Beethovens Symphonie Nr. 5 in Aufnahmen vor dem 1.Weltkrieg
Bisher hatte ich immer angenommen, die Aufnahme von Arthur Nikisch am Pult der Berliner Philharmoniker sei die erste Einspielung von Beethovens op67 gewesen.
Sie findet sich auf etlichen CDs, ua. auf dieser hier:
Im Juni 1913 ging Nikisch, damals einer der berühmtesten Dirigenten der Welt, mit einer Rumpfmannschaft seines BPO in das Aufnahmestudio, um diese mittlerweile legendäre Aufnahme auf Schellack zu bannen. Die akustischen Verhältnisse sind ohne Konkurrenz und lassen einen sinnvollen Vergleich mit späteren Aufnahmen nicht zu.
Aber dennoch: Die exzessiv romantisierende, zugleich energische und packende Wiedergabe dieser wohl bekanntesten Symphonie der Welt sollte man unbedingt mal gehört haben!
Es gibt jedoch noch eine frühere Aufnahme, und zwar aus dem Jahre 1910: Es dirigiert Friedrich Kark am Pult des Großen Odeon Streichorchesters. Der 1869 geborene Kark absolvierte eine Ausbildung als Pianist und Violinist, arbeitete dann als Dirigent in Hamburg, um schließlich 1906 bei der Firma Lindström zu landen. Bis 1918 arbeitete er als deren Hausdirigent, vorzugsweise für deren Label Odeon.
Siehe dazu hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Odeon_Records
Kark war eine zentrale Figur in der frühen Schallplattenindustrie und zeichnete für zahlreiche Aufnahmen verantwortlich. Heute ist er leider weitgehend der Vergessenheit anheimgefallen.
Auch bei dieser Aufnahme sind die technischen Bedingungen natürlich irregulär. Das ist auch -vermutlich, weil nicht so stark gefiltert wurde- ganz deutlich zu hören. Ein Vergleich mit anderen Aufnahmen ist und bleibt aber spannend.
Die dritte mir bekannte Aufnahme aus dieser frühen Zeit der Schallplatte ist eine Aufnahme des belgischen Dirigenten François Ruhlmann (1868-1948) mit einem unbekannten Orchester für Pathé. Die Aufnahme ist in der Zeit zwischen 1912 und 1916 entstanden. Ruhlmann verbrachte den größten Teil seiner Karriere an der Opéra Paris. Wie Kark gehört auch er zu den Pionieren der Schallplattenaufnahme. Für Pathé nahm er vor dem 1.Weltkrieg mindestens sechs vollständige Opern auf, darunter Rigoletto, Gounods Faust, Carmen und Verdis Le Trouvère.
Ich kenne von Karks und Ruhlmanns Aufnahme keine CD. Sie sind aber - ohnehin copyrightfrei – problemlos im Internet zu finden.
Von derartigen Uraltaufnahmen mit akustischer Aufnahmetechnik geht für mich eine sogartige Faszination aus, der ich mich trotz der abenteuerlichen Klangqualität nicht entziehen kann. Die Schallplatte bietet mir sozusagen einen akustischen Blick in die Vergangenheit, in eine andere Welt. Ich höre Sänger, Musiker und Orchester, die so auch meine Urgroßeltern sonntags mit ihrem Gramophon hörten und bewunderten. Na ja, es ist wie beim Kino: Wenn man sich nicht eine gewisse kindlich-naive Freude und Neugier bewahrt hat, dann wird das mit der Faszination nichts...