Homosexualität und Klassische Musik – eine spannende Liaison

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    In Absprache mit Ulli möchte ich ein sensibles Thema ansprechen, das mir auf den Nägeln brennt; weil es tatsächlich ein enorm interessantes zu sein scheint. Es ist unter kultivierten Leuten natürlich unnötig zu erwähnen, dass hier niemand diskriminiert wird wegen Geschlecht, Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung, Herkunft, sozialem Status etc.; Sexismus, Homophobie, Rassismus etc. haben unter gebildeten Menschen und freien Geistern nichts verloren.

    Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist der Punkt, dass man im Bereich der Klassischen Musik doch auf einen recht hohen Prozentsatz an homosexuellen Männern stößt und das meint sowohl die aktiv Ausübenden (Musiker, Sänger etc.) als auch die „nur“ passiv Rezipierenden (Konzertgänger, Forenenthusiasten etc.). Sollte dieser Befund statistisch nicht völlig abgetan werden können, wirft das schon die Frage auf, warum das so ist und ob es vielleicht bestimmte Bereiche (Barockoper, Händel, Counter etc.) gibt, in denen das besonders auffällig ist.

    Natürlich lässt sich diese Themenstellung auf alle anderen Bereiche der Kultur ausdehnen: Literatur, Bildende Kunst, Theater, Cineasmus, Mode, Stilfragen – überall dort sind unter den feinsinnigsten, kreativsten und engagiertesten Männern oft viele homosexuelle zu finden. Auch wäre zu fragen, warum etwa Frauen einen anderen Zugang zu manchen Komponisten haben; ich kenne zum Beispiel nur wenige, die wirklich auf Bruckner oder Sibelius so abfahren wie Männer. Aber das wäre ein eigenes Thema …

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)

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    Da kenne ich natürlich lediglich den Lehrer und Mentor Bernsteins, Dimitri Mitropoulos, der wohl auch einer der ersten bekennenden Homosexuellen am Pult war, der aus seiner sexuellen Orientierung keinen Hehl machte und selbstbewusst sein Leben führte, wie er es für richtig hielt. Dass Bernstein selbst neben Frauen auch Männer mochte, wusste ich bis vor kurzem nicht; bei einem Renaissancemenschen wie ihn aber eigentlich keine wirkliche Überraschung. Vielleicht der bekannteste Dirigent heute ist Christian Thielemann, von dem ich das auch lange Zeit nicht gewusst habe. Er macht kein Aufhebens davon und auch ich schätze es, wenn man seine persönlichen Befindlichkeiten nicht ständig ins Rampenlicht stellt als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Alle drei Genannten gehören ganz klar zu den Größten ihres Fachs und zählen unzweifelhaft zu den kreativsten Genies, die jemals einen Taktstock schwangen.

  • ... Es ist unter kultivierten Leuten natürlich unnötig zu erwähnen, dass hier niemand diskriminiert wird wegen Geschlecht, Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung, Herkunft, sozialem Status etc.; Sexismus, Homophobie, Rassismus etc. haben unter gebildeten Menschen und freien Geistern nichts verloren.

    *yepp* Mehr muss man dazu nicht schreiben, wie ich finde ...

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    ich kenne zum Beispiel nur wenige, die wirklich auf Bruckner oder Sibelius so abfahren wie Männer.


    ... passt vielleicht zu:

    Mehr muss man dazu nicht schreiben, wie ich finde ...


    Das meinen Frauen erfahrungsgemäß immer. Warum? Um das unangenehme Thema gleich wieder loszuwerden oder mangels Interesse? Für die weiblichen Genossen (Genossinnen wäre ja jetzt doppelt gemoppelt, oder?) scheint das kein großes Thema zu sein; die Herren der Schöpfung haben eher Probleme mit (angeblich) verweib- und verweichlichten Kameraden und fühlen ihre Ehre und ihren „Stand“ beschmutzt - oder so ähnlich.

    Ich fand das Thema schon immer interessant und wurndere mich, daß es – auch heute noch in der Postaufklärung und angeblich so freien Welt – insbesondere in anderen Klassikforen eher auf Ablehnung stößt. Umso mehr freue ich mich, daß ein „Aussenstehender“ das Thema aufgreift und nicht etwa einer aus den eigenen Reihen, was danach klänge, Aufmerksamkeit erregen zu wollen. Denn darum geht es nicht. Yorick hatte mich befragt, ob so ein Thema okay wäre - und das bejahte ich.

    Es gibt genügend Studien, die aussagen (aussagen! - nicht beweisen), daß Vertreter der homosexuellen Fraktion einen besonderen Hang zum Schönen, Erhabenen haben (was ja nicht ausschließt, daß es „normale“ Menschen auch haben). Dennoch fühle ich, als „Betroffener“, einen nicht näher beschreibbaren Unterschied in der Empfindung. Vielleicht kann man diese – meine persönliche – Empfindung in etwa vergleichen mit dem Unverständnis darüber, daß auch Nichtgläubige geistliche Musik lieben können?

    In früheren Zeiten sagte man Balett-Tänzern stets eine relativ eindeutige Zugehörigkeit zur Homosexualität nach; dem ist auch nicht zu widersprechen - der Anteil ist sehr hoch. Heute weitet sich dies nach meinen Beobachtungen auf Countertenöre aus; bei den Castraten wird das nicht anders gewesen sein … und nein: beweisen kann ich es nicht (Cencic: seit 16.07.2014 in einer festen Beziehung; inzwischen lt. Facebook angeblich wieder „single“ - möglicher Weise zum Schutz des Partners?; Vince Yi: in festen Händen; David Daniels; Philippe Jaroussky; Justin Kangmin Kim: keine Angaben aber meinem Gefühl nach: mindestens 280%). Einige andere Musiker gesellen sich dazu: Hofstetter, Thielemann, Thomas Leinigner (Hammerclavier) und - um das hier nicht nach einem Pranger oder Outing-Bazar aussehen zu lassen – viele andere :)

    Und nein: es sind nicht alle Countertenöre schwul, aber doch extrem viele. Und warum auch nicht? Es liegt doch - neben der „Laune der Natur“ (was die Stimme betrifft) - auf der Hand … Narzissmus spielt dabei eine nicht unbedeutende Rolle. Vielleicht aber ist gerade das der Grund, warum viele Counter bei der „alten Garde“ - insbesondere bei Vertreterinnen der weiblichen - auf Ablehunng stoßen?

    Wenn auch wiederholend: im Prinzip ist es ja völlig egal, welcher „Fraktion“ Musiker(innen) angehören, auf das Ergebnis kommt es an - dennoch; ich meine: wenn ein Künstler sich gerne schminken lässt und dies nicht bloß als „zum Job gehörig“ über sich ergehen lässt (ggfs. Justin-Kim-like auf Austauschplattformen damit unverhohlen an die Öffentlichkeit geht), dies auslebt, so kann dies m. E. nur einen äußerst positiven Eindruck auf das künstlerische Ergebnis haben:

    Einige Counters, die ich persönlich kenne, leben das Divenhafte auch privat aus; das ist schwer bis nicht nachzuahmen – das muß man mit voller Überzeugung leben. Und sie dürfen sich glücklich schätzen, einen Beruf zu haben, in dem das problemlos geht. Natürlich gibt es auch Extremisten, wie „unseren“ Lullisten, der von diesem Thema weit entfernt ist …

    Heutzutage wird ja ohnehin alles durcheinander geworfen: „Genossen“ zu erkennen, wird zunehmend schwieriger, da sich die Jugend heute unverblümt die eigentlich typischen Gaymerkmale zueigen macht (Ohrringe, -stecker, Piercings), Frisuren, Klamotten … alles wird dadurch neutralisiert (was im Prinzip eigentlich gut ist, da es die angeblichen Unterschiede verschwimmen lässt und das spricht schon deutlich für die Jugend von heute). Da muß man als Vertreter der Fraktion schon deutlich krasser auftreten, um überhaupt noch aufzufallen (wenn man es denn will, was ja heutzutage auch nicht mehr unbedingt der Fall ist). Schwule, die nicht gerade im künstlerischen Bereich aktiv sind, kleiden sich inzwischen eher unauffällig, normal (allerdings: sehr gut!) - und heben sich dadurch wieder ab. Schwule verdienen schneller mehr Geld.

    Ich weiß: ich renne hier offene Türen ein, aber: wer damit ein Problem hat, hat ein Problem.

    Allerdings ist damit die Frage nach dem künstlerischen Plus noch immer nicht beantwortet. Und ich bin überzeugt, ohne Partei zu ergreifen, daß es das gibt. Ich glaube durchaus, daß ein Cencic auf der Bühne seine Liebe ernsthafter gegenüber Vince Yi darstellen kann, als z.B. Sängerin X gegenüber Sänger Y ... Ganz klar. Da steht er nämlich sofort auf, wenn das nicht gut ist und zieht selber die Hosen ... äh den Rock an.


    Auch unter den Klassikliebhabern selbst findet sich erstaunlicher (?) Weise eine erhöhte Anzahl homosexuell Orientierter – na, wenn das nicht mal Hand-in-Hand geht? Abgesehen von dem ganzen Pöbel und Dreck, der sich auch in dieser Szene herumtreibt, gestehe ich homosexuell orientierten Personen einen deutlich höheren Anteil an Sensibilität zu (nicht an Sensibilität an sich, bitte nicht mißverstehen!) - so meine Beobachtung auch in diversen Klassikforen. Man kennt sich und erkennt sich. Bei den hiesigen Händelfestspielen beispielsweise trifft sich die Créme de la Créme: Leute, die normalerweise wenig bis gar nicht der Klassischen Musik zugetan sind; ich persönlich gehe da der Musik und der Darbietung wegen hin (nur am Rande vermerkt). Bei Barockoper fällt sogar schonmal die monatliche (Gruppen-) Sexparty flach ... bei Barockoper oder Wagner (letzteres verstehe, wer will: ich jedenfalls nicht!) rasten die alle aus.

    Komischer Weise ist das Thema Frauen betreffend nicht so brisant; gut, Tenösen und Bassistinnen sind auch eher selten ... ich verstehe das. Die Dunkelziffer ist sicher hoch; ich kenne einige lesbische Sängerinnen.

    *sante*

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    Auch die Pop-Kultur bedient sich ja dieser "Klischees" inzwischen ohne Scheu: Alan Harper, der zwar ein Geizhals und Schnorrer ist in "Two and a Half Men", muss sich immer wieder rechtfertigen, weil er als Hetero Sinn für Kultur, Kunst, Bildung hat:

    Zitat

    "Bist du wirklich nicht schwul?" – Alan:"Ich bin belesen und gebildet. Du bist nicht die erste, die das verwirrt."

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    muss sich immer wieder rechtfertigen, weil er als Hetero Sinn für Kultur, Kunst, Bildung hat:


    *lol*

    Naja, man muß aber auch zugeben: das Niveau außerhalb dieser „Elite“, wie es in einem Wiener Forum genannt wird, ist einfach unfassbar, unbeschreibbar. Ich werde nicht näher darauf eingehen, da es zum Thema nichts beiträgt, allerdings sollte es erwähnt sein - es sind (wie stets und bei allen Menschen) nur wenige, denen Hirn gegeben wurde und die es auch nutzen.

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    Allerdings ist damit die Frage nach dem künstlerischen Plus noch immer nicht beantwortet.

    Es muss wohl, wie bei allen diesen Fragen; eine Mischung statthaben aus ererbten Anlagen und erlernten Verhaltensmustern. Wie es um genetische Dispositionen bestellt ist, weiß ich natürlich nicht als naturwissenschaftlicher Laie; dass aber besondere Mischungen aus männlichen und weiblichen Genen auch für besondere Leistungen etwa im musischen Bereich stehen können, scheint mir nicht abwegig. Weibliches Einfühlungsvermögen, soziales Knowhow und das in Verbindung mit Kreativität und einer Melange aus Sinnlichkeit und Rationalität - ich denke, dafür spricht einiges. Zudem wird man wohl als "Außenseiter" und "Randgruppe" einer Gesellschaft immer anders ticken als die tumbe heterosexuelle und sonstwie gleichgeschaltete Masse; weil man frühzeitig schon als Kind und Jugendlicher lernen muss; sich zu behaupten, seinen Weg zu gehen und auch anderswo als nur in "realen" Leben seine Befriedigung zu finden. Wissenschaftlich belastbar ist diese meine Vermutung aber sicher nicht.

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    Wissenschaftlich belastbar ist diese meine Vermutung aber sicher nicht.


    Das wird m. E. eh kaum möglich sein; selbst ein asexueller Beobachter wäre plusquamobjektiv - der würde nicht kapieren, worum es geht ... :D;)


  • Das meinen Frauen erfahrungsgemäß immer. Warum? Um das unangenehme Thema gleich wieder loszuwerden oder mangels Interesse? Für die weiblichen Genossen (Genossinnen wäre ja jetzt doppelt gemoppelt, oder?) scheint das kein großes Thema zu sein; die Herren der Schöpfung haben eher Probleme mit (angeblich) verweib- und verweichlichten Kameraden und fühlen ihre Ehre und ihren „Stand“ beschmutzt - oder so ähnlich.


    Ein "unangenehmes" Thema ist Homosexualität für mich ganz sicher nicht. Mangelndes Interesse im Grunde auch nicht. Für mich ist Homosexualität einfach etwas völlig Natürliches und sollte entsprechend betrachtet werden. Wenn man es allerdings in Klassik-Foren thematisiert, in welchen es ja nun mal recht viele Menschen mit konservativer Gesinnung gibt (wozu ich ganz sicher nicht zähle), könnte es schnell problematisch werden. Es ist ja nun mal ein sensibles Thema. Zudem finde ich, dass etwas dadurch, dass man es in einem Thread thematisiert, an Bedeutung gewinnt. Weshalb sollte es aber von Bedeutung sein, ob nun jemand homosexuell ist oder nicht? Das erschließt sich mir nicht. Menschenrechte, sowie Tierrechte (aber das ist ein anderes Thema), sind mir sehr wichtig, daher ist das Thema "Gleichberechtigung" für mich schon immer ein wichtiges Thema gewesen. Ich meide das Thema also keinesfalls. Weiß nur nicht, ob' s in einem Klassikforum sinnvoll ist, dieses Thema anzuschneiden. Kann allerdings auch verstehen, dass Diskussionsbedarf besteht, ja. Hoffe nur, dass alles gut geht.

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    Hey, super Statement.

    Ich frage mich bei vielem, warum „man“ darüber überhaupt diskutiert; Yorick war es ein Anliegen, das ich goutierte. Und ich kann evtl. dazu beitragen.

    Zitat von Newbie69

    Weiß nur nicht, ob' s in einem Klassikforum sinnvoll ist, dieses Thema anzuschneiden.


    Mir - und nicht nur mir - ist klar: jeder Schnitt verursacht Schmerzen. Ich schneide - zugegebener Massen - gerne ins Fleisch. Gerade das absonderliche interessiert mich: das, worüber sonst niemand redet - oder sich zu reden getraut.

    Zitat

    Hoffe nur, dass alles gut geht.


    Warum sollte es das nicht?

  • Warum sollte es das nicht?


    Ich neige halt eher zum Pessimismus. *shame*:D Ja, im Grunde dürften die meisten - hier aktiven - Mitglieder über genügend Herzens- und Verstandesbildung verfügen, um eine vernünftige Diskussion zu ermöglichen.

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    Ein "unangenehmes" Thema ist Homosexualität für mich ganz sicher nicht. Mangelndes Interesse im Grunde auch nicht. Für mich ist Homosexualität einfach etwas völlig Natürliches und sollte entsprechend betrachtet werden.

    Für mich auch und trotzdem hat man mir früher immer mal wieder vorgeworfen, ich sei homophob, nur weil ich die Dinge beim Namen genannt habe. Denn seien wir ehrlich, die Toleranz unserer Gesellschaft ist nur eine scheinbare; trotz der allgegenwärtigen Präsenz der schwulen und lesbischen Themen in allen Medien, haben es eben diese Schwulen und Lesben nach wie vor schwer im richtigen Leben. Denn hinter vorgehaltener Hand werden die gleichen Vorbehalte laut wie ehedem, gerade bei uns auf dem Land. Ähnlich der ebenfalls allgegenwärtigen Übersexualisierung in unseren Medien, der interessanterweise ein eklatanter Rückschritt zu verklemmter Moral der Vor-68er gegenübersteht, beobachte auch ich eher eine wieder rigidere Rückwendung zu "traditionellen" Vorstellungen bei weiten Teilen der Bevölkerung. Hier im Osten auf dem platten Land gibt es keine bekennenden Schwulen, die ziehen nach wie vor in die anonyme Großstadt.

    Wenn man es allerdings in Klassik-Foren thematisiert, in welchen es ja nun mal recht viele Menschen mit konservativer Gesinnung gibt (wozu ich ganz sicher nicht zähle), könnte es schnell problematisch werden.

    Das stimmt wohl nicht mal mehr für Tamino, denn Altersstarrsinn und Dummheit werden gerne mit dem an sich wichtigen Konservatismus verwechselt, und erst recht nicht für Capriccio, wo der aufgeklärte Fortschrittsgedanke freilich noch seltsamere Blüten treibt; wo es wichtiger ist, wie antisemitisch ein Künstler sein darf, ob ostasiatische Musiker pauschal diskriminiert werden oder der Parsifal sexistisch ist.

    Zudem finde ich, dass etwas dadurch, dass man es in einem Thread thematisiert, an Bedeutung gewinnt. Weshalb sollte es aber von Bedeutung sein, ob nun jemand homosexuell ist oder nicht?

    An sich ist es nicht von Bedeutung, darum geht es hier ja auch nicht. Es geht um die Frage, ob schwule Männer ein intensiveres Verhältnis zur Klassischen Musik haben als beispielsweise Heteros. Nach meinen bisherigen Erfahrungswerten scheint das so zu sein. Ich finde das klasse und wüsste gerne mehr über die Gründe und Ausprägung.


    Ich neige halt eher zum Pessimismus. *shame* :D Ja, im Grunde dürften die meisten - hier aktiven - Mitglieder über genügend Herzens- und Verstandesbildung verfügen, um eine vernünftige Diskussion zu ermöglichen.


    Ja, ein frommer Wunsch in der Regel. Aber da hier der Boss selbst ein Freigeist ist, unsere Zahl aktiver Mitglieder überschaubar und das Moderatoren-Team sofort unbarmherzig eingreifen würde bei unangemessener Wortmeldung, sehe auch ich keine Gefahr. Freilich, bei Capriccio wäre so ein Thema nicht möglich ...

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    Mir - und nicht nur mir - ist klar: jeder Schnitt verursacht Schmerzen. Ich schneide - zugegebener Massen - gerne ins Fleisch. Gerade das absonderliche interessiert mich: das, worüber sonst niemand redet - oder sich zu reden getraut.

    Dass in unserer Gesellschaft über vieles nicht geredet wird, nicht geredet werden darf unter Verweis auf Diskriminierung etc., hat meines Erachtens seinen Grund darin, dass man die wirkliche Auseinandersetzung scheut. Das ist wie Magie: Worüber man nicht redet, das existiert nicht und es gibt keine Konflikte, zumindest nicht offiziell! Dass die Menschen verschieden sind und sich daraus Folgen ergeben, möchte man zu gerne leugnen.

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    Ein für mich absoluter Ausnahmekünstler ist beispielsweise Klaus Nomi, auch wenn die Klassische Musik jetzt nicht sein eigentliches Metier war. Ich sah einst eine Dokumentation über ihn und war sofort fasziniert.

  • Sehr interessanter Diskussionspunkt. Ich ergänze mal noch Michelangelo, vermutlich Leonardo da Vinci (Raffael tanzt aus der Reihe), ...
    Kreativität, um das mal zu sagen, setzt immer eine Bereitschaft und Fähigkeit zur Grenzüberschreitung voraus. Die Fähigkeit Ungewöhnliches, Ungesehenes, Unerhörtes zu wagen. Ist vielleicht banal, aber in einer Gesellschaft, in der Homosexualität von jeher gebannt war, haben die homosexuell Orientierten zumindest den einen Vorteil, dass Grenzüberschreitungen für sie schon immer vorstellbar gewesen sind. Was liegt näher als sie in einem gesellschaftlich tolerierten Bereich auszuleben.

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    Ich ergänze mal noch Michelangelo, vermutlich Leonardo da Vinci (Raffael tanzt aus der Reihe)


    Komponisten (um die geht es mal in erster Linie): Britten, Bernstein, Poulenc, Cage, Lully, Copland, Tschaikowsky, Barber; eher umstritten: Schubert. Aber natürlich kann man auch frei den Bogen zu allen anderen Künsten schlagen; vermutlich werden wir das sogar müssen, wie sich sogleich zeigen wird.

    Da stellt sich dann gleich mal die Frage: kann man bewusst „schwul“ komponieren (um es zu erschweren: rein instrumental, ohne Gesang, ohne Darstellung) und wenn ja, was ich meine, kann man es hören? Bei Texten und anderen bildenden Künsten kann der Künstler es deutlich erkennbar herausarbeiten, doch wie müsste ein Komponist vorgehen, ohne z.B. ein typisches (bekanntes) Lied zu zitieren?

    dass Grenzüberschreitungen für sie schon immer vorstellbar gewesen sind. Was liegt näher als sie in einem gesellschaftlich tolerierten Bereich auszuleben.


    Ja, dem würde ich zustimmen. Das ist sicher einer von unzähligen Faktoren. Doch nicht jede homosexuelle Person hat gleich automatisch eine künstlerische Ader ... und nicht jeder Künstler ist automatisch mit dem Boot da.

  • Das ist sicher einer von unzähligen Faktoren. Doch nicht jede homosexuelle Person hat gleich automatisch eine künstlerische Ader ... und nicht jeder Künstler


    Es könnte eben ein Faktor sein und insofern steht die Kunst natürlich allen Menschen offen und interessiert ja im Übrigen auch alle Menschen, die um Überlebenskampf noch ein bisschen Zeit übrig behalten, also Produktion und Rezeption. Mozart, der vermutlich nicht schwul war, hat in seinen Opern neben eindeutig orientierten auch ambivalente Charaktere untergebracht. Ihm waren Grenzüberschreitungen in vielerlei Hinsicht genauso wenig fremd, wie den anderen genannten Künstlern.

    kann man bewusst „schwul“ komponieren (um es zu erschweren: rein instrumental, ohne Gesang, ohne Darstellung) und wenn ja, was ich meine, kann man es hören?


    Fällt mir extrem schwer, mir das vorzustellen und vor allem. Die genannten Komponisten haben ja nicht für eine schwule Community komponiert, das war bestimmt nicht ihre Absicht. Warum sollten sie ein Interesse daran gehabt haben, bewusst schwul zu komponieren. Heute gibt es natürlich viel ausgeprägtere und leichter zugängliche Communities und da könnte der zeitgenössische Komponist auf die Idee kommen eigens für die zu arbeiten, nur würde er sich dann vermutlich nicht im klassischen Genre bewegen. Im Bereich 60er Jahre Underground dürfte man da fündig werden. Zappa, der in jeder Hinsicht ein Grenzgänger war, hat das Thema auf jeden Fall bearbeitet, aber mir fällt jetzt auch von ihm nichts rein Instrumentales ein, bei dem das Thema der sexuellen Orientierung zum Ausdruck kommen würde.
    Wenn man nach dem Titel geht, wäre G-Spot Tornado von Zappa
    ja wohl hetero,
    wie steht es mit "Love Story" aus Boulez conducts Zappa?

    Ich finde da wenig Anhaltspunkte.
    *hä*

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    Leonard Bernstein war definitiv bi und nicht homosexuell....


    Das stimmt natürlich; ich hatte auch überlegt, dies weiter zu differenzieren, aber das würde m. E. zu weit (vom Thema weg-) führen; ich finde, er ist hier dennoch gut aufgehoben.
    *yes*

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    Fällt mir extrem schwer, mir das vorzustellen und vor allem. Die genannten Komponisten haben ja nicht für eine schwule Community komponiert, das war bestimmt nicht ihre Absicht. Warum sollten sie ein Interesse daran gehabt haben, bewusst schwul zu komponieren.


    Stimmt; und: weil es ihnen gayfällt? Sagen wir mal so: es wird ja - natürlich nicht fachwissenschaftlich, aber im allgemeinen Hörerusus - zwischen weiblicher und männlicher Musik durchaus gelegentlich unterschieden (Friedrich II. wurde mitunter als „Weibischer Querpfeifer und Poet“ betitelt - seine Musik ist folglich weibisch). Folglich müsste man - zumindest in der Theorie - auch homosexuelle Musik entsprechend einordnen können.

    Die Beobachtung hierzu geht zwar nicht vom Komponisten als Sender aus, sondern vom Empfänger - aber der zumindest müsste die entsprechende Antenne haben; zugegeben: etwas arg theoretisch. Klassikhörer sind ja nach allgemeiner Meinung ohnehin alle schwul - Klassische Musik per se auch. So what ...