Die nachfolgende Diskussion wurde aus dem SmallTalkThread herausoperiert und durfte es sich wegen der Wichtigkeit, Resonanz und des Umfanges in einem eigenen Thread wohnlich machen.
Ich finde: es gibt keinen "richtigen" Weg - es gibt viele Wege, einige davon führen nach Rom, viele andere anderswo hin, wo es auch schön oder gar noch viel schöner ist. Historisch belegt ist die solistische Besetzung allemal - daß man sie wegen dokumentierter Einzelfälle (was sicher auch bloß der unvollkommenen Dokumentation geschuldet ist) auch gleich auf alle anderen Werke anwenden muss, behauptet ja niemand. Der Ansatz veranlasst jedenfalls zum Aufhorchen und repräsentiert m. E. den Entdeckergeist und vor allem die Entdeckerfreude mehr als vieles andere.
Mit dem "richtigen" Weg hast du natürlich recht, richtig und falsch sind Begriffe, die in der Musik nur bedingt passend eingesetzt werden können.
Wir sind uns völlig einig darüber, daß die solistische Besetzung historisch verbürgt ist. Nicht nur bei Bach und Beethoven, auch schon früher, z.B. im Barock. Inwieweit sie der Normalfall oder der Sonderfall darstellt war und ist Gegenstand vieler hitzig und kontrovers, bisweilen auch auf der Ebene von Beleidigungen geführter Diskussionen gerade im Falle Bach und seiner Vokalwerke.
Ich denke man muß immer von Werk zu Werk entscheiden, ob sie passend ist oder nicht. Wenn wir jetzt von Bach sprechen, dann ist z.B. über eine solistische Instrumental-Besetzung bei BWV 106 nicht zu streiten, bei den Vokalstimmen könnte man schon anfangen zu diskutieren, wenn auch für mich die Indizien Richtung solistischer Besetzung eindeutig sind. Bei vielen anderen Vokalwerken von Bach halte ich eine solistische Besetzung für schlicht und ergreifend lediglich eine Notlösung.
Bei den Mozartschen Klavierkonzerten halte ich eine kleine chorische Besetzung für die wesentlich bessere Lösung, vermutlich ist das auch die Orchestergestalt für die Mozart komponiert hat. Immerhin gibt es ja kammermusikalische Bearbeitungen von einigen Concerti aus Mozarts Hand (sowie von Mozarts Zeitgenossen). Inwieweit sich der Hintergrund dieser Bearbeitungen gestaltet, entzieht sich momentan meiner Kenntnis. Ich gehe aber davon aus, wenn schon Bearbeitungen für ein kleineres Ensemble vorliegen, daß dann die originalen Gestalt doch für ein Orchester, das in den Streichern chorisch besetzt ist, intendiert ist.
Bei den Beethoven-Konzerten bin ich immer davon ausgegangen, das neben der Nachstellung "Uraufführung" (der letzten beiden im Palais Lobkowitz?), es auch um die Lösung von Balance-Problemen geht. Das ist in den Aufnahmen natürlich hervoragend gelungen, auch das präsente coll-basso-Spiel überzeugt mich sehr. Mich würde aber eine Aufführung in genau diesem Saal mal interessieren. Die klangliche Aufsplittung, wie sie auf der Einspielung nicht immer gelungen wirkt, könnte durchaus im Raum nicht vorhanden sein. Ich denke, daß doch die chorisch besetzen Streicher die gedachte Besetzung sind.
Grundsätzlich wage ich noch einzuwerfen, daß ein Ansatz nicht gut und stimmig sein muß, nur weil er aufhorchen läßt und Entdeckergeist repräsentiert. Das wäre mir zuwenig an Qualität. Das ist ausdrücklich nicht auf die Einspielungen von Schoonderwoerd und Cristofori der Beethoven-Konzert bezogen!