Parallel zum Thread Musik für Tasteninstrumente in der Renaissance eröffne ich einen weiteren als Fortsetzung für die Barockepoche. Es ist ein Sammelthread für Einspielungen, die Werke verschiedener Komponisten umfassen und somit nicht sinnvoll in den entsprechenden Threads unterzubringen sind. Zeitlich begrenze ich ihn auf den Jahrhundertwechsel bei 1700, allein deshalb, um ihn von Johann Sebastian Bach abzutrennen (dessen Aufnahmen werden ohnehin extra besprochen).
Im 17. Jahrhundert gab es doch noch sehr interessante Strömungen, die man sonst kaum erfassen kann (z.B. Spaniens Goldenes Zeitalter). Dafür möchte ich hier den Raum bieten.
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Martin Neu (2015)
(P) 2015 Audite 97.713 [54:48]
rec. 31. Mai - 02. Juni 2014 (San Hipólito, Córdoba/Spanien) [Orgel] & 01. Oktober 2014 (Kirche St. Peter und Paul, Mössingen/Baden-Württemberg) [Schola]
Martin Neu
[Orgel: Joseph Corchado (1735)]
Disposition: 2 Manuale (45 Tasten, kurze Oktave), Pedal (10 Tasten); 35 Register in 2 Werken; Stimmung: mitteltönig modifiziert 1/5 Komma, a'=430 Hz (bei 23° C)
*Ensemble Officium
*D: Wilfried Rombach
Folgende Stücke sind hier eingespielt worden:
Diego Xaraba (1652-1715)
- Tiento Lleno segundo tono
Manuel Rodrigues Coelho (1555-1635)
- 5 Versos de Kyrie do I. Tom*
- Ave Maris Stella*
Francisco Correa de Arauxo (1584-1654)
- Tiento y Discurso de medio registro de dos Baxones de Octavo Tono
- Tiento de medio registro de tiple de Octavo Ton
- Tres Glosas sobre el Canto Llano de la Immaculada Concepción*
- Tercero Tiento de Quarto Tono
- Tiento Tercero de Sexto Tono sobre la primera parte de la Batalla de Morales
Alle drei Komponisten waren in Spaniens Goldenem Zeitalter tätig gewesen. Coelho war am Lissaboner Hof (damals war Portugal Teil des spanischen Reiches) und brachte 1620 eine Sammlung mit sogenannten Tientos (freie Stücke) heraus. De Arauxo war Organist in Sevilla und veröffentlichte 1626 ein Werk mit 69 Orgelstücken, die in ihrer Gesamtheit auch eine pädagogische Ausrichtung mit Kommentaren zur Spielweise jedes einzelnen Stückes enthält. Xaraba war in Madrid als Organist an der Königlichen Kapelle angestellt; sein Stück ist in einer Handschrift von 1706 enthalten.
Die Besonderheit der älteren Stücke findet sich in einem speziellen Detail: Ende des 16. Jahrhunderts begann man im spanischen Orgelbau, die geteilte Klaviatur zu realisieren. D.h. die Register wurden zwischen den Tönen c' und cis' geteilt in Diskant und Baß, womit man jede Stimme aufgrund ihres Tonumfangs unterschiedlich registrieren konnte. Ein farbiges Spiel war somit möglich. Coelho und de Arauxo machen kräftig davon Gebrauch. Der liturgische Bezug fällt in den Tientos weitesgehend flach, womit sich der Anspruch praktisch nur an den harmonischen bzw. den spieltechnischen Möglichkeiten der Musik richtet.
Dennoch gab es auch eben die Möglichkeit, liturgisch zu arbeiten: Im 5 Versos de Kyrie sowie im Ave Maris stella hat Coelho die Alternatim-Praxis angewandt, wo also nur der eine Teil des Textes von der Orgel gespielt, der andere dagegen gesungen wird; de Arauxos Tres Glosas zeigt die Verarbeitung eines Marienliedes als musikalische Ausdeutung.
Martin Neu hat sich für eine Orgel entschieden, die seit der letzten Restauration 2007 mehr oder weniger den klanglichen Stand des 18. Jahrhunderts wiedergibt. Das Instrument ist für die Kirche ordentlich dimensioniert und enthält alle wichtigen klanglichen Eigenschaften, um das spanische Repertoire des 16. und 17. Jahrhunderts zu realisieren. Entsprechend wuchtig und frisch klingen die Stücke in unterschiedlichen Registrierungen, ohne daß Langeweile aufkommt.
Die Mikros wurden recht nahe aufgestellt, ohne den Hall zu unterbinden. Eine klare Transparenz bestimmt die Stereobühne mit einer eindrucksvollen Wuchtigkeit.
Das Ensemble Officium ist nur in drei Stücken (die mit *) zu hören, um die Alternatim-Praxis bzw. das Marienlied vokal zu präsentieren; es ist nur ein kleiner Auftritt, dafür aber gewohnt exzellent ausgeführt.
Insgesamt ein bemerkenswerter Einblick in die spanische Orgelkunst mit feiner Repertoireauswahl und toller Realisierung. Yo...