Die französische Hofmusik, Instrumente, Konzeption und Ämter

  • Das Französische Staatsorchester am Hofe bestand etwa seit der Zeit François I. Er ließ die drei großen Sektionen der Hofmusik gründen:

    Die Grande Ecurie
    [Der Marstall mit den Trompetern und Trommlern]

    die Musique pour la Chambre
    [Die besten Lautenisten und Cembalisten des Königreiches] und

    die Chapelle Royale
    [der Chor der königlichen Kapelle]

    Unter Louis XIII. kam eine 4. Sektion hinzu, die 24 Violons du Roy. Für Hofballette und größere Konzerte mussten stets Geiger aus Paris engagiert werden. Am Hofe selbst spielten nur Gambisten. Für die modernere Musik waren jedoch diese Instrumente unumgänglich und da der König immer häufiger Ballette und Konzerte verlangte, würde mit den 24 Violons du Roy der Grundstein des ersten modernen Orchesters in Europa gelegt.

    Louis XIII. gründete weiterhin als Pendant zu den 24 Violons du Roy noch die 12 Grandes Hautbois du Roy. Allerdings muss man beachten, dass man in Frankreich unter Hautbois - also "hohes Holz" - sowohl die Schalmeien als auch die späteren Barockoboen verstand. Barockoboen waren jedoch frühestens ab 1675 soweit entwickelt, dass man sie ins Orchester aufnahm.

    Unter Louis XIV. kamen noch weitere Sektionen hinzu, ganz speziell für Lully: die Petit Bande. Dieses kleine Orchester hatte der König Lully zur Verfügung gestellt, um damit den Tag über unterhalten zu werden. Das Ensemble sollte bei allen königlichen Zeremonien spielen, wie dem Lever, dem Dîner, den Promenaden in den Gärten und bei den abendlichen Zerstreuungen und natürlich zum Tanz. Wichtig war hierbei die Mobilität des Orchesters, denn die Musiker hatten dem König überall hin zufolgen. Dies schloss Instrumente wie Bassgamben, Cembali etc. aus.

    Für die großen Ballett- und Opernaufführungen zog man hingegen die übrige Hofmusik zusammen, also die Grande Ecurie, die Chambre du Roy, die 24 Violons du Roy und für den Chor die Chapelle Royale. Die Petit Bande spielte ausschließlich für den privaten Gebrauch des Königs, nicht bei den großen Aufführungen.

    Die Grande Ecurie war in den Marställen untergebracht, sie stellte vor allem Trommler und Pfeifer für die königliche Armee. Professionelle Musiker waren vor allem bei den 12 Grandes Hautbois zu finden und bei den Trompetern. Neben diesen Instrumenten gab es auch archaisch anmutende Instrumente wie den Serpent, das Cromorne (Krummhorn) und den Trumscheit, in Frankreich als „Trompette Marine“ bezeichnet. Diese Instrumente wurden zur Unterstützung der Trompeten verwendet. Die Konzeption der Grandè Ecurie war streng militärisch, die Instrumentalisten trugen Uniform und an den Trompeten und Trommeln war das Hoheitszeichen des Sonnenkönigs zu sehen. Sowohl als Gravur, als auch bei den Trompeten mit wertvoll bestickten Bannern. Die Uniformen der Grande Ecurié waren je nach Regiment unterschiedlich gestaltet. Charakteristisch sind jedoch gestreiften Uniformen, meist blaue Uniformen mit roten Streifen, die wiederum Gold-und Silberstickerein aufwiesen. Unter Louis XIII. und Louis XIV. leitete die Familie Philidor die Musiker des Militärs.

    Die 24 Violons du Roy wurden seit Louis XIII. von Louis Constantin (c1585–1657) geleitet, der auch zugleich die Oberaufsicht über alle Instrumente hatte. Unter Louis XIV. leitete Guillaume Dumanoir (1615–1690) das Orchester. Dumanoir war, wie sein Vater Mathias Dumanoir, Mitglied der Violons du Roy, außerdem war er Mitglied der königlichen Kammer. Dumanoir legte seine Mitgliedschaft in den 24 Violons du Roy nieder, zugunsten eines anderen Musikers. Doch der König akzeptierte nicht und schuf einen 25. Platz – zugleich ernannte er Dumanoir zum Leiter des Ensembles und Nachfolger von Louis Constantin. Er bekam den Titel „Roi des ménéstriers" und später den Titel „Le roi des Violons“, den das Parlament aber für nichtig erklärte.

    Die Aberkennung dieses besonderen Titels war sicherlich auch auf Bestreben der anderen Hofmusiker, besonders der Lautenisten, Cembalisten und Organisten zurückzuführen. Sie verstanden sich als der musikalische Adel und lehnten eine Zusammenarbeit mit den Geigern recht oft ab. Bedeutendster Streit war jener zwischen Jacques Champion de Chambonnières (1661-1671) und Lully. Chambonnières weigerte sich, sich von dem Florentiner Anweisungen geben zu lassen und bei den Balletten Lullys mitzuspielen. Schließlich wurde er seiner Ämter enthoben.

    Neben den 24 Geigen kamen noch weitere Streichinstrumente hinzu: die Taille, die Quinte und die Quarte, die dann im 18. Jahrhundert durch die Bratsche ersetzt wurden. Der Bass wurde von Tenor- und Bassgamben gebildet. Man nutzte keinen Kontrabass. Das Instrument wird zum ersten Mal in der Partitur zur „Alcyone“ aus dem Jahre 1706 von Marin Marais erwähnt.

    Dieser Streicherkorpus wurde sehr bald auch durch Bläser verstärkt: Trompeten, Blockflöten und Schalmeien in verschiedenen Tonlagen, Fagotte und im Bass der Serpent und das gewaltige Cromorne. Ein Teil der Instrumente gehörte zu den 24 Violinen, ein anderer teil wurde von der Grane Ecurie gestellt. Im Bass waren natürlich auch Cembali, Harfen, Theorben und Gitarren zu finden.

    Die Chambre du Roy, war seit jeher die Kaste für die besten Musiker des Königreiches. Hier aufgenommen zu werden bedeutete die größte Auszeichnung. Es waren vor allem Cembalisten, Gambisten, Lautenisten und Sänger die hier zu finden waren. Erst unter Louis XIV. wurden hier auch Vertreter aller andere Instrumente aufgenommen – sehr zum Ärger der alten Meister. Die Chambre du Roy gewann allerdings erst in den letzten Lebensjahrzehnten des Sonnenkönigs an großer Bedeutung. Komponisten wie Marin Marais oder François Couperin drückten dieser königlichen Musik ihren Stempel auf. Couperin hatte zudem die Aufgabe, die privaten Konzerte für den König zu organisieren, die jeden Sonntag in den königlichen Gemächer gegeben wurden.
    Meist waren nur der König und Madame de Maintenon anwesend.

    Die Chapelle Royale war wohl die älteste und umfangreichste Musiksektion am Hofe. Schon Ludwig XII. hatte umfangreiches Instrumentarium in Italien bestellt, um die Sänger der Chapelle Royale zu begleiten. Diese Instrumente waren wertvoll mit den königlichen Lilien verziert. Unter Louis XIII. wurden bereits zwei Chöre am Hof unterhalten, die im Schichtbetrieb Dienst hatten. Zwei Kapellmeister standen der Sektion vor, die Aufgaben waren klar strukturiert. Man hatte ein halbes Jahr Dienst, sorgte für die Einstudierung neuer Werke, die korrekte Umsetzung und die Ausbildung junger Sänger. Das andere halbe Jahr hatte man Zeit, neue Werke zu komponieren. Louis XIV. schuf zwei weitere Kapellmeisterposten, so dass die Leitung pro Quartal weitergegeben werden konnte.

    Das Amt des Surintendanten

    Diesen ganzen Sektionen stand der Oberintendant der Musik des Königs vor. Unter Heinrich IV. hatten Claude Le Jeune, Pierre Guedron und Eustache du Caurroy diese Ämter, unter Louis XIII. war es vor allem Anthoine Boësset und dann Jean de Cambefort, der auch unter Louis XIV. bis 1660 die Leitung hatte. Unter Louis XIV. wurde das Amt maßgeblich von Lully eingenommen, jedoch übernahm die Organisation und Verwaltung der Musiker der Sohn des Anthoine Boësset, Jean Baptiste. Als Komponist konnte er wenig begeistern, umso mehr mit seiner Verwaltung und Organisation. Louis XIV. verehrte den alten Meister und erhob ihn auch schließlich in den Adelsstand. Nach der provisorischen Leitung durch Lullys Söhne und Marin Marais nach Lullys Tod wurde Michel Richard Delalande der Oberhofmeister der Musik des Königs. Delalande bestimmte 1718 André Cardinal Destouches als neuen Oberintendanten. Schon Louis XIV. lobte Destouches, indem er ihn als fähigsten Nachfolger Lullys bezeichnete und als eine seiner letzten Amtshandlungen erklärte der Sonnenkönig Destouches zum Generalinspektor der Pariser Oper, der Academie Royale de Musique.

    Louis XV. ernannte nach dem Tode Destouches zum ersten Male in der Geschichte des französischen Hofes zwei Oberintendanten: Jean Rebel und François Francoeur. Beide hatten bei Delalande gelernt und waren als Musiker bei der Aufführung der Festoper „Costanza e Fortezza“ von Fux in Prag zugegen. Diese beiden Musiker waren unzertrennliche Freunde und auch all ihre Opern erschienen als Gemeinschaftsarbeit.

    Ihnen folgte Antoine Dauvergne als Surintendant nach, bevor mit einem Deutschen, Jean Paul Egide Martini die Ära der Hofmusik in Versailles im Sturm der Revolution unterging.

    • Offizieller Beitrag

    Eine hochinteressante Schilderung, und ausgesprochen ausführlich.

    Dennoch kommt mir noch eine Frage in den Sinn, die ich Dir stellen möchte.

    Du sagst, mit der Revolution endete diese Tradition — in Frankreich.

    Bekanntermaßen übte speziell Ludwig der XIV. auf ganz Europa einen unglaublichen Einfluss aus, allerorten auf dem ganzen Kontinent folgten ihm große und kleine Fürsten und Fürstchen nach, bauten ihr 'kleines Versailles' und kopierten den französischen Hof, wo es nur ging.

    Hat diese Tradition und Aufteilung einer Hofmusik ebenfalls Nachfolger und Nachahmer gehabt, die dann vielleicht sogar die französische Revolution überdauern konnten?

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)

  • Was durchaus nachgeahmt wurde, war die "Grande Ecurie" also die Militär- oder Bläsermusik. Man denke nur an die Feuerwerksmusik von Händel - die ja speziell für ein solches Ensemble geschrieben wurde. Auch die Untersektion, die "Bande des Hautbois" - also ein reines Oboenensemble - wurde an vielen Höfen nachgeahmt - letztlich entstand daraus ja auch die Harmonienmusik des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

    Die meisten Höfe dürften aber wohl gar nicht die Möglichkeit gehabt haben, eine solche Unterteilung vorzunehmen, denn welcher Hof konnte sich schon über 300 festangestellte Musiker leisten? Eine andere Variante gab es am englischen Hof. Dort gab es ein ähnliches Kastensystem - noch aus der Renaissance. So blieben lange die Geiger und Bläser unter sich und konzertierten auch nur alleine. Erst unter Charles I. und später unter Charles II. wurde das aufgebrochen.