- Offizieller Beitrag
Sopran und Barockerbraut
Wer sie nicht kennt, verpasst etwas. Etwas Großartiges, Unvorstellbares! Die Kermes ist mittlerweile ein feststehender Begriff in der Klassik-Szene für ausgefallenes Repertoire, ausgefallenes Auftreten und eine außergewöhnliche Stimme. Mangels legalem resp. legalisiertem Fotomaterial muß vorerst Matthias' Karrikatur herhalten (was ja keine Schande ist), welche ich ihr vor zwei Jahren in die Hand drückte:
Die Kermes.
Karrikatur von Matthias Richter (c)
Die Hexe aus Humperdicks Hänsel und Gretel will sie erst singen, wenn sie 60 ist... und die Arien von Joseph Martin Kraus am liebsten gar nicht mehr. Die Koloratur-Sopranistin, die sich in ihrer wenigen Freizeit die Ohren mit Rammstein zudröhnt, brilliert mit einem umfassenden Repertoire, das von Monteverdi bis zu Bernstein und Weill reicht. Und jedes Mal kommt man nicht umhin, ihr zu bescheinigen, daß die ausgesuchten Werke ihr auf den Leib geschrieben zu sein scheinen, egal, aus welcher Epoche die Werke stammen. Dabei steht ihr ein Stimmunfang von 3 Oktaven sowie ein ausgefeiltes Pianissimo im Kontrast zu ihren exorbitanten Koloraturen zur Verfügung. Und, je nach Repertoire, wird all dieses unglaubliche Können in Perfektion präsentiert. Dabei verliert die Künstlerin niemals ihre Natürlichkeit, ihren Charme, ihr Feuer und den festen Blick zu dem Boden, auf dem sie steht.
Erstmals wurde ich auf ihre Stimme in der Tat durch die Krausarien aufmerksam, welche sie bei den Schwetzinger Festspielen sang. Ich hörte die Radioübertragung und war sofort fasziniert:
Diese Aufnahmen entstanden in Zusammenarbeit mit L'Arte del Mondo und deren Gründer Werner Erhardt (ehem. Concerto Köln). Die Leichtigkeit, mit welcher die Kermes die Krausschen Koloraturen singt, ist faszinierend.
Ihr Kernrepertoire ist jedoch die Barockmusik. Hier hat sie bereits einige großartige Alben produziert:
DIVA (2009)
Arien von G. F. Händel für den Castraten Cuzzoni
Die Lautten Compagney begleitet Arien aus Scipione,
Giulio Cesare, Alessandro, Rodelinda, Siroe, Tolomeo, Flavio,
Riccardo primo und Admento
LAVA (2010)
Arien aus dem Neapel des 18. Jahrhunderts
Le Musice Nove begleiten die Interpretin zu Arien von Pergolesi, Porpora, Vinci, Leo und Hasse.
Wiederum Le Musice Nove und diesmal Arien von Scarlatti, G. u. M. Bononcini, Caldara und Broschi.
Daneben existieren einige sehr gelungene Opernproduktionen. Besonders empfehlen möchte ich die Rodelinda mit Il complesso barocco (Alan Curtis):
Weitere Highlights dieser umwerfenden Produktion sind Marijana Mijanovic, Steve Davislim und Sonia Prina.
Außerdem singt Simone Kermes in Francesco Bartolomeo Contis (1681-1732) Oratorium DAVID:
Ein unglaubliches Werk, in welchem Conti, ein virtuoser Theorbist, eine zwölfminütige Arie (Quanto mirabile) mit herrlicher Theorbenbegleitung komponierte. Ein außergewöhnliches Lamento von großem Seltenheitswert. Contis DAVID ist neben Veniers Oratorio a 5 mein liebstes überhaupt.
Daneben hat Simone Kermes stets Rollen in z.B. Hummels Durchzug durch das rote Meer (Oratorium), Purcells Dido & Aeneas, Händels Athalia, Alexanderfest, Saul, Belshazzar, Naumanns Zeit und Ewigkeit, Reichardts Erwin und Elmire, Carl Philipp Emanuel Bachs Kantaten für Hamburg und jüngst in Mozarts Requiem (nicht nur in Bezug auf Simone Kermes eine exquisite Aufnahme!):
Das sind alles Aufnahmen, die sich allein schon wegen der Sopranistin Simone Kermes lohnen.
Ein besonderes Häppchen ist ihr Auftritt bei der AIDS-Gala 2008 gewesen, wo sie Bernsteins Glitter and be gay aus Candide präsentierte und alles in Grund und Boden sang:
Zuletzt hörte ich die rothaarige Barockerbraut live bei den Ludwigsburger Festspielen (2009?), wo sie als Constanze in Mozarts Entführung aus dem Serail von einem Publikumsbalkon aus Bassa Selim mit Noten in den Boden hämmerte. Zur Zeit ist sie als Armida in Händels Rinaldo an der Oper Köln zu hören. Im September werde ich sie wieder live in der Frauenkirchen zu Dresden erleben.