1787 - Don Giovanni: Einspielungen (opi)

  • Im Vergleich:



    W.A.Mozart: Don Giovanni
    Drottningholm Court Theather Ensemble - A.Östmann




    W.A.Mozart: Don Giovanni
    La Petite Bande - S.Kuijken




    W.A.Mozart: Don Giovanni
    The English Baroque Soloists - J.E.Gardiner




    W.A.Mozart: Don Giovanni
    Freiburger Barockorchester - R.Jacobs



    Mit Mozarts Don Giovanni tat ich mich extrem schwer, tue es noch.
    Lange hatte ich keinen Zugang zu dem Werk. Zu uninteressant das Thema, zu lang, zu langweilig - das hätte man auch alles kürzer halten können, viel kürzer. Der Funke sprang nie über. Mittlerweile weiß ich auch, woran dies lag. Was ich nicht wusste, dass die Interpretationen von dem Pathos des 19. Jahrhunderts, angefangen mit dem widerlichen E.T.A. Hoffmann, das Werk völlig uminterpretierte und in einen romantischen Fatalismus und Pathos umdeutete, der mir nicht nur fremd, sondern auch schlicht zuwider ist. Und diese Nachwirkungen sind bis heute einfach da.


    Das Thema dieser Oper ist aber so nie gemeint gewesen - und auch nicht von da Ponte und Mozart zum ersten mal behandelt worden, als dass es sich hier um einen "Wendepunkt der Oper" handeln könnte. Die früheste mir bekannte Vertonung des Stoffes stammt von 1669 (Melani: L'empio punito). Viel schwerer wiegt aber die Umdeutungen im 19. Jahrhundert. Warum wohl gab es nach der Höllenfahrt Don Juans noch ein versöhnliches Finale, dass dann regelmäßig gestrichen wurde ? Weil es nicht in die romantische Interpretation des 19. Jahrhunderts passt. Ich denke, daß Don Giovanni mehr ein dramma giocoso ist, wie Cosi fan tutte, eine Opera buffa - nix anderes. Das sieht man auch schon an den teilweise klischeehaften Buffa-Typen dieser Oper, ganz abgesehen von den Verwechslungsszenen.


    Eine Interpretation mit "schweren Opernstimmen" ist schon vornweg das Todesurteil für diese Art von Oper. Weswegen 90% der Aufnahmen auch in mir nichts kitzeln konnten. Also weg mit dem Pathos und Schnulz des 19. Jahrhunderts, junge Stimmen her und die Urversion mit Finale. Schon bei der Uraufführung sind extrem junge Sänger (in den 20ern) belegt. Wenn diese Parameter nicht stimmen, dann kann mir diese Oper gestohlen bleiben. Das hat mich z.B. bei Gardiner und Östmann am meisten gestört, hier klingen einige Damenrollen doch etwas ältlich. Da ist Kuijken die bessere Wahl... gäbe es nicht René Jacobs.


    Die bisher einzige Aufnahme die mich jetzt begeistern konnte, ist jene von Rene Jacobs. Und hier revidiere ich mein, vor ein paar Tagen, ausgesprochenes Urteil, "er hätte enttäuscht". Nein hat er nicht!


    Jetzt im Vergleichshören mit Gardiner, Östmann und OMI Aufnahmen von Solti, Kubelik, Davis und Marriner wurde das noch mal umso deutlicher. Ich bleibe dabei, dass mich Don Giovanni als Oper nach wie vor nicht so begeistern kann wie die anderen Werke, aber die Aufnahme von Jacobs kommt meinen Vorstellungen doch am nächsten: Junge Stimmen - das ist mehr als elementar. Gleichzeitig nimmt man in Kauf, dass nicht alle Leistungen auf höchstem Niveau stattfinden. Und das war wohl der Moment der Enttäuschung, da hier einfach solche Stimmen fehlen wie die junge Veronique Gens, Nurial Rial, Howard Crook, Richord Croft usw. Hier bleibt die Jacobs-Fassung etwas blass - aber ich denke, ich bin einfach zu verwöhnt. Dann die Wiederherstellung des dramma giocoso und weg von diesem Pathos und Fatalismus, damit kann ich was anfangen. Sehr erfreulich auch, dass die Szenen für die Wiener Fassung als Apendix mitgeliefert werden.


    Also ganz klarer Sieg für René Jacobs.
    Vielleicht wird die Aufnahme von Currentzis ja doch noch einen Ticken besser, mal abwarten.

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    Ich denke, daß Don Giovanni mehr ein dramma giocoso ist, wie Cosi fan tutte, eine Opera buffa - nix anderes. Das sieht man auch schon an den teilweise klischeehaften Buffa-Typen dieser Oper, ganz abgesehen von den Verwechslungsszenen.


    Was gibt's da zu Denken? Man muß nur lesen: Don Giovanni ist ein dramma giocoso - und zwar zu 100%, wobei die Betonung auf dem Adjektiv liegt und dramma nicht unbedingt bedeutet, daß es sich um ein dramatisches Werk in heutigen Sinne handelt, sondern lediglich um die Metabezeichnung für Schauspiele. Der Akzent wird, da geben ich Dir Recht, viel zu oft auf das Dramatische gelegt, was - das muß man zugeben - das Sujet auch herausfordert. Aber hier ist Fingerspitzengefühl sehr wichtig. Allerdings sehe ich schon einen Unterschied zwischen dramma giocoso und opera buffa - ich werde das zu gegebener Zeit an anderer Stelle erörtern. Don Giovanni ist zum Großteil Klamauk, richtig böser, fieser Humor - als am lustigsten empfinde ich die Friedhofsszene: man hört - bei entsprechender Spielweise - regelrecht das Gelächter im Orchester und den ganzen Unernst, der in dieser Scene steckt - man riecht förmlich den Inhalt von Leporellos Culotte; eine absolut geniale Umsetzung von Mozart, die deswegen auch zu meinen liebsten gehört. Die ganze Oper zieht - dank da Pontes Texten und Mozarts Musik - die Story völlig durch den Kakao* (das hat nicht zuletzt Michael Quast mit seinem Don Giovanni a trois erkannt - für mich die bislang beste Umsetzung!). Dramedy würde es genretypisch heute wohl am ehesten treffen.


    *den gab's damals tatsächlich schon: wurde nur führnehm als Cioccolata (calda) bezeichnet und im Don vergastronomisiert.


    Junge Stimmen - das ist mehr als elementar.


    Um Jacobs' wurde damals ziemlich großen Wirbel gemacht, den ich persönlich nicht nachvollziehen konnte, aber: auch in Sachen „junge Stimmen“ (eben bei Jacobs) stimme ich Dir gerne voll zu. Ich werde mir am Wochenende den relativ neuen italienischen Film Io, Don Giovanni zu Gemüthe führen - die Teaser, die ich bislang sah, waren dahingehend überaus vielversprechend.


    Der Witz der Oper, der die Würze ausmacht, kann m. E. nur durch italienisches Parlieren in den Rezitativen wirklich zum Vorschein kommen - nicht durch stures Rezitieren, wodurch die Oper wie ein Oratorium zu Ehren Luzifers wirkt. Dieses Parlieren, das muntere Drauflosplappern, ohne sich genau an die Noten zu halten, sie aber nicht aus dem Blick verlierend, gelingt für meinen Geschmack am besten Östman. Aber ich bin auch gespannt, was Currentzis aus dieser historischen Sitcom gemacht hat...

  • Östmann gefiel mir auch, bis auf einige Stimmen - Arleen Auger war zum Zeitpunkt der Aufnahme 51, Della Jones in den Vierzigern - leider hört man das irgendwie. Obwohl ich beide sehr gerne mag - hier stört es mich. Don Giovanni ist für mich kein alternder Playboy sondern mehr ein junger (Messer)Stecher :D


    Und die Damen sollten irgendwie auch noch knackig sein. Auf einer CD Aufnahme ist das eigentlich egal - aber bei einer Inszenierung wirds schon schwierig.


    Wenn diese ganze Komik (Klamauk) und der schwarze Humor auf der Strecke bleiben, kann man das Ding beerdigen. Der große Fehler ist, dass sich immer viel zu sehr auf die Höllenfahrt versteift wird. Das ist eine tolle Szene - in der Form unvergleichlich, aber das ist für meinen Begriff keine dämonische Szene, sondern eben schwarzer Humor - die Quittung für die Ausschweifungen: musikgewordene Syphilis vielleicht :D


    Zitat

    (das hat nicht zuletzt Michael Quast mit seinem Don Giovanni a trois erkannt - für mich die bislang beste Umsetzung!)


    Absolut! :thumbup:

    • Offizieller Beitrag

    Anna wird wohl, da ihr Vater zu Beginn der Oper gerade noch lebt, zu den Reiferen gehören; Elvira könnte schon ein älteres Register sein, denn Giovanni liebte Frauen d'ogni età (jeden Alters), wie Leoprello zu berichten weiß; delle vecchie fa conquista pel piacer di porle in lista, wohl der Grund, warum er Elvira eher aus dem Weg geht - sie ist ja schon gelistet :D


    Sua passion predominante è la giovin principiante - damit könnte die blutjunge Zerlina gemeint sein.


    Ich glaube, Du solltest Holtens' JUAN anschaun... dann wird's klar. 8-)


    Einiges von der eher dramatischen Interpretation ist sicherlich auch dem Film Amadeus zuzuschreiben, in dem Leopold Mozart als wiederauferstandener Comtur das Dämonische verkörpert. Diese Interpretation der Figur stammt allerdings weder von Miloš Forman noch von Peter Shaffer, sondern ist dem romantischen Mozartroman entsprungen (ich weiß aber gerade nicht, welcher... aus der Ecke Felix Huch oder so) - oder der Überinterpretation so manch hochgeistiger Mozartpsychologen. Wenn, dann muss man es so süffisant verstehen wie bei Beethovens Fünfter das Schicksal an die Tür klopft... und Don Giovanni macht auf: Huch!


    Insofern ist Don Giovanni für mich lustiger als Figaro (gähn...) und Cosí zusammen.

  • Das Thema dieser Oper ist aber so nie gemeint gewesen - und auch nicht von da Ponte und Mozart zum ersten mal behandelt worden, als dass es sich hier um einen "Wendepunkt der Oper" handeln könnte. Die früheste mir bekannte Vertonung des Stoffes stammt von 1669 (Melani: L'empio punito). Viel schwerer wiegt aber die Umdeutungen im 19. Jahrhundert. Warum wohl gab es nach der Höllenfahrt Don Juans noch ein versöhnliches Finale, dass dann regelmäßig gestrichen wurde ?


    Das ist die Antwort auf eine Frage, die wir schon vor ein paar Monaten mal angerissen haben, ich hätte die Antwort allerdings nicht ganz so schön schlüssig begründen können. *salut* Hut ab. Dessenungeachtet habe ich mit Hoffmann absolut kein Problem. Das ist eben die romantische Sicht auf den Don Giovanni und in der berühmten Furtwängler-Aufnahme mit Cesare Siepi kommt das auch sehr schön zur Wirkung. Heute interessiert es mich allerdings nicht mehr in dem Maße. Ich werde jetzt im Übrigen nicht den Umweg über Jacobs machen, sondern warte in aller Gemütsruhe auf Currentzis. Schon vor meiner HIP-Zeit (mit Furtwängler) war der Giovanni gleich nach dem Figaro meine liebste Mozartoper. Dass der Don Giovanni mit groteskem Humor und Sarkasmus durchsetzt ist, ist unbestreitbar. Dass in der Figur eine radikale Position zum Ausdruck kommt, eine Grenzüberschreitung und damit ein romantisches Element steht für mich genauso fest. Die Wirkung des vorweggenommenen Finales, der Höllenfahrt, ist elementar und zuletzt durchaus schaurig und das darf auch so sein. Es ist kein reines unschuldig lustiges Rokoko-Possenspiel. Demgegenüber wirkt das konventionelle Finale natürlicherweise und gewolltermaßen blass. Die bereits aufscheinende bürgerliche-biedermeierliche Anständigkeit tut das ihre um den Riss zu übertünchen. So erst wird die Oper rund und auch darin liegt ein letzter, böser (und vorausschauender) Sarkasmus. Wäre schön, wenn die Currentzis-Aufnahme auch die abgründige Dimension vermitteln würde.

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    Von Balance oder Ausgewogenheit zu sprechen, scheint mir im Hinblick auf Grusel, Sarkasmus und Humor etwas zu definitiv - die Gewichtung kann durchaus sehr unterschiedlich ausfallen: ein bisschen Gruselfaktor muß sein, darf aber nicht lächerlich wirken - das ist das, was ich mit dem Feingefühl (w.o.) meinte: die verschwimmenden Grenzen zwischen fiktiver Realität (ich weiß: bekloppter, paradoxer Ausdruck) und bewußter Täuschung; gerade das Paradoxe sollte irgendwie herausgearbeitet sein - das macht ja bereits die geniale Ouvertüre durch die Gegenüberstellung der lgs. Einleitung und dem Molto Allegro (wie in der Prager Sinfonie). Während die Friedhofsscene eher humoristisch zu deuten ist, ist die als Konsequenz folgende Scena ultima doch sehr ernst zu nehmen.


    Zitat

    Das ist eben die romantische Sicht auf den Don Giovanni


    kann man sich m. E. sparen; dafür gibt es den Freischütz :D

  • Die früheste mir bekannte Vertonung des Stoffes stammt von 1669 (Melani: L'empio punito).


    Sorry für den Off, aber heißt das "darüber gelesen" oder "gehört"?


    Melani ist ein genialer Komponist, nach dem was ich von ihm kenne...


    LG
    Tamás
    *castor*

    Alle Wege führen zum Bach,
    .................................... wo der kleine Biber lebt!

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    Mit Mozarts Don Giovanni tat ich mich extrem schwer, tue es noch. Lange hatte ich keinen Zugang zu dem Werk. Zu uninteressant das Thema, zu lang, zu langweilig - das hätte man auch alles kürzer halten können, viel kürzer. Der Funke sprang nie über.

    Das ist wirklich spannend, weil es mir genauso geht, ohne dass ich freilich wüsste, warum nun genau. Denn mich interessiert das Sujet, ich bin eifriger Leser von Kierkegaard und überhaupt fasziniert vom ewigen Verführen. Dennoch packten mich Cosi, Figaro, Serail sofort, der DG bis heute nicht. Was ich bislang live auf der Bühne sah, krankte an der heftigen Diskrepanz zwischen meinen Vorstellungen von Womanizern und geilen Weibern und der traurigen Wirklichkeit auf der Bühne in der Provinz; selbst die neueste Version mit meiner großen Liebe Anett Fritsch (1787 - Don Giovanni: DVD (omi) konnte mich nicht überzeugen. Weil eben auch die Musik mich nicht wirklich mitreißt, mir das dramaturgische Konzept zu schlicht ist und ich das Werk über Böhm und Klemperer kennenlernte.

  • Zitat

    Ich werde jetzt im Übrigen nicht den Umweg über Jacobs machen, sondern warte in aller Gemütsruhe auf Currentzis


    Bis Herbst 2016 warten ? Das Leben ist kurz :D


    Zitat

    Sorry für den Off, aber heißt das "darüber gelesen" oder "gehört"?


    Melani ist ein genialer Komponist, nach dem was ich von ihm kenne...


    Gehört, die Oper wurde 2003 und 2004 aufgeführt, ich hab einen Radiomitschnitt.


    Besetzung:


    Ich hab den Mitschnitt nur einmal gehört, was mir in Erinnerung blieb; extrem rezitativlastig und langatmig - hat mich persönlich nicht vom Hocker gerissen. Vielleicht heute Abend nochmal...

    • Offizieller Beitrag

    Eine Interpretation mit "schweren Opernstimmen" ist schon vornweg das Todesurteil für diese Art von Oper. Weswegen 90% der Aufnahmen auch in mir nichts kitzeln konnten. Also weg mit dem Pathos und Schnulz des 19. Jahrhunderts, junge Stimmen her und die Urversion mit Finale. Schon bei der Uraufführung sind extrem junge Sänger (in den 20ern) belegt. Wenn diese Parameter nicht stimmen, dann kann mir diese Oper gestohlen bleiben. Das hat mich z.B. bei Gardiner und Östmann am meisten gestört, hier klingen einige Damenrollen doch etwas ältlich. Da ist Kuijken die bessere Wahl... gäbe es nicht René Jacobs.

    Ich bin hier durchaus zwiegespalten: Zum einen verstehe ich dein Ansinnen durchaus und schätze junge Stimmen ebenfalls; zum anderen halte ich es schlicht aufführungstechnisch für unlösbar und aber auch sozusagen theoretisch-philosophisch für zumindest fragwürdig. Das eine liegt auf der Hand, man kann eben nicht nur mit jungen Sängern arbeiten, das geht nunmal nicht. Das hieße ja, den Don Giovanni immer nur mir einer Generation machen zu können, wie soll das funktionieren; das wäre für Tonträger und erst recht für die Bühne das Aus. Das andere verbindet mir das Sujet der Oper zu sehr mit Jugend und Schönheit, wie es für unsere jugendhörige und oberflächenschönheitstrunkene Gesellschaft leider Usus geworden ist. Das Thema der ewigen Verführung aber, der Jagd nach Frau um Frau und der Versuchung als Erkenntnisprinzip und Form des Menschseins ist nicht ans Alter gebunden und damit auch nicht an die Schwere und Reife der Stimmen.

    • Offizieller Beitrag

    Das Thema der ewigen Verführung aber, der Jagd nach Frau um Frau und der Versuchung als Erkenntnisprinzip und Form des Menschseins ist nicht ans Alter gebunden und damit auch nicht an die Schwere und Reife der Stimmen.


    Mit dieser Aussage rutschst Du jetzt aber ganz schön schwer ins Regietheater ab, bei dem der Grundtenor auch die Ungebundenheit in Bezug z.B. auf das Sujet, dessen Aussage usw. ist (um es nur nebenbei nochmals erwähnt zu haben: ich mag Regietheater durchaus). Aber was Du argumentativ anführst, ist kein Argument im Sinne des Werkes. Don Giovanni ist eben kein alter Knacker im Mozart-da-Ponte-Werk, sondern ein junger, fastreifer Mann. Es bleibt natürlich jedem Sänger - egal welchen Alters - unbenommen, diese Rolle zu singen oder Arien daraus zum Besten zu geben. Bei einer einigermaßen stimmigen Bühnendarstellung jedoch wirkt ein +50jähriger DG fehl am Platze. Das gilt für die übrigen Rollen genauso - wer besteigt schon freiwillig eine über 50jährige Anna, wenn man - zumindest lt. Sujet - tausende andere zur Auswahl hat? Gut, es mag Fetischisten geben ...
    *hä*

    • Offizieller Beitrag

    Mit dem RT, lieber Ulli, hat das meines Erachtens weniger zu tun als mit meinen quasi philosophischen Vorstellungen vom Typus, die wesentlich mehr mit Kierkegaard zu tun haben als mit Mozart. Insofern hast du schon Recht. Dennoch glaube ich, dass man die Frage der Rollenbesetzung nicht so am "Drehbuch" festmachen kann, wie unser Lullist und du das tun. Aber dazu später, muss auf Arbeit.

    • Offizieller Beitrag

    Ich höre gerade die Ouvertüre - für mehr wirds heute kaum reichen.


    Gleich negativ: Emelyanychev begleitet bloß 5 Arien - so war das nicht abgemacht. Geld zurück!


    Beim Schnelldurchklick bewahrheitet sich meine Befürchtung: nicht meins ... das „Mi tradi“ der Elivra geht mal GAR nicht ... 8|*shutup* - überhaupt: die Weiber jodeln und singen nicht ... *kotz* - ich hab' schon gar keine Lust mehr, weiterzuhören ... welcher Teufel hat Currentzis da bloß geritten? Ich will die ursprüngliche Aufnahme haben! Das Gejaule der Elvira ist schier UN-ER-TRÄG-LICH. Meine Herrn ... Ich bin zutiefst erschrocken über das, was meine gequälten Ohren hier hören müssen. *rain* Da wird er wohl noch ein drittes Mal ran müssen ...


    Ob ich das Ding je einmal komplett durchzuhören in der Lage sein werde, kann ich aktuell leider nicht versprechen.


    Da rückt der olle Ösi wieder ganz nach vorne! *kiss*

    • Offizieller Beitrag

    Andere Foren schreiben nicht darüber? Na gut:


    Currentzis im Interview (Booklet):


    Zitat

    [...] haben wir uns bemüht, einen Klang zu erschaffen, der sich deutlich von Cosí und Figaro unterscheidet.


    Was - leider - gelungen ist. Was mich immerhin erfreut: ich kann meinen Ohren (auch beim kurzen Reinzappen) durchaus noch mehr als trauen. Entgegen meiner Absicht höre ich jetzt doch komplett durch, was wohl ein einmaliger Vorgang bleiben wird.


    Zitat

    Als wir begannen, uns intensiv mit dieser Oper auseinanderzusetzen, beschäftigte mich eine einfach Frage: Warum ist es immer Don Giovanni, der die Sympathien des Publikums gewinnt? [...] Warum fühlen sich beharrlich alle zum Bösewicht hingezogen, der doch in der Hölle schmoren wird?


    Nun, für mich war von Anfang an (seit meiner ersten Begegnung mit dieser Oper), stets Leporello das Highlight; vielleicht auch ein bisschen Elvira. Wie bei mir in fast allen Opern die Hauptfiguren völlige Nebensache sind: allen voran die Königin der Nacht; die nervige Alte ist mir sowas von schnuppe. Ich bin eben nicht alle. Nichtsdestotrotz: die sogenannte Champagnerarie hier ist gelungen. Aber, was nutzt es, wenn einzelne Passagen toll sind, die pöbelnde Krähe Elvira nebst intonationsschwachem Ottavio und unpässlicher Anna völlig daneben liegen? Das versaut schlichtweg alles - da nutzt keine hin- und herzzerreißende Zerlina und kein glaubwürdiger Masetto etwas. Leporello ist in meinen Ohren auch bloß Mittelmaß. Giovanni mangelt es an Lüsternheit; keine - auch keine geheuchelte - ernstzunehmende Liebesbekundung von irgendwem an irgendwen. Nichts. Leere. Starre. Kälte. Salieri wird ihnen sicher die Absolution erteilen.


    Zitat

    Der für Wien nachkomponierte Schluß der Oper steckt - im Gegensatz zur landläufigen Meinung - voller Ironie und präsentiert eine dezidiert zweischneidige Moral [...]. Ich liebe den Wiener Schluß, weil er die Scheinheiligkeit nicht nur des Publikums, sondern in gewisser Weise der ganzen Gesellschaft entlarvt.


    Sorry, aber die gesamte Oper präsentiert eine zweischneidige Moral, steckt voller Ironie, Zynismus und Sarkasmus ... wer dazu erst den Wiener Schluß benötigt (außer den Wienern :D), um das zu begreifen, der hat das Sujet nicht verstanden. Regietheater macht ja auch nichts anderes, als den Erklärbär spielen zu wollen - soetwas macht das ganze Drama für mich völlig witzlos und obsolet. Currentzis geht auch völlig emotionslos an dem eigentlichen (Prager) Finale vorbei und setzt - so schnell es geht - zum Wiener Finale über; wenigstens bremst er die Schlußtakte nicht aus.


    Das Orchester dreht natürlich in gewohnter Weise meist recht gut auf, daran ist kaum etwas zu meckern - mir fehlt aber die Homogenität, die Stringenz - die Pausen zwischen den Tracks lassen alles klinisch wirken, das muß wie in einer Wolke aus Musik nahtlos ineinander übergehen; beides bei Cosí und Figaro mehr als vorhanden: da fließt alles ununterbrochen; hier beim Don Giovanni scheint sich der Geist des heiligen Harnoncourt eingeschlichen zu haben. Hier reiht sich Currentzis in die Studioproduktionen der 1960er und -70er Jahre sicher gut ein. Mit Ausnahme von ein paar gekünstelt wirkenden Auflockerungsmomenten („Finch' han dal vino“; vgl. w.o.) und das Umstimmen des Instruments in der Ballszene, klingt mir alles zu leblos und trocken - brav dahergesungen. Wenn ich schon aus Langeweile einige Rezitative wegzappen muß, fehlt mir ohnehin der Spannungsbogen, wobei Currentzis ja selbst meint, man könne aus „diesem Meisterwerk kein Element herauslösen, ohne es zu zerstören". Genau das tut er aber und ich bin nahezu sicher, daß es bei der unveröffentlichten Erstproduktion nicht der Fall war. Hier aber wird Zerstückeltes wieder zusammengeflickt. Sicher: mit dem Goodwill, nur das Beste zu tun: aber das hat noch nie geklappt und funktioniert auch bei Currentzis nicht.


    Auch der Umstand, daß Emelyanychev nicht durchgehend am Fortepiano begleitet (wie wie Cosí und Figaro), lässt die Produktion unorganisch wirken. Wo er seine Finger im Spiel hat, ist überdeutlich zu hören :) - z.B. Nr. 20!


    Zitat

    [...] denn ich finde tatsächlich, Don Giovanni hat von allen drei Da-Ponte-Opern die schlimmste Aufnahme-Historie hinter sich. Es muß eine Art Fluch darauf liegen, denn viele exzellente Dirigiten [..] scheinen den Don Giovanni irgendwie falsch zu lesen.


    Das ist so; unzweifelhaft - bis heute. Meine Lieblingsscene, auf dem Friedhof, wirkt uninspiriert, ohne Witz, ohne Zynismus. Schade.


    Zitat

    Wie schaffe ich es, Don Giovanni so einzufangen, daß ich die Aufnahme selbst gern höre?


    Ich glaube, das wird auch mein nächstes Projekt.


    Zitat

    Don Giovanni ist äußerst anspruchsvoll. Trotzdem ist sie die schwierigste der drei Opern in meinen Augen.


    Was macht das „Trotzdem“ erforderlich? „Folglich“ müsste es heißen. Aber das ist insgesamt ein gutes vorläufiges Schlußstatement.


    Ich gebe unverhohlen zu, daß ich herb enttäuscht bin.
    Mal sehen, was andere dazu meinen.