Jetzt auf den Augen - Filme (2019)

  • Kürzlich gab hier Charlton Heston einen recht steifen (tw. wohl auch unfreiwillig komischen) Moses ... zumindest im zweiten Teil dieser überlangen DeMille-Verfilmung. Trotzdestonichts (ich verabscheue die Wortschöpfung Nichtsdestotrotz) habe ich die Produktion durchaus mit einigem Interesse verfolgt:

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    Die letzten neun:

    Border

    Ich musste zwar an Vic Dorn denken, aber die umwerfende Hauptfigur tat es mir dennoch an. Lange Zeit versteht man nicht, was es mit dieser Zollbeamtin mit dem ungewöhnlichen Schnüffelsinn auf sich hat, und auch nach der skandinavischen Klärung büßt der Film keinerlei Spannung ein. Schöne Nische.

    The Age of Shadows

    Unterhaltsames Doppelagentendrama, groß inszeniert, wenn auch kein Meisterwerk, so doch eine runde Sache. Herrlich ausgestattet und erstklassig fotografie von Ji-yong Kim, in der Hauptrolle ein wie gewohnt großartige Song Kang-ho.

    Swordbrothers

    Überstrapaziertes Konstrukt mit einer Menge Redundanz und nicht weiter bemerkenswerten Leistungen der Darsteller - allenfalls aufgrund des (weitestgehend) kammerspielartigen Settings noch fesselnd.

    Operation Red Sea

    Werbefilm für die chinesische Marine von der erzählerischen Qualität eines drittklassigen Ego-Shooters, sowohl in Rhythmik als auch Figurenzeichnung - aber: vier fünftel des überlangen Films fliegt etwas in die Luft, es knallt beinahe unablässig und das habe ich so noch nicht gesehen.

    Train to Busan

    Wenn Zombiehorden aufgrund ihrer schieren Masse Glastüren sprengen, regelrecht herausquellen und ich nicht weiß, wohin die Reise in diesem Zug noch geht oder gehen kann, dann habe ich einen erstklassigen koreanischen Genrebeitrag vor mir - das wäre dann eine Empfehlung meinerseits.

    The Wailing

    Eigentlich bin ich mir nicht wirklich sicher, ob ich diesen Film gut finde oder nicht. Das ist schonmal gut. Jedenfalls ist er sehr lang und entfernt sich dabei zunehmend von seinen anfangs noch deutlich komödiantischen Anteilen bis ich am Ende auch nicht wusste, was ich von wem zu halten habe. Es geht um einen unbedarften Polizisten und Vater, der erst dienstlich, dann auch privat in eine Dämonengeschichte stolpert - keine Schockermomente, sondern sich verdichtender Grusel, der den Zuschauer die Perspektive verlieren lässt.

    Symbol

    Sehr langsam und sehr irrwitzig - das ist nicht die beste Kombination. Hitoshi Matsumotos Vorgänger "Dai-nihonjin" fand ich wesentlich besser, dagegen wirkt "Symbol" geradezu leer.

    Free State of Jones

    Die großartigste Nation der Geschichte bekommt einen anderen Blick auf einen ihrer Urmythen und Matthew McConaughey trägt den gesamten Film hervorragend, wenn auch das Potenzial zur Abgründigkeit seiner eigenen Figur leider nicht ausgelotet wird.

    Kirschblüten und rote Bohnen

    Letztlich zwar in romantischen Lebensweisheiten mündend, aber dennoch durch nachdenkliche Charakterzeichnung treffsicher herzerwärmend. Eine alte Frau steigt in das Geschäft eines missmutigen und schweigsamen Dorayaki-Verkäufers ein: Kirin Kiki und Masatoshi Nagase sind in ihren Rollen umwerfend.

    *sante*

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    Gestern Nacht:

    Burning

    Südkorea, 2018

    Regie: Lee Chang-dong

    Ruhig und langsam erzähltes, abgründiges Psychodrama, symbolbehaftet, Ödipus-nah, erstklassig besetzt und gespielt, bodenständig und geschmeidig fotografiert, mit unaufdringlichem Score unterstützt - und vor allem sanft den Zuschauer auf vermientes Gelände ziehend, ohne dabei hinterhältig zu sein. Die Stimmung ist durchgehend latent bedrohlich, ohne dass man ihren Ursprung leicht dingfest machen könnte, und am Ende bleiben die Fragen auch trotz einiger handfester Ereignisse offen im Bewusstsein. Das ist ein Film mit starker Nachwirkung und für mich eine klare Höchstnote wert.

  • Man stelle sich das nachfolgende recht absurde Szenario vor; ein Hochschullehrer (Prof. John Oldman) ist im Begriff umzuziehen, will Heimat, persönliche Verwurzelung, Karriere hinter sich lassen, als einige Lehrer- und Professorenkollegen (ein Biologe, eine Theologin, ein Anthropologe, ein Archäologe, eine von dessen Schülerinnen und eine Historikerin - später gesellt sich ein Psychiater hinzu) auftauchen, um sich zu verabschieden. Es entwickelt sich ein Gespräch zu der Frage nach den Beweggründen des Fortgangs/der "Flucht". Im Verlauf des Gesprächs verkündet Oldman, dass er 14000 Jahre alt (Cro-Magnon) sei und nun gehen müsse, da aufgefallen ist, dass er nicht altere.

    Was würde man einen solchen Menschen fragen, den man seit Jahren kennt, mit dem man befreundet ist, der behauptet nicht zu altern und seit 14000 Jahren auf der Erde lebt und immer weiter zieht, wenn der Zeitpunkt gekommen ist? Wie geht er damit um, insbesondere auch mit einem Erfahrungswissen von mehreren Jahrtausenden? Welche Konsequenzen sind damit verbunden? Welche Dinge und Katastrophen hat er miterlebt? Wem ist er begegnet?

    Diese und andere Fragen werden von den Beteiligten aus biologischer, theologischer, historischer, anthropologischer Sicht erörtet. Man sucht nach Möglichkeiten Oldmans Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven entweder zu bestätigen oder zu entkräften. Als Gedankenexperiment funktioniert dieser angenehm unaufgeregte Film meines Erachtens sehr gut. Wer Filme wie K-PAX mag, wird vielleicht auch von The man from earth angetan sein. Das Ende des Films hat es übrigens in sich, doch ich möchte nichts vorwegnehmen.

    Wie ich gerade sehe, ist das Werk auch bei YT nachverfolgbar:

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    Als Gedankenexperiment funktioniert dieser angenehm unaufgeregte Film meines Erachtens sehr gut.

    Meines auch. Ich halte dieses Kammerspiel für intelligent in Bezug auf die Probleme der Argumentationen - man könnte ihm gut mit Wittgenstein begegnen: woran lässt sich sinnvoll zweifeln? Das hat mir Spaß gemacht. Lediglich die Musik störte mich, wo sie auftaucht: erstens ist sie schlecht, zweitens unnötig. Übrigens hatte ich die Empfehlung von einem Biologen.

    • Offizieller Beitrag

    Django Unchained
    USA, 2012

    So sehr mich bei "Inglourious Basterds", einem an sich guten Film, stört; wie der einfache Landser vom Bärenjuden niedergeknüppelt wird; so sehr genieße ich das Abschlachten der Sklaventreiber hier, man möchte mit Handanlegen.

    Aber ein Wort zu Tarantino: Jetzt gefeiert, wird irgendwann auffliegen, dass er gar nicht so groß war. Nach Jackie Brown ging es bergab und das im Grund einzige Stilmittel neben der Kopie von Filmgeschichte bleibt das Miteinander von langen Dialogen über Großes und Kleines mit der ästhetisierten Darstellung von brutaler Gewalt. Ich war immer ein Fan von ihm, aber mit den Jahren ...

  • Aber ein Wort zu Tarantino: Jetzt gefeiert, wird irgendwann auffliegen, dass er gar nicht so groß war

    Kann sein. Allerdings hat mir Once Upon A Time In Hollywood (2019) außergewöhnlich gut gefallen, weil hier sein eigener filmischer Stil mehr durchkam als seine Stilkopien (die hier besonders gut passen). Immerhin hat er es bisher geschafft, sehr eigene Filme zu kreieren, die sich deutlich vom Hollywood-Mainstream abheben.

    Als Klassiker wird er bestimmt in die Filmgeschichte eingehen - vermutlich als amerikanischer Auteur (so ähnlich wie z.B. Jim Jarmush).

    Unser *opi* nahm *opi*-um - Bumms! fiel unser *opi* um.

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    Immerhin hat er es bisher geschafft, sehr eigene Filme zu kreieren, die sich deutlich vom Hollywood-Mainstream abheben.

    Sehe ich auch so: nur Tarantino macht Tarantino-Filme und das erstklassig.

    Yoricks übrigbleibende Stilmittel sind mir außerdem zu kurz gegriffen, alleine schon der Einsatz von Musik (meist nicht original komponierte - ich erinnere nur mal an seine wunderbare Montage mit Jerry Goldsmiths "Nicaragua" aus "Under Fire": wenn das mal nicht in Tarantinos Händen verblüffenderweise exzellente Western-Musik wurde), die Konstruktion seiner Drehbücher (ich hatte damals "Inglourious Basterds" gelesen, dachte: oh wow, das wird ein klasse Film und wurde nicht enttäuscht) und den Schnitt (in seinem Team meist von der leider viel zu früh gestorbenen Sally Menke und seit 2012 von Fred Raskin. Tarantino macht weit mehr richtig als lange Dialoge und ästhetisierte Gewalt.

    *sante*

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    Mag sein, aber die Stilmittel nutzen sich immer mehr ab und wenigstens Django Unchained und The Hateful Eight erreichen bei Weitem nicht mehr das Niveau früherer Filme.

    • Offizieller Beitrag

    Das sagst Du aus Deiner Tarantino-geschulten Sichtweise. Damit meine ich: nicht die Stilmittel nutzen sich ab, sondern deine Erfahrung mit ihnen. Was die Zukunft angeht - und da passt nichtmal die Redeweise von "was bleiben wird" -, wird die Frage aber von all denen zu beantworten sein, die in ihrer kommenden Zeit das erste, zweite, elfte Mal einen Tarantino-Streifen sehen und wenn dann wie immer zwischen Kunstwerk und Rezipient etwas Neues entsteht. Mein Gefühl sagt mir (konkreter als Orakelei kann das deshalb gar nicht werden), dass Tarantinos Filme durchaus eine Menge auch jenseits von Dialogen und Gewalt haben, das sie für künftige Neuentdeckungen potent macht.

    Darüber hinaus ist "jetzt gefeiert" bereits problematisch, denn genau die beiden Punkte, die Du oben anführst, sind schon seit vielen Jahren Kern der Kritik an Tarantino bei denjenigen, die seine Filme nicht mögen: beide würden also keineswegs etwas Neues sein, das "irgendwann auffliegt".

    Ich denke vielmehr, mit seiner intertextuellen Verankerung mitten in der bisherigen Filmgeschichte, und zwar internationalen Filmgeschichte, wird er auch die kommenden hundert Jahre nicht wegzudenken sein und relevant bleiben und sich nicht abnutzen.

    *sante*

    • Offizieller Beitrag

    Das sagst Du aus Deiner Tarantino-geschulten Sichtweise. Damit meine ich: nicht die Stilmittel nutzen sich ab, sondern deine Erfahrung mit ihnen.

    Das ist natürlich richtig.

    Ich denke vielmehr, mit seiner intertextuellen Verankerung mitten in der bisherigen Filmgeschichte, und zwar internationalen Filmgeschichte, wird er auch die kommenden hundert Jahre nicht wegzudenken sein und relevant bleiben und sich nicht abnutzen.

    Richtig, im Grunde ist er im Film das, was die größten Autoren im 20. Jahrhundert geschrieben haben.

    Darüber hinaus ist "jetzt gefeiert" bereits problematisch, denn genau die beiden Punkte, die Du oben anführst, sind schon seit vielen Jahren Kern der Kritik an Tarantino bei denjenigen, die seine Filme nicht mögen: beide würden also keineswegs etwas Neues sein, das "irgendwann auffliegt".

    Dann will ich es mal zurückhaltender formulieren: Es gibt unter seinen Filmen wirklich geniale und es gibt weniger gute; etwa die von mir oben genannten; wo die Qualität der Stilmittel meines Erachtens ungleich verteilt ist.