Je älter ich werde, desto mehr wundere ich mich darüber; dass Godot keine Frau ist, bzw., weil das Stück ja alle Implikationen zulässt; nicht explizit eine Frau. Denn Warten auf … eröffnet für mich mittlerweile immer nur ein grammatisches Objekt, weil der gemeine Mann immer und ständig und permanent auf seine Frau wartet.
Früher in den Jahrzehnten als Junggeselle habe ich immer über meine verheirateten Freunde gelächelt, wenn die schimpften, dass sie ihr halbes Leben mit Warten auf ihre Frauen vergeudeten; dachte an überspitzte Reden und Ehestandslyrik. Inzwischen weiß ich es besser, denn wenn es heißt, wir gehen oder fahren gemeinsam da und da hin; beginnt eines der grotesken Lotteriespiele, die Gott so zu amüsieren scheinen.
Ich dusche, ziehe mich an; schlüpfe in meine Schuhe und stünde bereit; das dauert wenige Minuten; ich bin halt ein Mann. Und natürlich weiß ich; dass Frauen länger brauchen; auch wenn meine zum Beispiel weder ein Modepüppchen ist noch eine Shoppingqueen und nicht länger braucht als ich im Bad oder vor dem Kleiderschrank. Aber ich darf nicht im Weg rumstehen und alleine meine Sichtbarkeit versetzt sie in Zugzwang, sagt sie. Also gehe ich meiner Wege, kümmere mich um den Hund oder das Auto.
Und dann beginnt das Warten. Man sitzt eine Minute im Wagen, zwei; fünf, zehn. Man wird langsam unruhig, haut aufs Lenkrad und murmelt „Wo bleibt sie denn bloß“; es verstreicht eine Viertelstunde, dann erscheint sie in einer Seelenruhe und Selbstverständlichkeit nach zwanzig Minuten; als ob man sich eben vor zehn Sekunden im Haus zuletzt gesehen hätte. Und schimpft den fassungslosen Mann, weil der ungeduldig polternd am Steuer sitzt. Zum richtigen Streit kann das ausarten, wenn eine halbe Stunde vergangen ist, man aussteigt; ins Haus zurückrennt und die Stiege „Schaaaaatz, wo bleibst du denn???“ hochbrüllt.
Ich habe mir dann Strategien überlegt; wie ich die Situation managen könnte; habe mich zwar unsichtbar gemacht; aber dennoch in der Nähe aufgehalten, um zu wissen, wann meine Frau endlich in der Haustür steht und sich anschickt, den Hausstein hinunterzugehen. Und dann steht sie da endlich, ich bin sicher; sie muss nun jeden Moment kommen; drehe mich um in Richtung Auto, schaue wie Lots Frau doch zurück so halb über die Schulter – und weg ist sie und taucht erst viel später wieder auf.
Auf die Frage, was sie um Himmels Willen denn noch solange gemacht hat; erhält man die unterschiedlichsten Antworten. Gängig ist der Vorwurf, da ich ja alles stehen und liegen lasse, müsse sie sich um alles kümmern. Das ist natürlich Unsinn, weil es einfach nicht stimmt. Auch häufig zu hören ist die Information, sie habe noch schnell gestaubsaugt, die Wäsche aufgehängt oder die Blumen gegossen; also Sachen, die durchaus auch hätten warten können, bis man wieder daheim ist; zumal man ja als Wartender darum nicht weiß und wenigstens eine entsprechende Vorinformation hätte erwarten können. Sehr oft aber weiß die Frau selbst nicht zu sagen, wo die halbe Stunde hin verschwunden ist.
In jedem Fall aber beginnt so die gemeinsame Unternehmung gereizt und jedes Mal nehme ich mir vor; dass das das letzte Mal war und ich mich nicht wieder aufregen werde. Und doch wird es genauso wieder kommen. Ich bin sicher; die Geschlechterpsychologie hat sich schon mit diesem Phänomen beschäftigt und vielleicht herausgefunden, dass Frauen Männer vorsätzlich unbewusst warten lassen; um die Beziehungsstandards zu zementieren oder Machtverhältnisse klarzustellen. Aber wie immer überzeugt mich das nicht restlos; da muss doch noch etwas Anderes dahinterstecken. Verstehe einer die Frauen!