- Offizieller Beitrag
Ich habe mir schon oft Gedanken über die unterschiedlichen Wege gemacht, wie die klassische Musik über das jeweilige Medium in unsere vier Wände gelangt und daher versucht, einige Aspekte aus meiner Sicht zu analysieren, zu systematisieren, zu gewichten und in Worte zu fassen und ich freue mich schon jetzt über eure diesbezüglichen Erfahrungen und Erlebnisse, die ihr den anderen und mir hoffentlich nicht vorenthalt
1. „Quadratisch“, praktisch, gut: Die Compact-Disc (CD)
Die M(usic)C(assette) abgelöst, die Schallplatte und das Tonband praktisch verdrängt und das alles aus zwei Gründen - der Aufnahme- und Wiedergabetechnik und der praktischen Handhabbarkeit. Die meisten von uns werden das gottgleiche Erscheinen der CD Ende der 80er und den unvergleichlichen Siegeszug zu Beginn der 90er Jahre noch selbst erlebt haben, einer Epiphanie gleich, die Apotheose eines Artefakts, die Revolution im Bereich der medialen Wiedergabetechnik, das digitale Speichermedium der Zukunft. Nie wurden alte Geräte schneller entsorgt und neue noch schneller erworben, obwohl es sich hier keineswegs um eine billige Austauschaktion handelte. Plötzlich gerieten geheimnisvolle Kürzel wie numinose Abbreviaturen zu geradezu göttlichen Insignien; AAD, ADD, DDD, DAD und nun auch SACD; sie alle verhüllten kaum ihre Herkunft von etwas ganz Außerordentlichem – dem Klang, den man eigentlich nur in einem Konzertsaal so erleben kann und im Grunde nicht einmal dort. Mit einem ordentlichen CD-Player, einem Verstärker und dem für angemessen erachteten Soundsystem wurde selbst jeder nicht High-End-Fanatiker plötzlich zum Herr über unendlich viele akustisch saubere Klassikwelten. An diese Klangqualität und die vielen neuen Finessen hat man sich schnell gewöhnt und die meisten aus unserer Bruderschaft der schon mehr als nur ein wenig begeisterten und glühenden Klassikliebhaber werden die Masse ihrer Sammlung im Hüllenformat 12cm-8cm im Regal stehen haben, sei es nun als Jewelcase oder Slimcase oder in anderen Formen. Dennoch weiß man im Gegensatz zu den anderen hier behandelten Medien relativ wenig über die Compact Disc zu sagen; sie ist praktisch, schnell herausgeholt und eingelegt; man kann vorspulen und innerhalb der Aufnahme springen; sie lässt sich auch im Auto hören und auch überallhin mitnehmen, wenn man nicht zu viele braucht. Aber es fehlt mir persönlich das gewisse Etwas, das Flair, das Raunende und letztlich der Stempel des Göttlichen, das sie schließlich im Speicher trägt. Die CD ist das Spiegelbild der Moderne, unserer betriebsamen und hektischen Zeit: Von hoher technischer Qualität, die man niemals mehr missen möchte; aber auch kalt und steril und sehr unpersönlich. Sie war der resolute und unauffällige Pragmatiker unter allen Medien, bevor die Zeit der Personalcomputer und der Festplattenspeicher anbrach. Vielleicht ist sie einfach zu klein, um sie hätscheln und lieben zu können wie eine Schallplatte und zu groß, um über ihre Gefühlsneutralität hinwegzusehen wie bei einem Stick oder einem iPod. Allein ihr im Vergleich zum vinylen Kunstwerk winziges Cover fällt immer wieder ins Auge und leider haben sich mit der Masse der produzierten und ausgestoßenen CDs auch die Booklets in winziger Schrift qualitativ nicht weiterentwickelt, meistens bieten sie in mehrsprachigen Versionen nur die absoluten Basics an Informationen, oft genug aber nicht einmal die.
2. Erinnerungen und Träume in Vinyl: Die Schallplatte
Totgesagte leben länger und so ist es tatsächlich! Ich selbst habe seit über zwanzig Jahren keine Schallplatten mehr gehört, die verschiedenen Plattenspieler wurden mit dem Aufkommen des CD-Players und besonders nach der Wende weggeschmissen und entsorgt oder verstaubten zusammen mit der elterlichen und eigenen Plattensammlung auf dem Boden des großen Bauernhauses. Erst jetzt habe ich mir zu meiner neuen Anlage auch wieder einen Schallplattenspieler gekauft, den ich gut zwei Jahrzehnte nicht entbehrte, wiewohl ich eigentlich nicht der Typ bin, der sorgsam den Staub von der Platte pustet und das Cover andächtig zwischen den Fingern hält. Aber klassische Musik von Langspielplatten zu hören ist doch eine ganz eigene und faszinierend andere Welt, wie ich erneut und wiederum feststellen musste. Im Gegensatz zur schnelllebigen Art und Weise, Klassik von der CD oder der Festplatte zu hören; erfordert die LP als Medium eine ganz andere, langsamere und sozusagen entschleunigte Herangehensweise. Die Platte macht den Akt des Musikhörens wieder zu einem Ereignis, zu einem Ritual, einem Gottesdienst! Der rituelle Akt beginnt mit dem Hervorziehen der gewünschten Scheibe aus der Sammlung und dem vorsichtigen Herausnehmen der Platte aus der meist doppelten Hülle (nicht zu vergleichen mit der pragmatischen Entnahme einer CD aus der Plastikhülle), es spinnt sich fort im Auflegen auf den Plattenteller, im Säubern und Reinigen mit einem entsprechenden Tuch und endet mit dem behutsamen Herunterlassens des Tonarms, währenddessen man schon dem Knistern lauscht und bang und voller Vorfreude den ersten Ton erwartet. Die vinyle Präsenz erfordert auch unsere: Nach keiner halben Stunde muss man aufstehen und die Platte umdrehen, da ist nichts mit schnell mal vorspulen oder in einen anderen Satz springen; Platten hören ist nach modernen Maßstäben unbequem und wenig komfortabel; kein Fast Food, sondern eine deftige und wohl dosierte Mahlzeit, die geplant und ausgenutzt werden will, kein Fest der Austauschbarkeit und Beliebigkeit. Das Hören von Schallplatten führt uns zum Essentiellen zurück, zum Wesen des Musikhörens; zu Zeit, Ruhe, Muße und Genuss. Die Schallplatte ist ein Gesamtkunstwerk, weil sie uns nicht nur die Musik ins Haus und zu Gehör bringt, sondern auch eine Einstellung fordert, die dem Musikgenuss zuträglich ist; und weil das Cover als Ausfluss der bildenden Kunst sinnfällig dem Komponisten oder Musikstück korrespondiert und die Texte darauf meist fundierter waren als die heutigen Surrogate in den schmalen Booklets mit der winzigen Schrift. Und zuallerletzt behaupten ja einige Highendexperten; die LP sei der CD auch aus akustischen und klangtechnischen Gründen vorziehen; aber ich verstehe zu wenig (eigentlich gar nichts) von den technischen Details und bräuchte daher eine Erklärung, die ein Laie wie ich auch versteht.
3. Ein Augen- und Ohrenschmaus: Die DVD
Wiewohl ich schon eine recht große digitale Sammlung mit Filmen und Dokumentationen besitze, trat die DVD als Medium klassischer Musik erst recht spät vor meine Augen. Ich war wie viele andere Klassikliebhaber auch immer der Meinung, dass man Musik mit geschlossenen Augen erleben muss und nicht abgelenkt werden darf durch äußere Eindrücke. Natürlich verstand ich hierunter nicht den Besuch eines Konzerts oder einer Oper, diese Art des Musikerlebens ist ein eigenes und weites Feld und wird ja nicht über die hier in Rede stehenden modernen Medien vermittelt. Aber daheim auf dem gemütlichen Sofa und vor dem großen Fernsehgerät (gilt also auch für das Fernsehen an sich, siehe unten) ist das etwa anderes; wenn ich dem Dirigenten folge oder dem Orchester und mich überhaupt der Bildregie ausliefere, kann es schon passieren, dass die Musik in den Hintergrund tritt und damit die Hauptsache ihren Wert verliert. Ich unterscheide dabei für mich zwischen Opern und allen anderen Formen des Konzertbetriebs. Natürlich kann es sehr informativ und aufschlussreich sein, bei einer Sinfonie von Beethoven, Bruckner oder Mahler dem Dirigenten bei seiner Arbeit zuzusehen; zu erkennen, wie die einzelnen Orchesterteile, Instrumentengrupppen und Instrumente zusammenwirken; nachzuvollziehen, wie sich so ein Werk musikalisch entwickelt, indem man den Akteuren bei ihrer Arbeit sieht – allein, mich persönlich lenkt das zu sehr von der Musik ab und daher bereue ich den nicht gerade günstigen Erwerb der Beethovenzyklen von Thielemann und Järvi sehr. Bei Solokonzerten ist das schon ein wenig anders, da genieße ich die Möglichkeit, dem Pianisten oder Violinisten genau auf die Finger sehen zu können; erst neulich sah ich durch die für jene Zeit der 60er Jahre hervorragende Bildregie Alexis Weissenberg grandios in Szene gesetzt, wie er sich etwa zum Dirigenten und Orchester verhielt, was er in den Pausen machte usw.; wie er die schwierigen Passagen technisch meisterte, wurde sogar in einer Draufsicht von oben auf die Tasten illustriert. Das kann natürlich auch nach hinten losgehen, wenn wie heute üblich bei modernen Aufnahmen und noch sehr jungen Künstlern manieriertes und affektiertes Auftreten nach Art „Der Virtuose“ von Wilhelm Busch in den Vordergrund treten; was immerhin von der meist unzulänglichen musikalischen Interpretation abzulenken vermag. Und auch nicht jeden noch so begabten und verdienstvollen Liedsänger will man da am Klavier in konvulsivischen Zuckungen stehen sehen. Bei Opern allerdings schätze ich das Medium DVD jetzt sehr, da ich als Thüringer tief in Wald und Gebirge wohne und kaum noch Gelegenheit habe, welche vor Ort anzusehen; zumindest keine hochwertigen Aufführungen, die in großen Städten und damit meist mehrere Autostunden entfernt stattfinden. Freilich ist es auch hier schwer, hörbare und ansehnliche Inszenierungen zu erwerben: Ohne jetzt wider das Regietheater zu fechten und zu lamentieren, findet man kaum noch vernünftige, die das richtige Maß wahren. Und so ist man schnell wieder auf seine Gesamtaufnahmen auf CD zurückgeworfen.
4. Das Übermedium der Massen, der große Bruder und Gleichmacher: Das Fernsehen
Das Fernsehen spielt natürlich in Sachen Klassik eine wesentlich geringere Rolle, als wir Klassikliebhaber uns das alle wünschen würden; aber dieser Befund spiegelt eben nur den Stellenwert klassischer Musik in der bundesrepublikanischen und vermutlich auch österreichischen Gesellschaft wider und der ist nun mal gering und da hilft alles Klagen nichts und kein Zetern über den Verfall der Kultur und den Untergang des Abendlandes. Klassische Musik war nie eine Sache der breiten Masse, früher nicht und heute angesichts der vielfältigen anderen Angebote erst recht nicht. Das einzige Medium, das hieran etwas ändern könnte, ist das Fernsehen! Aber selbst die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten, die immerhin einen Kultur- und Bildungsauftrag haben und dafür ihre Gebühren beziehen, halten sich auf diesem Feld sehr zurück. Ich weiß nicht, wie das in den 50er, 60er oder 70er Jahren war; aber derzeit engagieren sich zwar DasErste und das ZDF mit ihren jeweiligen digitalen Kanälen mehr als in den 80er und 90er Jahren und auch die gleichfalls alimentierten Spartensender des Kulturbereichs 3sat, ARTE, Phoenix und BayernAlpha; aber auch das ist meines Erachtens noch viel zu wenig und vor allem zu selten. Zumal mir die Auswahl der gezeigten Stücke und Orchester samt Dirigenten oft suspekt ist, was sicher oft seinen Grund in finanziellen und rechtlichen Rücksichtnahmen hat; so zeigt der Bayerische Rundfunk natürlich vornehmlich die in München beheimateten Klangkörper. Wir wissen nun nur zu gut, dass es Bravourstücke wie Beethovens Fünfte oder Tschaikowskis erstes Klavierkonzert sind, die musikalische Laien und Jugendliche zu faszinieren vermögen und die als Einstieg in die Welt der Klassik taugen, aber nein, man zeigt „Lohengrin“ auf ARTE, für uns spannend, für die Masse sicher eher nicht, und ich könnte noch viele solcher Beispiele nennen. Dass man im Pay-TV Solides geboten bekommt, zielt auch nur auf eine verschwindend kleine Klientel; natürlich ist Sky Unitel Classica ein Highlight auf dem Fernsehmarkt, mit gutem Programm, abgewogen zwischen alten und neuen Aufnahmen; meist gutem Klang und passablem Bild; aber auch hier unterliegt die Auswahl sicher ebenfalls gewissen Zwängen. Zu viel Bruckner und Mahler (Konzession an den Zeitgeist); zu viele alte Aufnahmen (eine Frage der Rechte); zu viele Opern (im Verhältnis zur Instrumentalmusik, fressen aber Sendezeit).
5. Es überlebt uns alle: Das Radio
Über meine Satellitenschüssel und meinen Receiver habe ich über meinen Fernseher mit angeschlossener Soundanlage einen kristallklarer Empfang der meisten bei uns gängigen Radiosender und natürlich sind bei mir die wichtigsten Klassiksender auf den ersten Plätze der Favoritenliste programmiert: MDR Figaro, BR-Klassik, hr2, SWR2, SWR3, NDR Kultur, SR2 Kulturradio, Klassik Radio, D(eutschlandsender) Kultur, Nordwestradio und noch andere. Allein, mit der verständlichen Ausnahme meines mitteldeutschen Heimatsenders kenne ich von den wenigsten die Programmstrukturen und nutze die Möglichkeiten, welche die Klassiksender bieten, äußerst selten; zumal ich im Auto keine ernsthafte Musik hören kann (maximal Heavy Metal) und es im Übrigen an einer ordentlichen, also einigermaßen vollständigen, übersichtlichen, informativen und lesbaren Radioprogrammzeitschrift fehlt. Überdies ist die Konkurrenz der anderen Medien enorm groß und wer eine große Sammlung von CDs, Schallplatten und DVDs sein eigen nennt, wird nur noch selten Zeit für das Radio finden. Das Radio bleibt dennoch die einzige Alternative für finanziell schwächere Klassikliebhaber und für jene, die sich nicht mit einer eigenen Sammlung belasten wollen, um sich nicht dem Druck auszusetzen, immer selbst entscheiden zu müssen, was man gerade hören möchte. Aber ich denke, auch so mancher leidgeplagte Mensch im Krankenhaus oder einsam daheim wird sich gerne des ARD-Nachtkonzerts erinnern, dass ihm die dunklen Stunden auszufüllen und zu vertreiben half. Die meist angenehmen Stimmen der Klassik darbietenden Radiomoderatoren zwischen den Musikstücken sind Anker und Ruhepole in einer hektischen und oberflächlichen Welt.
6. Die Zukunft auch des Klassikhörens: Rechner/ moderne Speichermedien/ Internet
Ohne den Computer geht heute gar nichts mehr, auch ich habe meine komplette Sammlung auf Festplatte eingelesen und verwalte sie trotz aller Unzulänglichkeiten des Programms meist über iTunes. Das ist zu Beginn sehr zeitaufwendig und umständlich, lohnt sich aber auf die Länge. Gerade für die Interpretationsfanatker unter uns mit ihren permanenten Vergleichen von Aufnahmen sind jene auf Festplatte rasch zugänglich und man kann innerhalb dieser leicht vor- und zurückspringen, auch innerhalb verschiedener Aufnahmen; man kann ohne Umstände Zeiten von Sätzen oder Akten und Szenen messen und ablesen, Zyklen zusammenlegen oder ganze Opern. In Kombination mit einem iPod für unterwegs im Auto, im Urlaub, wenn man mal ins Krankenhaus etc. muss oder auch mit Musikanlagen an anderen Standorten ist der Rechner samt mobilen Datenträgern für uns Klassikliebhaber einfach nicht mehr wegzudenken. Das Internet unterstützt uns natürlich zusätzlich, indem wir problemlos per Mausklick einkaufen können; aber auch probehören bei Amazon oder JPC oder sogar hören und sehen bei Portalen wie youtube. Einziger Nachteil: Die wenigsten von uns werden an ihrem Rechner vergleichbare Boxen mit Verstärker installiert haben, so dass sich der Hörgenuss natürlich nicht mit dem einer richtigen Anlage vergleichen lässt. Aber ich denke, die Zukunft wird solchen Projekten gehören.