BWV 248 - Weihnachtsoratorium: Einspielungen (opi)


  • 1973 nahm Gerhard Schmidt-Gaden das WO mit dem Tölzer Knabenchor und dem Collegium Aureum auf. Sopran und Alt sind mit Knaben besetzt, die eine solide Leistung zeigen. Der Ausdruck ist recht flott und vehement, ohne zu schnell temporiert zu sein (163 Minuten). Eine frühe HIP-Einspielung, die immer noch ihre Qualitäten hat, auch wenn sie inzwischen etwas behäbig wirkt. *yepp*



    Ganz ähnlich kann man die Aufnahme von Hanns-Martin Schneidt (rec. 1977) einordnen: Knabensolisten in den hohen Partien, gleiche Länge, aber etwas zurückhaltender im Ausdruck. Dafür wirkt die klangliche Umsetzung subtiler und ausgefeilter. *yepp*



    Herreweghes 1989 erschienene Aufnahme ist mittelgroß besetzt und exzellent ausgeführt - eine sehr gute Einspielung... :thumbup:



    Veldhovens Einspielung klingt fragil, aber besitzt eine starke klangliche Struktur. Urteil: Knaller... :thumbup:



    Nicht weniger exzellent ist Suzukis Aufnahme von 1999: ein Fest für die Ohren... :thumbup:



    Gardiner spielte seine erste WO 1987 ein: keine ist schneller (140 Minuten), keine kompakter, keine klanglich so austariert wie diese. Für mich seine beste Aufnahme - und generell immer noch der definitive Tipp, wenn man das WO mit freudiger Würde hören möchte.
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    jd :wink:

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

    • Offizieller Beitrag


    Gardiner spielte seine erste WO 1987 ein: keine ist schneller (140 Minuten), keine kompakter, keine klanglich so austariert wie diese. Für mich seine beste Aufnahme - und generell immer noch der definitive Tipp, wenn man das WO mit freudiger Würde hören möchte.
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    jd :wink:

    Wenn die linke hier mit drin ist ...

    ... habe ich wieder eine Doublette ...

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)

  • Guten Abend

    ich habe noch diese

    Aufnahme des Weihnachtsoratorium mit dem Vocal Ensemble Frankfurt und dem Concerto Köln, die mir ganz gut gefällt. Flott und schlank gespielt, ein sehr guter Evangelist.


    Gruß :wink:

    aus der Kurpfalz

    Bernhard

    «Es ist wurscht, ob das jemand versteht, aber es muss gesagt werden» (Samuel Beckett)

    • Offizieller Beitrag

    Och, dem geht's gut - Danke der Nachfrage... *flirt*

    :D

    Ich frage nur, weil ich dieses Jahr noch kein WO gekauft und ich insgesamt erst 11 habe ... 8-)

    Erklärt mir mal einer die Logik ...

    3. November 1997

    13. Juli 1999

    20. Oktober 2004 (Limited Edition)

    26.3.2009

    31. Oktober 2014 (hier seltsamerweise alle Amazon-Rezensionen auf Rilling bezogen)

  • Meine bisherige Lieblingsaufnahme ist die von van Veldhofen. Bei mir steht und fällt das WO im Grunde schon mit dem, wie das "Jauchzet, frohlocket" gesungen wird. Vor zwei, drei Jahren, als ich im Laden mal in mehrere Aufnahmen hineingehört habe, habe ich Gardiner und Jacobs deshalb schon mal ausgelassen, weil mir dieses Abhacken der Silben inzwischen sehr auf die Nerven geht. Bei Veldhoven federn die Silben, und aus dem zweitaktigen Thema wird eine Geste (die in meinen Ohren nach französischer Barockoper klingt). Aber vielleicht muss ich es bei Gardiner mal über diesen Stolperstein hinaus schaffen. Herreweghe geht auch schon in die von mir gewünschte Richtung, hat mich aber nicht ganz so weggeblasen wie der van Veldhoven.

    • Offizieller Beitrag

    Meine bisherige Lieblingsaufnahme ist die von van Veldhofen.

    Und die SACD ist neuerdings preiswert zu haben. Die von dir geschilderten Probleme habe ich auch, nur fand ich noch keine Aufnahme, die alles in sich vereinte, Suzuki kommt dem freilich nahe. So muss man sich mit mehreren WOs behelfen. Festlich und prächtig mit Richter, Flämig, Schreier und Co. und knackig mit Gardiner, Herreweghe und Co. ... es müsste mehrere Weihnachten im Jahr geben angesichts dieser Fülle ...

    • Offizieller Beitrag

    Mag sein; dass es daran liegt, dass Thomas, Richter, Flämig und Schreier derzeit wenig bei mir ankommen; während Gardiner triumphiert wie der Heiland selber; aber Jacobs hat natürlich eine wunderschöne Aufnahme vorgelegt, die mir jedoch an vielen Stellen schlicht und ergreifend viel zu langsam ist, ja quälend langsam vorkommt. Ich habe noch nicht überprüfen können, ob sich dieser Eindruck auch belegen lässt.

    • Offizieller Beitrag

    Also täuscht mich mein Eindruck nicht. Ich kann aber erst nach dem zweiten Hören Näheres sagen, bin auch mit zwei Solisten uneins.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe von Harnoncourt nur die erste Aufnahme und die DVD und überlege, ob sich die SACD lohnt ...

    1972

    DVD 1981:

    2006:

    • Offizieller Beitrag

    Das ist wahrhaft ein Ohrenschmaus!!! Was für ein audiophiles und interpretatorisches Highlight!!! Transparenz ist tatsächlich das Wort, das einem hier zuerst einfällt. Das ist alles so durchsichtig und klar und dennoch so klangschön und von einer kammermusikalischen Intensität, man mag es kaum glauben. Jede Stimme, sei sie vokal oder instrumental, tritt klar hervor und verwebt sich wie von selbst organisch dem Ganzen. Kein Stück weniger festlich mutet dieses Kleinod an, nur eben anders als bisher hörgewohnt. Ob das wirklich historisch näher dran ist, keine Ahnung, das interessiert mich auch nicht wirklich. Fakt ist aber, dass ich; der ich von Thomas, Richter, Flämig und Schreier herkomme, einen neuen Platz 3 auf meinem Podium habe nach Gardiner und Herreweghe. Ganz großes Kino und unbedingt zu empfehlen. JPC liefert im Vergleich zu sonst recht zügig, bei Amazon steht etwas von elf Tagen Wartezeit.

    Die SACD ist schon konkurrenzlos - auf meiner Anlage höre ich normal bei etwa Volume -42; hier brauchte ich nur die -52 und verstand jedes Wort glasklar, konnte jedem einzelnen Instrument, jeder einzelnen Stimme folgen. Im Übrigen empfiehlt sich eine Erstbegegnung, nachdem man bereits drei oder vier verschiedene klassische und HIPe WOs vorher gehört hat in der Adventszeit; erst dann offenbart sich der ganze Zauber einer fremden und doch so seltsam vertrauten Klangwelt.

  • Und zu Koopman vermisse ich auch noch ein Statement ...


    Die ist die einzige WO-Aufnahme meines Vaters auf CD (ich hatte mal Veldhoven, habe aber dann verschenkt... das WO ist irgendwie nicht mein Ding), und ich habe eigentlich gute Erinnerungen von ihr. Festlich, dennoch leichtfüßig, tänzerisch dennoch mit der nötigen geistlichen Würde.

    LG
    Tamás
    *castor*

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

  • (P) 2016 Linn Records CKD 499 (2 CDs) [142:01]
    rec. 07.-12. September 2015 (Greyfriars Kirk, Edinburgh)

    Kantaten Nr. 1, 3 & 6:
    Mary Bevan (s)
    Clare Wilkinson (a)
    Nicholas Mulroy (t)
    Matthew Brook (b-bt)

    Ripieno in Nr. 1, 3 & 6:
    Rachel Redmond (s)
    Katie Schofield (a)
    Malcolm Bennett (t)
    Alex Jones (b)

    Kantaten Nr. 2, 4 & 5:
    Joanne Lunn (s)
    Ciara Hendrick (a)
    Thomas Hobbs (t)
    Konstantin Wolff (b-bt)

    Kein Ripieno in Nr. 2, 4 & 5

    Dunedin Consort
    D: John Butt


    Die jüngste Veröffentlichung des WOs steht ganz im Sinne der solistischen Besetzung: Butt verwendet zwölf Solisten für alle Singstimmen mit maximal doppelter Besetzung pro Stimme für den Chor; die einundzwanzig Instrumentalisten spielen on period instruments. Damit bleibt Butt seiner bisherigen Linie treu.

    Was herauskommt, ist eine transparente, luftige Klanglichkeit, die dennoch ihre Wucht nicht verliert. Pauken und Blechbläser sind alles andere als Magerstufe mit wenig Durchschlag, und die Streicher erreichen eine feine Silbrigkeit. Selbst in den Arien mit ihren mitunter begrenzten Besetzungen von 1-2 Soloinstrumenten plus b.c. kommt nie eine unterbesetzte Stimmung auf, da sich die Solisten deutlich durchsetzen können.

    Die Idee, den mit Trompeten besetzten Kantaten eine Verdoppelung des Chors gegenzusetzen, während die anderen Kantaten einfach besetzt bleiben, entstammt Butts eigener Überlegung, die auf Bachs eigener Besetzungsforderung von 1730 basiert. Dabei geht es nicht um eine historisch verbürgte Aufführung, sondern darum, die Möglichkeit einer solchen zu demonstrieren. Butt stellt diese Variante zur Disposition, um damit eine weitere Facette von Bachs Musikalität zu erforschen.

    Die Solistenbesetzung zeigt somit deutlich, wer was singt: Mulroy und Hobbs teilen sich die Evangelistenrolle für die jeweiligen Kantaten und klingen sogar sehr gleich; ihre deutsche Aussprache ist sehr überzeugend, ihre Arien mit sauberen Timbre gestaltet. Die Soprane Bevan und Lund haben jenes helles Timbre, welches präzise und mit leichtem Vibrato über die ganze Architektur thront. Die Altos Wilkinson und Hendrick sind nicht ganz so rein; besonders Letztgenannte hat deutlich erkennbare Schwierigkeiten mit der deutschen Aussprache, die sich in falschen Lautfarben erkennen läßt. Ihr Vibrato ist stark ausgeprägt, aber gewiß nicht von jener Art, daß sie abstößt. Die Bässe von Brook und Wolff sind tief und voll großer Empathie, auch wenn Brook in seiner Arie Großer Herr, o starker König sehr vehement klingt und ganz knapp am Knödeln vorbeirauscht.

    Insgesamt ist der Ausdruck der Solisten nicht sehr stark ausgeprägt, was sicherlich ein Teil von Butts Interpretationsansatz sein kann; mir persönlich behagt das aber sehr, weil es einfach das Werk von allen Ballast befreit und nur die Musik in den Vordergrund rückt. Es geht nicht um große Emotion, sondern um die Botschaft der neuentfachten Freude, die Weihnachten eigentlich bedeutet.

    Der "Chor" ist hier natürlich ein Konstrukt, um den Chorälen eine geeignete klangliche Basis zu geben. In Sachen Intonation ist jede Kritik unangebracht, denn die Solisten verstehen ihr Handwerk des chorischen Singens bestens. Da fällt auch die Überleitung zum Dunedin Consort sehr einfach aus: das Zusammenspiel aller Beteiligten ist von präziser Brillanz, wobei auch der klangliche Aspekt mit seiner perfekten Abstimmung und Geschlossenheit sehr beeindruckend ausfällt. Butt kann dem Consort alles abverlangen; sie liefern mit einer unangestrengten Virtuosität, die fast schon sprachlos macht.

    Mit 142 Minuten gehört Butts Interpretation zu den schnellsten, was sich aber nie als gehetzt äußert. Dabei sind die Rezitative nicht immer unbedingt mit Höchstgeschwindigkeit realisiert, denn wenn der Text es fordert, werden Zäsuren in Form von längeren Pausen oder deutlichen Pointierungen gemacht. Die Choräle sind häufig mittelschnell temporiert, haben aber in ihrem Ausdruck eine breite Palette von Emotionen aufzuweisen. Die Arien sind praktisch nie dem fixesten Tempo unterworfen: während Jauchzet, frohlocket mit 7:51 min. oder Schlafe, mein Liebster (9:00 min.) sicherlich nicht kurz ausfallen, kann man bei wenigen Stücken wie Ich will nur dir zu Ehren leben (4:26 min.) tatsächlich mal von Geschwindigkeitsrausch sprechen - doch selbst in solchen Fällen wirkt es nie abartig gehetzt, sondern zwar sehr schnell, aber auch sehr geschmeidig vorgetragen. Butt legt kein Wert auf Rekorde, sondern auf eine neu erarbeitete Umsetzung, die z.B. Nun seid ihr wohl gerochen einer Neubewertung unterwirft: weg von alten ausgetretenen Pfaden hin zu einer neuen Musikalität. Und ich muß gestehen: da hat sich Butt ganz gewiß nicht verhoben.

    Linn hat sich klanglich auch nicht lumpen lassen: die durchsichtige Klanglichkeit ist in ihrer grazilen Körperlichkeit von beeindruckender Klarheit und Klangtreue. Nie geht die Abstimmung verloren oder die reduzierte Besetzung verliert ihre Wucht. In dieser Hinsicht bin ich sogar mehr begeistert als von Kuijkens Aufnahme (Challenge 2014), die ohnehin schon eine großartige Leistung darstellt.

    Ist hiermit das WO neu erfunden worden? Nein, selbstverständlich nicht. Aber man kann schon sagen, daß sich alle Beteiligten mit aller Kraft für eine neue Gewichtung eingesetzt haben, die über rein besetzungstechnische Belange hinausgehen. Dieses WO wirkt beiläufig virtuos und entwaffnend frei wie selten andere Einspielungen. Und es öffnet das Ohr wieder für das Entscheidenste: für das Weihnachstfest und seine besondere Botschaft der Freude.

    Fazit: vorzüglich... :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    jd :wink:

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

  • Diese in meinen Ohren eher durchschnittliche Einspielung (Tempi, Chor, Solisten)

    Lieber Yorick,

    Ich widerspreche Dir hier in allen Belangen. Mag bei der Beurteilung der künstlerischen Qualität der subjektive Eindruck überwiegen, bleibt jedoch zweifelsfrei festzuhalten, daß dies keine OMI-Einspielung ist sondern ganz ohne Zweifel historisch informiert on period Instruments, also OPI.

    Aber auch künstlerischsticht diese Aufnahme aus dem breiten Feld der Aufnahmen heraus. Die Solisten, allen voran Pregardien, sind in meinen Augen hervorragend. Sie singen wohl phrasiert, ausdrucksstark in ihrer Deklamation und passen in ihrem Tombre hervorragend zum Werk.
    Auch das Orchester trifft an jeder Stelle den richtigen Ton. Die Instrumentalsolisten bestechen mit lebendiger Phrasierung und rhetorischer Affektgestaltung bei superber Tonkultur. Die lyrischen Stellen sind wunderbar einfühlsam musiziert. Die schwungvollen und majestätischen Stellen werden in der ersten Kantate vielleicht noch etwas zurückhaltender angegangen, sind aber spätestens mit dem ersten Chor in der zweiten Nummer auf dem gleichen herausragenden Niveau wie die lyrischen Teile.
    Der Chor überzeugt mit ausgewogenem und ausbalanciertem Klang bei guter Textverständlichkeit. Er ist jederzeit sängerisch (Koloraturen) und intonatorisch Herr des Geschehens und kann sich so der Affektgestaltung in besonderem Maße widmen.

    Richtig ist in meinen Augen allein, daß die Tempi durchschnittlich sind, also keine Extreme in jeder Richtung vorliegen. Sie erlauben der Musik den deklamatorischen Atem, den sie braucht. Das aber kann ich nicht als Manko sehen.

    Für mich ist dies nachwievor die beste, weil insgesamt organischste, Deutung des Werkes. Es gibt sicher bessere Chöre, bei den Solisten und den Instrumentalisten würde ich kein Ensemble kennen, die die hier vorgelegte Interpretation übertreffen würde.