Orchesterlieder: Einspielungen

    • Offizieller Beitrag

    Max Reger

    Orchesterlieder

    Der Einsiedler op. 144a

    Hymnus der Liebe op. 136

    Requiem op. 144b

    An die Hoffnung op. 124

    Dietrich Fischer-Dieskau

    Philharmoniker Hamburg

    Gerd Albrecht
    1989

    Die Texte

    Josef von Eichendorff (1788 - 1857)

    Der Einsiedler op. 144a

    [Komm]1, Trost der Welt, du stille Nacht!
    Wie steigst du von den Bergen sacht,
    Die Lüfte alle schlafen,
    Ein Schiffer nur noch, wandermüd',
    Singt übers Meer sein Abendlied
    Zu Gottes Lob im Hafen.

    Die Jahre wie die Wolken gehn
    Und lassen mich hier einsam stehn,
    Die Welt hat mich vergessen,
    Da tratst du wunderbar zu mir,
    Wenn ich beim Waldesrauschen hier
    Gedankenvoll gesessen.

    O Trost der Welt, du stille Nacht!
    Der Tag hat mich so [müd']2 gemacht,
    Das weite Meer schon dunkelt,
    Laß ausruhn mich von Lust und Not,
    Bis daß das ew'ge Morgenrot
    Den stillen Wald durchfunkelt.

    Ludwig Jacobowski (1868 - 1900)

    Hymnus der Liebe op. 136

    Höre mich, Ewiger, höre mich, Ewiger, Allerbarmer,
    der du vom Dunkel der Tiefe emporwächst
    in des Äthers leuchtender Sphäre,
    Ewiger, der du mit deiner Alliebe
    die ganze wogende Menschheitsflut umarmst,
    wo ist die Liebe, die Menschenliebe?

    Ewiger, gib sie uns wieder die Hohe, die Reine,
    daß sie mit erbarmender Seele, mit milden,
    doch mächtigen Händen die klaffenden Wunden schließt,
    und in der bangen Seele des Einzelnen wieder
    entfache den sterbenden Funken göttlicher Liebe,
    der ihm im starren Herzen einst wohnte,
    als die grauen Gespenster der Selbstsucht und Gier
    noch nicht regierten die Seele der Menschen.

    Wüßt' ich, o Ewiger, wo ich sie fände. die
    erhabene Göttin, siehe, ich nähme noch einmal
    das hehre Martyrium des Genius,
    griff noch einmal mit kühner Hand an die Fackel des Ewigen
    und schleuderte Funken hernieder heiligen Feuers voll.

    Und zermalmte strafend die gewaltige Himmelswölbung
    mir die glühende Stirn, mir den trotzigen Nacken,
    dennoch rüttelt' ich wieder an die zitternde Veste der Welt,
    käpfte gigantisch wider die wimmernden Geister der Nacht,
    holte aus ihren Schattenarmen die Liebe,
    reichte mit sterbenden Händen hernieder die Hohe,
    die Hohe der jauchzenden Menschheit!

    Säh ich vernichtet alle Gespenster des Staubes,
    säh ich auf seligem Antlitz den ersten Schimmer
    erwachenden Weltenglücks und Elysium,
    siehe, ich stürbe, stürbe, stürbe so gern!

    Friedrich Hebbel (1813 - 1863)

    Requiem op. 144b

    Seele, vergiß sie nicht,
    Seele, vergiß nicht die Toten!

    Sieh' sie umschweben dich,
    schauernd verlassen,
    und in den heiligen Gluten,
    die den Armen die Liebe schürt,
    atmen sie auf und erwarmen
    und genießen zum letzten Mal
    ihr verglimmendes Leben.

    Seele, vergiß sie nicht,
    Seele, vergiß nicht die Toten!

    Sieh, sie umschweben dich,
    schauernd, verlassen,
    und wenn du dich erkaltend
    ihnen verschließest, [so]1 erstarren sie
    bis hinein in das Tiefste!
    Dann ergreift sie der Sturm der Nacht,
    dem sie zusammengekrampft
    in sich trotzten im Schoß der Liebe.
    Und er jagt sie mit Ungestüm
    durch die [unendliche]2 Wüste hin,
    wo nicht Leben mehr ist,
    nur Kampf losgelassener Kräfte,
    [nur Kampf um erneuertes]3 Sein.

    Seele, vergiß sie nicht,
    vergiß nicht die Toten!

    Friedrich Hölderlin (1770 - 1843)

    An die Hoffnung op. 124

    O Hoffnung! Holde, gütiggeschäftige!
    Die du das Haus der Trauernden nicht verschmähst,
    Und gerne dienend, [Edle!]1 zwischen
    Sterblichen waltest [und Himmelsmächten]1,

    Wo bist du? wenig lebt' ich; doch atmet kalt
    Mein Abend schon. Und stille, den Schatten gleich,
    Bin ich schon hier; und schon gesanglos
    Schlummert das schaudernde Herz [im Busen.

    Im grünen Tale, dort, wo der frische Quell
    Vom Berge täglich rauscht, und die liebliche
    Zeitlose mir am Herbsttag aufblüht,
    Dort, in der Stille, du Holde, will ich

    Dich suchen, oder wenn in der Mitternacht
    Das unsichtbare Leben im Haine wallt,
    Und über mir die immerfrohen
    Blumen, die blühenden Sterne, glänzen,

    O du des Äthers Tochter! erscheine dann
    Aus deines Vaters Gärten, und darfst du nicht
    Ein Geist der Erde, kommen, schröck', o
    Schröcke mit anderem nur das Herz mir.]

    Max Reger hat etwa 300 Klavierlieder hinterlassen, aber erst in seinen späten Jahren wagte er sich daran, seinen Orchestervorstellungen eine Singstimme gegenüberzustellen und das auch erst, nachdem er eine purgatorische Erfahrung mit Mozarts Musik gemacht hatte, die seine Auffassung von beidem änderte. Die Hölderlin-Vertonung verweist exemplarisch auf das Brahmssche Vorbild und natürlich auf Wagners Tristan, spätromantisch hypertroph, klagend, herzzerreißend, Eingriffe in die Textgestalt nicht scheuend. Regers "Scheitern" im großvokalen Bereich warf ihn nun immer wieder auf das Orchesterlied zurück, während sich sein monumentaler Zugriff eher in den Orgelwerken oder in der Kammermusik manifestierte.

    So wird das Requiem herunterdividiert selbst vom Männerchor und steht nackt vor uns wie auch der Einsiedler, der nun vollends rückwärtsgewandt erscheint in den Zeiten des ersten großen Krieges. Überhaupt scheint der Anachronismus dem allen innezuwohnen; bedenkt man, wie weit ein Mahler zu diesem Zeitpunkt schon vorausgeprescht ist mit seinem sinfonischen Liederschaffen, so möchte man Reger hier als epigonal oder verspätet abtun. Allein, das hört sich anders an; so als ob Reger Mahler überholte, ohne ihn einzuholen oder eigentlich sogar einholen zu wollen. Eine wahrlich fesselnde Ohrenmahlzeit sind diese fetten traurigen Lieder und ich bin froh, dass Fidi ihnen seine Stimme lieh.

    "Wenn man sich nur das Urteilen abgewöhnen könnte, dieses dilettantische Verfälschen der Dinge! Wir wollen immer verstanden werden und sind selber unerbittlich verständnislos." (Verdi bei Franz Werfel)