Die enorme Wirkung von Johann Sebastians Bachs Matthäus Passion auch auf Menschen, die mit der lutherischen Konfession, dem christlichen Glauben und überhaupt jeder Art von Religion nichts am Hut haben, lässt verschiedene Schlüsse zu. Zum einen scheint Bachs Musik die in jedem Menschen, auch im westlichen, der sich von ihr emanzipiert und freigemacht zu haben glaubt, für den sie laut eigener Bekundung überhaupt keine Rolle mehr spielt, weder im Alltag noch im Seelenhaushalt, und der sonst nie klassische Musik hört, schon gar nicht sakrale, geistliche und also Kirchenmusik; die tief im Inneren versteckte religiöse Grundstruktur herauszuschälen und sichtbar zu machen in äußerlichen und beinahe physiologischen Aspekten wie Tränen, Trauer und Um-Denken in wesentlichen Fragen. Zum anderen geht Bachs Musik, die als einzige in der Musikgeschichte gleichermaßen Herz, Seele, Geist, Intellekt anzurühren vermag, weit über das bloße religiöse Moment, das motivierend am Beginn steht, hinaus; insofern man nicht alles Leben mit Religion gleichsetzt, und umfasst sowohl alle menschlichen Regungen und gesellschaftlichen Bereiche und ist wohl doch, wie immer wieder angemerkt, ein Spiegel des Alls und der kosmischen Harmonie respektive der allumfassenden Liebe Gottes, wenn man so will.

Yoricks Nachtgedanken bei Tage
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Wo herrschen heutzutage in der modernen westlichen Welt die feudalistischsten Verhältnisse, die größten persönlichen und strukturellen Abhängigkeiten, die unverbrüchlichsten intransparentesten Hierarchien, die größtmöglichen denkbaren Ungerechtigkeiten und Disparitäten? Richtig, an bundesdeutschen Hochschulen und Universitäten. Dort, wo es der Wissenschaft, der Wahrheit, der Freiheit des Geistes gölte; dominieren Vetternwirtschaft, Vitamin B, Seilschaften, Amigos, Korruption. Nicht die Leistung entscheidet, die Begabung, das Genie, der Fleiß, die Ergebnisse in Lehre und Forschung; sondern ausschließlich und allein das persönliche Verhältnis zu den Leuten über einem in der universitären Hierarchie. Der mittelalterliche Personenverbandsstaat ist ein Waisenknabe gegenüber den über Jahrzehnten verfestigten Strukturen an einer mittel- und westeuropäischen oder nordamerikanischen Hochschule. Die Jagd nach Pfründen wie einem ordentlichen Lehrstuhl, in den guten alten Zeiten der berühmte C4-Professor, ist eine der schwierigsten der neueren Sozialgeschichte.
Um eine akademische Karriere zu machen, ist der Abschluss mit Einskommanull im Examen und später „Summa cum laude“ in der Promotion nicht so entscheidend wie das soziale Netzwerk, das man sich möglichst schon als Student webt. Ob als wissenschaftliche Hilfskraft, wissenschaftlicher Hilfsassistent, Assistent oder Privatdozent – ohne einen Professor, der etwas zu sagen hat an seinem Lehrstuhl und seiner Universität und der selbst in der gesamten Hochschullandschaft gut vernetzt ist, geht gar nichts mit Blick auf eine unbefristete Stelle. So heißt es Wassertragen und Hilfsdienste leisten bis in die Vierziger hinein, aber auch dann kann es schon zu spät sein. Kein Wunder also, dass es innerhalb dieser Hierarchien meist nur diejenigen Speichellecker, Opportunisten, Rückgratlosen, Liebediener und Heuchler schaffen, deren Persönlichkeit spätestens nach diesem charakterlichen Spießrutenlauf gebrochen ist und die dann als Ordentliche Akademiker ihrerseits nun nach unten deckeln. Wirkliche Fortschritte in den Wissenschaften, in Kultur und Gesellschaft sind so natürlich nicht zu gewärtigen. Die Kaste schottet sich ab und lebt in Elfenbeinturm und Schneckenhaus; der Austausch mit Politik und Ministerialbürokratie funktioniert hinlänglich, weil dort ähnliche Strukturen bestehen.
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Wortfindungsgespräch einer Ehe:
Frau: "Was ist denn nun mit dem Klempner? Kümmere dich bitte endlich!"
Mann: "Mein zweiter Vorname ist "Kümmerer!"
Frau: "Du meinst sicher, Kummermacher ..."
Mann: "Nein, nein - ich bin zusagen ein Heide, wo nicht gar Gerechter von Kummerow."
Frau: "Na, an den "lustigen" Streichen mangelt es nicht ..."
Mann: "Was Wunder, ich bin schließlich ein ganzer Kummerkasten für alle Welt ..."
Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Seit ich im letzten Dezember anlässlich einer schwerer Zahn-OP, die mich im Nachgang wochenlang den Kreuzweg unseres Herrn erahnen ließ und unten links wie unten rechts jeweils zwei Zähne gekostet hat; ist es unglaublich schwierig geworden, mein Übergewicht zu halten, weil ich für jede Mahlzeit dreimal so lange brauche wie ehedem, weil Planung, Logistik samt Vorsicht beim Malmen von Stulle, Keule und Kohlrabi so viel Zeit verschlingen wie ich früher mit gesunden, intakten und also noch vorhandenen Beißerchen Gebratenes und Gesottenes die Menge.
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Beim Aktualisieren und Herunterfahren hat mein Rechner den Geist aufgegeben, wohl nicht der erste, wie mein PC-Fachmann mitteilt. Mal abgesehen davon, dass so etwas heute absolut nicht mehr passieren dürfte, wenn ich bedenke, wie gesichert der ist und dass ich nicht auf verdächtigen Seiten von Verschwörungstheorien bis hin zur Erwachsenenunterhaltung surfe, fragt man sich schon, wie abhängig man von dem Teil inzwischen und ob man vielleicht doch süchtig ist. Aber natürlich ist man nicht in einer Sucht befangen, die Zeiten haben sich einfach geändert und da bin am richtigen Computer mit einem festen Standort ja schon oldschool, denn die meisten jüngeren Leute machen das mit Laptop, Tablet oder gleich mit dem Smartphone. Und natürlich habe ich Backups und die meisten Sachen auf externen Festplatten mehrfach gesichert, aber allein die ganzen Voreinstellungen, die man auf seinem eigenen Rechner hat mit dem jeweiligen Betriebssystem, auch auf seinem Browser etc., die das Arbeiten beschleunigen und erleichtern, ich darf gar nicht daran denken, wenn ich das alles neu machen müsste. Und nun dieser Fummelei auf dem Laptop meiner Frau, alles ist so winzig, die Tastatur, der Bildschirm; ich bin doch kein Liliputaner.
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Meine Frau beginnt nun vor der eigentlich von ihr geführten Fastenwoche Mitte März ein einwöchiges Leberfasten. Ich wollte erst nicht mittun, aber nun habe ich mich doch beinahe dazu entschlossen, wenn das alles nicht so wahnsinnig kompliziert wäre. Für die ersten Tage käme ich ja noch klar; Leber mit Zwiebeln und Kartoffelbrei, Leberragout, Lebergulasch, gebratene oder geröstete Leber; aber dann wird es eng, ich kenne nicht mehr Lebergerichte. Und roh mag ich sie dann doch nicht essen, ich bin ja keine Katze.
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Ich frage mich schon den ganzen Tag, ob Jesu Wort "Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken" (Mt 11,28) als die Urkunde der Logistik, also des Lastenverkehrs und Speditionsswesens anzusehen ist, verbunden mit einer frühen sozialkritischen Komponente und einer Vorausdeutung auf Autobahnraststätten?!
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Ich würde nicht behaupten wollen, dass ich gerne leide; aber bemitleiden tue ich mich sehr gern und intensiv, das macht ja sonst keiner.
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Meine Programmliste/ Senderliste/ Favoritenliste
Ich denke, die Platzierung der Fernsehsender sagt eine ganze Menge über die jeweilige Persönlichkeit aus; selbst und vor allem dann, wenn die klassischen Voreinstellungen (ARD, ZDF, RTL, Sat1 etc.) nicht verändert werden. Das gilt freilich nur für die älteren Semester, die jungen Generationen schauen wohl in der Regel kaum noch lineares Fernsehen, wo eine solche Liste Sinn machen würde. Meine derzeitige:
1. Das Erste HD
2. tagesschau 24 HD
3. ONE HD
4. ZDF HD
5. ZDFinfo HD
6. ZDF_neo HD
7. 3sat HD
8. arte HD
9. ARD alpha HD
10. phoenix HD
11. MDR HD
12. rbb HD
13. NDR HD
14. BR Fernsehen HD
15. HR-Fernsehen HD
16. SWR HD
17. WDR HD
18. SR Fernsehen HD
19. Radio Bremen HD
20. Sky Cinema Classic HD
21. Warner TV Film HD
22. ProSieben
23. Eurosport
24. sport1
25. DMAX
26. Sportdigital Fussball
27. Sky Sport Premier League
28. Sky Sport Bundesliga
29. Bibel TV HD
30. MTV
31. DELUXE MUSIC
32. Euronews
33. ntv
34. Welt (vormals N24)
35. RTL HD
36. VOX HD
37. Kabel einsMeine Liste war früher auch sehr viel länger, da habe ich die hundert Plätze fast augereizt, aber der Sky-Receiver ermöglicht die thematische Umschaltung, sodass ich mit einem Klick alle Sportkanäle auf einen Blick hintereinander aufgelistet bekomme, bei Filmen, Serien, Dokumentationen, News, Musik etc. ist das auch so; daher muss ich mir beispielsweise meine liebsten Dokusender nicht eigens in die Liste setzen, wie ich das früher gemacht habe, wo sie ganz vorne hinter den Dritten Programmen und noch vor dem Sport erschienen.
Zwei Sender, die ich überproportional häufig frequentiert habe, standen sonst noch ganz oben; aber Kinowelt TV mit Cineastik, Filmgeschichte und Arthaus bietet Sky nicht mehr an; und auch Stingray Classica (ehemals Classica und Unitel Classica) empfange ich leider nicht mehr. Überhaupt wechseln bei vielen Anbietern die Sender oder auch nur deren Namen, dass einem schwindlig werden kann.
Die klassischen bundesdeutschen Privatsender wie Sat.1, RTL II, Tele 5 oder Super RTL brauche ich nicht; das Niveau ist dort derart niedrig, dass man kein arroganter Bildungsbürger sein muss, um sich vor dem ganzen Schmutz und der vielen Werbung zu schützen. Nur ProSieben brauche ich weiter oben, weil dort Sitcoms wie die The Big Bang Theory laufen; ganz hinten die drei Privatsender dürfen verweilen, weil da mittlerweile auch Fußball läuft auf RTL und einige gute Dokumentationen auf Vox und Kabel.
Durch die vielen digitalen Möglichkeiten wird diese Senderliste immer mehr an Bedeutung verlieren. Neben dem linearen Fernsehprogramm hat man die Mediatheken fast aller Sender zur Verfügung; dazu kommen Amazon Prime Video, Netflix, DAZN und noch andere Anbieter je nach Geschmack und Interesse; auch Sky ist mittlerweile virtuell zu empfangen, wird es aber sicher dennoch nicht mehr lange machen, die Konkurrenz ist einfach zu groß.
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Der Boreale Nadelwald, der als Tundra, Taiga etc. die Nordhalbkugel von Hokkaidō über Sibirien, Skandinavien, Kanada, Alaska etc. umspannt, ist mir in literarischen Werken von Wladimir Arsenjew bis Jack London sehr sympathisch, auch in den vielen Fernsehdokumentationen zu diesen unwirtlichen Gegenden der Welt; aber die unendlichen monotonen und tristen Nadelwälder sind eigentlich nicht mein Ding. Vielleicht rüht das daher, dass ich im Thüringer Schiefergebirge inmitten von Fichtenplantagen aufgewachsen bin, deren Trostlosigkeit mir bei aller Liebe für den Wald nicht veborgen blieb. Mein Herz schlägt für den mitteleuropäischen Mischwald, wie er jetzt auch wieder in Thüringen heranwächst, wo wie ehedem vor der holzwirtschaftlichen Nutzung nun auch wieder die Buchen und andere Laubbäume sich mehrheitlich den Tannen und Fichten beigesellen.
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Wenn man wie ich seinen Fernseher liebt und ein begeisterten Fan von Kino, Film und Fernsehen ist; dann wird man sein Gerät nicht leichthin wegschmeißen wollen, weil die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse das nahelegen würden. Aber um eine strikte TV-Hygiene kommt man heute nicht herum: Daher sind zunächst einmal und sozusagen basal jegliche Nachrichtensendungen zu meiden, natürlich alle Polit-Talks und pseudoinestigativen Dokumentationen; dann alle weiteren in diesem Dunstkreis mäandernden Formate. Leider muss man inzwischen auch bei regelmäßigen Filmen wie dem "Tatort" sich vorher informieren, ob nicht auch dort wieder linksliberale und grüne Propaganda stattfindet, die einem den Genuss verleidet; selbst bei Vorabendserien wie den "Sokos" kann man von Woche zu Woche beobachten, wie selbst harmlose Alltagsthemen immer wieder und immer mehr infiltriert werden mit ideologischen Botschaften. Zuletzt bleibt nicht mehr viel übrig, aber immerhin genug: ein wenig Sport, seriöse Dokumentationen und gute Filme auf Arte oder in den Dritten. Aber einfach so den Fernseher anschalten und durchzappen; das ist für einen Menschen mit Herz, Seele und Verstand nicht mehr möglich.
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Meine Frau und ich blieben neulich, was schon sehr ungewöhnlich ist, weil ich sonst nie bis zu diesem fernen Kanal durchschalte; bei MTV und dessen "Weekend Special: 80's Weekend" hängen. Fast jedes Lied, jeden Song kannten wir und fast jeder Titel verband uns beide mit irgendetwas aus Kindheit und Jugend. Und das, obwohl wir in der DDR aufgewachsen sind und obwohl ich vorzugsweise Heavy Metal und Klassik gehört habe mein Leben lang und meine Frau eigentlich überhaupt keine besondere Ader für Pop- und andere Musik hat. Das ist absolut bezeichnend, welchen Einfluss die moderne Rock- und Popmusik auf einen Jugendlichen hat, dass sie ein Leben lang in seinen Nervenbahnen und Gehirnzellen erhalten bleibt und beim geringsten Reiz wieder aufersteht mit allen Facetten einer komplexen Erinnerungskultur. Nicht umsonst spielt daher diese Art Musik auch bei modernen Schrifstellern eine so große Rolle, von Haruki Murakami bis zu Uwe Tellkamp; aber ich schätze, nicht einer der nach 1945 geborenen Autoren wird ohne diese musikalische Sozialisation ausgekommen sein, die in seinem Werk wirkte, ob er das wollte oder nicht. Ob das in 30 Jahren bei der heutigen Jugend auch noch so sein wird, da sich die Eintagsfliegen und Featurings im Minutentakt die Hand geben und ununterscheidbar einander ablösen, kann ich nicht sagen.
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Als bekennender und ganz und gar nicht anonymer Bowuholiker finde ich die despektierliche Redewendung von der "Bockwurst im Kompanieflur" nicht nur ausgesprochen sexistisch, anatomisch unzureichend belegt und überhaupt misogyn; sondern auch kulinarisch und sozusagen mit Blick auf Ressourcenverschwendung in Krisenzeiten wie diesen absolut unter der Gürtellinie; und da haben wir wirtschafts- und sozialethisch die Aspekte der Wertschätzung des Utilities Managers oder der Raumpfleger*Innen respektive des Reinigungspersonals noch gar nicht mitgedacht.
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Bartók statt TikTok!!!
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Wie im richtigen Leben gibt es auch für Menschen wie mich, die in Bücherwelten leben, hin und wieder Begegnungen der Art "Man sieht sich immer zweimal im Leben". Mit zwölf Jahren rührte einer meiner intensivsten Leseeindrücke aus den atemlos verschlungenen zweibändigen "Erinnerungen und Gedanken" (Militärverlag der DDR) von Marschall Georgi Schukow, den ich damals noch als Helden verehrte und dessen Feuertaufe in der Schlacht am Chalchin Gol von ihm ausführlich beschrieben wird, so dass sie mir als sein Stahlbad und Sprungbrett der imposantesten militärischen Karriere des 20. Jahrhunderts stark in Erinnerung blieb. Dann aber kam ich trotz jahrzehntelanger Beschäftigung mit dem 2. Weltkrieg nicht mehr auf diese so bedeutende Militäroperation innerhalb des Japanisch-Sowjetischen Grenzkonflikt von 1938/39 zurück, nun aber stieß ich bei der Lektüre von Haruki Murakamis verstörendem Roman "Mister Aufziehvogel" (1994/95), in dem neben vielen anderen mysteriösen Aspekten auch die Vorgänge in der Mandschurei eine Rolle spielen, weil zwei Protagonisten in die militärischen Auseinandersetzungen im Grenzgebiet zwischen dem japanischen Satellitenstaat Mandschukuo und der von der Sowjetunion domionierten Mongolei verwickelt sind und dabei kaum noch mitteilbare Grausamkeiten erleben. Vierzig Jahre liegen zwischen diesen beiden Lektüren, die sich nun auf wundersame Weise ergänzen und das Bild eines vergessenen weltgeschichtlichen Ereignisses runden.
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Aus der Rubrik Das Volk der Dichter und Denker, Teil 192:
Die Schlacht am Chalchin Gol im August 1939 gehört zu den bedeutendsten der Kriegs- und Militärgeschichte, weil sie den Verlauf des 2. Weltkrieges maßgeblich beeinflusst hat, da sie die Kaiserlich Japanische Armee wieder in Richtung Süden und China lenkte und später in den Pazifikkrieg mit den USA führte. Dass es zu diesem Japanisch-Sowjetischer Grenzkonflikt der Jahre 1938/39 kein seriöses wissenschaftliches Werk eines deutschen Militärhistorikers in deutscher Sprache gibt, muss ich sicher nicht eigens erwähnen.
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In dem löblichen wiewohl dann doch etwas oberflächlichen und harmlosen Familienfilm "Hilfe, wir sind offline!" aus dem Jahr 2016 mit Nina Kunzendorf als Mutter in der Hauptrolle beschließt diese, weil ihre Familie abhängig ist von digitalen Medien und Geräten, alle Mobiltelefone und Notebooks einzusammeln und vier Wochen Digital-Diät einzuhalten. Vater, Tochter und Sohn leiden sehr darunter, privat und beruflich; aber bald zeigen sich auch die Vorteile und die Umgebung reagiert positiv und nachahmend. Der herrlichste Moment ist der, als alle Familiemitglieder ihre Handys und Rechner zurückbekommen und sich durch tausende inzwischen angefallene Nachrichten kämpfen müssen. So wird schön illustriert, wie im Grunde 99,9 Prozent der täglichen "Kommunikation" überflüssig sind. Das scheint mir DIE Methode wider den virtuellen Wahnsinn: Immer eine Woche Askese und digitale Diät und dann alle Sachen lesen und aufarbeiten müssen. Ich bin sicher, bald wendeten sich viele ganz von Messengern und Co. ab.
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Natürlich ist es richtig, wie die alten und neuen Weisheitslehrer posutulieren; dass, will man glücklich werden, falls dies prinzipiell überhaupt möglich ist, weder ein bestimmter Ort noch ein bestimmter Partner dafür sorgen können, wie sich viele Menschen einreden nach dem Motto "Wenn, dann ..."; aber es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass man sich wohler fühlt, wenn man an bestimmten Orten leben kann, die einem zusagen, etwa auf dem Dorf statt in der Großstadt; und ein gemeinsames Leben mit einem Menschen, den man gern hat, sicher der Einsamkeit und dem Alleinsein vorzuziehen ist, weil geteilte Freude und geteiltes Leid vielen die Existenz erleichtert.
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Neulich in einem Film die deutschen Untertitel eingeschaltet, weil der Ton so schlecht war; da hieß es einmal "getragene Musik"; und ich fragte mich, warum diese wirklich so klang wie getragene Hosen aussehen?!
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Von Übersetzungen hatte ich es in diesen Blättern schon häufiger. Mittlerweile ist aber Vorsicht geboten bei den mit viel Tamtam beworbenen Neuübersetzungen ("Endlich in moderner, angemessener Sprachgestalt!") selbst ehrwüriger und angesehener Verlage mit gutem Leumund, denn allzu oft beherrschen die Übersetzer und vor allem die Übersetzerinnen die Zielsprache, also ihre Muttersprache, deutlich schlechter als die Ausgangssprache. Was da dem kundigen Leser heutzutage teilweise zugemutet und als "modernes" Deutsch verkauft wird, spottet jeder Beschreibung. Aber woher sollen es die jungen Leute auch wissen und können, sie lesen nicht, zumindest kennen sie die deutsche Sprache nicht mehr gründlich genug und oft genug fehlt auch jegliches Gespür deren für Farben, Form und Rhythmus.
Das kann sich manchmal innerhalb von nur wenigen Jahren zeigen, wenn etwa die ersten drei Malaussène-Romane von Daniel Pennac durch Wolfgang Rentz bei Rowohlt übersetzt werden, die Reihe aber später von Eveline Passet bei Kiepenheuer und Witsch fortgesetzt wird und sie auch die ersten beiden Bände noch nachholt. Der Unterschied in den gelungenen Formulierungen ist derart groß, dass man es kaum glauben mag; wobei ich das in Unkenntnis des französischen Originals sage und es lediglich an der Qualität des Deutschen messe. Beide sind nicht schlecht, aber der erste Übersetzer hat eindeutig mehr Gespür für die Feinheiten des deutschen Ausdrucks, er übersetzt lebendiger, anschaulicher, kraftvoller; wo die spätere seltsam einfallslos und blutleer bleibt.
Gerade bei Neuübersetzungen zeitloser Klassiker des europäischen Realismus aus dem 19. Jahrhundert (Balzac, Flaubert, Stendhal, Tolstoi, Dostojewski, Turgenjew etc.) sollte man daher sehr vorsichtig sein und vor dem Kauf unbedingt Stichproben nehmen, was heute angesichts der digitalen Möglichkeiten kein Problem darstellt. Oft genug, so mein Eindruck, lesen sich die Übersetzungen der ersten Hälfte des 20. Jahhunderts bis in die 50er und 60er Jahre hinein besser als viele moderne. Das liegt natürlich an der Verarmung der Sprache heute und daran, dass man den Lesern keine komplexe mehr zuzumuten beabsichtigt. Die Anbiederung an sogennannte Standards der deutschen Gegenwartssprache, die vielen Konzessionen und Zugeständnisse an den vorgestellten modernen Leser begradigen vermeintlich Lesehürden und lassen das Lesen ins Leere laufen.
Aber es gibt auch gegenteilige Beispiele: Die Kontroverse um die beiden Neuübersetzungen von Herman Melvilles monumentalen Roman "Moby-Dick; oder: Der Wal" von Matthias Jendis und Friedhelm versinnbildlicht das gut.
Jendis übersetzt genau, merzt aber die Unebenheiten und Ecken und Kanten aus; Rathjen, dem eine „systematische und dogmatische Verholperung und Verhässlichung“ vorgeworfen wird, macht aber nicht anderes, als dass er sich traut, den eigentümlichen "Un-Stil" des Originals wiederzugeben, der auf so wunderbare Weise mit dem Ungehobelten des Inhalts korrespondiert. Aber dieses Romanungetüm ist auch ein Ausnahmefall, im Grunde unübersetzbar wie alle ganz große Literatur. Für die "normale" Literatur gilt, dass man immer abwägen muss; ob die Modernisierung einer Neuübersetzung den Verlust an Ausdrucksmöglichkeiten im Deutschen wert ist.