Yoricks Nachtgedanken bei Tage

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    Ich werde hier zwanglos und ohne System und nur meinen Einfällen und Launen folgend Tiefsinniges und Belangloses notieren; ganz gleich, wie das Verhältnis am "Ende" aussehen mag. Manches wird aktuell sein oder gerade Ausgeburt meines kranken Hirns und lädierten Leibes; anderes älter und schon lange herumliegend in den Verästelungen meiner analogen, digitalen, virtuellen; auf jeden Fall blutigen Festplatten. Hier im Faden (Blog) sollte keine Diskussion erfolgen, dafür richte ich parallel eine Sudelstelle ein. Die älteren Beiträge von September 2018 bis Dezember 2022 kann man im Archiv nachlesen.

    • Offizieller Beitrag

    Seit ich mein Leben in Hundejahren zähle und immer durch plusminus 12 teile, liebe ich vor allem Deutsche Schäferhunde. Warum das so ist, kann ich nur vermuten; denn als ich klein war, gab es auf dem Hof meiner Großeltern keine Hunde mehr und vorher besaßen sie Spitze und alle Arten Rattler. Wie fast immer bei mir kann es nur mit Büchern zu tun haben; denn einer der Helden meiner Lesekindheit war der ungarische Schriftsteller Rudolf Szamos mit seinen Romanen über den Polizeihund Kantor; ich kann nur noch ahnen, wie oft ich „Kantor auf der Spur“ und „Grossfahndung mit Kantor“ gelesen habe. Überdies spielten Schäferhunde bei den Grenztruppen der DDR, in der NVA und überhaupt bei Polizei und Sicherheitsorganen eine große Rolle; was mir wahrscheinlich nicht entgangen ist; während ich die Karriere der Rasse in den Konzentrationslagern – ich sah ja früh und sehr oft die Hundezwinger in Buchenwald – offensichtlich erfolgreich verdrängen konnte. Ob ich die Liebe Hitlers zur Rasse als Kind mitbekommen habe, weiß ich aber auch nicht mehr.


    Das Schicksal des Deutschen Schäferhundes symbolisiert die deutsche Geschichte wie keine andere: Begründet aus süd- und mitteldeutschen Landschlägen von Hütehunden verkörperte er mit seinen ausgewogenen Proportionen und seinem mittleren Temperament und Charakter alle Eigenschaften eines erstklassigen Gebrauchshundes. Von Beginn an arbeitete er daher auch als Diensthund und beim Militär in allen Kriegen; so wurde er geliebt und gehasst. Und er wurde zuerst im Westen Deutschlands kaputtgezüchtet von Menschen, die „Schönheit“ statt Gebrauchswert in den Mittepunkt stellten, weil der Wohlstand letzteren als entbehrlich ansah und letztlich auch wie immer alles aufs Profitmachen hinauslief. Wenn man sich den ursprünglichen Deutschen Schäferhund anschaut und seinen Rassestandard, dann haben wir einen mittelgroßen und mittelschweren Hund vor uns; kräftig und stark bemuskelt, eher länger als hoch, beim ausgewachsenen Rüden mit einer Schulterhöhe zwischen 60 und 65 und Hündinnen zwischen 55 und 60 Zentimeter. Daraus machte man in einigen Jahrzehnten der Qualzucht die Karikatur eines Arbeitshundes mit Rutschbahnrücken, Verwinkelung der Hinterhand samt daraus folgendem Froschgang: Diese viel zu großen (über 70cm Widerristhöhe!) und viel zu schweren (teilweise 50-60kg!) waren natürlich insgesamt viel zu schwerfällig, konnten weder sprinten noch springen, besaßen keine Ausdauer und Wendigkeit mehr. Sie sahen nur gut aus; wenn man das gelten lassen will. Nach der Wende haben die meisten Ostzüchter ihre gesunden DDR-Hunde – quadratisch, praktisch, gut – verkauft nach Übersee und sonst wohin oder sich die eigenen Blutlinien durch Einkreuzung der Westhunde kaputtgemacht. Wer heute also einen halbwegs gesunden ostblütigen Deutschen Schäferhund haben möchte, braucht neben viel Geld und Beziehungen viel Sachverstand und historisch-kynologische Kenntnisse. Ansonsten weicht man wie Polizei und Armee komplett auf den Malinois aus, eine Variante des Belgischen Schäferhunds; den man aber auf Grund der großen Nachfrage inzwischen auch schon kaputtzüchtet.


    Daher werde ich, sollte ich beim Deutschen Schäferhund bleiben, nur die grauen und schwarzen aus den alten Ostlinien oder der westdeutschen aus den sogenannten Leistungslöhnen in Betracht ziehen; aber prinzipiell bin ich längst von den Rassen abgekommen und würde unabhängig von ihnen einfach auf ein paar grundlegende Dinge achten, die mir wichtig sind: Ich möchte einen mittelgroßen Hund, körperlich und geistig gesund; führig, wesensfest, witterungsbeständig und mit den Anlagen; um bei entsprechender Haltung oder Ausbildung als reiner Gebrauchshund an der Herde oder bei der Polizei arbeiten bzw. in einer Familie als reiner Familienhund leben zu können und der auch den veränderten sozialen Anforderungen (Verträglichkeit mit Artgenossen, mäßiges Bellverhalten, etc.) und gesellschaftlichen Verpflichtungen halbwegs genügt. Wenn das stimmt, sind mir Rasse und Aussehen eigentlich egal. Daher täte es auch jeder Mischling, jede Promenaden- und Wald- und Wiesenmischung; nur ist man auch hier mittlerweile in puncto Gesundheit nicht mehr auf der sicheren Seite; sodass man am besten im Tierschutz nach schon erwachsenen Hunden sucht, von den viel in Erfahrung zu bringen ist bezüglich Biografie, Wesen, Gesundheit.


    Andere Hunderassen schließe ich prinzipiell nicht aus. Die altdeutschen Hütehunde und den Hovawart würde ich nach dem Deutschen Schäferhund klar favorisieren. Alles, was zu klein ist, um von einem Kaninchen oder einer Ratte zweifelsfrei unterschieden werden zu können, kommt mir aber nicht ins Haus. Da kann ich mir auch gleich Kaninchen oder Ratten halten oder eine mickrige Katze. Mir ist die Idee hinter dem Schoß-, Gesellschafts- und Schmusehund schon klar; aber für mich persönlich käme das niemals in Frage. Ein Hund muss zur Not mich ziehen oder tragen können; nicht umgekehrt, dass ich mir die Taschen mit mehreren solchen Fußhupen vollstopfen könnte und Handy und Kippen hätten trotzdem noch Platz. Wenn man bei jedem Schritt Angst haben muss, den lieben Kleinen zu erlatschen, kann irgendetwas nicht stimmen im Lande zwischen Liliput und Brobdingnag. Ein Hund beginnt bei mir beim normalen Dackel (nicht beim Zwergdackel!); keinen Zentimeter drunter. Daher würde ich bestenfalls im Alter einen Mops oder eine kleinere Bulldogge zulegen, weil die aussehen wie ich und genauso schnarchen auf dem Sofa. Oder eben einen hochbeinigeren Jack Russell Terrier, diesen Löwen im Körper eines kleinen Hundes.


    Natürlich mag ich auch alle Arten von Nordischen Schlittenhunden; besonders den Malamute, den Husky und den Laika, aber ich würde hier in diesen Breiten bei den steigenden Temperaturen niemals solche Hunde halten, zumal ich sie nie so laufen lassen könnte, wie sie das brauchen. Ich verstehe all die Schlittenhundehalter nicht, die es neuerdings auch in Mitteldeutschland in Menge gibt; sie kümmern sich zwar liebevoll um ihre Hunde, fahren auch Rennen mit Rollgefährten, aber für mich bleibt das nicht artgerecht. Ähnlich ist das mit allen Lauf- und Jagdhunden, von denen mir schon einige gefallen würden; aber wenn man diese nicht jagdlich führt, sollte man die Hände davon lassen. Der aus Apolda stammende Dobermann ist mir zu nervös, auch wenn ich die Hunde recht ansprechend finde spätestens seit Jonathan Quayle Higgins III. mit den Jungs Zeus und Apollo. Windhunde mag ich vom Phänotyp überhaupt nicht, deren Körperbau stößt mich regelrecht ab. Auch die Modehunde Labrador und Golden Retriever, die man zu hunderten in jeder Straße sieht, können bei mir nicht punkten wegen ihrer permanenten Schwanzwedelei und Unterschreitung der Minimaldistanz. Aber auch hier hat die massenhafte Zucht auf Grund der massenhaften Nachfrage schon genug verhaltensauffällige Hunde produziert, die neben den Züchtern die Hundetrainer und Tierärzte reich machen, die Hundealter arm und verrückt und schließlich die Tierheime voll. Der Dalmatiner hat diesen Trend seit dem verhängnisvollen Film vor einem Vierteljahrhundert vorexerziert; jede Rasse, die zur Mode wurde, ist letztlich verloren auf immer, die Zuchtfehler kriegt man nie wieder raus.


    Sehr große und schwere Hunde finde ich prinzipiell in Ordnung; auch wenn mir die Deutsche Dogge, Bernhardiner, Leonberger, Landseer, Neufundländer, Berner Sennenhund weniger zusagen. Aber alle Molosser, die es schon seit den Römern gibt, haben es mir angetan: So ein Bullmastiff oder eine Bordeauxdogge machen schon was her und haben in der Regel einen gutmütigen und ruhigen Charakter. Allein, ich mag die herunterhängenden Lefzen nicht und das man täglich mehrfach vollgesabbert wird; zudem muss man in Form bleiben und Kraftsport treiben, wenn diese Viecher mit ihren 70 oder 80 Kilogramm ins Auto oder auf den Behandlungstisch vom Tierarzt hieven will. Die typischen Vertreter der so genannten „Kampfunde“ wie der Stafford oder Pit Bull finde ich persönlich interessant, der Staff hat eine tolle Figur und der Bullterrier ist so hässlich mit seinem mongoloiden Gesicht, dass es schon wieder spannend wird. Aber die Wirtschaft mit der Rasseliste, übrigens ein Beleg für die grenzenlose Dummheit der Verantwortlichen, und den Ängsten der Bevölkerung würde ich mir nie antun.


    Die Herdenschutzhunde, die man hierzulande entdeckt, seit die Wölfe die Schafherden dezimieren; fand ich schon immer gut; und würde ich noch im Oberland wohnen, hätte ich für die riesigen Flächen dort sicher inzwischen längst einen Owtscharka, also einen kaukasischen Schäferhund. Der ist nur draußen, bewacht das Grundstück und muss nicht beschäftigt werden; darum kümmert er sich selbst. Alle Herdenschutzhunde sind es gewöhnt, ihre Entscheidungen selbst zu treffen und lassen sich daher nicht so erziehen wie beispielsweise Schäferhunde und Rottweiler, die einen ausgeprägten Will to Please haben, sich eng an ihren Menschen binden und auch die für Hunde sinnlostesten Befehle und Kunststücke ausführen. Das würde wie einem Wolf einem Kangal, Šarplaninac, Maremmen-Abruzzen-Schäferhund, Pyrenäen-Berghund etc, niemals einfallen. Diese Hunde sind nichts fürs Sofa, lange Spaziergänge oder den Hundeplatz; die gehören in ihr Revier und brauchen keinen Schnickscnack.


    Der Pudel ist die einzige Rasse, die mir ein wenig unheimlich ist. Er sieht aus wie ein Sofa oder Strickpullover, ist aber wahrscheinlich eines der klügsten Wesen auf der Welt überhaupt. So hat er durchaus etwas Teuflisches an sich, nicht nur, weil er im „Faust“ diese Rolle spielt. Mit einem Pudel an meiner Seite käme ich mir irgendwie vor wie ein Mittelding zwischen einem Vorzeigeschwulen und einem grinsenden Mephisto; ein cane diavolo ginge nur mit einem cane celeste e divino als Pendant; aber das fiele mir auf die Schnelle keiner ein.

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    Credo (Glaubensbekenntnis)


    Ich will mir, solange ich auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe, das Grundgesetz respektiere und Recht und Gesetz beachte und nicht breche, von niemandem; nicht vom Staat, nicht von Politikern, nicht von den Medien, nicht von anderen Menschen überhaupt vorschreiben lassen; was ich zu tun und zu lassen; zu denken und zu reden, zu lesen und zu schreiben habe; was gut und böse ist; wahr und falsch; moralisch und unmoralisch; wen ich treffen darf und wen nicht; welche Freunde ich haben darf und welche nicht; ja ich nehme für mich das Recht in Anspruch, unpopuläre und vielleicht auch „überholte“, falsche oder irrige Ansichten und Meinungen zu vertreten, ohne deswegen ein schlechterer Mensch zu sein als andere; das ist ein freies Land und ich bin dessen freier Bürger und nehme diese Freiheit sehr ernst, weil ich weiß, wie es ist, wenn man diese Freiheit nicht besitzt.

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    Lob der Imbissbude


    Wenn wir Errungenschaften des Menschengeschlechts feiern wollen, sollten wir nicht auf imposante Bauwerke, Parlamente, Stadien, Arenen, Museen, Opernhäuser oder Industrieanlagen schauen, sondern auf die Imbissbude. Es gibt kaum einen Ort, der dem Urchristentum und einer wahren Basisdemokratie am Nächsten kommt und wo der Mensch Mensch sein kann ohne alle Bevormundung, Moral und Erziehung und dazu noch satt wird an Leib und Seele. Seit ich ein Fahrzeug steuern darf, steuere ich jeden Imbissstand in der Republik und besonders in Mitteldeutschland und ganz besonders in Thüringen an. Kein Rostbratwurststand ohne meine DNA, keine Bockwurstbude; kein Imbiss; sei er stationär in einem Häuschen aus den Materialien des zweiten und dritten kleinen Schweinchens oder täglich für den laufenden Betrieb provisorisch installiert. Und geradezu Teil meines Lebens sind diejenigen geworden, in deren Dunstkreis ich mich länger; teils über Jahre und Jahrzehnte aufgehalten habe.


    Während des Studiums in Jena gab es eingangs vom Löbdergraben noch Anfang der 90er die klassische Bockwurstbude; wo man Bowu mit Kaffee für eine Ostmark verhaften konnte; später stand ich gerne im Stadtzentrum beim Imbiss auf der Assiplatte, an dem man unweigerlich vorbeikam, wenn man zwischen Uniturm und Hauptgebäude pendelte. Als Referendar in Gera-Lusan gab es einen Imbisswagen, eigentlich total weg vom Schuss in Richtung Röppisch; aber immer gut besucht, auch von mir zwei lange Jahre lang. In meiner ersten Schule in Lengenfeld unterm Stein im südlichen Eichsfeld stand ein Imbisswagen mehr oder weniger direkt vor meinem Küchenfenster auf dem großen Parkplatz des Ortes. In Remptendorf war ich fast zwanzig Jahre lang Gast in Heidi Maywalds Imbiss, auf dem Weg nach Schleiz in dem der HEM-Tankstelle an der Abfahrt der A9; in Gräfenwarth ausgangs Richtung Kloster (SMS) und Saalburg esse ich bis heute bei Lutz Heuschkel, dem ehemaligen Inhaber des Aumaer „Bären“, meine Bratwurst. Und hier in Apolda gibt es nach den verschiedenen an der B87 Susen's Grilltempel am Toom-Baumarkt, stark frequentiert; den Imbisswagen bei der ThüFleiWa in der Buttstädter Straße, den mit dem ständig wechselnden Personal im Tankcenter in der Erfurter Straße und natürlich Ingrids Schlemmergarten in der gleichen Richtung am Ortsausgang, der in wenigen Tagen für immer schließt, was der unmittelbare Grund für mein Loblied und meine Klage ist.


    Denn am Imbissstand gibt es nicht nur das zu essen; was vor allem Männer (und auch inzwischen viele Frauen) mögen; nämlich Bratwurscht, Brätel, Klopse, belegte Brötchen; Bockwurscht, Soljanka, Sülze, Matjesfilet; Pommes, Bratkartoffeln, Kartoffelsalat usw.; dazu Kaffee, Cola oder Bier; also alles, was landläufig als ungesund und schwer gilt und man unschwer daheim selbst schnell zubereiten könnte; sondern auch soziales Miteinander, wie es selbst im heimischen Fußballstadion nicht mehr die Regel ist. Da stehen Handwerker, Monteure, Rentner, Pensionäre, Alkis, Spritis, Assis, Schlips- und Anzugträger, Lehrer, Ingenieure, Hartz-Vierer; Obdachlose, Touristen, Dienstreisende usw. beieinander, verzehren ihr Mahl; plaudern miteinander oder auch nicht; beobachten die Straße und die ankommenden und wegfahrenden Fahrzeuge, halten ein Schwätzchen mit den Damen vom Grill oder dem Mann am Rost; natürlich über das Wetter, den Verkehr; Sport und Politik, private Befindlichkeiten, Gesundheit, Beziehungen; Klatsch und Tratsch vom Tage und aus der Nacht.


    Auch das wieder eine Welt, die im Untergang begriffen ist; denn junge Leute verirren sich selten hierher; es sei denn, sie werden älter und üben einen richtigen Beruf aus. Aber die Imbissbude auf dem platten Land, in der Provinz; in Kleinstadt oder Dorf, stirbt aus; weil niemand für das bisschen Geld so lange und hart arbeiten will. Denn reich wird man im Imbiss nicht; das muss man mögen; man muss ein richtiger Gastronom sein, dem das Wohl seiner Gäste mehr am Herzen liegt als Öffnungszeiten und die große Kohle. Daher sind die meisten Betreiber, die ich kenne; alle älter bis uralt; meist weiblichen Geschlechts und oft genug schon im Rentenalter; die jüngeren stehen immer auf Abruf zwischen Rost und Fritteuse, sobald sich etwas Besseres und Lukrativeres findet, sind sie weg; verwaist stehen greise Kaffeemaschinen und alte Porzellanbestände; kein Rauch steigt mehr vom Dach auf; trostlos dann Haus, Bäume und See; im Winde klirren die Fahnen.

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    Kolonialgeschichte und "kulturelle Aneignung"


    Über dieses historische Problem ist schon viel geschrieben worden von wesentlich klügeren Leuten als mir, in geschichtswissenschaftlicher Hinsicht, aber auch in geschichtsphilosophischer, anthropologischer und moralphilosophischer. Daher nur ein paar Bemerkungen:


    Erstens ist das Problem eines der gesamten Menschheitsgeschichte. Seit es unterschiedliche Entwicklungswege der Hominiden gibt, gibt es Unterschiede und damit Aneignungen. Das nimmt Ausmaße an, seit es Zivilisationen gibt. Die mächtigeren Völker haben sich völlig natürlich die Potenziale der schwächeren angeeignet, die schwächeren haben sich, wo sie nicht vernichtet wurden, assimiliert und oft genug profitiert.


    Zweitens reden wir hier mit der westlichen Zivilisation auf kapitalistischer und demokratischer Grundlage von der bislang wirkungsmächtigen und erfolgreichsten der Weltgeschichte, die bis heute die Welt dominiert, auch wenn ihr Einfluss schwindet und sie sich selbstzerstörerisch gegen ihr eigenes Wesen wendet, wofür die Diskussion hier stellvertretend stehen mag. In Afrika traf diese hochkomplexe ausdifferenzierte Kultur auf gentilgesellschaftliche Verhältnisse und folgte ökonomisch den hergebrachten Mechanismen, unterbaut durch ideologische Vorstellungen von Überlegenheit, die sich aus damaliger und selbst aus heutiger Sicht nicht völlig von der Hand weisen lassen.


    Drittens sollte man nicht vergessen, dass das, was heute als „Beutekunst“ bezeichnet wird und in westlichen Museen steht, ohne den Forscher- und Erhaltungsdrang westlicher Gelehrter und Sammler oft genug gar nicht mehr existent wäre, weil die ursprünglichen „Besitzer“ sich des kulturellen Wertes gar nicht bewusst waren und sie daher, wo sich nicht finanzielle Vorteile herausschlagen ließen, Verfall und Vernichtung die Bahn bereiteten. Ohne den Blick westlicher Entdecker und Gelehrte, die fremde Kulturen erforscht und konserviert haben, würden viele Zeugnisse der frühen Kulturen und Hochkulturen überhaupt nicht mehr existieren. Das beste Beispiel dafür ist das Alte Ägypten, aber man kann sogar Afrika verlassen und Italien, Griechenland, Türkei in den Blick nehmen, also Südeuropa und Kleinasien.


    Viertens würde die globale nachträgliche eigentumsrechtliche Aufarbeitung bedeuten, dass alle großen und bedeutenden europäischen Museen ihre Bestände ausräumen und auf Reisen schicken müssten. Jedes einstige Imperium hat seine Beutekunst: Die Spanier, die Franzosen; die Briten, die Deutschen unter Göring; die Sowjets nach dem 2. Weltkrieg. Wo will man da anfangen, wo enden? Oder gilt das alles nur bezüglich „unterlegener“ Kulturen.


    Fünftens halte ich persönlich diese vermeintlichen „Wiedergutmachungen“ von Unrecht in der Geschichte durch Tilgung einer „Schuld“ für wenig zielführend und letztlich für undurchführbar. Denn zum einen unterliegen Werte, Standpunkte und Moralen einem historischen Wandel und zum anderen schafft das neue Recht auch immer neues Unrecht und hilft letztlich niemandem in der Gegenwart, außer dass es zu neuen Verwerfungen führt. Dass wir heute sensibilisiert sind für kulturelle Gefälle und Ungerechtigkeiten scheint mir Erfolg genug; wenn man das alles nicht bloß postuliert, sondern auch lebt und ferner beachtet.


    P.S. Dass die deutsche Kolonialgeschichte im Vergleich zur britischen, französischen, belgischen etc. eher unbedeutend ist im Großen und Ganzen, sei hier nur am Rande erwähnt. Aber vielleicht ist mir auch entgangen, wie das Empire oder die Grande Nation "Beutekunst" im großen Stil zurückgegeben haben.

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    Ich persönlich finde es einfach nicht integer; wenn man morgens nach einer Nacht ohne Bombenangriffe und Kriegsgefahr ausgeruht und ohne Ängste erwacht; sich warm duschen und Toilette machen kann; bevor man sich an den gedeckten Frühstückstisch setzt und analog oder digital Zeitung liest; dann mit dem eigenen Fahrzeug oder Bus und Bahn seine beruflichen und privaten Obliegenheiten erledigt; beim Essen wählen kann zwischen gutbürgerlich deutscher Küche, italienisch, griechisch, chinesisch, japanisch etc.; seine Freizeit mit hunderten Möglichkeiten gestalten kann, wenigstens hundert Sender im TV warten und abends nach einem kühlen Bier das warme Bett in absoluter Sicherheit; und man dann mit dem Finger auf die eigenen Vorfahren und Ahnen zeigt, die das alles ermöglicht haben; nicht weil sie die Welt zu einem schlechteren Ort machen wollten oder mutwillig die Umwelt zerstören; sondern weil sie die schwere und mühselige körperliche Arbeit erleichtern, ein bequemeres Leben in Wohlstand führen, ihren Nachfahren mehr bieten wollten.


    Ich bin daher ganz entschieden der Meinung, dass all diejenigen, die der westlichen Kultur und also dem alten weißen Mann die Schuld für so ziemlich alles Übel und Unrecht auf der Welt geben; keinen Anspruch darauf haben, die Vorzüge des westlichen Wohlstands, der naturwissenschaftlich-technisch-technologischen Entwicklung, der staatlichen Ordnung und Sicherheit, der medizinischen Versorgung und nicht zuletzt des sozialen Netzes des Wohlfahrtsstaates zu genießen. Wer moralisch über seine Verhältnisse lebt, sollte ehrlich genug sein und Verzicht leisten auf all das, was seiner Meinung nach Resultat von Ausbeutung, Unterdrückung und Raubbau ist. Aber es ist natürlich leicht, Kunst- und Kulturgüter zurückzugeben, die einen ohnehin nicht interessieren; da man schon an der eigenen Kultur und ihrer Tradition nicht interessiert ist; und es bestenfalls hart würde, wenn man auf Smartphone, Tablet und Laptop verzichten müsste, zumindest auf deren ständige Ersetzung durch Technik und Mode.

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    Es mutet mich grotesk an, wenn ich überlege; dass hochqualifizierte Ärzte über Wochen und Monate mit sündhaft teuren Behandlungsmethoden und zahlreichen Hochleistungsapparaten versucht haben, das Leben meines Vaters zu retten, der mit Mitte 70 auf den Tod lag; und gleichzeitig schlagen keine 1000 Kilometer östlich bei Lemberg Granaten ein und noch 1000 Kilometer weiter schießen bei Charkow Menschen auf Menschen; bringen einander Tod und Verderben; und das nicht für sich oder auch nur ihr Land, ihr Volk oder ihre Nation; sondern für die politischen, militärischen, ökonomischen, ideologischen Belange einer globalen Minderheit, die sich wie stets einen Dreck um das Sterben des Einzelnen und der Masse bekümmert.


    Die mehrdeutige Faszination der Serie M*A*S*H beruht genau auf diesem Zwiespalt, dem Episode für Episode Hawkeye Pierce operierend, Leben rettend, saufend und vögelnd, ganz Insubordination und Wehrkraftzersetzung, beredt und nonverbal Ausdruck verleiht. Man rettet Soldaten das Leben und schickt sie wieder aufs Schlachtfeld oder stellt sie vor ein Erschießungskommando. Der Wahnsinn und Irrwitz des Krieges wurde vielleicht nie symbolischer und unterhaltsamer dargestellt. Und dennoch stellen sich unsere politisch-medialen Eliten hin und wollen den Krieg gewinnen, in dem sie ihn radikalisieren und fortsetzen, anstatt alles dafür zu tun; dass er endet und damit das Töten. Auch wenn das beispielsweise hieße, eine wie auch immer zu definierende Niederlage einzustecken.

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    Wenn ich Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland wäre, würde ich mich sicher nicht damit aufhalten; Kunstschätze persönlich nach Nigeria zurückzubringen; das könnte der Staatssekretär tun oder ein Praktikant; sondern mich den wirklich wichtigen Fragen widmen. Für mich gäbe es ganz klar diese Schwerpunkte:


    1. Europa: Der erste Bezugspunkt außerhalb bilateraler Beziehungen ist Europa, die Europäische Union. Hier stünden so viele Reformen an, dass man ein eigenes Buch darüber schreiben könnte.


    2. USA, Transatlantisches Bündnis, NATO: Wäre völlig neu auszuhandeln auf Grund der neuen internationalen Lage


    3. Russland und Osteuropa: Es braucht eine komplett neue Ostpolitik mit dem Ziel, jeden Krieg künftig zu verhindern!!!


    4. Fernost: Die neue Weltordnung geht nur über China und Indien!


    5. Arabischer Raum: Frieden und Stabilität in Sicherheit gehen global nur mit dem islamischen Raum.


    6. Abschaffung aller Kernwaffen weltweit.



    Für mich sieht das derzeit nicht so aus, als ob man das begriffe im Auswärtigen Amt. Dass Außenpolitik nur interessengeleitet funktioniert und nicht werteorientiert, wurde hinreichend erklärt. Politik bleibt die Kunst des Machbaren, ist immer pragmatisch und muss kompromissfähig sein.

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    Mal ganz unabhängig von den konkreten historischen, politischen, militärischen Implikationen traf der Ukraine-Krieg die politisch-medialen Eliten des Westens so unerwartet und heftig; weil er auf einer globalen und höheren Ebene unser Selbstverständnis der letzten Jahrzehnte geradezu mühelos über den Haufen warf und die normative Kraft des Faktischen uns überrollte in der Gestalt realgeschichtlicher Ereignisse. Das ganze Rede vom Ende der Geschichte, der Religionen und Ideologien erwies sich nicht nur als vollkommen haltlos, sondern sogar als kontraproduktiv und gefährlich; weil alle drei Facetten der geschichtlichen Wirklichkeit stärker wurden als jemals zuvor und nun drohen, wieder die Zügel in die Hand zu nehmen; weil unsere Flanken entblößt sind.


    Der Westen hat moralisch seit dem Ende des 2. Weltkrieges und ganz besonders seit dem Fall des Kommunismus um 1990 über seine Verhältnisse gelebt. Er hat im Siegesrausch und im vollen Besitz seiner Stärken geglaubt, dass seine Moral und Ethik Richtschnur für die ganze Welt sein müsse, die man nach Gutdünken einteilen könne in gut und böse. Dass sein ideologischer Überbau auf einer ganz konkreten ökonomischen Basis ruht, die wiederum Resultat ganz spezifischer historischer und gesellschaftlicher Entwicklungen ist, die sich nicht verallgemeinern und generalisieren lassen, wollte man nie wahrhaben. Der Westen mit Kapitalismus und Demokratie ist global gesehen in der Minderheit, auch wenn er bis heute ausstrahlt und wirkt; aber eben zunehmend abnehmend.


    Dass man also nicht Herr ist im eigenen Haus; dass die Weltgeschichte verschiedene Wege beschreitet auch heute noch in verschiedenen Weltgegenden und direkt vor unserer Haustür, das hat den Westen zutiefst geschockt. Nun sucht man einen Sündenbock und einen konkreten Gegner, an dem man sich abarbeiten kann und der an allem schuld ist. So umgeht man die kritische Selbstreflexion und natürlich die Erkenntnis, dass man selbst womöglich nur ein Seitenpfad oder gar eine Sackgasse ist. Ohne wirklich existenzielle Krisen, die ihn wieder zusammenschweißen und sich auf seine so fruchtbaren Grundlagen besinnen lassen, ist der Westen verloren mittelfristig.

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    Gabriele Krone-Schmalz wies in ihrem Buch „Respekt geht anders. Betrachtungen über unser zerstrittenes Land“ auf das von Georg Cremer „Armut in Deutschland – Wer ist arm? Was läuft schief? Wie können wir handeln?“ hin, das ich angeregt las; „Plädoyer für ein neues Verständnis von Armut“ der beiden Nobelpreisträger 2019 Abhijit V. Banerjee und Esther Duflo habe ich mir noch vorgenommen.


    Krone-Schmalz geht es eher um die Darstellung des Problems in den Medien und der Öffentlichkeit; wenn unreflektiert davon die Rede ist, dass Deutschland ein flächendeckendes Armutsproblem habe und das unerträglich und vermeidbar sei in einem der reichsten Länder der Welt. Schaut man dann auf die Definitionen und Begriffe, Zahlen und Statistiken; wird einem schnell klar, was sie meint; denn wer beschäftigt sich schon mit Termini wie Nettomedianeinkommen, Armutsgefährdung, Armutsrisikogrenze usw. und vergleicht europa- oder weltweit soziale Systeme.


    Unter Armut stelle ich mir bis heute jemanden vor, der nicht genug Geld hat, um sich eine Wohnung, Essen und Trinken, Kleidung und medizinische Versorgung leisten zu können; Obdachlose und Bettler sind die sichtbarsten Armen im Stadtbild. Natürlich gibt es so etwas in der Bundesrepublik nicht; denn niemand bei uns muss unter der Brücke schlafen, hungern, frieren, nackt umhergehen oder unbehandelt an einer Krankheit sterben. Für die absolut notwendigen Dinge sorgen Staat und Kirche. Aber so wird Armut schon lange nicht mehr definiert in einem wohlhabenden Land, dem vielleicht leistungsfähigsten und komplexesten Sozial- und Wohlfahrtsstaat der Weltgeschichte.


    Im Jahr 2017 wurde als arm bezeichnet, wer als Einzelperson an Nettoeinkommen weniger als 1136 Euro zur Verfügung hatte; 2385 Euro für ein Paar mit zwei Kindern. Ich denke, jeder Ossi; der nicht gerade in einer Boomtown lebt und arbeitet; wird an den nackten Zahlen schon erkennen, was hier falschläuft. Und natürlich wirft es sozial die Frage auf; wann man wirklich arm ist; und philosophisch, was der Mensch eigentlich braucht zum Leben. Ist man arm, wenn man keinen Fernseher hat? Oder, wenn man sich kein Auto leisten kann, keinen Urlaub, keinen Kinobesuch?

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    Wenn man als aller Wahrscheinlichkeit nach Kinderloser sich über Erziehung äußert, ist das immer eine heikle Sache; aber Gott sei Dank ist mir schnurzpiepegal, was gestandene Eltern als ersten Einwand vorbringen werden. Das Hauptproblem ist meiner Ansicht gar nicht mal so sehr das Verwöhnen, Verweichlichen, mit Konsumgütern überschütten, sondern die Kindern und Jugendlichen permanent gewährte Aufmerksamkeit. Ich konnte das im letzten Jahr bei einigen jüngeren Familien so um die 30 beobachten und vor allem bei einer Mitarbeiterin meiner Frau in ihrer Eigenschaft als Oma. Die schleppt den Kleinen überall mit hin und wenn er nur einem Mucks sagt, wird ihm willfahrt, dass es eine einzige Freude ist, wobei man Freude durch Fehlkonditionierung ersetzen sollte. Früher liefen Kinder so mit und wenn sie störten, wurden sie zur Ruhe ermahnt oder zur Selbstbeschäftigung erzogen. Auf jeden Furz zu reagieren macht aus Kindern unselbstständige narzisstische Menschen mit geringer Frustrationstoleranz, die in diesem Leben niemals glücklich werden können. Für diesen Befund braucht man kein Psychologiestudium, da reicht ein wenig Lebenserfahrung.

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    Danach sind insgesamt rund 1,40 Mio. Menschen in Deutschland auf einen Rollstuhl angewiesen. Das entspricht rund 17,7% der schwerbehinderten Menschen und rund 1,68% der Gesamtbevölkerung in Deutschland im Jahr 2019.“


    An den Rolli-Fahrern habe ich mich schon oft abgearbeitet. Zuletzt, als man es im Thüringen Journal für geraten hielt, ausführlich darüber zu berichten, dass man in Weimar nun auch mit dem Rollstuhl auf dem Eisgleiter aufs Eis könne vor dem Theater im Advent. Rampen für den Bordstein und Gebäude; ok; aber was für Rollstuhlfahrer alles so umgebaut werden soll, da greife ich mir immer wieder an den Kopf. Ich laufe zwar noch, aber schlecht genug; auch ich muss auf tausend Dinge verzichten, die gesunde Leute tun. Diese vollkommen überzogene Anforderungshaltung kommt ja nicht einmal von den Rollis, sondern von zumindest körperlich gesunden Gutmenschen.

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    Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) schlägt also längere Legislaturperioden vor und ein Wahlrecht schon ab 16 Jahren. Ziel sei es, die Politikverdrossenheit der Bürger zu mindern und die Arbeit der Parlamente zu stabilisieren. Natürlich könnte man dazu 500 Seiten schreiben und dann noch einmal 5000; aber ich habe einfach keine Kraft mehr und auch keine Lust.


    Ad Primum:


    Natürlich sind die Bürger nicht politikverdrossen, weil sie so oft zur Wahlurne schreiten müssen, sondern weil sich; egal, was sie wählen, nichts ändert. Auf Bundesebene spätestens seit Beginn der Ära Merkel und noch sichtbarer etwa in den Landesparlamenten des Ostens, wo immer jeweils ein Drittel des Wählerwillens ignoriert wird bei allen Fragen politischer Verantwortung. Den etablierten Parteien traut kaum noch einer über den Weg, überhaupt strafen sie den Art 21 des GG schon längst Lügen, dass sie bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Und was soll denn jemand machen, der sich nicht mehr repräsentiert sieht von den Repräsentanten? Ich persönlich lehne die Politik der Bundesregierung seit spätesens der Bankenrettung 2008 ab; für mich kommen also schon einmal CDU, SPD, Grüne und FDP gar nicht in Frage; und da muss ich gar nicht noch eigens darauf verweisen, dass die CDU inzwischen keine konservative Partei mehr ist; die SPD keine mehr der kleinen Leute und die FDP kein Verteidiger der Freiheit, sondern eine der Anpasser und Opportunisten. Grüne und LInke kommen für mich auf Grund ihres ideologischen Dogmatismus nicht in Frage. Und nun? Bleibt nur die AfD oder gar nicht wählen. Letzteres ist keine Option.


    Ad Secundum:


    Wenn wir uns unser Bildungssystem anschauen und vor allem die geistige Reife unserer Kinder und Jugendlichen, dann kann man über den Vorschlag, das Wahlalter auf 16 herabzusetzen, nur den Kopf schütteln. Ganz im Gegenteil zur rein biologischen Reifung, die auf Grund von Ernährung und medizinischer Versorgung immer früher einsetzt; hat sich der gesellschaftlich-geistige Reifeprozess stark verlangsamt und verzögert sich mittlerweile bis Ende der 20er. Das, was man eine eigenständige Persönlichkeit, ausgebildete und gefestigte Charaktere nennt; einen mündigen Staatsbürger, der als selbstständiges Individuum seinen Lebensunterhalt selbst verdient und daher eigenverantwortlich und pflichtbewusst handeln kann; ist mit 16 Jahren auf keinen Fall gegeben. Im Gegenteil müsste man darüber nachdenken, das Wahlalter wieder auf 21 anzuheben und das im hohen Alter unter bestimmten Umständen erlöschen zu lassen. Es wäre doch abstrus, jungen Leuten, die noch völlig unselbständig sind, am Gängelband von Eltern, Schulen und Medien; eine Verantwortung zu übertragen, der sie gar nicht gerecht werden können.

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    Ich habe mich früher immer sehr über das Zensuswahlrecht echauffiert, weil ich das für so außerordentlich ungerecht hielt. Noch bei den ausführlichen und langwierigen Längsschnitten zur Verfassungsgeschichte in meinen Leistungskursen legte ich den Focus darauf. Inzwischen sehe ich das wesentlich entspannter. Denn eines ist klar: Natürlich ist es per se ungerecht, wenn diejenigen mit weniger oder gar keinem Besitz oder weniger und gar keinem Geld nicht wählen dürfen; aber genauso klar ist; dass Stabilität und Verantwortung nur mit Besitzstandwahrung zu haben sind. Nur der, der etwas zu verlieren hat; wird darauf achten, dass es keine allzu großen gesellschaftspolitischen Verwerfungen gibt. Alle, die nur gewinnen können, wenn sie aufbegehren und revolutionäre Änderungen anstreben; stehen für dynamische, oft genug nicht zu kontrollierende gesellschaftliche Umstürze. Zwischen diesen beiden Polen gilt es geschickt auszubalancieren. Das ist heute um so schwieriger, als die Komplexität von sozialen Strukturen zugenommen hat; und um so leichter, weil sich die Deklassierten auf Grund hinreichender Fürsorge des Staates nicht mehr um Umstürze kümmern und stattdessen fernsehen und im Netz spammen.

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    Die konservativen Einstellungen sind die gleichen geblieben:


    - Wertschätzung des Bestehenden

    - Bevorzugung evolutionärer Veränderungen

    - Ablehnung von Revolution und Anarchie

    - Focus auf Familie, Staat, Kirche und Gesellschaft

    - Wertschätzung von Bildung, Erziehung, Umgangsformen, Etikette

    - Ablehnung von staatlicher Einmischung außerhalb der notwendigen Bereiche

    - oft Ablehnung von Abtreibung und aktiver Sterbehilfe

    - Leben und Vorleben klassischer Werte: Fleiß, Disziplin, Ordnung, Sauberkeit etc.

    - lieber grau statt bunt

    - Jeder ist für sich selbst verantwortlich; wer unverschuldet Hilfe braucht, bekommt sie

    - stolz auf die eigene Nation und deren Geschichte

    - entschieden gegen eine unktrollierte Einwanderung und Aushöhlung des Sozialstaates

    - Abwägung von Sicherheit und Freiheit mit der Tendend zu erster (hier im Unterschied zum klassischen Liberalen)

    - für Hierarchien, Selektion, feste Strukturen

    - für Leistungsgesellschaft - wer mehr leistet, soll mehr bekommen

    - wer Macht hat, hat mehr Verantwortung

    - skeptisch gegenüber einer unreflektierten Europapolitik

    - Religion und deren geistige Surrogate essenziell für Identität

    - usw.


    Diese Positionen, die nach wie vor mehrheitlich von Biodeutschen auf dem Land und in den Kleinstädten eingenommen werden; gelten heute längst als fern der Mitte und des Konservativen und werden von der CDU nicht mehr vertreten.