03 - Violinkonzerte 6 und 7 (apokryph)

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    Violinkonzert Nr. 6 D-Dur KV 271i

    Die Entstehungszeit wird mit der Einordnung nach dem Klavierkonzert Es-Dur KV 271 Jeunehomme-Konzert von den Köchlern mit 1777, angeblich datiert auf Salzburg, den 16. Juli 1777 angegeben. Das Autograph ist leider verschollen und soll sich 1837 im Besitz der Familie Habenecks, Paris gefunden haben. Überschirft: Concerto per il Violine di Wolfgango Amadeo Mozart Salisburgo li 16 di Luglio 1777.

    Das Werk ist dreisätzig: Allegro maestoso – Andante – Rondo. Allegro

    Die Fachwelt streitet mangels Autograph um den Echtheitsgrad dieses Konzertes. Im Besonderen wird Bezug genommen auf die für Mozart im vergleich zu den fraglos authentischen 5 Violinkonzerte ungewöhnlich hohe Lage der Violine. Dies allerdings ist widerlegbar: Zunächst kann sich diese Äußerung lediglich auf die vorangegangenen 5 bekannten und unzweifelhaft echten Violinkonzerte beziehen. In den Serenaden und Divertimenti dieser Zeit, in denen Mozart gerne und oft die Solovioline einsetzt, finden sich ähnlich hohe Passagen wie in KV 271i. Zudem ist bei zeitgenössischen Violinkonzerten von z.B. Joseph Martin Kraus, James Brooks, Thomas Linley, Thomas Shaw und Samuel Wesley die hohe Lage ebenso, wie in diesem Konzert, präsent. Außerdem lässt sich nicht vorbehaltslos von den "Marotten" der 5 in der Überzahl existierenden Werke auf weitere Werke dieses Genre schließen. Man vergleiche dazu einfach mal die Sinfonie Nr. 1 mit der Jupiter-Sinfonie. Zudem ist gerade das kurz vorher entstandene Jeuenhomme-Konzert ein virtuoses Bravourstück, wie es später [fast] nicht mehr vorkam. Interessant ist, dass Mozart am 26. Juli 1777 in einer Serenade für „Nannerl“ ein Violinkonzert spielt. Was wäre nahe liegender, als hätte er dieses Konzert gespielt? Seit dem 5. Violinkonzert in A-Dur mit dem charakteristischen alla turca im Schlußsatz sind gut und gerne anderthalb Jahre vergangen. In einem kurzen Leben wie dem Mozarts, ist dies entwicklungsbezogen weiß Gott nicht wenig… Es ist jedoch möglich, dass das Konzert im 19. Jahrhundert einige „romatische“ Zusätze von dem Geiger Sauzay oder Baillot erhalten hat. Charakteristisch für Mozart sind jedoch in jedem Fall die verwendeten Themen, im Finale nimmt er gar das Thema der Gavotte joyeuse aus dem 1778 komponierten Ballett Les petits riens vorweg. Da dieses Ballett erst 1872 wieder aufgefunden wurde, ist ein „faking“ beinahe auszuschließen. Mozarts Anteil an dem in heutiger Form überlieferten Werk ist immens – aber mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Die Ritornelle sind m. E. nach zweifelsfrei von Mozart, die Violinstimme ist von virtuosen Künstlern des 18. Jahrhunderts garniert.


    Violinkonzert Nr. 7 Es-Dur KV Anh. C14.04

    Es-Dur bei einem Violinkonzert? Bei Mozart? Durchaus: Die Sinfonia concertante für Violine und Viola KV 364 steht in Es-Dur. Und genau in diese Zeit würde ich das angezweifelte Werk einreihen, Ende 1780. Stilistisch neben der Concertante und dem Konzert für zwei Klaviere Es-Dur KV 365, deutlich beeinflusst durch den Parisaufenthalt 1778. Das Konzert ist eindeutig nach dem D-Dur-Konzert KV 271i entstanden. Auch die in Zweifel gezogene Sinfonia concertante Es-Dur KV 297b [KV Anh. C14.01] für Oboe, Klarinette, Horn und Fagott aus der Pariser Zeit ist in die Nähe dieses Violinkonzertes zu rücken.

    Wie zum D-Dur-Konzert bereits angemerkt, ist auch hier das Autograph nicht bekannt. Eine gehörige Portion an Zutaten des 19. Jahrhunderts lassen sich in diesem Konzert ebenfalls wieder finden, was die Solostimme der Violine betrifft. Es war im 19. Jahrhundert durchaus üblich, bekannte und weniger bekannte Meisterwerke zu „romantisieren“, d.h. Pizzicati einzubauen, wo im Autograph etwas anderes steht, die Solostimme zu „Vervirtuosieren“ [schwere Doppelgriffe, hohe Lage]. Dennoch beinhaltet auch dieses dreisätzige Werk, bestehend aus [ohne Satzbezeichnung] – un poco Adagio – Rondo. Allegretto, Ritornelle, die Mozart zuzuschreiben sind. Wieder wird behauptet, dass die technischen Schwierigkeiten, die hier dem Solinstrument zugemutet werden, bei weitem über das Maß hinausgehen, das jene anderen fünf innehaben. Die Behauptung ist zwar in sich korrekt, schließt aber dennoch nicht aus, dass eine gewisse Zunahme an Virtuosität in den anschließenden 5 Jahren stattgefunden hat. Ein gewisser Münchener Geiger Joseph Eck erklärt im Januar 1800, er habe dieses Konzert vor etwa 14 Jahren von Mozart selbst vorgespielt bekommen. „Etwa“ ist ein weit dehnbarer Begriff. Es könnte zumindest sein, dass Mozart ihm das Konzert 1781 in München aus seinem Partiturentwurf vorgespielt hat. Dies würde sich mit meiner vermuteten Entstehungszeit [s.o.] decken. Möglich wäre auch, dass Eck „Wien“ mit „München“ verwechselt hat, da Eck nachweislich 1786 [also exakt 14 Jahre vor seiner Aussage] in Wien war. Denkbar wäre, dass Eck das Werk selbst vervollständigt hat, da Mozart den Entwurf in weiten, wichtigen, Teilen bereits ausgeführt hatte…

    Das Werk ist mithin wie KV 271i nicht ganz vorurteilsfrei, dennoch sehr hörenswert.

    * * *


    Ich habe in jüngster Zeit eine wichtige Erfahrung gemacht: Durch verstärkten Kontakt zu dem weltweit anerkannten Süßmayr-Spezialisten Erich Duda [Wien] bin ich derzeit dabei, eine gewisse Anzahl an süßmayr'schen Werken zu "revidieren". Klingt etwas anmassend, aber Duda ist sehr dankbar und aufgeschlossen mir gegenüber. Dabei habe ich festgestellt, dass die von Duda vorgenommenen Ersteditionen eine Vielzahl von difficilen Lesartfehlern enthalten, die ein Werk als "stümperhaft" wirken lassen, spielte man es so, wie es editiert ist. Meine Analysen ergaben - zunächst ohne Zurhilfenahme der Autographen -, dass ich in rund 80% der Fälle Recht und die "korrekte" Lesart ermittelt hatte, was sich durch nachträgliche Inaugenscheinnahme der Autographe bestätigte. Süßmayrs Schrift um 1780/90 ist der Mozarts zum Verwechseln ähnlich und in Entwürfen und Werken, bei denen es pressierte, sehr flüchtig und fehlerhaft - ähnlich der Mozarts. Möglich wäre also, dass Fehlerhafte Lesarten der Kopisten der hier besprochenen Mozartischen Violinkonzerte zu der Einstufung als "Laienhaft", "Stümpferhaft", "absolut Unmozartisch" führten. Eine Revision der im Druck erschienenen Partituren wäre daher angebracht. Ein Neuzugang für meine persönliche Wunschliste, an deren oberster Stelle das Wort ZEIT steht...

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    Inzwischen wurde KV 271i D-Dur neu eingespielt:

    Mirijam Contzen
    Bayerische Kammerphilharmonie
    Reinhard Goebel

    Warum nicht auch gleich KV 268 dabei ist, entzieht sich meinem Verständnis.

  • Bei KV 271i drängen sich mir beim Hören hie und da (diffuse) Ähnlichkeiten zum zweiten Satz des Clavierconcerts in C-Dur KV 246 und (der Ouvertüre von) Die Entführung aus dem Serail.

    :wink:

    "erhaben, schön, alles was sie wollen – allein – zu übertrieben schwülstig für meine feinen ohren"
    W. A. Mozart (28.12.1782)

    • Offizieller Beitrag

    Gewisse Ähnlichkeiten von ungesicherten Werken zu gesicherten Werken werden allgemein als Indinz dafür gesehen, daß hier jemand zusammengestoppelt hat; jedoch gibt es derlei Ähnlichkeiten auch in der Menge der gesicherten Werke haufenweise, weshalb dieses Argument für mich nicht zählt. Sowieso halte ich den Stirnsatz von 268 für echter als den Rest (von 268 und 271i) zusammen. Aber das ist bloß so ein Gefühl...

  • Ich meinte das tatsächlich auch eher als Argument für die Echtheit.

    PS: In der Einschätzung von KV 268.I stimme ich Dir voll zu.

    "erhaben, schön, alles was sie wollen – allein – zu übertrieben schwülstig für meine feinen ohren"
    W. A. Mozart (28.12.1782)

    • Offizieller Beitrag

    Ich meinte das tatsächlich auch eher als Argument für die Echtheit.


    Zieht aber ebensowenig...

    ;)

    268, I gehört zu den wenigen für mich erträglichen Violinkonzertsätzen der Wr. Klassik - wer immer es komponiert hat, war möglicher Weise besser als Mozart.

    :beatnik:

  • 268, I gehört zu den wenigen für mich erträglichen Violinkonzertsätzen der Wr. Klassik


    Aus dem gleichen Grund habe ich allgemein keine (r)echte Meinung zur Frage der Echtheit der beiden hier besprochenen Concerte...

    :wink:

    "erhaben, schön, alles was sie wollen – allein – zu übertrieben schwülstig für meine feinen ohren"
    W. A. Mozart (28.12.1782)