgrafen neu zu komponieren, sondern er stellte sie vielmehr aus vorhandenem Material, das er Jahre zuvor am Hofe zu Köthen (teilweise sogar noch aus der Zeit in Weimar) bereits komponiert hatte, zusammen. Dass die Konzerte trotz dieser „Arrangements“ außergewöhnliche und besonders schöne Konzerte der Epoche sind, steht außer Frage.
Die möglichen Vorbilder:
Viel wird über Bachs Musik diskutiert und spekuliert. Oft ist in der Literatur und von Musikern zu lesen, dass die Brandenburgischen Konzerte den Höhepunkt barocker Instrumentalmusik darstellen, auch werden weitere Superlative ins Feld geführt. Über die Vorbilder dieser Konzerte wird indes wenig bis nichts gesagt, meist mit dem Zweck, die Bachsche Schöpfung in einem besonders genialen Licht darzustellen. Man sollte daher etwas mehr Objektivität walten lassen und einen Blick auf die möglichen Vorbilder dieser Konzerte riskieren.
In München und Dresden war es schon lange vorher üblich, Konzerte für die unterschiedlichsten konzertierenden Instrumente zu schreiben. In München am Hofe Max Emanuels von Bayern war es vor allem Evaristo Felice dall’Abaco mit seinen Konzerten, die – sobald Maximilian Statthalter der Niederlande wurde - auch recht schnell in Amsterdam im Druck erschienen. Johann Christoph Pez, der wie dall’Abaco Hofkomponist in München war, ja sogar Kapellmeister des Kurfürsten, experimentierte mit der Symbiose aus Concerto Grosso und Orchestersuite. Neben München war er auch an den Höfen in Stuttgart, Bonn, Köln und Lüttich.
In Dresden sammelte der Hof Kompositionen der Venezianer, besonders Concerti von Vivaldi. Durch Johann David Heinichen wurde die Hofkapelle mit neuartigen und eher ungewohnten Instrumenten verstärkt, wie dem neuen Chalumeau (dem Vorläufer der Klarinette) und Hörner. Telemann experimentierte wie Pez mit der Symbiose aus Concerto und Orchestersuite: in seiner Zeit in Diensten des Grafen von Sorau sollen mehr als 1000 Orchestersuiten entstanden sein.
Ähnliche Konzerte finden sich auch bei Guiseppe Torelli, der vor allem Trompeten im Concertino für die festlichen Konzerte in Bologna verwendete. Und auch schon Alessandro Marcello verlangt in seinen Konzerten im Concertino zwei Oboen – sein berühmtestes Konzert, das in d-moll, das 1717 in Amsterdam bei Rogier im Druck erschien, wurde von Bach für Cembalo arrangiert. Bach kannte also ganz sicherlich diese vielen verschiedenen Vorbilder.
Die Entwicklung der „Concerts avec plusieurs Instruments“ ist vielleicht auf einen ganz einfachen Umstand zurück zuführen. An einigen Höfen wie Dresden schätzte man die französische Musik zwar, diese geriet aber alsbald aus der Mode, als die neunen Concerti Corellis und Vivaldis in Umlauf kamen. Die modernen Concerti verlangten meist nur den Einsatz von Streichern, was die übrigen Musiker zur Untätigkeit verdammte. Die frz. Orchestermusik verlangte eine Vielzahl von Instrumenten, insbesondere Bläser. Belegt ist, dass viele Höfe französische Oboisten und Flötisten mit ihren modernen und kostspieligen Instrumenten an ihre Höfe verpflichteten und nicht selten ein kleines Vermögen für deren Dienste zahlten – und so scheint es durchaus berechtigt, dass die Fürsten die Verwendung dieser Instrumente befahlen. So ist z.B. auch belegt, das Charles II. von England seine Oboisten und Flötisten stets auf der Bühne auftreten ließ, gewissermaßen als fürstliches Statussymbol. Dieses Statussymbol wollte man nicht aufgeben. Gerade in der Dresdner Hofkapelle sind auch frz. Musiker nachweisbar.
Bach geht jedoch noch weiter was diese Konzerte in der Tat außergewöhnlich macht: er nutzt die Grundstruktur des Concertos Grosso mit dem Concertino und lässt verschiedene Instrumente im Wettstreit mit dem Concerto liegen – aber auch untereinander. Ganz extrem im zweiten Konzert, mit dem Concertino bestehend aus Flöte, Trompete, Violine und Oboe, das in dieser Form wohl wirklich einzigartig sein dürfte. Das erste Konzert mit den Hörnern ist eine ganz klare Hommage an die Dresdner Concerti, wie sie von Pisendel und Heinichen verfasst wurden und die Bach auch sicherlich kannte.
Das dritte Konzert für Streicher allein besteht aus nur 2 Sätzen, die mit einer Kadenz von nur zwei Akkorden verbunden sind. Wahrscheinlich sollte hier improvisiert werden.
Das vierte Konzert mit dem Concertino bestehend aus Violine und zwei „Fiauti d’eccho“ wurde lange von der Bachforschung diskutiert – und das wird es noch immer. Die meisten Musiker sehen in der Bezeichnung einfach zwei gleiche Blockflöten.
Das fünfte Konzert, oft auch als Cembalokonzert beschrieben, zeichnet sich durch die monumentalen Solopassagen für das Cembalo aus. Dieses Konzert ist aufgrund der Tatsache, dass ein Continuo Instrument wie das Cembalo als Soloinstrument behandelt wird, aus heutiger Sicht absolut revolutionär.
Das sechste Konzert ist das vielleicht unpopulärste der gesamten Sammlung, obgleich Bach hier einen wirklich wundervollen Abschluss erfindet. In den ersten 3 Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts kam das Violoncello und die Bratsche immer mehr in Mode, in Frankreich löste die Bratsche die bisher verwendeten Instrumente Quinte, Taille und Quarte ab, das Cello verdrängte schließlich die Gambe. Bach besetzt also das Concertino mit zwei Bratschen und Violoncello und stellt sie zwei Gamben und einer Violone (große Bassgambe, ähnlich dem Kontrabass) gegenüber. Gewissermaßen thematisiert er mit diesem Konzert den musikalischen Streit, der ab den 1720er Jahren ganz Europa entfachte.
Wie schon angesprochen, hatte Bach die Konzerte aus bereits vorhandenem Material arrangiert, die „Urfassungen“ sind meist Sinfonias zu Kantaten. Bekanntestes Stück ist wahrscheinlich die Sinfonia zur Kantate BWV 174 „Ich liebe den Höchsten von ganzem Gemüte“, dieür den ersten Satz des dritten Brandenburgischen Konzertes Verwendung fand. Bei der Sinfonia werden jedoch zusätzlich Hörner gefordert.