- Offizieller Beitrag
Die Sinfonien Beethovens waren beliebtes Spielzeug der Bearbeiter. Der Grund dafür war wie immer, diese großen Werke - welche ein breites Publikum (wenn überhaupt) einmal im Leben im Konzert erlebte - weiter zu verbreiten. Aus diesem Grund waren zumeist Verleger diejenigen, welche dazu anregten, diese Werke für kammermusikalische Formationen einzurichten. So konnte auch der Adel, der nicht über ein großes Orchester verfügte, sowie das musikalisch gebildete Bürgertum sich diese tolle Musik "ins Haus" kommen lassen. Stich-Noten wurden nicht nur verkauft, sondern auch vermietet.
Als Besetzung für derlei Bearbeitungen kamen prinzipiell das Klaviertrio, Klavierquartett und Streichquartett in Frage. Es gab selbstverständlich auch Transkriptionen für das Klavier, zwei- wie vierhändig. Die Bearbeitung seiner 2. Sinfonie für Klaviertrio übernahm Beethoven selbst:
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36
Robert Levin, Fortepiano
Members of the Orchestre Révolutionaire et Romantique
Eine wahrhaft faszinierende Bearbeitung der ansich schon großartigen Sinfonie - hier kingt sie m. E. noch besser. Spielfreude und -fertigkeit des Ensembles tun das Übrige dazu.
Bearbeiter der 3. Sinfonie ist der mit Beethoven befreundete Ferdinand Ries (1784-1838):
Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55
mozart piano quartet:
Paul Rivinius, Klavier
Mark Gothoni, Violine
Hartmut Rohde, Viola
Peter Hörr, Violoncello
Ries wähle hier die Besetzung 'klassisches Klavierquartett' für seine Bearbeitung. Diese Bearbeitung erzielt erstaunliche Effekte: Zum einen meint man, wie z.B. im langsamen Satz, Beethoven selbst am Klavier komponieren zu hören. Ich meine, man kann auf diese Weise erfahren, daß Beethoven ein Klavierkomponist war, der also seine Kompositionen zunächst am Tasteninstrument ausdachte, während andere Komponisten oftmals direkt für Orchester in die Partitur schrieben... wie dem auch sei, klingt jedenfalls diese 'Eroica' sehr klavieristisch und einfach wunderbar!
Als nächstes gibt es eine etwas aus der Reihe tanzende Bearbeitung der 6. Sinfonie für Streichsextett, welche von Michael Gotthardt Fischer [1773-1829] stammt:
Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68
Kölner Streichsextett
Ungewöhnlich ist es für die Zeit der Bearbeitung tatsächlich, daß Fischer das Streichsextett als Formation wählte, denn es hatte sich nichtmal das Streichquintett wirklich etabliert und beide Formationen sollten auch das Streichquartett niemals vollständig ablösen oder ihm gleichziehen, höchstens es ergänzen. Die Bearbeitung ist aber außerordentlich gelungen: Während bei den Bearbeitungen der 2. und 3. Sinfonie der Klang auf die "neuen" Instrumente [dort insbesondere das Klavier] ausgerichtet ist, wird hier erfolgreich [!] versucht, die Originalstimmen mit den vorhandenen Instrumenten zu imitieren. So gelingt es u.a. ganz wunderbar und täuschend echt, die Trompetenfanfare im "Lustigen Zusammensein der Landleute" durch die beiden Violinen nachzuahmen! Besonders schön kommt hier natürlich das Gewitter als solches zur Geltung, daß durchaus auch ohne den Bombast der Originalfassung umwerfend ist!
Unbekannt ist der Bearbeiter der 7. Sinfonie für "die Harmonie":
Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92
Les Vents de Montréal Winds (omi)
André Moisan
Von dieser Version gibt es noch eine weitere Einspielung (zusammen mit der Fidelio-Ouvertüre):
Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92
Octophorus (opi)
Paul Dombrecht
Diese Bearbeitung für "die Harmonie" ist natürlich wieder eine ganz eigene Sache, die nicht unbedingt jedem Gefallen muß. Wer allerdings z.B. Mozarts "Gran Partita" und vergleichbare Werke mag, sollte sich diese Siebente auch nicht entgehen lassen!
Die Siebente Sinfonie gibt es auch in einer Fassung für 2 Klaviere von Hugo Ulrich (1827-1872), gespielt vom Prague Piano Duo (omi):
Ein tolles Erlebnis!
Auch die Sinfonien 1 und 8 wurden bearbeitet:
Symphonie n°8 opus 93, pour 2 violons, 2 altos et 1 violoncelle
(publiée en 1816 par Tobias Haslinger)
Symphonie n°1 opus 21, pour 2 violons, 2 altos et 1 violoncelle
(publiée en 1803 par Simrock)
Neben der als Pathetique bekannten c-moll-Klaviersonate enthält diese wunderbare Einspielung duch das Locrian Ensemble Beethovens erste und achte Sinfonie in Streichquintettfassungen. Die Bearbeiter der Werke lassen sich leider nicht mehr feststellen, lediglich die Erstausgabe dieser Fassungen (vergl. Angaben zur CD oben). Als Bearbeiter kämen u. U. Beethovens Schüler Ferdinand Ries und/oder Carl Czerny in Frage, die (beide) viele Sinfonien und andere Werke Beethovens mit dessen Einverständnis arrangierten.
Die erste Sinfonie klingt als Quintett doch etwas merkwürdig, zudem wurden die Schlußtakte des ersten Satzes leicht verstümmelt, was natürlich garnicht geht. Nach mehrmaligem Hören wage ich nun zu behaupten, daß entweder der Bearbeiter ein weniger professioneller war als jener der Achten oder - was mir lieber ist - der Bearbeiter der Ersten eine ganz andere Intention hatte: Es fällt beim Hören auf, daß viele Stellen spieltechnisch stark vereinfacht wurden: aus 16tel-Abbreviaturen wurden gestreckte Achtel (bzw. wurden einfach die Notenwerte teilweise verdoppelt) und auch die Opferung der Schlußtakte des ersten Satzes dürften der Vereinachung dienlich gewesen sein. Außerdem wurde die Stimmführung gelegentlich leicht verändert.
Justin Pearson schreibt:
Als unsr Ensemble die Musik für diese faszinierenden Arrangements erhielt, machten wir uns zunächst daran, die einzelnen Abschnitte durchzunummerieren [...]. Es wurde aber schnell deutlich, daß der Notentext eine beträchtliche Anzahl von Fehlern enthielt [...]. Noch bedeutsamer war allerdings die Tatsache, daß der Arrangeur in den Orchesterpartituren der Symphonien einige Stellen absichtlich ausgelassen hatte. Wo also ein Akkord oder eine Note bzw. eine ganze Passage bewusst in Bezug auf Beethovens Originalversion geändert worden war, haben wir uns durchweg an das vorhandene Arrangement gehalten [...]
Das von Pearson Geschriebene bezieht sich fast ausschließlich auf das Arrangement der ersten Sinfonie, welche offenbar für (ein) Amaturensemble(s) transkribiert wurde - um somit vielleicht auch die Absatzchancen deutlich zu erhöhen.
Umso bedeutender scheint mir die Quintettfassung der Achten zu sein, die hier im kammermusikalischen Gewand stark beeindruckt und für meinen Geschmack sogar besser klingt, als im Original (ganz wie die Sechste als Sextett, vgl. w.o.). F-Dur scheint überhaupt eine der besten Tonarten für Streichquintett oder -sextett zu sein: selten erklingen Werke so sonor und erdig wie in F-Dur. Das Finale der Achten ist hier einfach grandios.
Es spielen:
Rolf Wilson & Rita Manning, Violinen
Philip Dukes & Morgan Goff, Violen
Justin Pearson, Violoncello