02 - Sinfonien: Nr. 7 C-Dur D849 ex 944: Allgemeiner Thread

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    Wikipedia: Große Sinfonie in C-Dur

    • Andante. Allegro ma non troppo
    • Andante con moto
    • Scherzo. Allegro vivace - Trio
    • Finale. Allegro vivace

    Ich empfinde die "Große" übrigens wesentlich weniger intensiv als die Unvollendete; nicht dämonisch, eher klassisch in ihrer Anmutung ... oder ist das eher etwas für einen allgemeinen Thread zu dieser Sinfonie ...

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)

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    Ich will ehrlich sein, nachdem ich die Große nun heute wiederum zweimal gehört habe; und ich scheue auch die Blasphemie, das Sakrileg nicht, denn es ist meine ehrliche Meinung: Ich glaube, dass ich der Sinfonie deshalb nicht wirklich etwas abgewinnen kann; weil die vier aufgeblähen Sätze schlichtweg nicht der Ergiebigkeit des musikalischen Materials entsprechen und sich auch von der dramatischen und dramaturgischen Gestaltung her Längen ergeben; weshalb die ganze Sinfonie im Grunde 15-20 Minuten zu lang ist. Schubert ist nicht Mahler, nicht Bruckner; die schichten ganz anders, so dass deren Länge architektonisch funktioniert bei vernünftiger Interpretation.

    Den 1. Satz bestimmt ja nun wie Beethovens Fünfte ein sehr schlichtes eingängiges Motiv, das aber besonders zum Ende hin in Reprise und Coda ausfasert; aber immer noch im Rahmen des Vertretbaren. Im 2. Satz dagegen kommt die Musik ja mindestens zweimal komplett zum Erliegen, im Pianissimo verstand ich etwa bei Karajan gar nichts mehr; das ist so zäh zuweilen, ich verstehe das nicht. Das wird im 3. Satz nur deshalb besser, weil er seinem Charakter nach nicht verharren kann; aber im letzten staune ich wiederum über Passagen, die für mich eigentlich in den Reigen der Schauspielmusiken gehören: Schön, aber viel zu breit ausgewalzt und ohne Spannungsbogen, da hilft auch der Lärm zum Finale hin nichts. Planer gesprochen: Spätestens im 2. Satz ist mir langweilig; das gibt es sonst bei praktisch keiner Sinfonie, die ich kenne!

    Und nun teert und federt mich, gebt mir Tiernamen; verlacht und verachtet mich. Hier stehe ich, ich kann nicht anders!

    P.S. Vielleicht fehlt deshalb im Wikipediaeintrag die Analyse der Sätze 2-4 ...

  • Hallo mein lieber Yorick, das kann ICH wiederum überhaupt nicht verstehen, für mich, und ich wiederhole mich bräuchte die Sinfonie nicht zu Ende zugehen, also nochmal DAS NENNT MAN HIMMLISCHE LÄNGEN und noch mal zum mitschreiben HIMMLISCHE LÄNGEN mit Betonung auf HIMMLISCH. ;)
    Und jetzt kommst du vorübergehend ins Fegefeuer *deibel* denn du musst erst oben bei Schubert für diese deine Aussage um Vergebung betteln und denke ja nicht das dir der fromme Bruckner zur Seite steht ! Und jetzt auf die Knie und fang schon mal an zu üben :boese:

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

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    Ich rutsche doch schon seit 15.54 Uhr auf den Knien, den Blick gesenkt und "Absolvo me" jammernd ... beim Autofahren ins Krankenhaus vorhin war das echt schlimm ... noch dazu Bernsteins Version im Player ... 8-)

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    Im 2. Satz dagegen kommt die Musik ja mindestens zweimal komplett zum Erliegen, im Pianissimo verstand ich etwa bei Karajan gar nichts mehr; das ist so zäh zuweilen, ich verstehe das nicht.


    Naja, Karajan eben; der zweite Satz ist doch die apokalytischste Apokalypse ever - da kommt selbst Beethovens Siebente nicht mit (wobei ich den lgs. Satz derselben überaus schätze). Von den lgs. Sätzen der beiden 7ener würdest Du vermutlich dem kompakteren und fassbareren Beethoven den Vorzug geben? Schubert ist da klar flächiger - Richtung Bruckner (weshalb mich Deine Apathie doch etwas wundert)... Schubert ist wie mutterseeligallein und im Adamskostüm am Strand auf einem Felsen sitzend und gedankenlos ins Nichts blicken.

    In Gülkes „Schubert und seine Zeit“ - der Titel ist wörtlich zu nehmen - gibt es ein Kapitel über den Zeitfluss in Schuberts Werken (ob jetzt speziell in Bezug auf die Sippte, weiß ich nicht auswendig); das Buch habe ich aktuell verliehen, daher kann ich keine konkreten Angaben machen oder Zitate geben:

    :wink:

  • noch dazu Bernsteins Version im Player ... 8-)


    Hallo Yorick,
    die Bernstein Version ist schon die halbe Absolution! *yepp*

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Zitat von Yorick

    Und nun teert und federt mich, gebt mir Tiernamen; verlacht und verachtet mich. Hier stehe ich, ich kann nicht anders!


    Auch, wenn ich wieder als halber Siegmund erscheinen mag, so >Freud< mich Dein persönliches Leiden an der großen C-Dur Symphonie Schuberts überhaupt nicht. Du kommst nicht ins Fegefeuer, auch wenn ich mit "Palestrina" bezüglich der >himmlischen Längen< 100% übereinstimme.

    ALSO, für mich ist die C-Dur Symphonie, in meinem Sprachgebrauch die NEUNTE (wie sie früher klassifiziert wurde) eine meiner absoluten Favoriten bei den Symphonien (neben den NEUNTEN von Beethoven, Bruckner + Mahler/Eroica/4. Brahms/2. Sibelius/Titan).

    Meine Lieblingsaufnahme ist die mit Gielen, derzeit für 5 Euro (statt 20) erhältlich.

    P.S. ich hatte viele Details geschrieben, WARUM + WAS mir diese besondere Komposition bedeutet... leider ist der PC abgestürzt. Falls Interesse, schreibe ich gerne nach meinem Urlaub mehr über diese NEUNTE.


    Arnulfus

  • Lieber Arnulfus,

    bitte tu das, ich würde mich sehr darüber freuen, gerade weil auch ich die 7te (9te, das sitzt so fest) so sehr liebe!

    Sei lieb gegrüßt vom palestrina

    ps: Diese Ausführung von Ulli über die Zählweise 7 bzw. 9 habe ich mir schon so oft durchgelesen, ja ja ich habs schon kapiert, aber in unserem Alter, wenn man das so gewohnt war/ist, hat man schon seine Probleme damit.

    Obwohl ich sagen muss, ich habe noch einen uralten Konzertführer von 1946, in dem ist das schon so beschrieben wie Ulli es anführte, und der bezeichnet sie damals schon als 7te in Klammer 9te.
    Ergo ist das ja kein neues Problem.

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

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    Naja, Karajan eben

    Nein, nein; das ist ungerecht! Die Interpretation ist schon stark; Teleton fand irgendwo dafür die richtigen Worte.

    der zweite Satz ist doch die apokalytischste Apokalypse ever - da kommt selbst Beethovens Siebente nicht mit (wobei ich den lgs. Satz derselben überaus schätze). Von den lgs. Sätzen der beiden 7ener würdest Du vermutlich dem kompakteren und fassbareren Beethoven den Vorzug geben?

    Ganz eindeutig ja!

    Schubert ist da klar flächiger - Richtung Bruckner (weshalb mich Deine Apathie doch etwas wundert)... Schubert ist wie mutterseeligallein und im Adamskostüm am Strand auf einem Felsen sitzen und gedankenlos ins Nichts blicken.

    Ich habe genau über das Verhältnis zu Bruckner oder auch Mahler lange nachgedacht und höre hier eben nicht den Vorläufer; wenn dem so wäre, würde doch ein antonesker Clown wie ich im Taumel jubilieren und nicht wegnicken ...

    P.S. Und du redest nicht von Schubert, sondern von dir in Kroatien ... :)

    In Gülkes „Schubert und seine Zeit“ - der Titel ist wörtlich zu nehmen - gibt es ein Kapitel über den Zeitfluss in Schuberts Werken (ob jetzt speziell in Bezug auf die Sippte, weiß ich nicht auswendig); das Buch habe ich aktuell verliehen, daher kann ich keine konkreten Angaben machen oder Zitate geben:

    Ich melde mich schon einmal an als nächster Borger!

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    Hallo Yorick,
    die Bernstein Version ist schon die halbe Absolution! *yepp*

    Dann sage ich lieber nicht, wie sie auf mich wirkte ... :wink:

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    P.S. ich hatte viele Details geschrieben, WARUM + WAS mir diese besondere Komposition bedeutet... leider ist der PC abgestürzt. Falls Interesse, schreibe ich gerne nach meinem Urlaub mehr über diese NEUNTE.

    UNBEDINGT!!! :love:

    P.S. Und gewöhnt euch doch bitte an, längere Texte erst in Word oder sonstwo zu schreiben ... *yes* ... schade, um die Mühe ...

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    Teleton fand irgendwo dafür die richtigen Worte.


    Teleton und ich sind komplett inkompatibel, aber sowas von ...

    Ich habe genau über das Verhältnis zu Bruckner oder auch Mahler lange nachgedacht und höre hier eben nicht den Vorläufer;


    Ich sehe/höre Schubert niemals als Vorläufer von irgendetwas, sondern als sehr eigensinnig; eher sind dann Bruckner und ggfs. Mahler (D936A) die Nachahmer (aber auch das wäre eine grob verfehlte Einschätzung). Musik entwickelt sich eben stets weiter, beim einen mehr, beim anderen weniger.

    P.S. Und du redest nicht von Schubert, sondern von dir in Kroatien ...


    Das ist dasselbe.

    Ich melde mich schon einmal an als nächster Borger!


    Hin- und Rückversand kostet gerade soviel wie das Buch selbst...

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    Vielleicht liegt die Schwierigkeit der Großen wirklich darin, dass sie zwischen den Epochen wandelt! Die Gefahr, dass sie, normal mainstreamig heruntergespielt, doch schnell langweilig wird, besteht durchaus. Dem kann man zum Beispiel begegnen, indem man Beethovensche Brachialreize setzt oder schon Brucknersche und Mahlersche Momente (Furtwängler?) ausstellt; oder die Sache leichtfüßiger und spritziger (Gielen, Norrington, Herreweghe?) angeht. Ich denke schon, dass es zumindest schwerer als bei anderen Werken ist, die Siebte-Neunte ohne Verlust des Spannungsbogens zu geben.

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    So ist das, wenn man sich nicht vorbereitet. Ich lese erst jetzt, dass viele der aufgeworfenen Probleme bereits vor vielen Jahren bei T diskutiert wurden, der Chef ist auch noch dabei. Ein interessanter Thread auf jeden Fall. Das hier von Johannes Roehl ist mit das Klügste, was ich zur Großen bislang las, würde ich komplett unterschreiben.

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    So ist das, wenn man sich nicht vorbereitet. Ich lese erst jetzt, dass viele der aufgeworfenen Probleme bereits vor vielen Jahren bei T diskutiert wurden, der Chef ist auch noch dabei. Ein interessanter Thread auf jeden Fall. Das hier von Johannes Roehl ist mit das Klügste, was ich zur Großen bislang las, würde ich komplett unterschreiben.


    Nicht minder spannend und aufschlussreich die Beiträge von "observator", ich weiß nicht, ob der jetzt anderswo schreibt, bei C vielleicht.

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    Nicht minder spannend und aufschlussreich die Beiträge von "observator", ich weiß nicht, ob der jetzt anderswo schreibt, bei C vielleicht.


    Nein. Der kommuniziert nur noch persönlich und exklusiv mit mir. Mitunter auf kroatischen Felsen.

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    Ein nicht zu unterschätzender Faktor in Sachen Rezeption und Wirkung dürfte auch die Tatsache sein; dass viele Klassikhörer D 759 und D 944 zusammen kennenlernten; weil früher sehr häufig die "Achte" und "Neunte" auf einer CD gekoppelt wurden. Und aus der Perspektive der vollendeten Unvollendeten dürfte sich die große Vollendete in C-Dur doch eigentümlich abheben, zu unterschiedlich beider Anlagen.

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)

  • Eines vorweg, die große C-Dur Sinfonie von Franz Schubert hat es mir auf Anhieb angetan.

    Doch das große Problem waren die Aufnahmen, ich hatte so etwas in dieser Art bei noch keinem Werk erlebt: Mir gefielen immer nur einzelne Sätze – nie die gesamte Aufnahme der Sinfonie. Ich hatte immer den Eindruck, dass viele Dirigenten den Spannungsbogen nicht aufrechterhalten. Im Grunde hätte ich mir „meine“ Sinfonie aus unterschiedlichen Aufnahmen zusammenbasteln müssen. Mir war es dann auch irgendwann egal, ob OPI oder OMI – ich wollte nur eine packende Aufführung dieser Sinfonie.

    Und gestern Abend hatte ich dieses Erlebnis. Nachdem ich die Sinfonie bestimmt über ein Jahr nicht mehr angehört hatte, kam ich über die kurzen Videos „Kaisers Klassik-Kunde“ wo Joachim Kaiser recht persönlich und durchaus auch unterhaltsam Zuschriften beantwortete, wieder auf das Thema der großen C-Dur Sinfonie zurück.

    Bei einer dieser Folgen riet er, mehr als eindringlich, diese Sinfonie unter Furtwängler (1942) zu hören. Ich rümpfte die Nase, gleich aus mehreren Gründen. Ich höre öfter alte Aufnahmen, aber kaum vor 1960, schon des Klangs wegen. Ich kam dieser Aufforderung aber dennoch nach: Publikumsgeräusche, ok, aber ansonsten war der Klang in Ordnung, eine Überraschung – mögen es die Umstände der Aufführung gewesen sein, oder das was ich vermeintlich da hinein interpretiere – es war mehr als packend, vielleicht auch schockierend. Noch nie war ich bei dieser Sinfonie so gefesselt und tief berührt - und das bis zum Schluss. Er hielt den Spannungsbogen, nichts wirkte deplatziert oder willkürlich. Es war ein nahezu perfektes musikalisches Erlebnis.

    Zum Vergleich habe ich die spätere Aufnahme gehört (1953), ob das nicht doch ein Zufall gewesen ist – ist es nicht. Zwar erreicht die Aufnahme von 1953 nicht ganz die Intensität der früheren Aufnahme, übertrifft aber wohl doch die meisten anderen für mich. Einfach unfassbar…..