01 - Sinfonien (integral): Einspielungen

  • Du redest von Dingen, die dir vertraut sind - aber das gilt wirklich nicht für jeden anderen Klassikhörer. Diese Trennung zwischen CD und DVD (also im Wesentlichen die Trennung von Musik und Film) ist so dermaßen zementiert (worden), daß sich eine Loslösung nie wirklich durchgesetzt hat. Das geht sogar soweit, daß viele Leute nie registriert haben, daß es die DVD-Audio gab. Oder daß sie ohne Weiteres nicht läuft.

    Die DVD-A ist das Konkurrenzprodukt zur SACD, und beide benötigten früher (um 2000) Extrageräte zum Abspielen - heutzutage hat es sich etwas relativiert, aber man muß schon genauer hinsehen, ob jeder Universal-Player SACD und/oder DVD-A abspielen kann. Außerdem ist ihr eigentlicher Vorteil die Wiedergabe hochauflösenden Material sowie von Mehrkanalton, nicht unbedingt von Stereo in CD-Qualität. Dafür braucht man mehr Boxen, einen speziellen Receiver und gute Ohren.

    Dazu kommt: im Rock/Pop-Bereich - der größte der drei Musik-Arten - sind Laufzeiten von mehr als 90 Minten für ein Werk sehr selten, und durch die häufige Songlänge von 3-5 Minuten ließen sich das gut auf zwei CDs verteilen. Zwar sieht es bei Klassik mit Opern usw. deutlich anders aus, doch ist sie eine Nische. Eine stabile zwar, aber eine Nische.

    Weiterer Punkt: die HighRes-Formate wie SACD und DVD-A sind für ein hochwertiges Klangsignal gedacht, was unter anderem ihre Vorteile für den Massenmarkt nicht interessant genug machte, weil im Rock/Pop viele Aufnahmen keine solche Qualität benötigen. Jedenfalls haben sich beide Formate nur in Nischen festsetzen können, wobei die SACD deutlich besser dasteht.

    Und hinzu kommt auch noch, daß viele Klassikhörer auch nicht unbedingt Mehrkanalton haben wollen, und so bleiben viele bei der CD, weil sie ihnen ausreicht. Und die Labels richten sich letztendlich, was der Kunde haben will - und deshalb ist die CD immer noch präsent.

    Klar paßt auf eine DVD-A deutlich mehr an Musik - immerhin mind. 7 h 20 Min. für eine DVD-5 im Stereo-LPCM-Modus (kann sogar deutlich höher ausfallen). Aber für welche Musik? Der komplette Ring paßt knapp auf einer DVD-9, aber sonst muß man schon sowas wie alle Symphonien Haydns nehmen, um die Grenzen nach oben zu rücken (schätzungsweise drei prallgefüllte DVD-9 wären nötig). Und wie gesagt: der Player muß das wiedergeben können.

    Ich verstehe nicht, warum sich das nicht durchsetzt?

    Verschiedene Interessen standen sich entgegen - der Kunde wollte nicht ein neues Format unterstützen, die Industrie wollte es nicht verschleudern. Zumal man Bedingungen ans Format knüpfte.

    Ich weiß, daß ich DVD-Video am PC erstellen und brennen kann - bei DVD-Audio bin ich mir nicht sicher, ob das geht. CDs brennen geht, SACDs nicht.

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    Doch jetzt reden wir über heutzutage:

    1. im Auto brauchst du eigentlich nur noch einen USB-Stick mit deiner Musik, um Musik zu hören - Laufwerke haben viele Radios nicht mehr, zumal sie häufig fest in den Konsolen verbaut sind
    2. die Bluray kann alle HighRes-Formate in Mehrkanalton spreichern - und jeder Player ist fähig, sie wiederzugeben (und dazu mit noch größerer Kapazität)

    Warum also alles auf einer DVD pressen? Gleich HighRes auf einer BD und dazu ein Stick mit MP3. Der Rest ist inzwischen nicht nötig.

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

    • Offizieller Beitrag

    Kennt einer von Euch beide Abbado-Zyklen und kann vergleichen?
    Ich besitze den neueren mit den Berlinern (und Luzerne) und war begeistert.

    Jetzt würde mich fast noch der alte Ansatz interessieren.

    • Offizieller Beitrag

    Da sind ja auch einige Dopplungen bei: 01 - Sinfonien: Gesamteinspielungen - Diskographie

    Ich selbst bevorzuge klar Luzern, habe da aber auch immer das Bild im Ohr über die DVDs.

    • Offizieller Beitrag

    Hubert Kraill, welcher Name mir bekannt vorkommt, mit dieser schönen Amazon-Rezension zu Bertinis Mahler-GA; deren zweiter Teil Bertini verhandelt:

    Zitat

    Die hier einmütig geäußerte ungeteilte Begeisterung kann ich nicht nachvollziehen, muß ich aber auch nicht. Die Bertini-Dirigate stechen unter anderen Aufnahmen (vulgo: dem "Rest" des mehr oder weniger stetig expandierenden Mahler-Aufnahmen-Universums, dessen Grenzen mir persönlich natürlich nicht bekannt sind) nicht hervor, nicht im Guten, nicht im Schlechten, sie sind unspektakulär, aber sie müssen nicht spektakulär sein, sie sind uninteressant, sie sollten wenigstens interessant sein, sie sind langweilig, Mahler darf keinesfalls langweilig sein, das gliche sonst etwa "Impressionismus in Grauschattierungen" oder auf geometrische Konturen reduzierte Barockmalerei (was vielleicht nicht ganz uninteressant ist…). Die Aufnahmen wirken schal, zerdehnt, überdehnt, ausgedünnt, ohne Spannung, ohne Verve, ohne Interesse des Dirigenten, der Interpreten, Musiker, Sänger (die leider viel zu früh verstorbene Lucia Popp hat eine tolle Stimme - aber das wiß' ma eh und das ist aber auch schon alles), zwar anwesend, aber nicht beteiligt. Sie lassen nicht aufhorchen, sie wirken einschläfernd. Und, das ist jetzt ganz schlimm, aber ich kann nicht anders, ich hatte oft den Eindruck, daß das Orchester schlicht überfordert ist, dem musikalischen Anspruch der Komposition (der jeweiligen Symphonie) nicht gewachsen ist. Aber ich kann mich auch täuschen.

    Wie komme ich auf "langweilig": Mein Eindruck von "Langeweile" ist dann gegeben, wenn eine kürzere Aufnahme länger wirkt, als eine längere, zum Beispiel: Maazel ist ja sicher niemanden bekannt als einer jener, die hysterisch Orchester durchhechelten, dennoch wirken die Maazel-Mahler-Dirigate nie langweilig, obwohl die wesentlich länger dauern (reine Spielzeit), als die Bertini-Mahler-Dirigate.

    Mein Anspruch ist nicht durch die Präferenz "breiter" oder "schlanker" Dirigate oder ähnlicher Kriterien akzentuiert: Walters Mahler ist ebenso meiner (Adorno haßte Walters Mahler), wie Horensteins oder Boulezs. Anders, aber immer irgendwie, vielleicht gerade noch, Mahler. Weshalb "irgendwie Mahler"? "In der Kunst ist jede neue Interpretation in dem Sinn eine kopernikanische Revolution, daß jede neue Interpretation ein neues Werk konstituiert, auch wenn das anders konstituierte Objekt bei der Transformation ebenso unverändert bleibt wie der Himmel." (Arthur C. Danto, "Die Verklärung des Gewöhnlichen", stw 957, p.192). Danto bezieht sich in diesem Kapitel über Interpretation und Identifikation (sowie in der Prämisse des Buchs) wesentlich auf ready-mades, kann aber auch auf musikalische Interpretationen umgebrochen werden, wenn die Normativität der Notation als Vorlage und deren Interpretation als ready-made betrachtet wird. Wenn (frei nach Danto) ein Kunstwerk eine Metapher darstellt, die Beschreibung einer Metapher nicht dieselbe Wirkung, nicht denselben Zweck hat, wie die Metapher selbst (Kunstwerke sind "intensional", sie lassen sich nicht durch Termini gleichen Bedeutungsumfangs ersetzen, oder anders und ganz einfach: "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile"), dann darf die Reproduktion eines Kunstwerks, diese als solche eigenes Kunstwerk seiend (bei Musikinterpretation, in darstellender Kunst), nicht zur Beschreibung dieser Metapher werden, sondern quasi zur Metapher der Metapher, oder besser (?) zur "Hypostasierung der Metapher". Zu Mahler: Ein Mahler-Dirigat soll mir nicht den Eindruck vermitteln, die akustische Wiedergabe Mahlers Musik zu sein, sondern mich (u.a.) in einer mentalen Zeitreise in's Fin-de-Siècle Wiens entführen (frei und kurz nach Goodman: Kunst ist Welterzeugung, ähnlich verkürzt Heidegger: Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit des Seienden: "Was das Zeug sei, ließen wir uns durch ein Werk sagen. Dadurch kam, gleichsam unter der Hand, an den Tag, was im Werk am Werk ist: die Eröffnung des Seienden in seinem Sein: das Geschehnis der Wahrheit." (GA05/27), - wobei das hergestellte Zeug, also die Einheit von Form und Stoff des Dings zur Dienlichkeit, bei Musik meiner Ansicht nach nur die Noten sein können…). Die "Zone der Unbestimmtheit" (Adorno, "Zu einer Theorie der musikalischen Reproduktion") zwischen Notation und Interpretation sollte mehr bieten, als das Werk wiedererkennbar zu machen (die primäre Funktion der Notation nach Goodman, "Sprachen der Kunst"). Das ist mein Anspruch. Es gibt Aufnahmen, die das können, dieses "Mehr" bieten, Bertinis gehört leider nicht dazu.

    Und weil es mich ganz besonders stört: Die Aufteilung der Symphonien auf die CDs wirkt auf mich frozzelnd grotesk.

    • Offizieller Beitrag
    Yorick
    30. Juni 2021 um 11:03

    Ich bin noch nicht sicher, welche Lücke man mit dieser Veröffentlichung schließen möchte.

    Die Skepsis gegenüber Dudamel als Maler-Exegeten ist meinen eigenen Vorbehalten geschuldet, von Haitink gab es schon vorher tolle Einspielungen, Rattle ist eine Bank — aber verstanden habe ich noch nicht, warum ich mir die CDs kaufen soll.

    Kannst Du Dir schon ein Bild machen, was diese Box ausmacht, Yorick?

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    Das kann dann nur die Lücke im Geldbeutel der Berliner Philharmoniker sein; deren Editionen sämtlich viel zu teuer sind und keinesfalls das Geld lohnen. Dennoch eine interessante Mischung von fünf der derzeit angesagtesten "Jung"dirigenten mit Urgesteinen der Gattung. Aber für das Geld ganz sicher nicht.

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    Das kann dann nur die Lücke ist es dennoch eine interessante Mischung von fünf der derzeit angesagtesten "Jung"dirigenten mit Urgesteinen der Gattung. Aber für das Geld, ganz sicher nicht.

    Wem Deutsch ist das? :wacko:

    • Offizieller Beitrag

    Das kann dann nur die Lücke ist es dennoch eine interessante Mischung von fünf der derzeit angesagtesten "Jung"dirigenten mit Urgesteinen der Gattung. Aber für das Geld, ganz sicher nicht.

    Wem Deutsch ist das? :wacko:

    Das hatte ich seit der Umstellung schon oft, dass das System Satzteile frisst.

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)