15 - Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz (um 1645) SWV 478


  • Septem Verba & Membra Jesu Nostri


    Ensemble Correspondances

    D: Sébastian Daucé



    CD 1:

    Dieterich Buxtehude (1637-1707)

    Membra Jesu nostri BuxWV 75

    Membra Jesu nostri patientis sanctissima humillima totius cordis devotione decantata

    1| I. Ad pedes : Ecce super montes 7’40

    2| II. Ad genua : Ad ubera portabimini 7’44

    3| III. Ad manus : Quid sunt plagæ istæ 9’19

    4| IV. Ad latus : Surge amica mea 8’13

    5| V. Ad pectus : Sicut modo geniti infantes 10’11

    6| VI. Ad cor : Vulnerasti cor meum 8’40

    7| VII. Ad faciem : Illustra faciem tuam


    CD 2:

    Dieterich Buxtehude (1637-1707)

    1| Klag-Lied: Muß der Tod denn auch entbinden BuxWV 76/2 12’4

    (Fried- und freudenreiche Hinfahrt des alten großgläubigen Simeons, BuxWV 76)

    2| Mit Fried und Freud ich fahr dahin BuxWV 76/1 4’39

    (Fried- und freudenreiche Hinfahrt des alten großgläubigen Simeons, BuxWV 76)


    Heinrich Schütz (1585-1672)

    3| Erbarm dich mein, o Herre Gott SWV 447 4’42

    Da Jesus an dem Kreuze stund SWV 478

    [Die sieben Wortte unsers lieben Erlösers und Seeligmachers Jesu Christi, so er am Stamm des Heil. Creutzes gesprochen]

    4| I. Introitus 2’10

    5| II. Symphonia 1’25

    6| III. Die sieben Worte 10’43

    7| IV. Symphonia 1’20 V. Conclusio 1’52

    8 | V. Conclusio


    Lüdert Dijkman (c1645-1717)

    Lamentum eller En Sorge-Music

    (Lamentum oder Eine Trauermusik)

    9| I. Aria 5’19

    10| II. Öde-Gudinnornas Swar 0’26

    11| III. Aria 1’36


    Dieterich Buxtehude (1637-1707)

    12| Herzlich lieb hab ich dich, o Herr Bux WV 41



    Ensemble Correspondances

    D: Sébastian Daucé


    Soprano: Caroline Weynants, Julie Roset, Caroline Bardot, Perrine Devillers

    Alto: Lucile Richardot, Paul-Antoine Bénos

    Tenor: Davy Cornillot, Antonin Rondepierre

    Bass: Étienne Bazola, Nicolas Brooymans



    Violons | Violins: Josèphe Cottet, Simon Pierre

    Violes | Violas da gamba: Mathilde Vialle*, Étienne Floutier*, Louise Bouedo, Mathias Ferré, Julie Dessaint

    Violone | Bass: Étienne Floutier*

    Luth | Lute: Diego Salamanca*

    Théorbe | Theorbo: Thibaut Roussel*

    Harpe | Harp: Caroline Lieby*

    Orgue et clavecin | Organ & harpsichord: Matthieu Boutineau*

    Orgue et direction | Organ & conducting: Sébastien Daucé*


    *basse continue | basso continuo



    Enregistrement : août-septembre 2020, Abbaye aux Dames, Saintes (France)

    Booklet: Texte von Peter Wollny und Sébastian Daucé sowie alle gesungenen Texte mit Übers. in D., F., E.



    Anfang Februar erst konnte ich hier (s. # 9) eine Aufnahme der Membra Jesu nostri von Buxtehude mit dem Ricercar Consort/Pierlot vorstellen; Inzwischen ist eine weitere Aufnahme erschienen, die allerdings in Programm und Thematik einige Unterschiede aufweist. Der Untertitel dieses 2-CD Albums lautet entsprechend auch Passionsmusiken des 17. Jahrhunderts. Es enthält zwei gewichtige Werke der deutschen barocken Passionsmusik sowie geistliche Konzerte zum Thema, ferner eine Trauermusik zum Tod zweier schwedischer Kronprinzen 1685 des Komponisten Lüdert Dijkman (c1646-1717)

    Peter Wollny erläutert dies in seinem Beitrag im Booklet, dabei weist er auch auf die Überlieferung der Membra und die Düben-Sammlung hin.



    Zitat von Peter Wollny

    Membra Jesu nostri - Passionsmusiken des 17. Jahrhunderts:


    Die Musik des 17. Jahrhunderts zeichnet sich durch eine faszinierende Experimentier- und Innovationsfreude aus, deren Kühnheit uns heute noch beeindruckt. Um und nach 1600 entstanden zahlreiche neue Gattungen, die die nachfolgenden Jahrzehnte und selbst Jahrhunderte prägen sollten. Die Komponisten entdeckten die Wirkung des Raumes und entwickelten die Grundlagen einer funktionalen Harmonik, mit der sich großräumige formale Zusammenhänge konstruieren ließen; sie erkannten die Wirkung des solistischen, nur von Akkordinstrumenten begleiteten Gesangs ebenso wie die betörende Prachtentfaltung großer vokal-instrumentaler Ensembles. Und nicht zuletzt lernten sie, die dramatische Kraft der menschlichen Emotionen für die Musik nutzbar zu machen und sowohl auf der Bühne – in der Oper – als auch im Kirchenraum – im Oratorium – darzustellen. Angesichts der Fülle von Entdeckungen und Fortentwicklungen, die mit einer nahezu umfassenden Erneuerung der Kompositionskunst einherging, erstaunt es, dass die musikalische Schilderung der Leidensgeschichte Jesu erst verhältnismäßig spät und auch nur zögerlich in Angriff genommen wurde. Stattdessen verharrten die Organisten, Kantoren und Kapellmeister – insbesondere in den evangelischen Territorien nördlich der Alpen – bei der altertümlichen Gattung der Choralpassion, die noch kaum die Schwelle zwischen liturgischer Praxis und kunstvollem Gesang überschritten hatte.Die Gründe für diese Zurückhaltung sind vielschichtig. Zum einen war das Absingen der Passionsgeschichte seit dem Mittelalter die Domäne des im Altarraum befindlichen Liturgen. Zum anderen bestand eine nur schwer zu überwindende Scheu vor jeglicher Andeutung einer Dramatisierung des Passionsgeschehens. Lutherische Theologen witterten hier sofort ein Eindringen des verpönten Katholizismus und befürchteten, dass die Freizügigkeit (und moralische Fragwürdigkeit) der Oper in die heiligsten Gefilde des Glaubens Einzug halten könnten. Vielerorts dauerte es bis ins zweite Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts, bevor die großen oratorischen Passionen eines Johann Sebastian Bach oder Georg Philipp Telemann erklingen durften. Im 17. Jahrhundert ersann man andere Lösungen. Die Passionsgeschichte wurde – wie die hier eingespielten Werke von Dietrich Buxtehude und Heinrich Schütz zeigen – indirekt und dezidiert undramatisch in Musik gesetzt.

    [ ... ]

    Das lange Zeit vernachlässigte Gebiet der deutschen Vokalmusik zwischen Schütz und Bach erweist sich als eine schier unerschöpfliche Fundgrube kunstvoll gearbeiteter, ausdrucksstarker Kompositionen, die bis in unsere Zeit nichts von ihrer ursprünglichen Faszination verloren haben. Durch die einzigartige Verschmelzung von Alt und Neu bildete sich jene eigenwillige, herb-schöne Musiksprache heraus, die uns noch immer zu ergreifen vermag.


    Zitat von Sébastien Daucé:

    Für diese Aufnahme habe ich eineneue Edition von Membra Jesu nostri hergestellt, wobei ich mich der Einzelstimmen aus der Düben-Sammlung der Universitätsbibliothek Uppsala bedient habe, die auf Basis von Buxtehudes Tabulatur-Partitur angefertigt wurden – wahrscheinlich von Gustav Düben selbst.Diese Stimmen weichen an manchen Stellen von der Tabulatur ab. Als Erstes sei die zusätzliche Bratschenpartie in drei der sieben Kantaten genannt, was diesen eine spezielle Klangfarbe verleiht und darüber hinaus den ganzen Zyklus bereichert. Dann zeigen sie eine aufschlussreiche Zuweisung der tiefen Streicher, spielen doch Gambe und Violone nicht auf systematische Weise mit dem Continuo oder den Violinen. Außerdem unterscheidet Düben in seiner Kopie der Gesangspartien klar zwischen soliund ripieni, insbesondere in der vierten Kantate, während die Tabulatur lediglich fünf Partien ohne genaue Angaben aufweist: Das Material von Uppsala belegt also, dass für die Uraufführung des Werks am schwedischen Hof mehr als fünf Sänger erforderlich waren.Diese Varianten waren uns Interpreten eine wertvolle Entscheidungshilfe, sie ermöglichten uns aber auch eine Annäherung an die Vorstellungswelt der Musiker jener Zeit und an die Art und Weise, wie sie sich die Werke hätten aneignen können. Einen respektvolleren Interpreten als Düben, den Buxtehude im Übrigen sehr schätzte, kann man sich nicht vorstellen, auch wenn er sich geringfügige Abweichungen von den Lesarten erlaubte, die er in der ihm vom Komponisten zur Verfügung gestellten autographen Tabulatur vorfand. Es ging ihm dabei nicht nur darum, das Werk den Gegebenheiten und der Besetzung, die ihm zur Verfügung stand, anzupassen, sondern in gewissem Maße auch darum, eine kluge, persönliche Fassung des Werks zu schaffen. Es ist wahrscheinlich, dass Membra Jesu nostri1680 in Stockholm in dieser Fassung zum ersten Mal erklang.



    Die Aufnahme vom Ensemble Ricercar/ Sébastien Daucé braucht sich nicht zu verstecken, Ricercar Consort und Ensemble Correspondance spielen in derselben Liga mit viel Engagement der hervorragenden Musiker*innen. Was mir beim Ricercar Consort Carlos Mena ist, ist mir beim Ensemble Correspondance Lucile Richardot; diesmal freue auch über die junge Sopranistin Julie Roset, die auch auf von mir in den letzten Monaten vorgestellten CDs des Labels Ricercar zu hören ist.


    Fazit: zum ersten Mal haben die Membra (und auch die Sieben Worte) mich wirklich berührt, was vermutlich mit dem in meinen Ohren vorzüglichen Vokalensemble zu tun hat, den Einsatz der Sänger*innen in den Membra (Track 1) finde ich z.B, wunderbar, sehr meditativ und introvertiert (soweit man überhaupt Musik mit solchem Vokabular beschreiben kann.

    Das heißt: Empfehlung! Hört mal rein!



    lg vom eifelplatz, Chris.

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    Booklet

    Peter Wollny

    Dübensammlung

    Membra

    Sieben Worte


    Dieterich Buxtehude

    Heinrich Schütz

    Lüdert Dijkman


    Julie Roset

    - brf1

    Lucile Richardot

    - Bach Cantates Website

    Ensemble Correspondance

    - Présentation

    - Membra

    - Sebastien Daucé


    Video