Cantiones Sacrae waren um 1600 eine gebräuchliche Form der geistlichen Musik. Der heute noch bekannteste Komponist für diese Art Musik war sicher Giovanni Gabrieli, der mit seiner Kunst in der Tradition der venizianischen Mehrchörigkeit einen großen Einfluss auf Komponisten jenseits der Alpen ausübte. Auch Komponisten aus Deutschland reisten nach Italien, um von ihm zu lernen. Aber, wie Melchior Vulpius zeigte, musste man nicht nach Venedig reisen, sondern konnte auch in Sachsen oder Thüringen Gabrielis Vorbild nacheifern.
In der Bibliothek der 1561 gegründeten städtischen Cantorey-Fraternität Waldheim hat sich ein Querschnitt von Musikdrucken - auch Werken von Vulpius - des 17. Jahrhunderts erhalten; dieses musikalische Erbe wird seit 2002 erforscht und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Ein erstes Ergebis dieser Bemühungen zeigt sich in einem Projekt zur Einspielung der Cantiones Sacrae von Melchior Vulpius: Der thüringische Gabrieli - Melchior Vulpius
ZitatDer Waldheimer Cantor René Michael Röder und die Capella Daleminzia realisieren seit 2014 die Gesamteinspielung der "Cantiones Sacrae 1 - 3" sowie des "Magnificat" aus der Feder des thüringischen Komponisten Melchior Vulpius, die als kostbare Originaldrucke in der Waldheimer Kantoreibibliothek überliefert worden sind. Damit liegen die zentralen Werke dieses bedeutenden nachreformatorischen Komponisten teilweise in Weltersteinspielungen auf CD vor und füllen eine wesentliche Lücke bei der Erschließung des mitteldeutschen Musikrepertoires im 17. Jahrhundert.
Aus der Werbung vom Label Querstand im Booklet der ersten Doppel-CD der Gesamteinspielungen: Cantiones Sacrae 1 - 3, Magnificat
René Michael Schröder schreibt im Booklet der Aufnahme dazu:
ZitatCantio sacra (lat.: geistlicher Gesang) ist in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der gebräuchlichste Name für lateinische Motetten. Latein blieb als kirchliche Hochsprache auch nach der Reformation durchaus üblich. Lediglich Predigt und Gemeindelieder waren in Deutsch. Vulpius' deutschsprachige Kompositionen sind zum einen für die Dorfkirchenchöre bestimmte Evangelienspruchmotetten, zum anderen Kantionalsätze zu Kirchengesängen.
Vulpius verfolge mit der Erarbeitung einer Motette für den Gebrauch im Sonntagsgottesdienst sowohl künstlerische als auch pädagogische Zwecke für Sprache und musikpraktische Umsetzung. Erfindungsreichtum und Sauberkeit der Ausarbeitung seien in den Cantiones Sacrae geradezu beispielhaft.
ZitatFür sein Selbstverständnis als Komponist und zugleich für seine aufgrund von mindestens 10 Kindern notwendige Sorge um finanzielle Absicherung zeugt, dass er 1601, also vor dem Druck seiner ersten Kompositionen, die kurfürstliche und kaiserliche Schutzfrist beantragte; seine Evangeliensprüche hatten denn auch bis zu vier Auflagen, von denen er profitierte. Diese heute noch beliebten insgesamt 55 Evangeliensprüche auf Bibeltexte [...] enthalten Motetten für das ganze Kirchenjahr; die Satzstruktur wechselt zwischen imitatorischen, teils melismatischen, teils syllabischen, zwischen vollstimmigen und zwei. oder dreistimmigen Abschnitten, zwischen geradezahligem und Dreiermetrum. Zudem gab er drei Individualdrucke mit insgesamt 138 Motetten heraus (Cantionum sacrarum, 1602, 1603, 1610), deren erste beide ebenfalls zum zweiten Mal aufgelegt wurden; unter Verwendung der gleichen Techniken sind sie in ihrer Sechs- bis Achtstimmigkeit anspruchsvoller als die Evangeliensprüche und wurden von Vulpius vielfach überarbeitet [...]
heißt es im Lexikon der Musik der Renaissance, hrs. von Elisabeth Schmierer, Laaber Verl. 2012, S. 622.
lg vom eifelplatz
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Links und Nachweise:
Booklet der CDs
Zu Noten verweise ich auf die Wikipedia, einschlägiges zu den Cantiones
scheint es aber noch nicht zu geben. Dies habe ich noch gefunden, kann
es aber nicht beurteilen: Free Sheet Music
Lexikon der Musik der Renaissance, hrsg. von Elisabeth Schmierer. Bd 2. -Laaber: Laaber Verl. 2012, S. 622
Einzigartiges Projekt in Waldheim LVZ