01 - Claviersonaten: Einspielungen (opi)

    • Offizieller Beitrag

    Integral.

    Bart van Oort, Hammerflügel



    Integral. Verschiedene Editionen (ATMA, World)

    Ludwig Sémerjian, verschiedene Instrumente:

    Johann Andreas Stein, Augsburg 1788
    Anton Walter, Wien, 1799
    J. D. Schiedmayer, 1794
    V. G. Dosser, Ratisbonne 1805
    Anton Walter, Wien c1789
    Nanette Streicher, Wien, 1804
    John Broadwood & Sons, 1817
    Steinmway 1876 aus dem Besitz von Richard Wagner

    Ludwig Sémerjan spielt hier u.a. auf einem originalen Hammerflügel aus der Werkstatt von Anton Walter, gefertigt in Wien um 1799 (zwischen 1796 und 1805). Das Ding verfügt über zwei Kniehebel, deren einer zur Aufhebung der Dämpfung und deren zweiter zum Einschalten des Moderators dient. Das aus dem Germanischen Nationalmuseum, Sammlung Neupert, stammende Instrument hat einen Tonumfang von F1-g³ und ist im Bereich von F1 bis a1 zweichörig besaitet, darüber dreichörig. Dies unterscheidet den Walter auch im übrigen vom gelobten Stein, den Mozart ja später bekanntlich ebenfalls gegen einen Walter ersetzte. Instrumente dieser (Walter-) Art konnten dann auch gegen ein größeres Orchester 'ankämpfen', was sich auch deutlich bei der Komposition der Klavierkonzerte Mozarts bemerkbar macht - aber dies ist ein anderes Thema. Außerdem war mit diesem Instrument auch endlich der Baß nicht mehr so übertönend dem Diskant gegenüber. Dies merkt man natürlich auch am Kompositionsstil der Klaviersonaten.

    Das Besondere an der Dürnitz-Sonate KV KV 284 (205b) ist ihre Dauer - im Vergleich zu allen vorangegangenen Sonaten Mozarts und auch im Vergleich zu Haydn. Allein der finale Variationensatz dauert i.d.R. solange wie eine komplette Sonate (pro Satz mal ~ 5 Minuten angenommen).

    Was aber an dieser Einspielung so faszinierend ist, das ist eben dieser Variationensatz. Dieser trägt nämlich ursprünglich keinerlei Vortragsbezeichnung, 'Andante' wurde von fremder Hand hinzugefügt und wird meist doch eher 'con moto' gespielt. Sémerjian spielt nun das Thema und die folgende erste Variation extrem (d.h. primär ungewohnt) langsam, was sehr stark an Glenn Goulds Ausdrucksweise erinnert. Dieses Recht hat er ja mangels Vortragsbezeichnung durchaus. Erst ab der Variation II gewinnt er deutlich an Tempo. Der dritte Satz dauert bei Sémerjian, der selbstverstänlich (auch in allen anderen Sätzen) sämtliche Wiederholungen spielt, geschlagene 21 Minuten! Zum Vergleich: Schiff: 14'30" - Uchida 14'57". Allein für die Themenvorstellung benötigt er schon 2 Minuten - aber wie herrlich ist doch dieses Tempo und der warme, weiche, zärtliche Klang dieses Instrumentes hier. Jede Variation erhält hier ihr individuell ausgeklügeltes Tempo. Das kenne ich auch anders und ziemlich heruntergenudelt...

    Sonate Es-Dur KV 282, Fantasie c-moll KV 475, Sonate c-moll KV 457 u.a.

    Andreas Staier, Fortepiano Monika May nach Anton Walter

    Fantasie c-moll KV 475, Sonate c-mll KV 457, Fantasie d-moll KV 397 u.a.

    Jos van Immerseel, Hammerflügel von Claude Kelecom (Brüssel 1978) nach J. A. Stein, Augsburg 1788

    Interaktiv.

    Fantasie und Sonate c-moll KV 457/475

    Florian Birsak auf Mozarts originalem Walter-Flügel.

    • Offizieller Beitrag

    Ende August wird die Gesamteinspielung der 18 Clavier-Sonaten Mozarts durch Arthur Schoonderwoerd beim Label ACCENT erscheinen:

    Für die Präsentation der Sonaten wurden verschiedene Instrumente ausgewählt:

    CD 1 / CD 2
    Sonate C-Dur KV 279 (189d), Sonate F-Dur KV 280 (189e), Sonate B-Dur KV 281 (189f)
    Sonate Es-Dur KV 282 (189g), Sonate G-Dur KV 283 (189h), Sonate D-Dur KV 284 (205b)

    Tangentenflügel von William Jurgenson nach Späth & Schmahl c1770

    CD 3 / CD 4
    Sonate C-Dur KV 309 (284b), Sonate a-moll KV 310 (300d), Sonate D-Dur KV 311 (284c)
    Sonate C-Dur KV 330 (300h), Sonate A-Dur KV 331 (300i)

    Fortepiano (unbeledert) von William Jurgenson nach Johann Andreas Stein c1780

    CD 5
    Sonate F-Dur KV 332 (300k), Sonate B-Dur KV 333 (315c)
    Sonate C-Dur KV 545, Sonate D-Dur KV 576

    Clavichord Joris Potvlieghe nach einem Norddeutschen Modell c1780

    CD 6
    Sonate F-Dur KV 533 & 494, Fantasie c-moll KV 475
    Sonate c-moll KV 457, Sonate B-Dur KV 570

    Fortepiano (beledert) von Poletti & Tuinman nach Anton Walter c1790

    ~ ~ ~

    Im Fokus dieser Gesamteinspielung liegt die Variation der verwendeten Instrumente: Tangentenflügel, unbelederter und belederter Hammerflügel und Clavichord. Die Instrumente wurden in etwa auf die Entstehungszeit der Sonaten und der entsprechenden "Blüte" der Instrumente abgestimmt, wobei das Clavichord hier eine Ausnahme darstellt, da es für Mozart als Unterrichts- resp. Kompositionsinstrument stets zugegen war; aber auch dieser Aspekt soll hier hörbar gemacht werden. Der Hörer lernt den kaum wahrnehmbaren Unterschied zwischen Tangentenflügel und ungarniertem Hammerflügel kennen sowie auch insbesondere jenen zwischen beledertem und unbeledertem Instrument. Mozarts Walterflügel war zu Lebzeiten des Komponisten höchstwahrscheinlich unbeledert und wurde erst im Rahmen einer Generalüberholung durch Walter zu Beginn des 19. Jahrhunderts beledert; belederte Instrumente gab es aber bereits um 1790 herum (Späth & Schmahl produzierten erst ab 1802 belederte Instrumente), weshalb die Spätwerke (CD 6) auf einem solchen Instrument wiedergegeben wurden; auch um zu zeigen, wie Mozarts Werke zu aktiven Zeiten von etwa Beethoven und Schubert klangen.

    Außerdem berücksichtigt der Interpret Arthur Schoonderwoerd die neuesten Erkenntnisse der historischen Spielpraxis, so daß der Hörer insbesondere durch die korrekte Ausführung der Vorschläge irritiert, bestenfalls entzückt wird.

    Da diese Sonaten-Edition bis vor Kurzem exklusiv in unserem MusikLaden erhältlich waren, gibt es bereits erste Rezensionen dieser Einspielungen, die an dieser Stelle (Link) nachlesbar sind.

    Fest des Klanges und der Sinne!

  • Gerade stolperte ich über das alla turca aus KV 331 auf folgender CD:

    Hier erklingen zwar einmal mehr die 'falsch' ausgeführten Vorschläge, dafür macht Pianist Tom Beghin reichlich Gebrauch der akustischen Möglichkeiten des bespielten Instrumentes: Er verwendet für das alla turca den Janitscharenzug und wechselt zwischen ungedämpften und Moderator-gedämpften Klang. Zudem fügt er gelegentlich kurze, sehr stimmige Überleitungen zwischen den musikalischen Abschnitten ein.

    Ähnliches gilt für die übrigen, auf der CD enthaltenen Werke Mozarts.

    Leider gibt es keine Rezensionen oder sonstigen online einsehbaren Informationen bzgl. des verwendeten Hammerflügels. Bei spotify steht in den Track-Titeln lediglich "Stossmechanik" und "hand stops", bzw. bei KV 570 "Prellmechanik" und "knee levers".

    "erhaben, schön, alles was sie wollen – allein – zu übertrieben schwülstig für meine feinen ohren"
    W. A. Mozart (28.12.1782)

    • Offizieller Beitrag

    Er verwendet für das alla turca den Janitscharenzug


    Den Janitscharenzug gab es m. W. erst ab dem frühen 19ten Jahrhundert; wenn das Instrument ein "Original" (also vielmehr kein jetztzeitlicher Nachbau) ist und (noch) über Stoss-Mechanik verfügt, wurde der Janitscharenzug wohl erst zu Beginn des neuen Jahrhunderts nachgerüstet. Bei der Gelegenheit wurde es dann auch gleich beledert... So sehr ich dieses Gimmick liebe, zu Mozarts Lebzeiten gab es das noch nicht; auch im Hinblick auf die Komposition selbst, die so eingerichtet ist (arpeggierte Bässe, kurze Vorschläge usw.), daß sie gerade eben ohne derlei technische Hilfsmittel auskommt, um türkisches Colorit zu entfalten, ist der Gebrauch eines Janitscharenzugs hier leider doppelt unangebracht, wenn man nicht bewußt die Interpretationsmöglichkeiten zu aktiven Zeiten Beethovens und/oder Schuberts präsentieren möchte.

    In dem entsprechenden Hörbeispiel ist denn auch gar kein Janitscharenzug zu vernehmen (vllt. irgendwo später?): das "Geschnarre" stammt vom Fagottzug: man hört deutlich, daß der Effekt nur im Bereich des Basses bis c1 da ist, die rechte Hand klingt "normal"; solche Fagottzüge kann es möglicher Weise zu Mozarts Lebzeiten schon gegeben haben (ähnlich dem Harfenzug, der vom Cembalo übernommen wurde), waren aber vermutlich auch eher selten anzutreffen. Die größeren Flügel von Conrad Graf, Michael Rosenberger usw. verfügten alle über diese Register, in der Hauptsache ab c1810ff. und hatten bereits Wiener Mechanik (Prellmechanik). Ich bin daher relativ sicher, daß das zu hörende Instrument entweder aus dem Umfeld Graf kommt (wobei aber die Stoss-Mechanik, die Angabe 1780, die ich im Internet fand und der Umstand, daß es sich wohl nicht um einen Janitscharenzug handelt, ganz und gar dagegen sprechen), oder daß es ein erweitertes, d.h. später um dieses Register und die Belederung der Hämmer ergänztes, Instrument aus dem Walterschen oder Steinschen Wirkungskreise ist...

    • Offizieller Beitrag

    Kennt jemand diese Gesamteinspielung?


    Nein.

    Obwohl ich Lubimov an sich sehr schätze (Beethoven): wenn ich das alla turca höre, hab' ich schon den Kanal voll.

    ;)

    • Offizieller Beitrag

    Fantasie d-moll KV 397
    Sonate G-Dur KV 283
    Sonate C-Dur KB 330
    Sonate B-Dur KV 570

    John Irving, Hass Clavichord

    Durchwachsenes Teil: beim erstmaligen Hören der d-moll-Fantasie haben sich mir zwischendurch die Ohren verknotet; gerade bei langsamen Stücken bemerkt man schnell, wie schwierig es ist, einem Clavichord erträgliche Töne zu entlocken. Zudem kam es mir so vor, als könne Irving den Takt nicht halten, sähe die Noten zum ersten Mal und spiele prima vista... das Phänomen verliert sich aber bei den schnellen Sätzen der Sonaten. Irving hat die Fantasie etwas umgebaut und fügt dem (unvollendeten) altbekannten "Schluß" eine veränderte Wiederholung des Hauptteils an, was für etwas Abwechslung sorgt.

    Die Sonaten sind zum Teil wirklich sehr schön musiziert; besonders gefallen mir Irvings Triller und die zusätzlichen Verzierungen, die er gekonnt und mit Geschmack anbringt. Sein Anschlag ist aber für mein Empfinden manchmal zu hart für das zarte Gerät, so daß die typische Bebung, die aber auch bloß eine Art der Verzierung ist (ähnlich dem Vibrato bei den Streichern) mir persönlich zu stark in den Vordergrund rückt.

    Die Gratisbeigaben (KV 1a-1e, 2, 3 und 5) empfinde ich als überflüssig...

    Ich glaube, allmählich muß ich meine Kiste mal wieder entstauben, stimmen und streicheln... die CD macht jedenfalls wieder Lust darauf 8-)

    • Offizieller Beitrag

    Wie steht die Gemeinde eigentlich zum Mozarts Staiers? Vor allem im Vergleich zu Schoonderwoerd


    Im Allgemeinen natürlich sehr positiv; im Besonderen: falsches Clavier (zumindest nicht unbeledert - bei Schoonderwoerd besteht die Möglichkeit, den Unterschied zu hören), falsche Vorschläge ... damit ist Staier, wie alle anderen, bei Mozart für mich komplett raus. Wen das nicht juckt - und das sind wohl alle hier außer mir: der wird sicher große Freude an Staier haben.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat von Peter

    Leider gibt es keine Rezensionen oder sonstigen online einsehbaren Informationen bzgl. des verwendeten Hammerflügels. Bei spotify steht in den Track-Titeln lediglich "Stossmechanik" und "hand stops", bzw. bei KV 570 "Prellmechanik" und "knee levers".


    Es werden offenbar zwei Instrumente verwendet ... das original erhaltene Mozart-Instrument (freilich nach Verunstaltung) und ein Chris-Maene-Teil, bei dem diese Verunstaltungen revidiert und Gimmicks eingebaut wurden (wenn ich das richtig verstanden habe, vgl. Link w.u.) - im Fairgleich KV 397 ... insofern vielleicht interessant zu studieren.

    So geil das hier verwendete Maene-Instrument klingt: leider falsche Vorschläge im alla turca (Spur 4):

    Sonaten KV 331, 570
    Rondo KV 540
    2x Fantasie KV 397

    Tom Beghin, Fortepiano (Chris Maene, 2005 Modell Anton Walter, 1782) sowie Anton Walter himself (?)

  • Und dann noch als kleine Empfehlung:

    Jerome Hantai - Haydn/Mozart

    Haydn: Klaviersonaten H16 Nr. 21, 29, 38

    +Mozart: Klaviersonaten Nr. 4 & 12

    Sehr schöne Aufnahme auf einem restaurierten, undatierten Instrument, laut Booklet in der Tradition süddeutschen Clavierbaus der späten 1770er Jahre, wobei ich ich den Klang weniger silbrig finde, als ich ihn bei Instrumenten dieser Zeit eigentlich erwarten würde. Letztlich bleiben wohl Schoonderwoerd und Tom Beghin meine Favoriten, und zwar nicht nur weil es sich um Gesamteinspielungen handelt.

    Mein Eindruck: Schoonderwoerd scheint mir die Akkorde aufzulösen, scheint mir etwas "verspielter" insgesamt ...