Welche Komponisten waren nicht prägend...

  • Die Frage wäre aber, ob Mahler die Werke Gabrielis überhaupt kannte. Daran kann man dann ggfs. festmachen, ob er rückentwickelte oder im Glauben war, etwas Neues gemacht zu haben.


    Stimmt. Und die Geschichte wiederholt sich, wie wir wissen... *sante*

    Wie wertet man die Weiterentwicklung der Symphonie ins cinematische durch F.W. Murnau? "Nosferatu" ist ja "eine Symphonie des Grauens"... *birne**hide*

    LG
    Tamás
    :wink:

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

  • Rückblickend auf die Eingangsfrage bleibe ich dabei, dass Brahms natürlich eine der prägendsten Gestalten seiner Zeit war.
    Dass Beethoven noch prägender war, will ich nicht abstreiten.
    Auch nicht, dass alles Neue ohnehin irgendwie auch schon mal vorher so ähnlich auch schon mal da war.
    Das halte ich für einen langweiligen Gesprächsgegenstand.

    • Offizieller Beitrag

    Rückblickend auf die Eingangsfrage bleibe ich dabei, dass Brahms natürlich eine der prägendsten Gestalten seiner Zeit war.


    Optisch und als Person vielleicht schon. Doch erschließt sich mir noch immer nicht, welches Werk Brahms geschaffen hat, daß nachfolgende Generationen derart beeinflusst hat, daß es bis heute Nachwehen gibt (egal, ob positiv oder negativ).

    Zitat von 1481

    Was soll ich mir darunter vorstellen?


    Das, was ich schrieb: Ohne Haydn kein Mozart, ohne Mozart kein Beethoven...

    Zur von mir so genannten "Salonfähigkeit" der Streichquartette: insbesondere Haydn hat es forciert, aus dem StrQ ein lukratives Geschäft zu machen, er hat - später im freundschaftlichen Wettstreit mit Mozart - dieses Genre fest im Musikgeschehen etabliert. 10 oder mehr heute weniger bekannte Komponisten, die zu ihrer Zeit jedoch hoch angesehen waren, zollten Haydn in dieser Sache derart Respekt, daß sie ihm ganze Quartettzyklen widmeten.

    Derartige Geschehnisse kann ich z.B. bei Brahms oder Schumann nicht verorten. Wobei ich an dieser Stelle dringend darauf hinweisen möchte, daß es sich meinerseits keinesfalls um ein Brahms-Bashing handelt (ich mag zwar seine Musik nicht sonderlich, schätze aber natürlich die Leistung).

    :wink:

  • Ulli schrieb:
    >>>> Nenne mir ein Werk von Brahms, das nachhaltig die Kompositionen seiner Zeitgenossen oder Nachgeborenen beeinflusst hat? Mir fällt da jedenfalls keines ein... aber ich lerne gerne dazu. Galt Brahms nicht eher als Trittbrettfahrer Beethovens?<<<

    Lieber Ulli, in dem Maße wie Du häufig begeisternd und überzeugend, teils in messianischer Manier für Deine Vorlieben und Deinen Geschmack in der Musik streitest und dem eifrig nachkommst, (DESWEGEN lieben und schätzen wir Dich !!!)... scheint es mir andererseits ganz natürlich, ja logisch zu sein, dass Du nicht auf 1000 Hochzeiten gleichzeitig tanzen kannst. WAS Dich weniger interessiert und Dir weniger liegt, muss es geben – wie in ähnlicher Weise bei jedem von uns. Ich finde das natürlich und selbstverständlich.

    Unser Forum ist doch ein ideales Beispiel für Einseitigkeiten, subjektive Schwerpunkte, wie auch eigene Grenzen. OB der eine relativ wenig Zugang zur Musik VOR J.S. Bach hat,( wie ich z.B)… andere wiederum zu Sibelius und Nielsen oder R. Strauss und Wagner kaum einen Zugang haben, oder „Oper“ nicht mögen… und folglich in der Argumentationslogik PRO oder CONTRA teils eben „begrenzt“ sein müssen, da der Zugang zu der jeweiligen Musik eben kaum/geringer/vielleicht auch gar nicht, vorhanden ist…..DAS gilt es m.E. als MAXIME zu beachten.

    Zu der Absolutheit Deines 1. Satzes:
    >>> Nenne mir ein Werk von Brahms, das nachhaltig die Kompositionen seiner Zeitgenossen oder Nachgeborenen beeinflusst hat? Mir fällt da jedenfalls keines ein... aber ich lerne gerne dazu<<<

    Gabriel Faure (1845 – 1924) verwendet in seinen Kompositionen vorallem den streng punktierten Rhythmus der alten französischen Ouvertüre, gewissermaßeni als Kontapunkt zu seinen an Brahms orientierten milden harmonischen Moll-Farben.

    Antonin Dvorak (1841 – 1904) Sein Ausgangspunkt war vorallem die Brahm’sche Tonsprache und kompositorische Struktur. Er war ein großer Bewunderer von Brahms, er war sein Vorbild. Den unerwarteten Wendepunkt, die Abkehr von Brahms’schen Gestaltungsprinzipien gab es erst ab seiner 8. Sinfonie in G-Dur, op.88 (Hartmut Becker)

    Cesar Franck (1822-1890) Die zwischen 1886 und 1888 entstandene d-moll Sinfonie von Franck entstand nach den vier Sinfonien des 11 Jahre jüngeren Brahms (1875/1877/1883/1885). Sie wurde (vorallem in Frankreich) als 5. Brahms-Sinfonie bezeichnet. (ähnlich erging es Brahms teilweise, dessen 1. Sinfonie nicht selten als 10. Beethoven betituliert wurde). Wie sein Deutsches Vorbild, hat er als einziger französischer Komponist seiner Zeit, macht er die musikalische Form zum zentralen inneren Themen. Seine Variations-Technik hat ihr Vorbild in der 3. Und 4. Brahms-Sinfonie. ( Bernhard Rzehulka)

    Edward Elgar (1857 – 1944) Vorallem Brahms’sche Kontrapunkttugenden, wie auch Orchestrierung und Klangwelt, sind für die Kompositionen des Briten der Ausgangspunkt. Später kommt Strauss’sches Orchesterkolorit dazu... und natürlich die eigene Synthese, das unverwechselbar ELGAR'sche.

    Ralph Vaughn-Williams, Gustav Holst und William Walton haben sich kompositionstechnisch, wie am Brahms’schen romantischem Klangideal, als Ausgangspunkt orientiert, ähnliche Entwicklungen wie ELGAR genommen, hin zur eigenen Tonsprache.

    Ernst von Dohnanyi (1877-1960) In einem Interview bezeichnete sein Enkel, der Dirigent Christoph v Dohnanyi >Johannes Brahms< im Wesentlichen als den Dreh- und –Angelpunkt für die Kompositionen des Großvaters. Die Brahms’sche Romantik sei der Ausgangspunkt für dessen kompositorischen Weg gewesen.

    Franz Schmidt (1874 – 1939) „fühlte sich stilistisch zu Brahms hingezogen“ (Irmelin Bürgers)…
    “Die Nähe zu Brahms spiegelt sich auch in den vier Sinfonien wieder.“

    Max Reger (1873 – 1916) „Er fühlte sich, in Opposition zu Liszt und R. Strauss, als legitimer Vollstrecker einer von Bach, Beethoven und Brahms hergeleiteten Tradition der >absoluten Musik< (Karl Schumann). Bezüglich eines seiner Hauptwerke, der „Mozart-Variationen“ op.132 von 1914, wird erwähnt, dass die Kompositionstechnik der 8 Variationen in Ablauf und Rhythmus, sowie Passagentechnik, der Kompositionstechnik des Johannes BRAHMS entsprechen.

    Arnold Schönberg (1874 – 1951) In Bezug auf die Kompositionen der ersten 10 Jahre:
    „Schönberg hier noch als Synthese der beiden wichtigsten Innovationen des 19. Jahrhunderts auskomponierte: der Erweiterung des Ausdrucks durch die Wagnersche Opernsinfonie und der von Brahms eingeführten Technik der >>entwickelten Variation<<, die verantwortlich ist dafür, dass die musikalische Gedankenarbeit entsteht.“ (Dietmar Holland)

    >>>Nenne mir ein Werk von Brahms, das nachhaltig die Kompositionen seiner Zeitgenossen oder Nachgeborenen beeinflusst hat? Mir fällt da jedenfalls keines ein... aber ich lerne gerne dazu. Galt Brahms nicht eher als Trittbrettfahrer Beethovens? <<< (Zitat Ulli)

    Nach etlichen Stunden Recherchierens in Fachliteratur, reicht jetzt die Zeit nur noch um ein paar weitere Komponisten aufzuzählen, in deren Entwicklung und Werdegang BRAHMS eine prägende Rolle gespielt hat. Details krieg ich zeitlich nicht mehr hin. (fast 3.00 morgens)

    AUSGANGSPUNKT für diese Ausführungen und Heranziehen von Literatur waren meine Hörerfahrungen.

    Zu erwähnen sind noch

    Edward Grieg (1843 – 1907) (in Briefen) Siegmund von Hausegger (1872 – 1948)

    Albert Roussel (1869 – 1937) Edward Grieg (1843-1907)

    Arnulfus

    • Offizieller Beitrag

    Nach etlichen Stunden Recherchierens in Fachliteratur


    Vielen herzlichen Dank! Das ist doch endlich mal eeine aussagekräftige Antwort!

    Den unerwarteten Wendepunkt, die Abkehr von Brahms’schen Gestaltungsprinzipien gab es erst ab seiner 8. Sinfonie in G-Dur, op.88 (Hartmut Becker)


    Vermutlich liegt es dann wohl daran, daß ich von Dvorak nur die Neunte Sinfonie so sehr schätze, weil sie eben wenig brahmsig ist.

    :wink:

  • Ulli schrieb: >>>Doch wie steht es z.B. um Brahms? Oder Schumann?


    Über BRAHMS habe ich versucht Argumente für eine notwendige wie berechtigte Gegenthese zu finden.

    >>> Bei Schumann wird es wahrscheinlich nicht schwieriger werden, seinen Einfluß auf das kompositorischen Schaffen nachfolgender Generationen deutlich zu machen<<<

    Es geht mir aber im Wesentlichen nicht darum, für meinen persönlichen Geschmack Argumente in der einschlägigen Fachliteratur zu finden.
    Vielleicht haben die Nicht-Notenleser (wie ich) durch jahrzehntelanges >>>aktives Hören<<< bedingt,
    ja auch einen kleinen Vorteil, da das ASSOZIATIVE Moment im musikalischen Gedächtnis noch einen größeren Stellenwert haben kann,
    als das desjenigen, der sich zusätzlich auf die Nachprüfbarkeit des Notentextes beziehen kann.

    Ein ähnliches Phaenomen gibt es bei Menschen die sich nicht auf alle Sinnesorgane gleichverlassen können (durch Blindheit/Taubstummheit, etc)

    Ich habe in den SIEBZIGERN einmal bei den PROMS (Royal Albert Hall) innerhalb 14 Tagen 10 Konzerte mit jeweils einem Werk
    eines Englischen Komponisten (um die Jahrhundertwende, bis in die Dreissiger des 20. Jahrhunderts) gehört.
    Ich hatte das Gefühl, ich höre (meist) späten BRAHMS in mannigfaltiger Ähnlichkeit/Variation.

    Bei SCHUMANN zählt die Tatsache, dass ab Mitte des 19. Jahrhunderts >>>die Lebensphilosophie-Romantik<<< eines E.T.A. Hoffmann
    oder Webers "Freischütz", dass diesen poetischen romantischen Rausch-Affekt NICHT mehr gab/ oder er steig abnahm.
    Trotzdem war Schumann's Einfluß groß auf seine Schüler und nachfolgende Generationen von Komponisden.
    Ich habe vor Jahren einen Bericht/Essay (?) von Skriabin über seine kompositorischen Wurzeln gelesen.
    SCHUMANN spielte eine überragende Rolle für seine Entwicklung.

    Vielleicht finde ich zwischen den Jahren ein bißchen mehr Zeit um noch Einiges zu Recherchieren.
    In meinem Kopf gibt es jedenfalls eine Menge Assoziationen, die sich beim Hören (vorallem) von Klaviermusik
    etlicher Komponisten der Post-Schumann-Ära häufig einstellen, in denen die Schumann'sche poesievolle Sprunghaftigkeit
    und ihre "Werther'sche" Melancholie-Welt als Gespinst romantischer Philosophie in vielen Variationen ANKLINGT.

    Arnulfus

  • Dann nimm eben seinen "Messiah" - war der nicht Steilvorlage für Mendelssohns Oratorien, auch wenn Mendelssohn als Hüter Bachs gilt?

    Da widerspreche ich auch nicht. Ich sehe es durchaus auch so, dass Händel mit seinen (späten) Oratorien etwas Neuartiges geschaffen hat, das als Muster für viele Oratorien des 19 Jahrhunderts gültig blieb.

    Oh ja: ohne Mozarts und Haydns Etablierung der Sinfonie, der Klavierkonzerts (speziell Mozart) und des Streichquartetts kein Beethoven. Suche einmal mit Mozarts Tiefe vergleichbare Klavierkonzerte des ausgehenden 18. Jahrhunderts...

    Ich verstehe nicht, inwiefern das meiner Aussage/Frage widerspricht, insofern: Ja, genau. Haydns, Mozarts und Beethovens Sinfonien, Klavierkonzerte und Streichquartette bauen aber nicht auf einer Neuerung J. S. Bachs auf. Darauf zielte der Absatz, auf den Du Dich bezogen hast, ab.

    Mozarts spätere geistliche Werke bauen auf Studien der Werke Bachs und Händels auf, auch Beethoven hat Bach bei Baron van Sweety studiert. Bachs und Händels (vielleicht weniger) Werke waren zu deren Lebzeiten und in den folgenden 200 Jahren zumindest beschränkt auf einige Genres stets präsent.

    Dass Bach und Händel als Grundlagen zu harmoniegelehrten und kontrapunktischen Studien herangezogen wurden, hatte ich ja auch betont. Dennoch finde ich, dass ein Großteil der geistlichen Musik nach Bach eben auch ohne Bach hätte so klingen können. Ein hoher Anteil von (Pseudo-)Polyphonie findet sich doch genauso in der Kirchenmusik von Vivaldi, Pergolesi und Jomelli (und eigentlich allen anderen Komponisten des Barock und der Übergangsphase zur Klassik). Deswegen tue ich mich schwer, Bach als Bahnbrecher in dieser Hinsicht zu sehen, nur weil auch in einer Mozart-Messe vielleicht mal eine Chorfuge erklingt. Und - und in der Hinsicht brauche ich womöglich Nachhilfeunterricht - mir wäre auch nicht bekannt, dass Bach in der Kirchenmusik (Kantate, Messe, Oratorium) irgendetwas bahnbrechend Neues gemacht hätte. Ich meine mich zu erinnern, dass er auf bestehende Kantatenformen zurückgegriffen hat und diese höchstens mal etwas varriert und miteinander kombiniert hat. Hm, aber vielleicht fehlt mir hier auch die nötige Detailkenntnis.

    • Offizieller Beitrag

    mir wäre auch nicht bekannt, dass Bach in der Kirchenmusik (Kantate, Messe, Oratorium) irgendetwas bahnbrechend Neues gemacht hätte.


    Schon richtig. Mozart hat auch ebensowenig wie Haydn das StrQ oder die Sinfonie erfunden. Und doch waren beide maßgeblich daran beteiligt, daß sich diese Genres so durchsetzten, daß nachfolgende Komponisten darauf aufgebaut haben. Ähnlich sehe ich das bei Bach - zwar nichts bahnbrechend Neues, aber dafür eine solide und feste Grundlage, auf die andere Komponisten aufsetzten. Also quasi "Wegbereiter". Mozarts späte geistliche Werke wären ohne seine Studien von Bachs und Händels Werken niemals so ausgefallen, das Requiem gar undenkbar gewesen.

    :wink:

  • Schon richtig. Mozart hat auch ebensowenig wie Haydn das StrQ oder die Sinfonie erfunden. Und doch waren beide maßgeblich daran beteiligt, daß sich diese Genres so durchsetzten, daß nachfolgende Komponisten darauf aufgebaut haben.

    Es ist immer schwer Jemanden als Erfinder einer Sache zu titulieren, zumal in der Kunst. Zwar hat Haydn das Streichquartett nicht direkt erfunden - man denke nur beispielsweise an Boccherini - doch geht, ausgehend von seinen Divertimenti, das Streichquartett in heutiger Form durchaus auf Haydn zurück. Vielleicht muss man auch differenzieren, ob ein Komponist nur dann Neuerer ist, wenn Begründer einer Gattung, und ob das Abarbeiten an einer bereits vorhandenen ihn nicht doch ebenfalls zu solch einem Neuerer - eben durch das Erweitern oder ggf. sogar Erneuern der Gattung - machen kann. Man denke nur an Mahlersche Sinfonien, an Wagners Musiktheater, an Lachenmannsche Streichquartette.
    Übrigens dank Dir, Arnulfus, für den Post zum brahmschen Einfluss mit all den Beispielen.

  • Ich könnte jetzt sehr vereinfachend sagen, es gibt nur vielleicht 3 "kompositorische Energiefelder", die wirklich Neues geschaffen haben:

    1. Die Entwicklung der frühen Mehrstimmigkeit: Ein Kraftfeld, das 200 - 300 Jahre umfaßt (so etwa St. Martial bis Notre-Dame)
    2. Die Entwicklung der Monodie und mit ihr die Etablierung einer absoluten Instrumentalmusik (grob etwa 1550 - 1610)
    3. Die Auflösung der Tonalität (1850 - 1920): Liszt, Wagner, Schönberg etc.)


    Alles andere scheint mir in der Tat keine Neuerung zu sein, die Bahnbrechendes bewirkt hat. Letzendlich läßt sich dies alles auf diese 3 Ereignisse zurückführen. Es ist mir schon klar, daß dies eine radikale These ist *hide*

    • Offizieller Beitrag

    Auf dieser radikalen Ebene würde ich Deiner Liste noch einen Punkt hinzufügen:

    0. Die Entwickung des abendländischen Tonsystems, auf einfachen Schwingungsverhältnissen beruhend im 6.Jahrhundert vor Christus (Pythagoras und seine Schule).
    Vielleicht noch ergänzt um Guido von Arezzo um 1020, der den gleichen Tönen aller Oktaven identische Namen gab und damit unser Verständnis der geschlossenen Einheit einer Oktave eine Basis gab.

    Alle davon abgeleiteten Stimmungen sind m.E. letztlich Kompromisse, die ohne Pythagoras nicht denkbar wären.

  • 0. Die Entwickung des abendländischen Tonsystems, auf einfachen Schwingungsverhältnissen beruhend im 6.Jahrhundert vor Christus (Pythagoras und seine Schule).
    Vielleicht noch ergänzt um Guido von Arezzo um 1020, der den gleichen Tönen aller Oktaven identische Namen gab und damit unser Verständnis der geschlossenen Einheit einer Oktave eine Basis gab.

    Grundsätzlich ja, es handelt sich hier für mich aber nicht primär um kompositorische Errungenschaften. Andererseits, wie soll man das bei den erhaltenen Bruchstücken beurteilen können!

    • Offizieller Beitrag

    Das gilt für die Untersuchungen zu Intervallen mittels Monochord zweifelsohne.
    Aber ich meine, dass es ohne das Tonsystem und die griechische Musiktheorie (die älteste ist wohl aus dem IV.Jahrundert vor) auch unser heutiges Tonsystem nicht gäbe.
    Und die wurde sicher auch zum Komponieren und Musizieren genutzt.

  • Ich könnte jetzt sehr vereinfachend sagen, es gibt nur vielleicht 3 "kompositorische Energiefelder", die wirklich Neues geschaffen haben:

    1. Die Entwicklung der frühen Mehrstimmigkeit: Ein Kraftfeld, das 200 - 300 Jahre umfaßt (so etwa St. Martial bis Notre-Dame)
    2. Die Entwicklung der Monodie und mit ihr die Etablierung einer absoluten Instrumentalmusik (grob etwa 1550 - 1610)
    3. Die Auflösung der Tonalität (1850 - 1920): Liszt, Wagner, Schönberg etc.)


    Alles andere scheint mir in der Tat keine Neuerung zu sein, die Bahnbrechendes bewirkt hat. Letzendlich läßt sich dies alles auf diese 3 Ereignisse zurückführen. Es ist mir schon klar, daß dies eine radikale These ist *hide*

    Da gehe ich ohne zu zögern mit!

    und als die größten Revolutionärern der ersten zwei Epochen würde ich nennen:

    • Perotinus - wegen der erweiterung der anfänglichen Zweistimmigkeit auf gleich VIER Stimmen
    • Monteverdi - wegen der Erkundung der vokalen und instrumentalen Ausdrucksmittel gleich am Anfang der Entwicklung

    LG
    Tamás
    :wink:

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

  • Sehe ich genauso: dies sind die wohl größten musikalischen Umbrüche in der abendländischen Kunstmusik gewesen, die auch viel Erfindungsreichtum erforderten, um sie tragfähig zu machen.

    Bach, Mozart und Beethoven stehen eher am Ende dieser Entwicklungen und erfüllen sie mit der am weitesten ausgeprägten Kunstfertigkeit.


    jd :wink:

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

  • 1. Die Entwicklung der frühen Mehrstimmigkeit: Ein Kraftfeld, das 200 - 300 Jahre umfaßt (so etwa St. Martial bis Notre-Dame)

    Das ist die weitreichendste "Erfindung" überhaupt. Eine kompositorische und durch Stimmführung motivierte notierte Mehrstimmigkeit gibt es meines Erachtens nur in der abendländischen Kunstmusik. Es gibt zwar durchaus improvisierte Mehrstimmigkeit in anderen Musikstilen aber eben nicht kompositorisch festgelegt. Diese komponierte Mehrstimmigkeit war letztendlich auch der Anstoß für die Entwicklung einer differenzierten Notenschrift, die mit ihren Anforderungen bezüglich ihrer Genauigkeit gewachsen ist.

  • Genau. Die moderne Notenschrift wurde entwickelt, weil die Musik so komplex wurde, daß man sie notieren mußte, um sie zu erhalten bzw. der Nachwelt zu erhalten. Der nächste Schritt ist das Komponieren mit geschriebenen Noten, welches neue Möglichkeiten der musikalischen Konzeption eröffnet.

    Dieser Schritt vom Choral über dem Organum bis zur Vierstimmigkeit von Perotin ist eine der faszinierendsten Entwicklungen. Geradezu exemplarisch lassen sich Stücke finden, die in ihrem Aufbau und musikalischer Behandlung diesen Weg konsequent weitergehen, die die Entwicklung weiterführen. Auch da gibt es größere Zäsuren: Machaut hat die Formelhaftigkeit der Notre-Dame-Schule hundert Jahre nach deren Ende schon längst hinter sich gelassen; er hatte durch z.B. die Isorhythmie andere Elemente in die Musik eingebracht, die nach seinem Tod sogar in eine Komplexität größten Ausmaß mündete: die Ars subtilior.

    Diese Mehrstimmigkeit war immer revolutinär, weil avantgardistisch. Das gilt vor allem für die Ars subtilior. Daher empfinde ich den Wechsel zur Renaissance durch Dunstable/Power und später durch Dufay/Binchois durch ihre fließende Polyphonie ebenso stark wie der Beginn der Monodie, wenn sie auch eher eine Neuorientierung als etwas ganz Neues darstellt.


    jd :wink:

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

  • Oder Schumann?

    Was ist eigentlich das Faszinierende an diesen beiden Komponisten (die Auswahl kann auch gerne ausgedehnt werden)? Ich habe ein wenig so den Eindruck, daß beide zumindest nichts bahnbrechend Neues geschaffen haben, sondern sich - natürlich mit allerhöchster Kompositionskunst bewaffnet - in "gemachte Nester" gesetzt haben. Täuscht mein Eindruck? Habt ihr ggfs. ähnliche Beispiele?

    Ein überaus interessantes Thema.

    An anderer Stelle in diesem Forum habe ich zu Schumanns Bachverbeugungen in Gestalt seiner sechs Studien für den Pedal-Flügel op. 56, vier Skizzen für den Pedal-Flügel op. 58 und seine sechs Fugen über BACH op. 60 geschrieben:

    Zitat

    Hier derzeit Schumannsche Wechselbalgmusik (jedenfalls wenn man Berichten glauben schenken darf, dass Schumann seinem Hammerklavier einen anderthalb Oktaven umspannenden, in Paris erworbenen, Pedalsatz angeflanscht hat) in Gestalt seiner sechs Fugen über den Namen B-A-C-H mit Roberto Marini an der Mascioni-Orgel St. Thomas, Pontevico. Der hohe Name verpflichtet, allerdings bin ich mir nach mehrfachem Hören dieser Werke, nicht ganz sicher, ob da noch Persönliches von Schumann übriggeblieben ist, sich behaupten konnte oder ob da nicht vielmehr lediglich barockinspirierte Musik übriggeblieben ist.

    Ich bitte um Nachsicht wenn ich derzeit noch keine Einschätzung mitteilen möchte - ich bin da etwas heikel - kommt aber bald, hoffe ich jedenfalls.