Die drei Messen (1592-1595): Allgemeines

  • William Byrd mochte in seiner Jugend eher anglikanisch erzogen worden sein, doch nach seiner Hochzeit 1568 driftete er eindeutig in katholische Kreise ab; das war im England des Elisabethanischen Zeitalters durchaus eine ernstzunehmende Sache, denn Katholiken in England waren permanent gefährdet, wegen Hochverrats eingekerkert oder hingerichtet zu werden. Im Laufe der Jahre bekam Byrd trotz seines hohen Ansehens immer mehr Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten, und er zog schließlich 1594 nach Stondon Massey (Essex) - in die Nahe seines Patrons Sir John Petre, der ebenso Katholik war. Hier war er relativ sicher, solange er sich bedeckt hielt.


    Um 1590 herum begann Byrd die Arbeit an den Messen, die sicherlich als Gebrauchsmusik für die englische Gemeinde gedacht waren. Er komponierte drei Werke mit allen fünf Sätzen inklusive Kyrie, welches früher nie nötig war, weil man im Sarum-Ritus ein polyphones Kyrie nicht brauchte. Somit ist klar, das er sich inhaltlich eher nach der kontinentalen Tradition richtete als nach der alten englischen. Die Messen unterscheiden sich nur durch die Anzahl der Stimmen:

    • Mass for 3 voices
    • Mass for 4 voices
    • Mass for 5 voices

    Die Messen verraten dennoch einen größeren musikalischen Einfluß von der englischen Tradition her, speziell von John Taverner (c1490-1545) und seiner Mean Mass. Der Wechsel zwischen geringer Stimmenanzahl und Tutti an besonderen Stellen etwa deutet auf die Messen und Votivantiphonen der früheren Tudor-Zeit hin, und einige Clausulae sind direkt von Taverner zitiert. Dennoch hatte Byrd nicht im Sinn gehabt, etwas Altes neu erstehen zu lassen - sein imitierender Stil deutet eher auf Lassos oder Palestrinas Werken hin, die er wohl zum Teil auch gekannt haben könnte.


    Die Messen wurden sogar heimlich gedruckt - ohne Titelseite oder weitere Angaben über Drucker und Komponist. 1966 fand der Musikhistoriker Peter Clulow heraus, daß der Drucker wohl Thomas East (c1540-1609) gewesen sein muß. Entstanden sind die Drucke der einzelnen Stimmbücher etwa:

    • Four-part Mass: 1592-1593
    • Three-part Mass: 1593-1594
    • Five-part Mass: 1594-1595

    Man nimmt an, daß sie auch in der Reihenfolge komponiert wurden, wie sie erschienen sind.


    Tatsächlich war Byrd der einzige englische Komponist, der sich damals eines solchen Risikos aussetzte und katholische Kirchenmusik in England komponierte; er war relativ gut geschützt durch seinen Ruf und seine Gönner. Doch gab es praktisch nie einen Nachahmer (bis vielleicht in die neuere Zeit), was diese Messen allein deswegen zu etwas Einzigartigem machen; ihre kompositiorische Qualität dagegen führt sie endgültig an die Spitze der großartigsten Werke der damaligen Zeit.