Einzig oder artig — was macht einen Komponisten unverwechselbar?

  • Die nachfolgenden Beiträge stammen aus dem Thread Der Mann, der seine Sinfonie neunmal komponierte: Anton Bruckner; die Diskussion entspann sich aus meiner Bemerkung zu der Instrumentation der Bruckner-Symphonien.
    Die Diskussion fand ich würdig, separat zu betrachten.

    Zitat von »Travinius«
    Außerdem halte ich die Instrumentation für wenig originell, klingt für mich immer ein wenig nach Orgel mit ihren Registern... was vermutlich kein Zufall ist.
    Also wenn das nicht originell ist ... ... Bruckners Klang ist unverwechselbar, von wie vielen Komponisten kann man das sagen?

    Nun, eine kleine Auswahl:
    Petition, Ockeghem, Dufay, Desprez, Lasso, Gesualdo, Monteverdi, Lully, Biber, Schütz, Bach, (J.S., C.P.E., W.F. , J.C.) Händel, Telemann, Haydn, Mozart, Beethoven, Weber, Mendelssohn, Berlioz, Schumann, Schubert, Brahms, Dvorak, Smetana, Mahler, Wagner, Meyerbeer, Verdi, Zemlinsky, Strawinsky, Hindemith, Bartok ...
    Gib mir Zeit und ich zähle Dir mind. 50 Komponisten auf!

    Über Bruckner kann Ähnliches wie über Wagner sagen: ich bezweifle zu keiner Zeit, dass sie zu den größten Komponisten zählen. Allerdings sind sie definitiv nicht meine Komponisten! Beide eint, dass ich in ihrem Werk und in ihren Werken faszinierende Details finde, aber mindestens genauso viele Längen, die mich einfach unmenschlich langweilen. Bei beiden habe ich den Eindruck, dass sie mich immer überreden aber niemals überzeugen wollen. Vielleicht rührt meine Reserviertheit gegenüber daher, dass ich einfach aus einer anderen Musik-Sprache komme. Für mich geht immer Affect vor Effekt, für mich ist immer das Rhetorische das Interessante.

    • Offizieller Beitrag

    Nun, eine kleine Auswahl:
    Petition, Ockeghem, Dufay, Desprez, Lasso, Gesualdo, Monteverdi, Lully, Biber, Schütz, Bach, (J.S., C.P.E., W.F. , J.C.) Händel, Telemann, Haydn, Mozart, Beethoven, Weber, Mendelssohn, Berlioz, Schumann, Schubert, Brahms, Dvorak, Smetana, Mahler, Wagner, Meyerbeer, Verdi, Zemlinsky, Strawinsky, Hindemith, Bartok ...

    Einige stimmen, andere nicht. 8-) Aber selbst dann gibt es noch einen Unterschied zwischen unverwechselbar und austauschbar. *yes*

    Über Bruckner kann Ähnliches wie überwachen sagen: ich bezweifle zu keiner Zeit, dass sie zu den größten Komponisten zählen. Allerdings sind sie definitiv nicht meine Komponisten! Beide eint, dass ich in ihrem Werk und in ihren Werken faszinierende Details finde, aber mindestens genauso viele Längen, die mich einfach unmenschlich langweilen. Bei beiden habe ich den Eindruck, dass sie mich immer überreden aber niemals überzeugen wollen. Vielleicht rührt meine Reserviertheit gegenüber daher, dass ich einfach aus einer anderen Musik-Sprache komme. Für mich geht immer Affect vor Effekt, für mich ist immer das Rhetorische das Interessante.

    Meinst du Wagner? Ich kann hierzu wenig sagen, weil ich das nicht so empfinde. A spüre ich keine Längen und b weder Überwältigung noch Überredung noch sonstwas; es ist einfach nur überirdisch-irdisch schöne Musik, die berührt und mitreißt; sinnlich und vergeistigt, mal in die eine, mal in die andere Richtung ausschlagend. Eine Musik, die ich nicht erst erklügelt überintellektuell erdenken muss, die unmittelbar wirkt und verzaubert. Daher rührt auch das Misstrauen der so vielen, die nicht wissen, warum sie trotz aller Faszination Ekel und Widerstand empfinden bei den beiden. Weil sie sich wehrlos, vergewaltigt fühlen. Mir geht dieses Gefühl ab, weil ich mich willig hingebe, sie können mich beide haben, immer und überall ... :love:

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)

  • Einige stimmen, andere nicht. 8-) Aber selbst dann gibt es noch einen Unterschied zwischen unverwechselbar und austauschbar. *yes*

    Dann nenn mal Ross und Reiter: welche stimmen Deiner Meinung nach und welche nicht? Und dann begründe es bitte auch!

    • Offizieller Beitrag

    Gerne ein andernmal, in einem anderen Thread. *yes* Jetzt muss ich erst einmal zusehen, die Hitze zu überleben. Die ist für meinen Kreislauf mörderisch ...

    • Offizieller Beitrag

    Dann nenn mal Ross und Reiter: welche stimmen Deiner Meinung nach und welche nicht? Und dann begründe es bitte auch!

    Ich greife das nochmal auf, speziell und allgemein, damit hier keine Unklarheiten bleiben. Erstens halte ich persönlich die von mir gefetteten Komponisten nicht wirklich für unverwechselbar, zumindest Teile ihres Œuvres. Damit sage ich nichts über deren Qualität; mir ist nur wichtig, dass ich bei Bruckner schon ein Alleinstellungsmerkmal sehe und höre. Aber man darf mir gerne Einspielungen von anderen Sinfonien anderer Komponisten empfehlen, die wie Bruckner 00 (3) -9 klingen. Aber das ist ein eigenes, großes Thema und wirklich eines eigenen Threads würdig. Mozart und Haydn haben natürlich so viel Berührungspunkte, dass es Quartette gibt; wo ich auf Anhieb nicht wüsste, wer von beiden es nun ist. Der frühe italienische Händel, den ich nun intensiv studiert habe, klingt nicht so wie die "unverwechselbaren" späteren Oratorien. Telemanns Werk ist so gewaltig, dass es doch ein Wunder wäre, wenn man nicht in verschiedenen Schaffensepochen und Gattungen auch andere Einflüsse deutlich hörte. Und so weiter und so fort. Höre ich den Eingang einer Brucknerschen Sinfonie, weiß ich sofort Bescheid; aber eben auch bei den Scherzi. Vielleicht verwechsle ich auch Unverwechselbarkeit mit zu intimer Kenntnis, denn ich habe 4-9 tausende Male gehört bislang.

    Henricus Ruthenus ist jetzt Yorick

  • Lieber Yorick,
    Ich werde zu Deiner Liste und Deiner Begründung Stellung nehmen und eine Begründung für meine Sichtweise nachreichen. Nach Möglichkeit noch heute, spätestens am Wochenende.

    Ich habe schlicht und ergreifend bisher auf eine Begründung verzichtet, weil mein Standpunkt herrschende wissenschaftliche Meinung ist und auch die überwiegende Mehrzahl der Musikhörer dieser Einschätzung folgen. Stellt man sich gegen die herrschende Lehrmeinung sollte man das eben begründen.

    Und noch etwas zu "pointierten Formulierungen": ich mag diese auch sehr und kann damit umgehen. Nur sollte man dann mit den Folgen nicht zu dünnhäutig umgehen. Wenn man dann markante Sätze raushaut, darf man sich nicht wundern, wenn man auf diese festgenagelt wird. Dann sollte man sich auch der Diskussion stellen. Will man dies vermeiden: verbindlicher formulieren.

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Yorick,
    Ich werde zu Deiner Liste und Deiner Begründung Stellung nehmen und eine Begründung für meine Sichtweise nachreichen. Nach Möglichkeit noch heute, spätestens am Wochenende.

    Lieber bigaglia, das ist sehr nett von dir; aber ich möchte dich nicht dazu nötigen.

    Ich habe schlicht und ergreifend bisher auf eine Begründung verzichtet, weil mein Standpunkt herrschende wissenschaftliche Meinung ist und auch die überwiegende Mehrzahl der Musikhörer dieser Einschätzung folgen. Stellt man sich gegen die herrschende Lehrmeinung sollte man das eben begründen.

    Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, solche Aussagen wie die von dir hier getätigten zu verifizieren. Die Wissenschaft schon vertritt immer mehrere Sichtweisen und wie erst will man die Majorität der Musikhörer belegen?

    Und noch etwas zu "pointierten Formulierungen": ich mag diese auch sehr und kann damit umgehen. Nur sollte man dann mit den Folgen nicht zu dünnhäutig umgehen. Wenn man dann markante Sätze raushaut, darf man sich nicht wundern, wenn man auf diese festgenagelt wird. Dann sollte man sich auch der Diskussion stellen. Will man dies vermeiden: verbindlicher formulieren.

    Da hast du vollkommen Recht! *yes*

  • Vielleicht verwechsle ich auch Unverwechselbarkeit mit zu intimer Kenntnis, denn ich habe 4-9 tausende Male gehört bislang.

    Ich verstehe ehrlich geagt diese Diskussion nicht ganz.

    Ich bin Ja ein Berkeleyist, der meint "esse est percipe", und daher bedeutet für mich "unverwechselbar", dass ICH den Komponisten sofort erkenne. Es gibt Millionen, die es nicht mal zustandebringen ein Beethoven zu erkennen - was heißt da "unverwechselbar"?

    Man muss natürlich nicht soweit gehen... ich würde sogar meinen für einen großteil der Klassikliebhaber klingen Dufay, Ockeghem und Josquin ganz gleich. Und das ist okay so.

    Kenntnis gehört zur "Unverwechselbarkeit" dazu. Für mich ist meine frau "unverwechselbar", aber wer sie nicht kennt, könnte sie mit einer anderen, ähnlichen frau wohl verwechseln.

    Das Ganze ist also schon arg subjektiv.

    Was heißt das?

    Das es vollkommen berechtigt ist, wenn jemand meint, diesen oder jeenen Komponisten hielte er für unverwechselbar. Man kann ja schwer Widerlegen, was jemand anderer empfindet. (und ich glaube sowieso nicht an einer "objektiven Realität"). Interessant ist vielleicht nur, wieso er das bei anderen Komponisten anders empfindet.

    LG
    Tamás
    :wink:

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

  • Das Problem von Yoricks Statement war ja auch, dass er meinte, Bruckner hätte einen unverwechselbaren Klang, und das als Reaktion auf ein Posting, in dem Bruckners Instrumentation kritisiert wurde. Ob die Instrumentation so einzigartig ist, kann ich nicht beurteilen.

    Andererseits ist es klar, dass jemand, der sehr wenige Werke hinterlässt, die zudem noch sehr ähnlich sind, recht leicht wiederzuerkennen ist, vor allem, wenn er wenige Nachahmer findet.

    Das zu nutzen, um anderen großen Meistern vorzuwerfen, sie seien austauschbar, ist natürlich Quatsch.

    Recht eng in Bruckner-Nachfolge höre ich den ersten Satz der Rott-Sinfonie, einige Passagen in Maler-Sinfonien (z.B. Seitenthema im Kopfsatz der 6.), Richard Wetz - und da gibt es sicher noch einiges mehr.

  • Das Problem von Yoricks Statement war ja auch, dass er meinte, Bruckner hätte einen unverwechselbaren Klang, und das als Reaktion auf ein Posting, in dem Bruckners Instrumentation kritisiert wurde. Ob die Instrumentation so einzigartig ist, kann ich nicht beurteilen.


    Stimmt ja.

    Außerdem halte ich die Instrumentation für wenig originell, klingt für mich immer ein wenig nach Orgel mit ihren Registern...

    Also wenn das nicht originell ist ... ... Bruckners Klang ist unverwechselbar, von wie vielen Komponisten kann man das sagen?

    Hier haben wir das Problem, dass es nicht klar ist, was der eine und der andere unter "originell" verstehen. Wenn "originell" beudetet, dass jemand einen individuellen, für ihn typischen Weg geht, dann hat Yorick recht. Es ist originell, wenn man die Klangfarben des Orchesters als eine große Orgel nutzt.

    Wenn man unter "originell" versteht, dass man die zur Verfügung stehenden Mittel auf unerwartete Weise neuartig einsetzt - dann hat Travinius absolut recht: Bruckners Intrumentierung ist nicht originell.

    So haben beide Recht. 8-)

    LG
    Tamás
    :wink:

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

    • Offizieller Beitrag

    Andererseits ist es klar, dass jemand, der sehr wenige Werke hinterlässt, die zudem noch sehr ähnlich sind, recht leicht wiederzuerkennen ist, vor allem, wenn er wenige Nachahmer findet.

    Das lässt sich natürlich nicht völlig von der Hand weisen. Ansonsten verweise ich auf 28 und 30 von Tamás. :)

    Recht eng in Bruckner-Nachfolge höre ich den ersten Satz der Rott-Sinfonie, einige Passagen in Maler-Sinfonien (z.B. Seitenthema im Kopfsatz der 6.), Richard Wetz - und da gibt es sicher noch einiges mehr.

    Das werde ich nachprüfen, sobald die Hitze meinen Hörraum (derzeit 30,7 Grad) wieder freigibt ... *yes*

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)