Vom Sinn und Unsinn über das Schreiben über Musik und deren Aufnahmen

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    Ich gelange immer mehr zu der Auffassung, dass dieses Schreiben über Aufnahmen verlorene Liebesmüh ist. Jeder hört etwas anderes, egal, wie die Musik "rein objektiv" sein mag; und nicht zu vergessen sind die Umstände der jeweiligen Hör- und Lebenssituation so unterschiedlich, dass Objektivierungen und Vergleichbares schlicht nicht möglich sind. Dazu kommt der eigene Geschmack, gerade hier bei Brahmsens Erster; wo ich gerade merke, dass Böhms Deutung mir wesentlich stärker zusagt als Gardiners; und ich nach Thielemann München und Dresden verloren bin für alle anderen Interpretationen.

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)

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    Ich gestatte mir, aus diesem Post von Yorick, der aus einer Randbemerkung stammt, einen eigenen Thread zu basteln, da die Thematik ja Grundsätzliches und -legendes betrifft.

    Über den Sinn und Unsinn des Unterfangens kann man sicher vortrefflich Schreiben - ein Paradoxon, zugegebener Massen...

    8-)

  • Ich gelange immer mehr zu der Auffassung, dass dieses Schreiben über Aufnahmen verlorene Liebesmüh ist. Jeder hört etwas anderes, egal, wie die Musik "rein objektiv" sein mag; und nicht zu vergessen sind die Umstände der jeweiligen Hör- und Lebenssituation so unterschiedlich, dass Objektivierungen und Vergleichbares schlicht nicht möglich sind.

    Das kommt ganz darauf an, was ich erreichen will. Wenn ich eine einheitliche Meinung anstrebe (selbstverständlich meine 8-)), könnte ich schon auch am Sinn solchen Unterfangens (ver)zweifeln. Wenn ich wissen will, was für Reaktionen ein Werk oder eine Interpretation desselben auslösen können, dann erscheint mir der Austausch darüber als ein guter Weg. Die genannten Subjektivitätsfaktoren (wow - cooles Wort 8o) gelten übrigens für alle Kunstgattungen, einschließlich der Literatur.
    :wink:

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    Jedesmal, wenn es um das Thema "Schreiben über Musik" geht, kommt mir gleich dieses wundervolle Buch in den Sinn:

    Eric Rohmer ist wirklich ein Experte im Schreiben von Gehörtem. Aber das nur nebenbei.

    Zitat

    Was weiß man über Eric Rohmer? Daß er wunderbare Filme macht, vielleicht die wuderbarsten überhaupt. Und natürlich weiß man, wie vorsichtig die Musik Rohmers Filme begleitet. Aber muß denn ein Filmemacher über Musik schreiben? Hier geht es nicht um den Versuch eines Meisterregisseurs, in einem fremden Medium Virtuose zu sein; bei Rohmer geht es um die Musik selbst. Er fragt sich: Was ist die Tiefe der Musik, wie bezaubert, verzaubert sie den Zuhörer, wie erreicht sie Erschütterung? Mittels ganz subjektiver Methoden (Rommer weiß, daß er als Liebhaber zu uns spricht) nähert er sich dem Geheimnis der Musik und gibt Antworten, die oft radikal neu sind. Rohmer spricht über Musik, als wäre ihre Geschichte ein Film von ihm selbst. Freilich kommt es da auch zu philosophischen Überlegugen, und er scheut nicht den Vergleich zu anderen Künsten, wie Architektur und Malerei. Denn Rohmer beschwört in seinem Buch den Geist der Musik, ihre metaphysischen Schwindungen werden im Lesen hörbar und spürbar.

    Durch Rohmers Sätze begreift der Leser Musik, wie auch der Zuschauer durch Rohmers Filme sein eigenes Leben begreifen kann. Ein wunderbares, einzigartiges Buch: Überraschend einleuchtend und detailgenau wagt Rohmer den großen Wurf.

    Ein notwendiges Buch für alle, die ohne Musik, ohne Kunst nicht sein wollen.


    Was mich persönlich an Geschriebenem über Musik interessiert ist, das Geschriebene eventuell ganz genau so (nach) empfinden zu können; soetwas verbindet und man fühlt sich vielleicht nicht ganz so allein in diesem Universum. Außerdem werde ich ggfs. auf gewisse Aspekte der Musik aufmerksam gemacht, die an mir zuvor einfach nur "sinnlos" vorbeigerauscht sind.

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    So ein Geschwurbel macht mich fertsch ...

    Zitat

    Selten gibt es Pianisten, bei denen sich geistige Durchdringung und ein Gespür für tiefere musikalische Zusammenhänge so einmütig die Hand reichen wie bei David Fray. Weder scheut der junge französische Pianist die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Klavierspiel, noch mangelt es ihm am Flügel an direkter künstlerischer Überzeugungskraft.

    Was er dann selber sagt, ist ok ...

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    Zur Zeit gerate ich nicht nur wegen der Flaute hier in eine Schreibkrise. Neben meiner Beschäftigung mit Schuberts und Schumanns Klavierwerk stehen ja derzeit Liszts h-Moll-Sonate und Mahlers Sechste auf meinem Zettel. Aber erstere hat AlexanderK bei C kompetent und ausführlich aufgearbeitet; ich könnte mich nur wiederholen; und zu Mahler hat es auch bei beiden großen Foren detaillierte Besprechungen der zwei Dutzend wichtigsten Aufnahmen gegeben. Wozu also noch schreiben? Und für Schumanns viele kleine Klavierzyklen etwa fühle ich mich nicht kompetent genug, das müsste schon ein Pianist wie Ulli machen.

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    Profan, aber treffend. „Psychologie heute“ 43/6 S. 7

    Zitat

    Schöne Dinge notieren steigert das Wohlbefinden. Ein gutes Buch, ein attraktiver Mensch, ein leckeres Essen, egal - wer Buch darüber führt, was ihm ästhetisch positiv auffällt, hebt durch den bewussten Umgang mit Schönheit seine Laune. Diese Wirkung hält bis zu einem Monat an.

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    Profan, aber treffend. „Psychologie heute“ 43/6 S. 7


    Mache ich schon lang - wollen wir hoffen, niemand liest jemals meine Tagebücher ... 8-)

  • Ich gelange immer mehr zu der Auffassung, dass dieses Schreiben über Aufnahmen verlorene Liebesmüh ist. Jeder hört etwas anderes, egal, wie die Musik "rein objektiv" sein mag; und nicht zu vergessen sind die Umstände der jeweiligen Hör- und Lebenssituation so unterschiedlich, dass Objektivierungen und Vergleichbares schlicht nicht möglich sind. Dazu kommt der eigene Geschmack, gerade hier bei Brahmsens Erster; wo ich gerade merke, dass Böhms Deutung mir wesentlich stärker zusagt als Gardiners; und ich nach Thielemann München und Dresden verloren bin für alle anderen Interpretationen.


    Nein es ist keine vergebene Liebesmüh, für mich verhält es sich wie mit der Restaurantkritik.
    Es gibt mittlerweile unüberschaubar viele Aufnahmen, genau wie Restaurants, und da ist ein Blick auf einen Erfahrungsbericht eines "Gourmets" durchaus hilfreich, bevor man sein schwer verdientes Geld investiert.
    Dass es sich immer um objektive Meinungen handelt, ist klar und muss auch so sein - bei einem Besuch eines Restaurants ist das ja auch nicht anders.
    Gerade das macht ja den Reiz aus, die Gedanken des Anderen kennenzulernen.

    :wink:

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    Wenn ich sehe, wie zwei Experten in diesem Thread Beethoven, Klaviersonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3 CD-Rezensionen und Vergleiche (2016) bei T sogar mit Notenbeispielen arbeiten und ganz sicher beide tief in der Materie stecken und dennoch aneinander vorbeireden und auf keinen Nenner kommen; dann macht mich das schon ein wenig traurig, wie wenig gemeinsame Basis nur zwei Paar Ohren haben, geschweige denn dutzende.

  • Sind sie aber selber schuld: wieso geht man in die Materie und findet sich dann nur noch in Fallstricken eigener Erkenntnisse wieder? Eigentlich sollte das Werk näher zu einem kommen, aber stattdessen muß das Werk sich dann nach der Expertenmeinung richten, weil man das Werk sehr gut kennt. Damit fesselt man sich nur, man legt sich fest. Wichtiger ist doch, warum die Künstler es so ausführen und ihrer Konzeption oder Idee zu folgen, um damit einen Weg erklärbar zu machen. Aber nein: Kempff spielt ja die Noten nicht richtig... *beiss*

    Interpretation ist Auslegung - keine Wahrheitsfindung.

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

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    wieso geht man in die Materie und findet sich dann nur noch in Fallstricken eigener Erkenntnisse wieder?


    Weil: sich selbst widerlegen ist der Sinn der Sache; und die Akzeptanz der Erkenntnis darüber, sich selbst widerlegt zu haben, was ganz großes.

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    Inzwischen bin ich mir sicher; dass das Schreiben über Musik wenig bis keinerlei Nutzen für einen anderen hat, der nach objektiven Urteilen sucht, um selbst z.B. Kaufentscheidungen zu treffen. In der Musikbeschreibung gilt das Meiste ohnehin nur für einen selbst und sagt auch nur über den Schreiber etwas aus, nicht über die Musik. Und genau das sehe ich aber mittlerweile als das eigenlich Spannende, Zuschauer sein zu dürfen, wie andere Musik erleben, die sie ebenfalls so lieben wie ich. Ich freue ich mich der Eindrücke der anderen und lese begierig mit, lerne und unterhalte mich.

  • In der Musikbeschreibung gilt das Meiste ohnehin nur für einen selbst und sagt auch nur über den Schreiber etwas aus, nicht über die Musik.

    Vielleicht solltest Du mehr musikwissenschaftliche Texte lesen, da sollte mehr über die Musik als über den Schreiber drin sein, obwohl die Wertung nie rein objektiv sein wird. Aber ist die Wertung immer so wichtig?