Bachs Orgelwerke auf dem Pedalcembalo: Einspielungen

    • Offizieller Beitrag

    Ob überhaupt und falls ja: welche Werke Bach für das Pedalcembalo konzipierte, ist stark umstritten; explizit m. W. wohl nicht eines. Während seiner Konzerte im Zimmermannschen Caféhaus stand jedenfalls ein Pedalcembalo von Zacharias Hildebrandt zur Verfügung und dies wurde bei den Konzerten auch regelmäßig eingesetzt. Offenbar hat kein originales Pedalcembalo (resp. ein entsprechender Unterbau) die Zeiten überlebt, so daß ein Nachbau nach einem Vorbild offenbar nicht möglich ist und das Experimentieren für heutige Clavier- und Cembalobauer vor neuem begann ... (wobei: die Hammerflügelbauer werden bei den Pedalcembali Anregungen gefunden haben; insofern kann man heute den Spieß umdrehen).


    Es gab wohl verschiedene Bauweisen, oftmals wurde der Pedal-Unterbau nachträglich hergestellt und entsprechend auf das Manual-Instrument individuell angepasst. Bereits das Clavichord wurde zu Übungszwecken für Organisten um einen Pedalteil erweitert; eine erste Erwähnung eines Pedalclavichords wird mit A.D. 1460 angegeben.


    Sinn und Zweck der „Erfindung" des Pedalclaviers im Allgemeinen war es wohl, Organisten eine Übe-Möglichkeit zu geben, ohne krankheits- und todesmutig arsch arg kalte Kirchen heimsuchen zu müssen. Eine Alternative waren reine Übe-Pedale, die keine Verbindung zu einem klangerzeugenden Objekt hatten; man konnte somit nur stumm die Technik einstudieren; ich besaß ein solches Teil dereinst ... im Prinzip waren das normale Orgelpedale, die von ihrer Mutter getrennt waren. Bei Bach persönlich gehe ich allerdings davon aus, daß er als Kantor/Organist täglich mit seiner Orgel beschäftigt war und solch ein Pedalcembalo nicht separat benötigte, zumal viele Orgeln dieser Zeit m. W. ohnehin nicht über Pedale verfügten ...


    Auch die späteren Hammerclavierbauer befassten sich mit dem Pedalunterbau; Mozart beispielweise soll so einen Unterbau für seinen Walter-Flügel besessen haben - es wird berichtet, daß er in Konzerten darauf fantasierte, frei improvisierte; auch hier: ein explizit für solch ein Instrument komponiertes Werk ist nicht überliefert (KV 466 gibt im originalen Notentext ggfs. einen Hinweis, aber dies muß an dieser Stelle nicht vertieft werden). Erst Robert Schumann und Franz Liszt (vor ihnen der weniger bekannte Boëly) komponierten eigens Werke für Pedalflügel.


    Wie dem auch sei, als Übe-Instrument wurde es allgemein (von Bach?) verwendet und wenn es bei Konzerten zur Verfügung stand, wird Bach darauf ebenfalls improvisiert und/oder das eine oder andere Orgelwerk dargeboten haben. Insofern haben Einspielungen und Darbietungen von Orgelwerken auf dem Pedalcembalo m. E. eine absolute Berechtigung (und mir persönlich ist das klanglich sogar lieber).


    Quellen:
    http://jc-neupert.de/de/node/26
    https://de.wikipedia.org/wiki/Pedalklavier

  • zumal viele Orgeln dieser Zeit m. W. ohnehin nicht über Pedale verfügten ...

    Ich weiß nicht - in einer größeren Stadt wie Leipzig hatten die Ogeln der Hauptkirchen bestimmt alle Pedale. Bach hatte auch immer Pedale eingeschlossen, wenn er einen Orgel-Neubau oder eine Orgel-Erweiterung skizzierte (das kam einige Male in seiner Karriere als Organist bzw. Kantor vor). Bach war ohnehin als Orgelvirtuose bekannt - wenn er ein Pedalcembalo nicht brauchte, dann wohl deswegen, daß er häufig in den Kirchen Leipzigs an der Orgel saß und regelmäßig spielte. Doch ob er wirklich keins hatte, ist - soweit ich weiß - nicht mit Sicherheit bekannt.


    Es gibt tatsächlich zwei Bauarten solcher Instrumente: die erste hatte nur die Pedalmechanik, die an die Saiten im Cembalokorpus angeschlossen war, und die zweite hatte einen eigenen Korpus für die Pedalmechanik. Letzteres kann man hier auf dem Cover von Beauséjours Einspielung sehen:



    Der untere Korpus steht offen und zeigt die Saiten inne drin. Er ist separat gebaut worden für das Cembalo darüber.

    • Offizieller Beitrag

    Der untere Korpus steht offen und zeigt die Saiten inne drin. Er ist separat gebaut worden für das Cembalo darüber.


    Beauséjour bespielt ein Cembalo von Yves Beaupré, 1998, Modell Hemsch & Blanchet, dazu auf einem von Yves Beaupré 2009 entwickelten Pédalier. Also: alles beau!


    Weitere spezifischere Angaben zum Pédalier enthält das Booklet leider nicht; offenbar aber ist es dem Constructeur gelungen, neben einem 8' auch ein 16' zum klingen zu bringen (was die optische Disposition allerdings nicht hergibt; 8' sind bereits knapp zweieinhalb Meter, die hier auch m. E. zu sehen sind). Wie er das gemacht hat, wird er als kleines Clavierbauergeheimnis behalten.


    ;)


    Die CD enthält:


    Toccata & Fuge d-moll BWV 565
    Präludien & Fugen g-moll BWV 535, G-Dur 541 & C-Dur 545
    Triosonate BWV 529
    Passacaille & Fuge c-moll BWV 582
    Choräle BWV 605, 638, 639, 642, 643, 645, 690, 731


    Wie a.a.O. erwähnt, empfinde ich manchmal, daß das Pedal die Mittelstimmen zudeckt und nicht mehr klar erkennen lässt; im Gegenzug trillern die Manualstimmen in der Fuge zu 582 den Klang des Pedals weg. Ansonsten aber empfinde ich das Klangbild als sehr angenehm und frisch, so daß dies derzeit meine meistgehörte (virtuelle) Platte ist.

  • J. S. Bach / Isolde Ahlgrimm / Kunst der Fuge (Anm.: ich führe diese ganz besondere Aufnahme hier auf, obwohl dieser Zyklus möglicherweise ursprünglich nicht der Orgel zugewiesen worden ist - falls das mit Blick auf das Threadthema problematisch sein sollte, bitte verschieben)


    Vielleicht eine der frühesten Vertreterinnen der sog. historisch informierten Aufführungspraxis, nämlich Isolde Ahlgrimm* (ich erinnere nur an ihre enge Zusammenarbeit mit NH in den 50er und 60er Jahren, die auch in diversen Aufnahmen dokumentiert ist, z.B. MO, CK bei Phillips, 1955) mit dieser ganz und gar aus dem Rahmen fallenden Aufnahme der "Kunst der Fuge" von J. S. Bach unter Verwendung eines Ammer-Pedalcembalos** (aufg. Wien, Mai 1967) - Pedal: Neupert.



    Das Klangbild, das hier erzeugt wird, stellt sich als überaus kernig und urwüchsig, besonders im Bass, zum Teil auch sehr voluminös dar. Nach meiner Auffassung ist das einer der entscheidenden Vorzüge dieser Aufnahme. Man sollte hinzufügen, dass es sich hierbei um ein Instrument in Non-Rastenbauweise handelt, das an historische Vorbilder angelehnt ist (Befürchtungen hinsichtlich einer Klangästhetik à la Wanda Landowska sind also unbegründet). Sopran/Alt/Tenor/Bass sind deutlich voneinander zu unterscheiden, da wird nichts verdeckt oder überlagert. Der Instrumentalklang ist sehr direkt aufgenommen, was der Darstellung des polyphonen Stimmengeflechts sehr zugute kommt. Bisweilen hört man es scheppern und knarzen, wenn die Interpretin in die Tasten haut und die Möglichkeiten des Instruments dabei aufs Schönste ausschöpft.



    *
    Friederieke Resele, Cembalo II


    **
    2 Manuale FF-f3
    Manual I: 8', 4', Lautenzug
    Manual II: 8'


    Manualkoppel
    Pedal C-f1: 16', 8', 4'


  • J. S. Bach / Stefan Palm / Trios:


    AD 04/2001


    Zweimanualiges Cembalo, Martin Sassmann nach Pascal Tascin (1786); bei dem Pedal handelt es sich um eine Spezialanfertigung, die in ihrem Umfang einem gängigen Orgelpedal entspricht (Pedalkoppel incl.), Stimmung: a´ = 415 Hz, Temperatur: Neidhard 1729


    In dem Beiheft heißt es:


    Zitat

    Für die vorliegende Aufnahmewurde ein Pedalcembalo gewählt, nicht nur aus Gründen der historischen Überlieferung [Anm.: nicht ganz abwegig - Forkel/Griepenkerl], sondern auch angesichts der hervorragenden Darstellbarkeit der musikalischen Strukturen auf diesem Instrument.


    Stefan Palm, mit dreifachem Konzertexamen ausgestatteter Kirchenmusiker, breitet eine stimmlich sorgfältig gestaltete (Ober-, Mittel- und Baßstimme), sehr detailreiche, ornamentierte Klangfarbenpalette bei insgesamt eher ebenmäßigen Tempi aus (die Ecksätze: sehr belebt, die Mittelsätze: maßvoll schreitend aber nicht zu langsam - Tempokontraste sind also kein prägendes Merkmal dieser Aufnahme). Die drei Stimmen wirken klanglich jederzeit präsent, was wohl auch auf die exzellente Aufnahmetechnik zurückzuführen ist, die dem Interpreten zur Verfügung stand.


    Demnächst werde ich Power-Biggs im Vergleich hören.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn schon Klavier, dann so:


    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.


    :beatnik:


    Ich bewundere ja stets diesen vollen Körpereinsatz ... unabhängig davon, ob (Pedal-) Klavier, Clavichord, Cembalo, Hammerflügel oder Orgel ... :umfall:

    • Offizieller Beitrag

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.


    E. Power Biggs auf einem etwas nasalen Instrument; leider konnte ich nur eine derzeit nicht verfügbare LP finden. JD?


    Das „Instrument" klingt jedenfalls insgesamt evident homogener als das von Beauséjour verwendete ... vom Mrs.-Marple-Sound abgesehen:


    Toll! :jubel::jubel::jubel: (bei den Trillern in der Fuge hört man auch das Pedal ...). So sollte es sein!


  • Diese Privatveröffentlichung von Rosalinde Haas ist mir vor einiger Zeit aufgefallen. Die Interpretin bespielt ein in ihrem Wohnzimmer stehendes Sperrhake-Pedalcembalo (BWV-Nrn.: 542, 543, 548, 561, 582, 914).

  • Douglas Amrine spielt:



    Fantasie & Fuge BWV 542; Präludien & Fugen BWV 541 & 552; Passacaglia BWV 582; Toccata & Fuge BWV 538; Meine Seele erhebt den Herrn BWV 733


    (ich persönlich wünsche mir ja mal so einen richtigen Pedalklopper, wie BWV 540 / 1)


    Die Aufnahme kenne ich nicht - Teile des Beiheftes kann man auf eigene Gefahr bei bach-cantatas nachlesen.