BWV 988 - Goldbergvariationen: Einspielungen für Orgel

  • Hier werden Einspielungen nur für Orgel aufgelistet. Eine Unterscheidung nach omi oder opi gibt es nicht.

    Keine anderen Tasteninstrumente (omi oder opi), keine Bearbeitungen für andere Besetzungen!


    jd :wink:

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

  • Ich poste es mal hier, obwohl es im Bearbeitungsthread genausogut passen würde (vielleicht sogar besser):

    (P) 2007 cpo 777 215-2 (2 CDs) [101:08]
    rec. 18.-21. September 2005 (St. Petrus Canisius, Friedrichshafen)
    bearbeitet für Orgel von Wilhelm Middelschulte (Kahnt, Leipzig 1926)

    Jürgen Sonnentheil
    [Orgel: Gerald Woehl (1997) - 3 Manuale & Pedal, 57 Register]

    Middelschulte hat den Stil Bachs streng beachtet und hat sich lediglich bei der Verlegung von Stimmen ins Pedal oder Erweiterungen von Baßstimmen größere Freiheiten erlaubt, soweit sie in den kontrapunktischen Stilen von Bach bereits kompositorisch angewandt wurden. Dadurch gerät die Faktur dichter, wird aber nicht mit einer Modernisierung bedacht. Middelschulte gibt für jede Variation auch Empfehlungen für zu spielende Register an (z.B. Oboe & Flöte 8' zweimanualig für Kanons 3, 6, 18, 21 und 24 - Erzähler 8' & Flauto dolce zweimanualig für Kanons 15 und 27). Die Wiederholungen sollen weggelassen werden. Um den intimen Charakter der Variationen nicht zu zerstören, gibt Middelschulte für die meisten Nummern Lautstärken von Pianissimo bis Mezzoforte vor.

    Sonnentheil spielt die Druckversion von 1926, koppelt sie aber zusätzlich mit den Wiederholungen, die er mit den Korrekturen und Ergänzungen aus Middelschulte eigenem Handexemplar verziert und so dem Gedruckten gegenüberstellt. Sein Spiel ist unaufgeregt, aber präzise, folgt den Registrierungen, soweit sie empfohlen waren, und kann somit eine interessante Aufnahme vorlegen, die das GV mit einer neuen Facette versieht.

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

  • Die Wiederholungen sollen weggelassen werden.

    In dem Vorwort zu der Veröffentlichung seiner (Middelschultes) Bearbeitung heißt es aber, dass die Wiederholungen anlässlich einer Aufführung ausgelassen werden können nicht sollen (vgl. hier den bei Jürgen Sonnentheil wiedergegebenen Text). Ggf. finden sich in dem Booklet der Aufnahme detaillierte oder andere Hinweise?

  • Ggf. finden sich in dem Booklet der Aufnahme detaillierte oder andere Hinweise?

    Ich zitiere aus dem Booklet:

    Zitat

    Wie Busoni legt Middelschulte dem Organisten nahe, im Konzert auf die Wiederholungen zu verzichten.

    Hans-Dieter Meyer

    [Booklet zu cpo 777 215-2, S. 11]

    Danach folgt Meyers Hinweis, daß sich Sonnentheil für die Lösung mit den Modifikationen entschieden hat, wie ich es oben bereits erläutert habe.

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

  • Klangorgien mit Jean Guillou aus Alpe d'Huez (Notre Dame des Neiges, Kleuker, II/23[!!]) in erlesener Dorian-Tonqualität von dieser Scheibe:

    hieraus rec. 11/1987

    Der Reichtum der Textur, der expressive und dynamische Charakter von Bachs Musik (jedenfalls in der Art wie Guillou sie angeht) wird hier besonders ohrenfällig. Jede Variation erlebt einen oder mehrere, zum Teil überraschende, Registerwechsel, was der Aufnahme einen besonderen Klangfarbenreichtum verleiht.

    Ein Amazonrezensent hat natürlich Recht, wenn er schreibt:

    Zitat

    Lediglich ein Abdruck der interessanten Registrierungen hätte den Genuß dieser CD noch gesteigert.


    Dies wäre in der Tat interessant, obwohl angesichts der dispositiven Überschaubarkeit des Instruments kann man sich natürlich einiges hinsichtlich der Registermischungen zusammenreimen. Aber sei es drum - ganz dicke Empfehlung für diese außergewöhnliche Aufnahme.

  • Interessant ist die Zusammentragung aller Orgel-Einspielungen:


    Das sind alle Einspielungen auschließlich auf Orgel; gemischte Besetzungen (Orgel oder Cembalo, Orgel & Solo-Instrument) habe ich nicht aufgeführt. [Stand: 10.04.2018]

    Interessant ist: erst 1987 entstand die erste Aufnahme auf Orgel - zu dem Zeitpunkt gab es Aufnahmen auf Klavier und Cembalo en Mass, und verstärkt kamen erst ab 1998 weitere Orgel-Einspielungen dazu. Zur Zeit sind es 32 - ihm Vergleich zur Gesamtsumme (im Augenblick 707) lächerlich gering.

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

  • :jubel: , sehr schöne Liste, vielen Dank. Der Umstand, dass Jean Guillou möglicherweise die erste Orgeleinspielung in 1987, selbstverständlich nach seiner Transkriptionsvorlage, vorgelegt hat, erstaunt mich auch etwas. Darf ich die nachfolgenden Aufnahmen noch ergänzen, die sich in der Listung von bach-cantatas nicht wiederfinden?

    Robert Costin, 12/2010, Stone (kenne ich nicht),
    Daniel Stickan, 07/2011, exaudi!, im Rahmen seines Gold2012-Projekts, begleitet von diversen Konzertdarbietungen des Zyklus' (eine Aufnahme, die ich zu meinen persönlichen Favoriten zähle - diskrete Herangehensweise ohne den Zuhörer mit Orgelklängen überwältigen zu wollen, eher als [im besten Sinne] ausdrucksvolle Registerdemonstration gedacht an diesem kleinen, aber sehr feinen Instrument aus Scharnebeck),
    Martin Heini, 10/2017, Guild (kenne ich nicht).

  • Der Umstand, dass Jean Guillou möglicherweise die erste Orgeleinspielung in 1987, selbstverständlich nach seiner Transkriptionsvorlage, vorgelegt hat, erstaunt mich auch etwas.

    Ja, nicht wahr? Ich hätte selber gedacht, das Thema hätte sich bereits in den 1960er/70er erledigt, aber nein. Guillou ist tatsächlich der Erste gewesen... 8|

    Darf ich die nachfolgenden Aufnahmen noch ergänzen, die sich in der Listung von bach-cantatas nicht wiederfinden?

    Klar.

    Die meisten Einspielungen teilen sich auf Klavier und Cembalo auf, und zwar von Anfang an bis heute. Es gibt viele Bearbeitungen für Streichformationen, Kammerorchester, Akkordeon, Gitarre oder einmal Harfe (!). Gezählt habe ich es nicht, aber es werden gut eine Hundertschaft sein, schätze ich.

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

  • Guillou ist tatsächlich der Erste gewesen...

    Ich werde mich wohl mit dem Gedanken anfreunden müssen. Gerade habe ich noch einmal 15 Minuten meiner kostbaren Lebenszeit damit zugebracht a+30+a' mit dem Suchbegriff organ gegenzuchecken; Resultat: eine frühere Orgelaufnahme als diejenige aus 11/1987 ist dort nicht gelistet. Was mich allerdings derzeit interessiert, ist die Frage, ob und wenn ja welche Rolle der Zyklus im Repertoire der Organisten und Organistinnen bei öffentlichen Konzerten in den 60er, 70er und 80er Jahren eingenommen hat. Denn, dass anlassbezogene Bearbeitungen (ganz oder teilweise) in dem Zeitraum zur Darstellung der GBV auf der Orgel existierten, kann ich mir sehr gut vorstellen.

    • Offizieller Beitrag

    Gunther Rost / Bernard Aubertin-Orgel Saint-Louis-en-l'Ile, Paris, 2007

    Elena Barshai (Metzler-Orgel St. Peter & St. Paul Parish Church Villmergen, 2007

    Ich hieraus:
    CD 3

    Ich habe nach wie vor meine Schwierigkeiten mit den GBV auf der Orgel; dennoch gefällt mir Rost schon besser als Barshai.

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)

  • Robert Costin, 12/2010, Stone (kenne ich nicht),
    Daniel Stickan, 07/2011, exaudi!, im Rahmen seines Gold2012-Projekts, begleitet von diversen Konzertdarbietungen des Zyklus' (eine Aufnahme, die ich zu meinen persönlichen Favoriten zähle - diskrete Herangehensweise ohne den Zuhörer mit Orgelklängen überwältigen zu wollen, eher als [im besten Sinne] ausdrucksvolle Registerdemonstration gedacht an diesem kleinen, aber sehr feinen Instrument aus Scharnebeck),
    Martin Heini, 10/2017, Guild (kenne ich nicht).

    Eine habe ich noch gefunden:

    Pascal Vigneron, 2011 (kenne ich nicht, :( ) - Label: Quantum

    Damit wären wir jetzt bei 36 Aufnahmen der GBV in Bearbeitung für Orgel - wahrhaftig erstaunlich, wie ich finde.

    • Offizieller Beitrag

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    Wilfried Bönig, Ahrend-Orgel Ursulinenkirche Köln, 2006

    SACD

    Winfried Bönig, seit 1998 Professor für künstlerisches Orgelspiel und Improvisation (Studiengang "Katholische Kirchenmusik") an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und seit 2001 Domorganist, spielt die Goldberg-Variationen auf der 2002 von Jürgen Ahrend gebauten Orgel der Ursulinenkirche St. Corpus Christi (Fronleichnamskirche) in Köln.

    Ahrend orientiert sich in seinem Orgelbau an der barocken norddeutschen Tradition, insbesondere auf Grundlage zahlreicher Restaurierungen von Arp-Schnitger-Orgeln. Die Orgel dieser Aufnahme ist also kein Nachbau, geschweige denn historisches Instrument, sondern eine Nachempfindung im Geiste der Zeit, der sich der Entwicklung der Großorgel im 19. Jahrhundert verwehrt. Sie verfügt über 19 Register auf zwei Manualen und Pedal, sozusagen eine kleine Form dessen, was Schnitger konzipierte.

    Dementsprechend ist der Klang der Orgel nicht pompös oder gar sinfonisch und die Möglichkeiten der Register sind relativ eingeschränkt. Bönig nutzt diese Möglichkeiten für die Klanggestaltung der Variationen selbstverständlich aus, aber es entsteht allein schon aufgrund der Disposition des Instruments eine deutliche Homogenität, Gleichförmigkeit wäre dennoch zuviel gesagt. Sein Spiel ist erwartungsgemäß präzise und virtuos, in meinen Augen aber auch brav, für meinen Geschmack zu brav.

    Die Aufnahme empfinde ich als sehr sauber, auch etwas distanziert, der Kirchenraum ist präsent, aber es entsteht wenig Wärme. Da irritiert mich der seltene Einsatz des Dulcian in Variation 6 (sowie 16, 27 und 29) als handle es sich um eine digitale Verzerrung. Also doch nicht so brav, wie eben noch geschrieben.

    Betreffend der Wiederholungen sieht Bönig den Mittelweg der teilweisen Umsetzung als legitime Interpretation, nicht als korrigierende Straffung des Werkes, vor allem mit Blick auf die Anforderungen an den Hörer. Seine Präsentation des Werkes habe sich "im Laufe vieler Aufführungen nach und nach herausgebildet". Zur Bearbeitung schreibt er: "Eine Orgelfassung der Goldberg-Variationen muss eigentlich nicht erstellt werden" und betont die Toleranz der Umsetzung von Musik auf verschiedenen Tasteninstrumenten zu Bachs Zeiten sowie dessen Vorliebe für Transkriptionen eigener Werke und derer anderer Komponisten von einer klanglichen Form in eine ganz andere. Seine Goldberg-Variationen folgen also, so verstehe ich das, dem originalen Notentext ("mit Ausnahme einiger weniger Basstöne, die - kaum hörbar - umgelegt werden müssen").

    Ich bin mir noch nicht ganz schlüssig, was ich von der Aufnahme halte. Sie ist schön, behutsam, elegant und präzise und zeigt, wie gut die Goldberg-Variationen auf einer Orgel funktionieren und wirken können (für mich stimmiger als bspw. die Streichtrio-Bearbeitungen und deshalb habe ich mir diese CD beschafft). Andererseits ist sie mir zu behutsam und präzise und bringt mir nicht die faszinierende Vitalität, wegen der ich Barockmusik grundsätzlich gerne höre. Ich bräuchte wohl eher die Goldberg-Variationen auf Pellworm, ha! Für Vergleiche mit anderen Orgeleinspielungen fehlen mir die Höreindrücke, da muss ein anderer ran.

    *sante*

  • Vielen Dank. Wenn Dich das Eigenwillige, bisweilen auch Maßlose (in diesem Fall für mich positiv besetzt) im Zusammenhang mit der Darstellung dieses Zyklus' auf der Orgel interessiert, lohnt sich für Dich vielleicht die Aufnahme mit Gunther Rost:

    Église Saint-Louis-en-l'Isle, Paris (Aubertin, III/51)

    Die Amazonrezensionen bewegen sich in der Bandbreite zwischen Zirkusmusik und einem bemerkenswerten Feuerwerk. Wie auch immer, "faszinierende Vitalität" garniert mit einer vielfarbigen Gestaltung wirst Du dort ganz gewiss finden (allerdings spielt Rost die GBV ohne die Wiederholungen).

    Eine Nachfrage - sind die Registrierungen, die Bönig an der Orgel der Ursulinenkirche verwendet hat, im Beiheft abgedruckt?

    • Offizieller Beitrag

    Eine Nachfrage - sind die Registrierungen, die Bönig an der Orgel der Ursulinenkirche verwendet hat, im Beiheft abgedruckt?

    Ja, sind sie. Überhaupt eine gut gemachte Edition mit aussagekräftigen Texten im Booklet.

    In Rost habe ich nur kurz reingehört, bei Gelegenheit mehr. Auf Anhieb finde ich die vielen Verzögerungen, Ritenutos (benennt man das so?) nicht so nett: da werde ich immer ein wenig seekrank. Bin aber Orgelstümper. Bönig ist sehr geradlinig, das gefällt mir daran schon.

  • Friedrich Sprondel umschreibt sein Spiel in FF 09/2010, S. 99 freundlich wiefolgt:

    "Offenbar inspiriert es Rost zu einem äußerst freien, cembalistischen Spiel mit viel „discrezione“, also freiem Umgang mit dem Metrum in barock-affektbetonter Weise."

  • Eine Nachfrage - sind die Registrierungen, die Bönig an der Orgel der Ursulinenkirche verwendet hat, im Beiheft abgedruckt?

    Gibt es denn eine Motette-Veröffentlichung, wo die Registrierungen nicht aufgeführt sind, Max? Ich habe da nur einen geringen Überblick.

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

  • Schon möglich, möglich aber auch, dass es Ausnahmen von diesem Grundsatz gibt - insofern herzlichen Dank an den Mitstreiter, den Kollegen pm.diebelshausen, für die Info. Sehe gerade, dass z.B. im Booklet der Wagler-Veröffentlichung die Registrierungen nicht abgedruckt sind. Angesichts der dispositiven Überschaubarkeit des Instruments erkennt man aber Vieles auch so ohne w(W-)eiteres.

    EDIT:

    Ebensowenig in den Booklets der Mendelssohn-Planyavsky-Veröffentlichungen - manche Interpreten hüten ihre Kochrezepte aber auch wie ihre Augäpfel; vgl. Leon Berben und seine Sweelinck-Orgel/Cembalo-Einspielung bei Aeolus - wer verrät schon gern seine Rezepte, so oder ähnlich der Interpret im Beiheft der Veröffentlichung.

    • Offizieller Beitrag

    insofern herzlichen Dank an den Mitstreiter, den Kollegen pm.diebelshausen, für die Info.

    Nichts zu danken. Was ich vermisse, gerade als nicht Orgel-Versierter, sind ein paar Sätze zu den interpretatorischen Beweggründen für die Registrierungen. Wahrscheinlich ist das gar nicht mal üblich, so sehr es mir auch den Zugang zur Orgelmusik erleichtern könnte - jedenfalls aber bleibt da bei Bönig für mich einiges offen, da er einerseits hinsichtlich des Notentextes davon schreibt, eine Bearbeitung für Orgel sei eigentlich nicht nötig, andererseits aber natürlich bezüglich der eingesetzten Klangfarben (gerade das macht doch die Orgel zur Königin) kräftig bearbeitet und es sicherlich wissenswerte Gedanken zu diesen zahlreichen und entscheidenden Entscheidungen gibt, auch unter Prämisse des genutzten Instruments.

    Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.
    Johann Georg August Galletti (1750-1828)

  • ein paar Sätze zu den interpretatorischen Beweggründen für die Registrierungen

    "Es versteht sich übrigens von selbst, daß beim Gebrauch die gewählten Verbindungen von Stimmen mit dem Geist und Sinn der vorzutragenden Stücke harmonieren müssen, sonst ist das Ganze nur eine theoretische Spielerei, ohne ailen künstlerischen Wert." (Friedrich Konrad Griepenkerl, Vorrede zu : J. S. Bach's Kompositionen für die Orgel, Band I, Leipzig 1844 - 1. Auflage)

    Wenn Du Dich einmal mit der Registrierung der Orgelwerke Bachs beschäftigen möchtest, wäre dieser Beitrag von Quentin Faulkner vielleicht als erste Anregung für weitere Bemühungen zum Thema gut geeignet --> klick.