• Offizieller Beitrag

    Pergolesi. Mir ist er kein Nierenprüfer. Sein Stabat Mater ist fehlerhaft und durch und durch der Text zum Ausdrucke genotzüchtigt.
    Joseph Martin Kraus: Etwas von und über Musik fürs Jahr 1777, Frankfurt am Mayn, bey den Eichenbergschen Erben, 1778

    Hm. Naja... die Meinungen der Komponisten untereinander :rolleyes:

    Werkaufbau

    [01] Stabat Mater dolorosa (Grave): f-moll
    [02] Cujus animam gementem (Andante amoroso): c-moll
    [03] O quam tristis (Larghetto): g-moll
    [04) Quae moerebat et dolebat (Allegro): Es-Dur
    [05] Quis est homo (Largo - Allegro): c-moll
    [06] Vidit suum dulcem natum (A tempo giusto): f-moll
    [07] Eia Mater (Andantino): c-moll
    [08] Fac ut ardeat cor meum (Allegro): g-moll
    [09] Sancta Mater (A tempo giusto): Es-Dur
    [10] Fac ut portem Christi mortem (Largo): g-moll
    [11] Inflammatus et accensus (Allegro): B-Dur
    [12] Quando corpus morietur (Largo assai): f-moll
    [13] Amen (Presto assai): f-moll

    Interessant ist ersteinmal, daß zweimal die gleiche Tonartenabfolge (f, c, g, Es) verwendet wird; wenn man das Quando corpus und Amen zusammenzieht (so wird es auch meistens dargeboten, in einem Track), steht das Vidit suum ziemlich genau in der Mitte und (wieder) in der Grundtionart f-moll. Was ich interessanter finde, ist, daß in dieser Handschrift (ob sie von Pergolesi selbst stammt, konnte ich nicht eruieren), in manchen Fällen die Tonart 'nicht richtig' vorgezeichnet wurde: gleich am Beginn z.B. wird lediglich c-moll (also 3 b's) vorgeschrieben, das für f-moll notwendige des an entsprechender Stelle separat ausgeschrieben, z.B. Takt 4 (Violine II) oder Takt 5 im Baß. Genauso 'seltsam' ist das c-moll des Eia mater notiert: vorgeschrieben sind nur 2 b's (anstelle von dreien) , das as wird jedesmal händisch eingetragen, sofern gewünscht. Baugleich wird auch im Quando corpus nebst Amen verfahren.

    Jenachdem, wie maßgebend diese Partitur ist: am Schluß des ersten Satzes (letzter Takt) ist in der Violine I kein des notiert, sondern ein einfaches d; zudem ist keine Baßbezifferung vorgenommen worden und keine geschlechtsbestimmende Terz in Schlußakkord notiert. In meinen Einspielungen wird jeweils f-moll beibehalten und diese vielleicht fehlerhafte Stelle korrigiert. Möglicherweise könnte aber auch F-Dur gemeint sein...

    Ich muß zugeben, daß ich von Pergolesi lediglich das Stabat mater (dafür sehr gut) und vereinzelte kleinere Kirchenwerke kenne, die auf den jeweiligen CDs ggfs. mit inkludiert sind. Aber wozu ist ein Komponistenjubiläum da? Da wird sich sicher etwas finden... 4 'Stabats' befinden sich in meiner ausschweifenden Pergolesi-Sammlung. Der Reihe nach meinem Gusto:

    Angharad Gryffydd Jones, Sopran
    Lawrence Zazzo, Counter
    Ensemble Concerto
    Timothy Brown

    Für mich einfach traumhaft innig wiedergegeben :umfall::jubel::jubel::umfall:

    Auch als DVD erhältlich:

    Ansonsten in eher loser Folge:

    Emma Kirkby, Sopran
    James Bowman, Altus
    Academy of Ancient Music
    Christopher Hogwood

    Etwas nüchterner, aber auch sehr gut! :jubel::jubel:

    Sebastian Hennig, Sopranus
    René Jacobs, Altus
    Concerto Vocale

    Not bad, hat mich aber nicht aus der Sänfte gerissen...

    Jörg Waschinski, Sopranus
    Michael Chance, Altus
    Kölner Kammerorchester
    Helmut Müller-Brühl

    Klingt ziemlich geknödelt und ist auch orchestral unHIP.
    Wobei ich hier dennoch das Orchester besser finde als die Solisten - passt aber nicht zusammen. ;(

    • Offizieller Beitrag

    Eine sehr pittoreske Partiturreinschrift des Stabat Mater (Fassung für Canto, Alto und vier Streicher) hält übrigens die IMSLP parat.

    Ich habe die Partiturreinschrift einmal benutzt, um das gesamte Stabat mater mitzulesen (wodurch es meiner Meinung nach noch schöner wurde, zumal diese Handschrift ein Gedicht ist!). Bei dieser Gelegenheit habe ich dann festgestellt, daß Sara Mingardo im Fac ut portem Christi mortem (Largo) eine (nicht notierte) Kadenz singt, welche bis zum unglaublichen d° herunterreicht. Dadurch wird diese Einspielung zu meiner zweitliebsten:

    Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736)
    Stabat Mater per Soprano, Alto, Archi e Continuo

    Gemma Bertagnolli, Sopran
    Sara Mingardo, Contralto
    Concerto Italiano
    Rinaldo Alessandrini

    :umfall:8o:umfall:

    Manchen Teilnehmern hier mag der Vortrag der Sängerinnen und des Ensembles ggfs. etwas mariniert maniriert vorkommen, ich mag das sehr gerne, vor allem die scharfen Töne und die wunderbare Abgrenzung von piano und forte.

    Empfehlenswert, da nicht alltäglich, aber auch manches Mal sehr extrem!

  • Unglaublich die Altistin, eine selten so schön gehörte Stimme, auf die ich jetzt ein Auge werfe. Wunderbar von der selten gehörten Cadenz bis zum tiefen d, dann nach oben ins Piano beim Fac ut portem. Die Tempi in der Aufnahme sind etwas ungewohnt, teils sehr langsam, zu Beginn, im Fac ut portem und im Quando corpus, kommt mir selber aber sehr entgegen, da ich immer dazu neige eher langsamer zu singen, was der Interpretation, gerade bei diesem Werk, sehr entgegen kommt.

    Danke Ulli. *yepp*:wink:

    musica :wink:

    • Offizieller Beitrag

    Mein erstes

    Freni, Berganza, Orch. Scarlatti Napoli, Gracis (1971)


    P.S. Keine Trennung in opi und omi und keine in Einspielungen überhaupt?

    • Offizieller Beitrag

    Mein drittes

    Philippe Jaroussky, Julia Lezhneva, Coro della Radiotelevisione svizzera, I Barocchisti, Diego Fasolis (2012)


    Aber das Angebot scheint wieder mal unüberschaubar ... http://www.amazon.de/s/ref=nb_sb_no…i+stabat+mater+

    • Offizieller Beitrag

    Spotify bietet übrigens 20 verschiedene Alben mit dem Stabat Mater an, zu Pergolesi selbst gehen die CDs in die Hunderte ...

  • Spotify bietet übrigens 20 verschiedene Alben mit dem Stabat Mater an, zu Pergolesi selbst gehen die CDs in die Hunderte ...


    Sehr sehr interessant :-| :-| :-| ... Eine ganz schöne Masse :huh: :huh: :huh: ... Wieviel macht das in Stunden... *hmmm* *hmmm* *hmmm* In jedem Fall äußerst lohnend 8o 8o 8o
    :wink:

    • Offizieller Beitrag

    Sehr informativ:
    Interpretationen im Vergleich Giovanni Battista Pergolesi: "Stabat mater"

    • Offizieller Beitrag

    Soll sie auf modernen oder historischen Instrumenten erfolgen? In ein- oder mehrfacher Streicherbesetzung? Sollen Countertenöre, Frauen- oder gar Knabenstimmen ertönen?


    Da gibt's doch garnix zu diskutieren...

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Die Auseinandersetzung dreht sich nun um die korrekte Interpretation: Soll sie auf modernen oder historischen Instrumenten erfolgen? In ein- oder mehrfacher Streicherbesetzung? Sollen Countertenöre, Frauen- oder gar Knabenstimmen ertönen?

    Nun, das sollt doch eigentlich klar sein mittlerweile!

    • Offizieller Beitrag

    Die Musik sei oberflächlich und zu sehr von der Oper beeinflusst, um "fromme, andächtige und reuevolle Empfindungen" zu vermitteln, kritisierte seinerzeit der Musiktheoretiker Padre Martini die 1736 fertiggestellte Stabat-Mater-Vertonung Giovanni Battista Pergolesis.


    Da war er nicht alleine; Kraus sah das auch ähnlich; vgl. Einführungsthread. Am geilsten ist ja eh die Stelle, bei der Salieris Vater die Händl-Stücke im Hals stecken bleiben... 8-)

    Wer übrigens gerade eine dreiviertel Stunde erübrigen kann:

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    Johanette Zomer, Maarten Engeltjes
    Concerto Colonia

    • Offizieller Beitrag

    Giovanni Pergolesi

    Stabat mater f-moll für Sopran, Alt, Streicher und Generalbass (1736)

    1 Stabat Mater 4:11

    2 Cujus Animam Gementem 2:05

    3 O Quam Tristis 1:48

    4 Quae Moerebat Et Dolebat 2:25

    5 Quis Est Homo 3:04

    6 Vidit Suum Dulcem Natum 3:01

    7 Eja Mater 2:13

    8 Fac Ut Ardeat Cor Meum 1:49

    9 Sancta Mater 5:07

    10 Fac Ut Portem 3:43

    11 Inflammatus Et Accensus 2:02

    12 Quando Corpus 4:34

    Andreas Scholl, Counter-Tenor

    Barbara Bonney, Sopran

    Les Talens Lyriques

    Christophe Rousset

    24.-26. February 1999 (L'Église de Notre Dame du Liban, Paris)

    Diese Aufnahme sticht aus den vielen schon hervor: Zwei Ausnahmesänger in ihrem jeweiligen Fach in Bestform, kristallklare Stimmen und bestechende Diktion - dabei eine unfassbare Schlichtheit und eine einzigartige Demut, die alle Kabinettstückchen vermeidet und allein dem Werk dient. Chapeau! Allein den Orchesterklang empfinde ich nicht so knackig wie Max.

  • Künstler: Patrizia Bovi, Pino de Vittorio, Bernard Arrieta, Les Pages & Les Chantres du Centre de Musique Baroque de Versailles, Le Poeme Harmonique, Olivier Schneebeli, Vincent Dumestre

    Label: Alpha, DDD, 2000


    A. Csampai in stereoplay 6/01: »Allein das mit bodenständiger Intonation ›beschworene‹ Stabat-Mater-Manuskript von Monopol (1715) ist eine Sensation und unterstreicht den Standard der hier gebotenen Leistungen. So spannend, belebend, auratisch schön zeitlos kann Alte Musik klingen, wenn man sich ihr derart kompetent, gefühlvoll und wissend annähert.«


    :wink: LT