Etwa 12 Jahre lang haben Biber und Muffat zusammen in Salzburg nebeneinander gewirkt, ganz sicher auch zusammen musiziert. Es stellt sich die Frage, wie ihre Beziehung zueinander war und welchen Einfluss sie aufeinander gehabt haben.
Muffat wurde um 1678 in Salzburg angestellt, Biber war bereits 8 Jahre da. Biber wurde im folgenden Jahr Vizekapellmeister, Muffat wurde bald erster Hoforganist, damit war der jüngere Komponist dem Violinvirtuosen vom Rang her untergeordnet, aber von ihm doch unabhängig. Muffat ging dann nach Rom zu Pasquini um zu studieren und kam erst 1682 zurück und hat dann seine in Rom entstandene Werke unter dem Titel "Armonico tributo" einerseits zum Jubiläumsfeier (gemeinsam mit Clamers "Mensa Harmonica" und Bibers "Fidicinium Sacro-profanum") andererseits als Dank für die geförderte Studienreise publizieren lassen und dem Erzbischof gewidmet.
Was auffält, dass danach für mehrere Jahre beide Komponisten "verstummen": bis 1690 erscheinen von keinem der beiden gedruckte Werke. Bei Biber ist das sogar sehr auffallend: nach 1676, 1680, 1681, 1682-83 kommt plötzlich nichts mehr. und sogar mehr als das: von ihm sind überhaupt sogut wie keine Instrumentalwerke mehr aus dieser Zeit erhalten! Seit 1684 wurde er Kapellmeister, de facto vielleicht sogar bereits früher, da Andreas Hofer schon sehr krank war. Von nun an konzentriert er sich (ausschließlich?) an Theater- und Kirchenmusik. Erst 1696 - 6 Jahre nach dem Weggang Muffats - wendet er sich wieder der Instrumentalmusik zu, und publiziert seine Triopartiten ("Harmonia artificioso-ariosa")
Muffat komponiert zu dieser Zeit seine Suiten (Florilegien I&II), überarbeitet die Sonaten von "Armonico tributo" zu Concerti grossi und schreibt neue. Er kann diese Werke jedoch erst publizieren, nachdem er aber bereits nach Passau gewechselt hat, und berichtet über "Mißgunst" und "Hass" in Salzburg mit dem er zu kämpfen hatte. Er kritisiert die deutschen Violinvirtuosen, die nicht an dem geregelten Spiel, sondern nur an Virtuosentum interessiert seien.
Schwer ist da eine Auseinandersetzung mit Biber zu überhören.
Zumindest scheint es so, dass zwischen 1682 und 1690 (davon fallen die letzten drei Jahre bereits in die Regierung des neuen Erzbischofs, Johann Ernst, Graf von Thun) nur Muffat aktiv Kammermusik komponiert hat - oder das Bibersche Oeuvre aus dieser Zeit ist komplett verloren gegangen. (Es gibt eine "Balletti", die Jiri Senhal für 1690 datiert, ich weiß nicht wie gesichert das gilt.)
Muffat liefert also die Musik, stößt aber auf kein Verständnis von der Seite Bibers: wenn man den Stil seiner reifen Concerti mit den Bibers nur oberflächlich vergleicht, ist das auch wenig verwunderlich. Biber arbeitet an einer weiterentwicklung des stylus phantasticus, Muffat schlägt aber den Weg zur Klassifizierung ein. In den Concerti, die Überarbeitungen der Sonaten von 1682 sind, werden die römisch-corellischen und die französisch-lullyschen Elemente weiter herausgearbeitet, und die stylus-phantasticus-Elemente zurückgedrängt (s. z.B. das Weglassen der Fuge der Sonate V. entsprechenden Concerto XII).
Gerade, wo die beiden sich verstehen könnten - gehen sie ganz andere Wege.
Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass man bei Biber keinen Einfluss von Muffat finden kann. Umgekehrt? Einen direkten und konkreten Einfluss konnte ich nicht bemerken - außer vielleicht in einer Sache: auch für Muffat ist es typisch, dass die Bratschen viel aktiver eingesetzt werden, als bei seinen französischen oder italienischen Vorbildern. Zwar werden sie bei ihm nie so konzertierend eingesetzt, wie in den "Sonatae tam aris quam aulis servientes", oder auch nicht ähnlich melodietragend, wie in der "Mensa sonora", doch geht ihre Behandlung weit über die der bloßen Füllstimme hinaus. Das mag aber ebenfalls eher nur ein für den deutschen Stil typische Eigenschaft gewesen sein, als etwas, was er von Biber gelernt hat. Oder wer weiß?
Wie auch immer: eine gute Beziehung scheinen die beiden nicht gehabt zu haben.
LG
Tamás