- Offizieller Beitrag
Gabriel Anton Walter (1752-1826). Gemälde von Friedrich August Mathias Gauermann (1807-1862). Das 1825 entstandene Portrait kann heute im Kunsthistorischen Museum der Stadt Wien bewundert werden. Der zugehörige Begleittext bedarf allerdings einer Korrektur ("Walters Stieftochter Rosina Katharina heiratete 1803 den Maler Jakob Friedrich Gauermann; dieser porträtierte 1825 seinen Schwiegervater [...]"): nicht der Schwiegersohn malte seinen Schwiegervater, sondern der Stiefenkel seinen Stiefgroßvater (vgl. Genealogie der Familie Walter). Den Maler Jakob Friedrich Gauermann gibt es zudem nicht, Jakob (1773-1843) ist der Vater von Friedrich August Mathias (1807-1862). Rosina Catharina geb. Schöffstoß heiratete im Jahre 1803 Jakob Gauermann, weshalb sie wohl nicht den 1807 geborenen Friedrich geheiratet haben kann, der ihr eigener Sohn ist...
Anton Walter (gelegentlich auch Walther; er schrieb sich selbst allerdings stets mit einfachem t) wurde am 5. Februar 1752 in Neuhausen auf den Fildern (Landkreis Esslingen, Baden-Württemerg) geboren. Zwischen 1778 und 1780 heiratete er die verwitwete Anna Elisabeth Schöffstoß geb. Reisinger (1748-1818), welche aus erster Ehe mit dem Orgelbauer Franz Schöffstoß (auch: Schöfstohs, Schöfstoss, Schöffstos) drei Kinder hatte. Durch diese Heirat gelangte Walter in den Genuß der Konzession für den Bau von Instrumenten. Die Angaben über seine Werkstattniederlassung in Wien widersprechen sich: nach dem Katalog der Sammlung alter Musikinstrumente, I. Teil: Saitenklaviere, Wien: Kunsthistorisches Museum 1966, S. 29 befand sich seine Werkstatt "Auf der Laimgrube 27" im sogenannten Fokanetischen Haus. Konstantin Restles Faszination Klavier. Die Erfolgsgeschichte des Pianoforte. In: Faszination Klavier. 300 Jahre Pianofortebau in Deutschland. Hg. v. Konstantin Restle. München: Prestel 2000, S. 85 folgend gab es zunächst eine Adresse in der "Laimgrube 31", von wo aus es Walter 1792 in die Rothgasse 523 verschlug; dort soll er ein größeres Anwesen erworben haben.
Genealogie der Familie Walter
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Im Jahre 1790 erhält Walter den Titel des k. k. Kammerorgelbauers und Instrumentenmachers resp. k. k. Hof- und bürgerlichen Orgel- und Instrumentenbauers. Etwa ab 1800 betrieb Anton Walter seine Werkstatt zusammen mit dem Stiefsohn Johann Joseph Schöffstoss (1767-1824) und firmierte bis zum Ableben des Stiefsohnes als Walter & Sohn. Das frühest bekannte Instrument dieser Periode stammt aus dem Jahre 1802 und wurde von Paul McNulty als Vorlage für einen Nachbau verwendet, der u.a. in einer Aufnahme von Mozarts Clavierkonzerten KV 271 und 414 mit Paul Badura-Skoda (ARCANA A 351) zu hören ist (daß ein ein solches Instrument mit "Mozart" nurmehr wenig zu tun hat, erwähne ich gerne). Auf demselben Instrument spielte auch Ronald Brautigam frühe Claviersonaten Beethovens ein (Volumina III, IV und V). Das passt.
Walters Betrieb wuchs ständig und erfreute sich bereits Mitte der 1780er Jahre großer Beliebtheit: zu seinen Bewunderern gehörte bekanntermaßen Wolfgang Amadé Mozart. Aber auch Joseph Haydn (der sie nicht sonderlich schätzte), Ludwig van Beethoven und Franz Schubert besaßen resp. bespielten Instrumente aus seiner Werkstatt. Die große Auftragslage erlaubte es Walter, ab 1804 regelmäßig 20 Gesellen zu beschäftigen. Zu diesen Gesellen gehört auch Martin Seuffert (1772-1847), der in der ersten Dekade des 19. Jahrhunderts bei Walter arbeitete und ab 1811 ein eigenes Unternehmen betrieb.
Nach dem frühen Tod von Donat Schöffstoss (1773-1811) übernahm Johann Joseph Schöffstoss die Clavierbauwerkstatt seines Bruders und arbeitete ab 1811 wohl parallel im Unternehmen des Vaters und in der übernommenen Fabrik. Ein Instrument von Donat Schöffstoss aus dem Jahre 1808 befindet sich heute im Musikinstrumentenmuseum Schloss Kremsegg, Kremsmünster.
Walters Instrumente gelten allgemein eher als konservativ und robust. Für die Weiterentwicklung des Hammerflügels ist Walter nicht dermaßen verantwortlich wie die Kollegen Stein/Streicher und Érard. Dennoch waren "Vater" Walter und "Sohn" Schöffstoss innovativ; in der Darstellung des Fabriks- und Gewerbswesens im österreichischen Kaiserstaate, 1823, S. 198, wird über sogenannte oberschlägige Hammerklaviere berichtet: Seit 1820 brachte der Claviermacher Walter in Wien eine neue Art Dämpfung an, wobey mit Leder besetzt horizontal liegende Stäbe auf die Saiten fallen. Die Töne sollen dabey richtiger ansprechen.
Carl Thomas Mozart schrieb Ende Mai 1855 aus Mailand an Johann Baptist Ritter von Finetti: Merkwürdiger als dieses Stammbuch ist wohl das Pianoforte in Flügelform, das ich besitze, und für welches mein Vater eine besondere Vorliebe hatte, so zwar, daß er dasselbe nicht nur beständig in seinem Studierzimmer hielt, sondern auch exclusiv nur allein sich dieses und keines anderen Instrumentes in allen Concerten, es sei bei Hofe, bei Ministern oder im Theater und anderen öffentlichen Orten, bediente. Dieses Instrument ist nebenbei auch deshalben interessant, weil es eines der ersten mit Hammerschlag sogenannten (vom damals berühmten Anton Walter verfertigten) Fortepiano's ist. (Im Anschluss an diese Zeilen vermacht Carl Thomas Mozart das Instrument dem Mozarteum Salzburg).
Instrumente, die - wie Carl Thomas Mozart schreibt - als die "ersten mit Hammerschlag sogenannten Fortepiano's" (Hammerflügel) gelten und in den frühen 1780er Jahren in Wien bei Walter gebaut wurden, verfügten noch nicht über belederte Hämmer, so daß der Originalklang eines solchen Instrumentes eher noch an das Cembalo oder den Tangentenflügel erinnert; die Belederung der Hämmerchen vollzog sich wahrscheinlich erst nach und nach um den Jahrundertwechsel herum, bei Walter & Sohn offenbar erst 1820, nachdem im oben zitierten Text soviel besonderen Wert auf die "neue Art der Dämpfung" gelegt wird. Hammerflügel wurden bereits seit Beginn des 18. Jahrunderts gebaut, so daß sich Carl Thomas' Anmerkung der "ersten [...] Fortepiano's" wohl auf die Produktion speziell in Wien bezieht.
Im Jahre 1800 (neun Jahre nach Mozarts Tod) wurde dieses Instrument von Walter modifiziert. Es steht heute in Mozarts Geburtshaus in Salzburg, es kann allerdings keine zuverlässige Aussage über den Zustand zu Mozarts Lebzeiten gemacht werden. Es lässt sich nicht mit eindeutiger sicherheit nachvollziehen, ob Mozart in der Lage war, die Dämpfer während des Spielens mit einem Kniehebel (das Äquivalent des modernen Dämpferpedals) anzuheben oder ob die das Instrument über einen Handzug verfügte, für dessen Benutzung eine freie Hand erforderlich gewesen wäre. Ein heute in Nürnberg befindliches Walter-Instrument von 1790 wird mittels Handzug bedient. [Freie Übersetzung nach http://www.palacepianos.com/]
Das Instrument, das Mozart 1782 bei Walter erstand, verfügt über zwei Möglichkeiten, die Dynamik zu verändern: zum einen konnte mittels Handzug ein Moderator verwendet werden; durch die Betätigung des Handzugs wird ein kleiner Filzstreifen zwischen Saite und Hammer gezogen, wodurch ein etwas entrückter Klang entsteht. Außerdem verfügt das Instrument über eine Dämpfungsaufhebung, die allerdings nicht - wie heute üblich - mittels eines Pedals vollzogen wurde, sondern auch durch einen Handzug resp. (nach dem Umbau) durch zwei Kniehebel. Die Meinungen darüber, ob dieser evidente Umbau zu Mozarts Lebzeiten erfolgt ist, gehen auseinander. Sofern lediglich ein Handzug zur Dämpfungsaufhebung verwendet werden konnte, konnte dieser nur großflächig eingesetzt werden (wenn die Hand durch Spielpausen entsprechend frei war); durch die Kniehebel war ein freierer und intuitiverer Einsatz möglich. Zu hören ist dies u.a. in den Mittelsätzen der von Arthur Schoonderwoerd eingespielten Clavieronzerte KV 456 und 466; hier wird eine Replik nach Anton Walter (c1782) aus der Werkstatt von Gerard Tuinman & Paul Poletti verwendet.
Eine sehr interessante CD zu Mozarts Walterflügel hat das Mozarteum Salzburg herausgebracht:
Diese CD ist nicht bei jpc oder Amazon gelistet. Zum Erwerb bitte diesem Link folgen. Inhaltlich befasst sich die CD mit der Fantasie und Sonate c-moll KV 475 & 457, eingespielt auf Mozarts Hammerflügel von Florian Birsak; die CD enthält verschiedene autographe Versionen einzelner Satzteile, das vollständige Autograph in digitaler Form (es kann beim Abspielen der Musik mitverfolgt und die Versionen können dabei ausgewählt werden). Außerdem enthält dieses Medium interessante Anmerkungen zu den Textvarianten und eine Beschreibung des Instrumentes an sich, jeweils in englischer und deutscher Sprache.
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Ich denke, es ist nicht zielführend, Einspielungen aufzulisten, bei denen Walter-Flügel oder deren Repliken bespielt werden, da deren Anzahl inzwischen ins unermessliche gewachsen ist. Ich werde mir allerdings gelegentlich die Zeit nehmen, um solche Einspielungen aufzulisten, in denen Walter-Instrumente bespielt werden, die diachronisch gesehen zum entsprechenden Werk passen.