Keine Chance auf gar nichts? Die Sinfonie zwischen Haydn und Beethoven

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    Jetzt im Ohr (2017)


    Aber das wäre doch mal eine Idee für einen Vergleich der Sinfonik zwischen Haydn, Mozart und Beethoven. Joseph Martin Kraus und der nur sieben Jahre jüngere Franz Danzi sind als Sinfoniker kaum im Bewusstsein und beide sind eklatant gut, beschreiten aber unterschiedliche Wege, folgen anderen Klangphilosophien.


    Ausgangspunkt sei meine Bemerkung Danzi schlägt Kraus!; aber nur sozusagen als Anlass. Das Thema selbst wurzelt tiefer und fragt nach den Sinfonikern zwischen Haydn und dem frühen Beethoven; Komponisten also, die durch die über 100 Sinfonien Haydns und über 40 Mozarts verdeckt werden, bevor dann mit op.21 im Jahre 1800 doch eine ganz andere Qualität sich Bahn bricht und so wirkt wie unterdrückt und einschüchtert. Wir sprechen oft von unbekannteren Sinfonikern und Schwarzen Löchern der Symphonik, blicken auf vergessene skandinavische oder russische Meister. Den Blick aber auf die Vor-Klassik und Klassik/ Romantik zu richten scheint mir enorm lohnend, das Ohr aufzutun für die vielen Tonsetzer, die im Schatten gleich dreier Sinfoniker stehend noch weniger Chancen auf Licht bekommen denn jeder, der im Schatten Bachs zuweilen lichtlos unsichtbar bleibt.

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)

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    Orchestra della Svizzera Italiana, Howard Griffith, 2007

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    Franz Danzi – der Unbekannte

    Franz Danzi ist heute eigentlich nur noch als Komponist unterhaltsamer Bläserkammermusik einigen Kennern bekannt. Dabei hatte er in musikhistorischer Perspektive die denkbar günstigsten Voraussetzungen für eine große Karriere als Komponist und Kapellmeister. In entscheidenden Momenten seines Lebens spielte ihm jedoch das Schicksal üble Streiche und machte dem sensiblen Komponisten derart zu schaffen, dass seine Produktivität immer wieder zum Erliegen kam. Geboren in Schwetzingen waren seine weiteren Stationen Mannheim, München, Stuttgart und Karlsruhe. In Stuttgart schloss er enge Freundschaft mit dem über 20 Jahre jüngeren Carl Maria von Weber, dem er als Mentor, Freund und Förderer hilfreich zur Seite stand. Das gemeinsame Bemühen um eine repräsentative, »ernsthafte« deutschsprachige Oper, die den Singspielcharakter hinter sich lässt, gleichwohl aber das Interesse des Publikums zu erringen vermag, dürfte sie verbunden haben. Neben vielen Opern komponierte Danzi aber auch sechs Sinfonien, die zwischen 1790 und 1820 entstanden. Es sind hochoriginelle, meisterhaft instrumentierte Orchesterwerke, die das Tor zur Romantik weit aufstoßen und zeigen, warum Weber seinen Freund so außerordentlich schätzte – und was er ihm zu danken hatte.

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    Rezensionen
    klassik. com 08 / 10: »Und herrlich ist diese Musik ohne Zweifel, weil sie viel Abwechslungsreiches und selbst nach mehrmaligem Hören noch einige Überraschungen zu bieten hat. Nicht weniger Achtung als Griffiths' dirigentischem Geschick gilt der imposanten Leistung des Orchestra della Svizzeria Italiana, das mit keckem Blech, kantig-kerniger Pauke, herrlichen Holzbläsern und betont fein, geschmackvoll und punktgenau artikulierenden Streichern Danzis Sinfonien zu zweifellos großartiger Unterhaltung machen. Exzellente Klangtechnik. Eine weitere Glanztat von Howard Griffiths und cpo.«
    hr2-kultur 09 / 10: »Klassische Musik von ›ungewöhnlichem Zuschnitt‹. Musik voller Überrauschungen und kleiner Experimente
    FonoForum 11 / 10: ›Mit präziser Artikulation, differenzierter Dynamik, verblüffender Leichtigkeit im Ton und höhrbarer Spielfreude ist hier unter der Leitung von Howard Griffiths eine den Charatker der Musik ideal treffende Einspielung entstanden. ‹

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    Hier vom Chef persönlich eine allgemeine Einführung und Spezialthreads zu den einzelnen Sinfonien, die den Verdacht erhärten, hier wäre ein Genie am Werk wie Haydn, Mozart oder Beethoven.

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    Kraus ist hier m. E. nicht so ganz richtig platziert ... er starb knapp ein Jahr nach Mozart (mithin drei Jahre vor Haydns letzter) und komponierte eigentlich in diesem Jahr keine reguläre Sinfonie mehr ...

    Eher würde ich beispielsweise mal bei Pavel Vranický klingeln ... (den Sinfonien-Thread hatte ich vorbereitet, aber mangels opi-Einspielungen bislang nicht bedienen können).

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    Liebster Ulli, das "zwischen" ist doch nun wirklich nicht chronologisch-ausschließlich zu verstehen; sonst würde es ja nur die Zeit zwischen Haynds Letzter und Beethovens Erster meinen, knapp fünf Jahre. Es soll natürlich schon um die ganze Epoche gehen, in welcher Haydn und Mozart Sinfonien komponiert haben und es wäre eher zu fragen, ob man das bis etwa 1830 ausdehnt.

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    Ich kenne - natürlich - Friedrich Witt und ein paar Klaviersachen von Leopold Koželuh; die anderen Komponisten habe ich noch nie vernommen. Aber ich ahnte ihr Dasein, daher der Thread.

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    Arriaga gilt als der „spanische Mozart", zumal er den 2. Vornamen mit ihm teilt und am (deswegen nicht zufällig) gleichen Tag Geburtstag hat. Reizvoll, da das Œuvre überschaubar und - in Bezug auf die kurze Lebens- und Schaffenszeit - tatsächlich von Anfang an vollendet wirkt.

    Méhul verbuchten die Franzosen als den ihren Beethoven für sich, besonders seine g-moll-Sinfonie schätze ich; ich bin auch damals lediglich durch meine g-moll-Sinfonien-Sammelwut auf ihn gestossen. Wie die Franzosen allerdings auf Beethoven kamen, wird mir ein ewig Rätsel bleiben.

    Eberls Es-Dur-Sinfonie op. 33 schlug in einem gemeinsamen (erste öffentliche UA) Konzert des Kollegen „Eroica" - ob das heute noch standhält?

    Der bereits w.o. erwähnte Vranický verwahrte nach Mozarts Tod zunächst einen Großteil der autographen Hinterlassenschaft, um sie später dem Verleger André auszuhändigen. Mir scheint es sehr wahrscheinlich, daß Vranickýs Einleitung zu seiner Sinfonie D-Dur op. 36 durch das Studium von Mozarts KV 543 stark beeinflusst wurde ...

    Koželuh schrieb nach Maßgabe des Verlegers die besseren Clavierquartette, so daß Mozarts KV 493 gar nicht erst ins Programm aufgenommen wurde, nachdem KV 478 nicht so ankam ... Koželuhs Claviertrios würde ich mit jenen von Mozart auf beinahe eine Stufe stellen, bei den Sinfonien gehen aber beide Komponisten andere Wege; hier war Mozart eindeutig der Fortschrittlichere (allerdings hat Koželuh einige Knaller hinterlassen, bei denen Dir die Ohren wegfliegen werden; Du kennst ja bereits die Ouvertüre zu „Moisè").

    Richter ist mir jetzt gerade nicht so präsent; hat für mich eher kammermusikalisch Gleichberechtigung erlangt (vgl. Koželuh).

    Fröhliches Einkaufen!

    *hüpf*

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    Danke für die schönen Hinweise! Einen schon quantitativ gleichwertigen Komponisten zu Haydn und Mozart scheint es aber nicht zu geben? Oder einen, der ähnlich Beethoven die Sinfonie zu SEINER Gattung machen wollte aus eigenem Kunstwollen?

  • Danke für die schönen Hinweise! Einen schon quantitativ gleichwertigen Komponisten zu Haydn und Mozart scheint es aber nicht zu geben?

    ein Großteil ist noch gar nicht erschlossen, aber es gibt einige Komponisten, die durchaus zahlreiche Sinfonien (und auch Streichquartette) schrieben - und auch mit Haydn und Mozart mithalten können.

    probiere es z.B. mal mit

    François-Joseph Gossec (1734 – 1829)

    Henri-Joseph Rigel (1741 - 1799)

    Luigi Boccherini (1743 – 1805)

    Giuseppe Cambini (1746 - 1810)

    Jean Baptiste Vanhal (1739 - 1813)

    Carl Ditters von Dittersdorf (1739 - 1799)

    Gaetano Pugnani (1731 - 1798)

    Pieter van Maldere (1729 - 1768)

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    Vielen Dank, lieber Lullist; der du leider allzu selten hier vorbeischaust, obwohl doch keine Saison mehr ist für fürstliche Präsenzen an edlen Orten. :) Von den Aufgeführten kenne ich lediglich Boccherini und Dittersdorf, wobei gerade bei letzterem das Fehlen von opi-Aufnahmen sehr zu beklagen ist.

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)