Für mich bitte etwas Leichtes! Operette – Kunst oder Kitsch?

  • Für viele Liebhaber/innen klassischer Musik ist die Operette etwas, das man nicht einmal von der Seite ansieht. Ich hingegen liebe dieses Genre. Die Operette hat mir das Tor zur klassischen Musik geöffnet. Durch die Operette wurde ich auf Sängerinnen und Sänger aufmerksam, öffnete mich der Oper und, auch wenn es schwer glaubhaft scheint, auch der Sinfonik.

    Es gibt Musikliebhaber, die nur mit der französischen Operette etwas anfangen können, da sie diese weniger kitschig und musikalisch anspruchsvoller empfinden. Dem möchte ich gar nicht widersprechen, denn auch mir gefällt „La belle Hélène“.

    Die Operetten von Gilbert und Sullivan werden sicher auch von vielen Liebhabern verehrt. Da ich diese Operetten aber noch nie hörte, kann ich mich dazu nicht äußern.

    Die Operetten der goldenen und silbernen Operettenära sind nach wie vor meine Favoriten. Den Vorwurf, dass die Operetteninhalte häufig kitschig sind, nehme ich gern hin, denn er ist nicht wirklich widerlegbar. :D

    Kitsch, hin oder her, ich liebe Operetten.

    Warum?

    Einerseits sind es die ins Ohr gehenden Lieder, die eingehenden Melodien, die mich aus so manchem Tief reißen können, anderseits die einfachen, seichten Inhalte. Ja, es sind auch die kitschigen Inhalte, die mir gefallen. Das Leben ist kompliziert genug, da tut es manchmal gut, einfach ein Ende-gut-alles-gut zu sehen (ich lasse jetzt mal die wenigen Operetten, in denen dies nicht der Fall ist, außen vor.)

    Für mich ist die Operette ein Schlüssel zur musikalischen Kunst gewesen. Ich liebe und verehre sie aus diesem Grund ganz besonders.

    Die Bezeichnung Kitsch ist sicherlich eine Frage der Definition und ich denke nicht, dass ich einer ausgewachsenen Diskussion über diese Frage gewachsen wäre, aber ich denke, etwas Kitsch ist selbst dem ausgefeiltesten Kunstexperten manchmal ein Labsal.

    Meine Frage an Euch:

    Hört Ihr Operetten und wenn ja warum?

    Sind sie für Euch eine Art Lückenfüller oder echter Kunstgenuss?

    LG

    Maggie

    Annere Tiden - annere Lüden - annner Bedüden. (Fritz Reuter - Montecchi un Capuletti)

  • Liebe Maggie,

    ich freue mich hier im neuen Forum zu sein und in dir eine Operettenliebhaberin zu finden.

    Die Operette ist wieder aktueller geworden in den letzten Jahren, man findet sie wieder häufiger auf dem Spielplan und das ist gut so. Es gibt viele Menschen, denen ist die Oper zu schwer, zu dramatisch, sie verstehen den Text nicht, es sei denn, sie sind echte Opernfreunde. Gerade in der heutigen Zeit möchte man gerne etwas leichteres, lustigeres hören, Lieder, die man versteht und an denen man sich erfreuen kann. Sie sind abwechslungsreich, es wird getanzt, es gibt Dialoge und jede Menge Humor.

    Ob man eine Operette als kitschig bezeichnet, bleibt jedem selber überlassen, doch Musik empfinde ich nicht als Kitsch, egal welche, es kommt immer darauf an was ich gerne höre.

    Es gibt unvergessliche Melodien die zu Herzen gehen und jede Operette hat so ein Highlight. Ein Leben ohne die Operette wäre für mich sehr öde, sie hat mein Leben geprägt und ich bin stolz darauf.

    Liebe Grüße

    musica :wink:

  • Hallo!

    Für mich ist Operette diskussionslos Kunst...Sicherlich ist das Genre der Operette in Bezug auf ihr Ansehen in der "breiten Öffentlichkeit" schon besser da gestanden, auch das Interesse bzw. die Anzahl der Neuinszenierungen könnte mMn besser sein...
    Nichtdestotrotz sind die Werke von Johann Strauß, Franz Lehar, Carl Millöcker, Carl Zeller und meinem persönlichen Favoriten Franz von Suppé, Werke die mein musikalisches Leben seit Beginn an begleiteten und auch weiter begleiten.

    Leider ist "die goldene Zeit" der Operette inzwischen wieder vorbei, viel zu selten wird Operette ernst genommen - ein gewisser Herr Wunderbar tut zwar so als nähme er das Genre ernst aber...[schweigen wir besser darüber].

    Würden sich ein paar "große" der Musikszene vermehrt der Operette zuwenden, würde sie sicherlich einen erneuten Aufschwung erleben.

    LG Joschi

    Ich bin ich! Und wär ichs nicht, so möcht ichs werden!
    [Errol Flynn in einem Film über mich...;) ]

  • Hallo Joschi,

    schön, dich hier zu sehen.

    In vielen Häusern gehört auch heute noch die Operette zum Repertoire und ich habe den Eindruck, sie kommt wieder mehr. Doch wenn sie inszeniert werden wie kürzlich in Frankfurt....naja, wem es gefällt, mir auf jeden Fall nicht.

    Eigentlich sind es die klassischen Operetten, die immer noch oder wieder zur Aufführung gelangen mit ihren wunderschönen Melodien, die manchmal traurig stimmen, (Zarewitsch oder Land des Lächelns) manchmal feurig wie die ungarischen Operetten, die das Publikum mitreissen.

    musica :wink:

  • Hi musica!

    Mit ungarischen Operetten meinst du doch sicher Stücke wie "Gräfin Mariza" oder den "Zigeunerbaron", die in Ungarn spielen, oder???

    Interessant zu sehen ist allerdings die Tatsache, dass fast ausschließlich die "Wiener Operette" gespielt wird (Lehar, Strauß, Suppé ua) und kaum die Berliner Operette (Künnecke ua)??

    Oder täusche ich mich mit dieser These???

    Ich bin ich! Und wär ichs nicht, so möcht ichs werden!
    [Errol Flynn in einem Film über mich...;) ]

  • Ja, ich meine die Operetten, vorwiegend Kálmán:

    Csárdásfürstin
    Gräfin Mariza
    Zigeunerprimas

    Aber auch der Zigeunerbaron von Strauß, die ungarische Hochzeit von Dostal, Venus in Seide, Stolz uww.

    Du hast recht, die Berliner Operette, die so viel spritzige Melodien hat, steht selten auf dem Programm, sie gehen schon fast mehr in den Musicalbereich, es sind die Operetten, die nach 1900 geschrieben wurden, so Lincke, Kollo.

    musica :wink:

  • Eine nette Geschichte zum Thema Berliner Operette (selber erlebt)

    Eine Diskussion in der Wiener VO "Der Graf von Luxemburg" war grad dran. Pause.
    Diskussion über Operetten im Allgemeinen. Eine Gruppe diskutiert über den sehr, sehr deutsch singenden (mit leicht norddeutschem Akzent) Baron. Und ich wendete ein, dass der Sänger (ich weiß den Namen leider nicht mehr), mit diesem Akzent eher Berliner Operette singen könnte, da fiele das nicht so auf und ich fänds toll wenn man mal Künnecke in Wien hören würden.

    Worauf mich die Gruppe anschaut - sehr fragend - bis einer daraus sagt: "Dieses Postmoderne Zeugs brauch ma owa net a no in Wean" :thumbup:

    Ich bin ich! Und wär ichs nicht, so möcht ichs werden!
    [Errol Flynn in einem Film über mich...;) ]

  • Ja, so kann es gehen. Ich bin der Meinung, wenn eine Rolle den Charakter eines bestimmten Ortes darstellt, sollte er auch den Dialekt sprechen können. Da wäre z.B. Oberst Ollendorf, der sächsische Kerkermeister Enterich aus dem Bettelstudent, die Adele in der Fledermaus (wurde ihn Wien beanstandet, da sie nicht wienerisch sprechen konnte), Gieseke, der Berliner im weißen Rössl, sowie Siegismund, als Beispiele. Es klingt sonst unglaubwürdig.

    Das ist eben, was ein Sänger eine Sängerin in der Operette können muss, nicht nur singen, sondern auch sprechen. Ich habe einmal die Vroni gesungen und gespielt und es fiel mir sehr schwer, den Salzburger Dialekt zu sprechen, aber da musste ich durch, genau so musste ich lernen, wie man in dieser Region tanzt, mit Lederhosen und Dirndl.

    musica :wink:

  • Man kann es aber mit dem Dialektsprechen auch übertreiben:

    Hier wird praktisch alles in furchtbar klingenden Pseudolustigostblock-Dialekt gesprochen und teilweise auch gesungen. Und das obwohl man in Paris sein sollte...;)
    Für mich mutet das nach "Mit aller gewalt albern" sein an - solche Aufnahmen tun dem Genre nicht gut, obwohl hier erstklassige Protagonisten am Werk wären...Schade drum

    lg

    Ich bin ich! Und wär ichs nicht, so möcht ichs werden!
    [Errol Flynn in einem Film über mich...;) ]

  • Ja, dann kommt es auf die Inszenierung an, aber da dies ja nur eine Studioaufnahme ist, wollte man vielleicht damit das Flair von Paris ein wenig näher bringen, was dann nicht gelungen ist. Allerdings ist die Sprache in dieser Operette, wenn sie auch in Paris spielt, hochdeutsch.

    Manchmal wundert man sich, was solche wunderbaren Sänger mit sich machen ließen.

    musica :wink:

  • Worauf mich die Gruppe anschaut - sehr fragend - bis einer daraus sagt: Dieses Postmoderne Zeugs brauch ma owa net a no in Wean" :thumbup:

    Also das sehe ich natürlich genauso. *flöt*

    Natürlich ist Berliner Operette postmodern, siehe "Frau Luna". *lol* Mondlandungen sind auch heute noch sehr futuristisch. *yes*

    Liebe Musica, lieber Joschi,

    ich freue mich, Euch hier zu lesen.

    LG

    Maggie

    Annere Tiden - annere Lüden - annner Bedüden. (Fritz Reuter - Montecchi un Capuletti)

  • Hätte Lincke damals schon gewußt, dass eine Landung auf dem Mond Wirklichkeit wird, sähe das Bühnenbild heute sicher anders aus. *yes*

    musica :wink:

  • Hallo miteinander,
    ich finde Operette hat ihre Daseinsberechtigung.
    Leider steht sie nicht mehr viel auf den Spielplänen der Häuser.
    Liegt es an Mangel von Sängern oder an Dessinteresse des Publikums?
    Santuzza

  • Die lustige Witwe
    Franz Lehár | Operette in drei Akten
    Premiere 23. Dezember 2011 | Großes Haus
    Staaatstheater Darmstadt

    *yepp* vielleicht treffen wir uns dort ...

    „Über Musik kann man am besten mit Bankdirektoren reden. Künstler reden ja nur übers Geld.“

    • Offizieller Beitrag

    Hallo miteinander,
    ich finde Operette hat ihre Daseinsberechtigung.
    Leider steht sie nicht mehr viel auf den Spielplänen der Häuser.
    Liegt es an Mangel von Sängern oder an Dessinteresse des Publikums?
    Santuzza

    Eine berechtigte Frage wäre es tatsächlich, worin sich die Operette von der Oper dermaßen unterscheidet, daß sich geschmacklich die Geister scheiden?

    *hä*

  • Operette ist leichte Unterhaltung, im Gegensatz zur Oper enthält sie Texte, die es den Zuhörern leichter machen, den Inhalt, der meistens in deutscher Sprache ist, zu verstehen. Die Handlung ist leichter, die Melodien der Hauptaktuere sind zwar anspruchsvoll, aber mit Opernarien nicht zu vergleichen, die der Bufforollen lustig und fast immer geht sie gut aus. Ich kenne keine Operette, in der am Schluss jemand stirbt, zwar gibt es nicht immer ein Happyend, doch das ist nicht die Regel.

    Die deutschsprachigen Opern, wenn es nicht gerade Wagner ist, sind mit Operetten vergleichbarer, jedoch in der Musik anspruchsvoller.

    Vielleicht wollen die Zuhörer von Opern lieber Tragik sehen? Die Musik wird schwermütiger, es ist abzusehen, dass etwas passiert, zumindest, wenn man die Oper das erste Mal sieht. Es ist ja alles soooo traurig, Tränen fließen...

    Doch die Operette steht heute wieder im Programm vieler Opernhäuser. Ich habe letzt einen Satz von einer Besucherin unseres Operettenkonzertes gehört, sie sagte: "es gibt so viel Elend, Unglück auf der Welt", da möchte man doch wenigstens mal etwas zum Lachen, Entspannen, Leichtes sehen und hören".

    Natürlich können die Opernhäuser jede Operette besetzen, doch nicht jeder Opernstar gibt sich dafür her. Meistens wird hier der Nachwuchs eingesetzt, was ich völlig ok finde.

    Da stellt sich mir die Frage, warum wird so wenig deutschsprachige Oper gespielt? Wenn deutschsprachig, dann werden sie mit schlecht sprechenden ausländischen Sängern besetzt....

    musica :wink:

  • Zitat von Musica

    Da stellt sich mir die Frage, warum wird so wenig deutschsprachige Oper gespielt? Wenn deutschsprachig, dann werden sie mit schlecht sprechenden ausländischen Sängern besetzt....

    Vielleicht einfach deswegen, weil es eben immer weniger gut ausgebildete deutschsprachige Sängerinnen und Sänger gibt oder auch Ausländer, die deutsch adäquat (aus-)sprechen. Vielleicht wäre es für junge deutsche Sänger/Innen sogar eine Marktlücke, sich auf Operette zu spezialisieren? Sängerisch sind viele der Partien ja auch sehr anspruchsvoll - ich denke nur an die Fledermaus - und müssen sich hinter der Oper keineswegs verstecken.

    Ich glaube, der Operette haftet in den Augen vieler ein etwas verstaubtes, "biederes" Image an. Sicher auch durch Unkenntnis, beschäftigt man sich einmal näher mit dem Thema (wozu ich neben dem Beruf und dem Singen leider zu wenig Zeit habe), so entdeckt man doch sehr viele spannende Facetten.

    Ich habe den Zugang zur Operette über das Singen gefunden und möchte sie mittlerweile nicht mehr missen. Allerdings möchte ich (sowohl als Zuhörerin als auch als Sängerin) die Abwechslung und singe eine Rosalinde beispielsweise ebenso gerne wie eine Mimí.

    Liebe Grüße

    Vitellia

    • Offizieller Beitrag

    Operette ist leichte Unterhaltung, im Gegensatz zur Oper enthält sie Texte, die es den Zuhörern leichter machen, den Inhalt, der meistens in deutscher Sprache ist, zu verstehen. Die Handlung ist leichter, die Melodien der Hauptaktuere sind zwar anspruchsvoll, aber mit Opernarien nicht zu vergleichen, die der Bufforollen lustig und fast immer geht sie gut aus. Ich kenne keine Operette, in der am Schluss jemand stirbt, zwar gibt es nicht immer ein Happyend, doch das ist nicht die Regel.

    Beruhigend, daß ausgerechnet Du das schon so schreibst. Jetzt darf ich dann auch ^^ - Für mich ist Operette eine Light-Form der Oper, vielleicht sogar Oper Zero. Dabei bedeutet Operette ja nun mal originär nichts anderes als kleine Oper, worin ja durchaus eine kleine (wohl bewußte) Abwertung im Wort liegt. Auch Mozarts Bastien & Bastienne ist als Operette ausgegeben worden - natürlich haben wir heute einen anderen Genre-Begriff definiert. Aber letztlich treffen all die Aussagen Deiner Konzertbesucherin eben auch schon auf Mozarts Frühwerk hin: Lachen, Entspannen, Leichtes sehen und hören. B&B ist in der Tat wenig anspruchsvoll - um nicht zu sagen: langweilig, wenn man es mit Bübchen und Mädchen in Rokoko-Kostümen präsentiert. Daß es auch ganz anders geht, zeigt die zuvor verlinkte DVD!

    Nun ist ja das Klassik-, insbesondere Opernpublikum an sich schon sehr beengt; da wundert es kaum, wenn dann noch eine Nische wie die Operette eher wenig geschätzt wird. Ganz klar ist wohl auch, daß die eingefleischte Opernfreaks (die sich für was besseres halten) sich Operetten als minderwertige Soaps nicht antun (wollen). Mein musikalischer Geschmack ist das auch eher nicht, interessanter hätte ich es gefunden, wenn Gustav Mahler Oper(ette)n komponiert hätte (an Opern hat er imo gearbeitet: Rübezahl und Die Argonauten - beide hätten mich brennend interessiert). Zeitlich wäre das gerade noch zu Überschneidungen mit den allbekannten Operettenkomponisten gekommen...

    :wink:

  • Was es noch zu unterscheiden gibt: Operette und musikalisches Lustspiel, wobei letzteres nicht so anspruchsvoll ist in den Melodien und oft von Schlagersängern interpretiert wurde und... heute nicht mehr so.... wird. Dazu gehören u.a. "Im weißen Rössl", "Saison in Salzburg", "das kleine Hofkonzert", "die Geisha" und viele andere.

    Ja, und es stimmt, Mozarts "kleine Opern", wie ich sie mal nenne, passen gut ins Genre der Operette und sie sind wichtig für angehende Opernsänger, die an den Hochschulen oft diese Opern singen "müssen". Dazu gehört auch "Die Gärtnerin aus Liebe" und der Schauspieldirektor.

    musica :wink:

    • Offizieller Beitrag

    Dazu gehört auch "Die Gärtnerin aus Liebe" und der Schauspieldirektor.

    Die Gärtnerin ist ja nun aber original italienisch: La finta Giardiniera und mit ihren 3 Stunden Dauer auch nicht eben klein, schon gar nicht besonders leichtfüßig, sondern eher schwerfällig und langatmig; einige Nummern hingegen sind von ungetrübter Schönheit, kein Zweifel.

    Der Schauspieldirektor würde der (heutigen) Operette schon eher nahe stehen, er ist eine Komödie mit Musik, bei der allerdings (wie der Subtext anzeigt) der gesprochene Text quantitativ im Vordergrund steht, der übrigens historisch sehr interessant und - davon abgesehen - amüsant ist.

    :wink: