Nach dem Sensationserfolg der Psyché von 1671 nahmen Lully und Molière ein neues Werk in Angriff.
1670 war die Schwägerin des Sonnenkönigs, Henriette Stuart auf mysteriöse Art gestorben. Man vermutete Gift und es kam auch zu nicht ganz unerheblichen Spannungen zum englischen Königshaus.
Henriette Stuart, Gemälde von (wahrscheinlich) Lely
In Frankreich tobte derweil die Giftmordaffäre, die bis in die höchsten Höhen der Gesellschaft reichte. Hinrichtungen, Verdächtigungen, und schließlich ein Skandal, der selbst Madame de Montespan, den Bruder des Königs, sowie seine diversen Liebhaber in die Kritik und ins Fadenkreuz der Ermittlung brachte. Louis XIV. zog die Konsequenzen, er beendete die Liason zu seiner Maitresse, schickte den Duc de Vêndome in die Verbannung und ließ die Giftmischerin Voisin, die den halben Hof mit ihren Pulvern versorgte, öffentlich verbrennen.
1672 sollte Monsieur, der Bruder des Königs, erneut unter die Haube gebracht werden. Liselotte von der Pfalz sollte seine neue Gemahlin werden. Zu diesem Zweck sollte ein „Best-of“ der vergangenen Comèdie Ballets arrangiert werden. Und zwar als „Ballet des Ballets“ zu der Komödie La Comtesse d’Escarbagnas von Molière. Doch Molière und Lully zerstritten sich so dermaßen, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr in Frage kam.
Lieselotte von der Pfalz, Gemälde von Mignard
Molière wandte sich dem gerade aus Italien zurückgekehrtem Marc Antoine Charpentier zu, der in der Gunst der Mademoiselle de Guise stand, der Cousine des Sonnenkönigs. Charpentier schrieb die Bühnenmusiken zur Komödie, und Lully arrangierte sein Ballet des Ballets. Dieses Werk vereinte die beliebtesten Szenen aus George Dandin, Le Bourgeois Gentilhomme und vor allem Psyché. Der König selbst wählte die musikalischen Tableaus aus. Darunter die berühmte Türkenszene aus dem Bürger als Edelmann und die Plainte italienne aus der Psyché.
Der Erfolg war entsprechend groß – aber auch für Molières und Charpentiers erste Zusammenarbeit. Der Grundstein für die Lebenslange Feindschaft, die Lully Charpentier entgegenbringen würde. Zur gleichen Zeit gab es in Paris eine besondere Premiere: der ehemalige Oberhofmeister der Musik der Königin Mutter, Robert Cambert, hatte zusammen mit dem Poeten Pierre Perrin die erste vollgültige französische Oper auf die Bühne gebracht: Pomone. Der Erfolg in Paris war überraschend, weder Lully noch Molière hatten damit gerechnet, dass dieses Projekt einen solchen Erfolg einbringen sollte. Gegen Pomone wurden die Werke Lullys und Molières fast vergessen.
Doch Perrin konnte nicht mit Geld umgehen, noch im gleichen Jahr verschuldete er sich dermaßen, dass er verhaftet und eingekerkert wurde. Von Louis XIV. hatte er das Privileg gekauft, Opern in Paris aufführen zu dürfen. Cambert musste das Theater schließen. Lully witterte nun seine Chance. Er besuchte Perrin im Gefängnis und machte ihm ein Angebot, das die gesamte französishe Musikgeschichte von nun an verändern sollte: er bot an, alle Schulden für ihn zu begleichen, dafür müsste man ihm aber sämtliche Opernrechte übertragen, ebenso die Ausstattung des Theaters, Kostüme, Instrumente usw. Perrin willigte ein. Cambert war über diesen Handel wohl weniger begeistert, im nächsten Jahr verließ er nicht nur Paris sondern auch Frankreich. Perrin starb 1675 verarmt in Paris, Cambert hatte eine Anstellung am englischen Königshof gefunden, wurde aber 1677 in London ermordet.
Lully hatte nun die Basis; nun ließ er sich sein erworbenes Privileg vom König erweitern. Von nun an war jedes Werk, zu dem er jemals Musik komponierte, sein persönliches Eigentum – damit gingen also fast alle Werke von Molière in Lullys Besitzt über! Von nun an war es keinem Theater mehr gestattet, Opern oder opernähnliche Werke aufzuführen, ja nicht mal Bühnenmusik durfte ohne vorherige Zensur aufgeführt werden. Hinzu kam, dass, wenn die Erlaubnis erteilt wurde, man niemals mehr als 3 Instrumente verwenden durfte. Lully errichtet innerhalb von Monaten eine Diktatur des Musiklebens in Frankreich.
Nun war er selbst im Zugzwang, er musste ein neues Werk auf die Bühne bringen. Und innerhalb weniger Wochen entstand ein neuerliches Pasticcio, in der Art der „Ballet des Ballets“.
Aufführung der Pastorale "Les Fêtes de l'Amour et Bacchus" 1674 beim 3. großen Fest in Versailles
Les Fêtes de l’Amour et de Bacchus, eine Pastorale war jenes Werk, das die fuiose Opernkarriere von Lully einleiten sollte. Lully verwendete 3 große Szenen aus älteren Comèdie Ballets, den „Sommeil“ aus Les amants magifiques die Chaconne des Magiciens aus der Pastorale Comique und als Finale den „Combat de L’Amour et de Bacchus“ aus George Dandin. Lully komponierte einige Rezitative, wenige Airs und einen Prolog hinzu. Zudem ist es wohl das einzige Werk Lullys, das über keine Ouvertüre verfügt, sondern das Werk wird mit einem kurzen Ritournell eröffnet.
Diese Pastorale war so erfolgreich, dass sie bis zum Tode des Sonnenkönigs noch regelmäßig auf den Spielsplänen stand und auch ein zentrales Werk beim 3. großen Fest in Versailles darstellte, es wurde neben Lullys Alceste und der Grotte von Versailles aufgeführt.