Yoricks Nachtgedanken bei Tage

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    Wenn man mich nach den bedeutendsten deutschsprachigen Prosaschriftstellern nach dem 2. Weltkrieg fragt, setze ich ohne zu zögern nach der Nennung von Arno Schmidt und Reinhard Jirgl den Namen Uwe Dick dazu, obwohl es rein äußerlich gesehen Gründe genug geben möchte, ihn nicht in diese Ehrengarde einzureihen. Aber Uwe Dick gehört in die Traditionslinie genial sprachschöpferischer, urwüchsig kreativer und kompromisslos moderner Dichter; die mit Martin Luther und Johann Fischart beginnt, sich über Grimmelshausen und Jean Paul fortsetzt und eben beim Solipsisten aus der Bargfelder Heide und seinem einzigen echten Nachfahren und Überwinder aus Ost-Berlin endet.


    Leider macht es der Autor seinen Lesern auf verschiedenen Ebenen sehr schwer, sodass seiner Rezeption gleich mehrere Brandmauern im Wege stehen:


    Zum ersten ist Uwe Dick zwar Autor vieler kleinerer Bücher mit Gedichten und Texten, sein Hauptwerk aber, die „Sauwaldprosa“, erschien über Jahrzehnte in immer wieder vermehrter Auflage und kann erst jetzt mit der letzten als vollständig gelten. Im Jahr 1976 erschien die 1. Auflage noch beim Verlag Ehrenwirth mit ganzen 67 Seiten; die letzte und endgültige 6. von 2022 bei Wallstein hat 666 Seiten in einem großformatigen zweispaltigen Band, also gut und gerne 1000 Seiten in normalem Format. Dazwischen liegen die 2. Auflage mit 103 Seiten auch noch bei Ehrenwirth, die 3. 1981 bei Heyne mit 175 Seiten, die 4. 1987 bei Piper mit 256 Seiten und die 5. 2001 beim Residenz Verlag mit 587 Seiten, die 2008 in einer Neuausgabe wahrscheinlich anlässlich der Verleihung des Jean-Paul-Preis des Freistaates Bayern erschien, in der ich Uwe Dick zuerst kennengelernt habe; spät, aber nicht zu spät. Aber so wuchs das Buch in beinahe einem halben Jahrhundert sich aus, das Alte blieb drinnen und Neues kam beständig hinzu in neuer Ordnung; wer sich interessierte, musste chronologisch mit dem Autor alternd jede neue Auflage erstehen oder wie ich rückwirkend alle mühsam zusammensuchen und erwerben


    Zum zweiten schreibt Uwe Dick eine Sprache, die nur wenigen Schriftstellern deutscher Zunge gegeben war und ist. Das ist keine betuliche Prosa, kein Bildungsbürgergewäsch, kein Kitsch, keine Schmonzette, kein ausgewaschenes blasses Deutsch; das ist immer kraftvoll, schöpferisch, verknappt, originell, erfinderisch, vital. Wie nur ganz wenige vor ihm hat er die deutsche Sprache bis an die Grenzen des Sagbaren und zuweilen auch darüber hinaus erweitert; syntaktisch weniger als lexikalisch und semantisch zündet er ohne Rücksicht auf hergebrachte Lesegewohnheiten ein verbales Feuerwerk nach dem anderen und ich scheue mich, das experimentelle Literatur zu nennen, wo es doch klassischer nicht sein könnte, wenn wir seine oben genannten übergroßen Ahnen in den Blick nehmen.


    Zum dritten ist Uwe Dick nicht zimperlich, sondern ein rechter Grobian: Was der potenziell schon nicht so reichlich vorhandene Leser sich anhören und ins Gesicht sagen lassen muss, könnte heutzutage zivilrechtlich in eine Prozesslawine ausarten. Zwar spart der Autor auch sich nicht aus, aber die Dummen und Doofen sind schon meistens die anderen.


    Zum vierten ist Uwe Dick ein geborener Oberbayer, der in Niederbayern lebt. Und wie sich ihm das Innviertel zum Inniversum weitet, ist auch seine Sprache ohne die diversen süddeutschen Ausformungen nicht zu denken. Für einen Thüringer und Mitteldeutschen wie mich mag das noch angehen; aber je weiter es nordwärts zieht, desto schwerer dürfte es Niedersachsen, Holsteinern, Mecklenburgern fallen, allen Nuancen ohne Wörterbuch zu folgen.


    Und schließlich und ganz entschieden ist Uwe Dicks Prosa eine mündliche Dichtung, auch wenn sie gedruckt auf dem Papier steht. Sie muss, um ihre volle Wirkung entfalten zu können, gesprochen werden, vorgetragen, rezitiert; am besten im Wirtshaus, im Wald, auf der Gassen, in der Kirche, auf dem Marktplatz. Es muss nicht der Dichter selbst sein, von dem es Hörbücher genug gibt und den man live immer noch erleben kann mit seiner Vortragskunst; aber es ist schon gut, wenn man jemanden hätte, der wie weiland Fritz Straßner oder heuer Gerhard Polt, Fredl Fesl oder der Stofferl dem Mundartlichen organisch gewachsen ist. Aber auch der Sachse oder Rheinländer ist gut beraten, die Seiten nicht einfach leise zu lesen, sondern laut sich vorzutragen in wachsendem Furor und energisch schreitend zwischen Küche und Bad.

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    Ein Beispiel nur von hunderten aus dem Hauptwerk "Sauwaldprosa", in der 5. Auflage von 2001 beim Residenz Verlag in der Neuausgabe von 2008 auf den Seiten 193-196; in der letzten zweispaltigen großformatigen 6. Auflage auf den Seiten 141-143.


    "Ihrer Hohlheit verlässlicher Stirnstoessel

    Ein Maskentreiben


    Erklärte ein Bäcker, der das ganze Jahr über Brezeln bäckt, vom soundsovielten bis zum soundsovielten liefere er besonders brezelige Brezeln, die brezeligsten aber an einem bestimmten Dienstag, man nähme ihn nicht für voll. So wenig, wie einen Richter, der sich anschickte, eine Spanne gesteigerten Rechts zu verkünden, oder einen Geistlichen, der so gottvoll wäre, zu behaupten, binnen einer gewissen Zeit offenbare sich ein ansonsten vermindert göttlicher Gott.


    Verrückt!, Plemplem!, hörte man die Mehrheit ob solcher Mutwilligkeiten urteilen, und zwar paradeoxerweise jene, wel-che höchstselbst, vollkehlig aus jährlichen Idiotien, Narreteien und (zugegeben: meist schlecht) maskierten Gemeinheiten her-aus, einen verrückten Donnerstag proklamiert, närrische Wo-chen, Fasching, Karneval, Maschkera.


    Grotesk: Das ganze Jahr über kaum anderes als Scheinheilig-keiten, Uniformen, Konsumwichtlparaden, Amtsmienen, Papiertiger, ideologische Schnuller, religiöse Pappnasen, ethische Mäntelchen, Pseudokorrektheit, Status-Phallophorie, Lustpuppendrapage, rollenspezifische Verhaltensweisen, Werbelügen, potemkinsche Dörfer, Disneyland, Zweckfreundlichkeiten, Po-posen, Schattenboxen, Aktions= und Funeralpathos, Strohmän-nerei, Hoppstänze, Nickmännchenkongresse, Schmink-Schmok-kiaden, Verbalmasken (Grüß Gott! — Wie gehts?), das ganze Jahr hindurch phantomfickriges Geschiebe, veranstaltete Objektivität, und dann: Reproduktion der Reproduktion: noch einmal das Ganze. Nur mit mehr Alkohol und, daß sie jetzt nebst Zeitungen, Plastiktüten, Zigarettenschachteln auch noch Luftschlangen und Knallerbsen wegwerfen, stärker aufdrehen das Umba-Umba-Tätaraaa. Denn wo viele Leute sind, da ist viel Leere. Die gilts zu übertönen. Damit um Spottes Willen nicht jemand in elitäre Selbstbesinnung verfalle, gar noch hin-einmuffele ins Quietschvergnügte, Knutschlebendige, was denn der Doppel+Überquatsch solle, diese finster entschlossene Heiterkeit, diese kommerzialisierte Spontanität auf Abruf?!


    Ja, was treibt die Masken? Was enttarnt oder verpuppt sich, wenn zigtausend Pantomimen des aufrechten Gangs (die doch, wenns darauf ankommt, wieder umfallen — in die Lage der Nation), wenn Millionen von Personen (lat. persona — Maske), die jahrüber (mehr oder weniger) aufgezwungene Rollen spie-len (der Plural schmeichelt: diese Europäer verzichten ja gera-dezu mit Wollust darauf, Individuen zu sein), wenn die nun mummenschanzen? Was, frag ich, steckt dahinter?


    Armes Deutschland: Nicht Scherz, nicht Ironie und schon gar nicht tiefere Bedeutung. Nur Wiederholungszwang. So, wie gewisse Biertischgrößen oder ins Regierungstheater gelangte Wichtigmacher vom Dienst günstigenfalls ein Viertel-stündchen interessant erscheinen, dann aber, bis sie im Ab-tritt landen, leerwaafen, so auch die im allgemeinen Rambozambo.


    Anthropo — — — logisch! Schon in der Frühzeit zog der eckzähn homo, nachdem er, mit Hülfsgespenstern tanzend, die Angst vertrieben hatte, maskiert auf die Wildbahn, machte sich der taglebende Jäger als Hirsch oder Vogel an das Opfer in spe heran, es zu spießen, es in die Grube zu bringen. (Hier und heute fehlt es an respektabel-gefährlichen Tierpersönlichkeiten, wie Bär oder Mammut, daher die Neuspießer ersatzweise ihresgleichen anfallen.) Homo sapiens? Homo fallax! Nie kam, nie kommt ‚er ohne Verstellung aus. (Sogar den atomaren Globozid betreibt er verdeckt, hinter der biederen Arbeitsmaske. Moral? Zivilcourage? Verantwortung? Produktstreik? — Aber mit »irgendetwas« (!) muß man doch Geld verdienen. — Er füttert die Apokalypse mit Arbeitsplätzchen.


    Nun freilich, bzw. unfreilich: auch ich kann auf Masken nicht verzichten. Um zu demaskieren. Als Öd, heimatabendlich und im Volkston, locke ich verkappte Faschisten und verfilzhiatlte Berufsbayern ins alsbald krepierende Gelächter, als Natur-bursch (Raadl fahrta, Witz woasa, a ächts Oaginal) schicke ich Tausende in den Sauwald (voller Syntaxschlingen und Prügel-wege), im Cantus firmus für Solisten mit Pferdefuß skandiere ich Nekrophilologen, Linguisten, Alyriker, Filousophen und anderes Huckepack ad absurdum, nicht ohne dem Publikum in diesen letzten Tagen der Menschheit lustvolle Sterbehilfe zu gewähren; bevorstehende Wandlungen verrat ich nicht.


    Also (nach dieser kurzen Erkenntlichkeit): Nicht die Menschen, sondern die Masken sehen wir verändert. Wie denn die meisten Geschichte nur als Kostümfest erleben. Quod narrat demonstrandum (und Dutzendgesichter täuschen dümmsten-falls sich selbst): Kein Mensch ohne Maske. Weshalb der Dich-ter recht hat, der schreibt: Tiere sind immer authentisch, Men-schen?


    Und das meinte wohl auch Karl Kraus, als er rief: Bürgerfratze, wahr bist du nur im Bette! — Aber sogar hier häufen sich Katastrophenmeldungen, nach denen mancher sogar überm Spitzenhöschen halbamtlich blieb, hingegen manche (Entmanntse, ärgere dich nicht!) die Bettbezugsperson im rechten Winkel verließ oder den großen Saubermacher anrief zur Unminute. Die Masken, die verdammten! Die verklemmten. Die man nicht loswird. Die verrutschen, dampfig machen, pippen, sich dazwischen schieben, den Blick verengen, zwicken, jucken, sich verselbständigen!


    Ob Platner daran dachte, als er nachwies, daß das Lächerliche einzig den Menschen hafte?!


    In der Tat, nichts lächerlicher, als jene kosmische Narreninthronisation, in der die Intelligenzbestie unter den Tieren —o Hybris des Eigenlobs! — SICH DIE KRONE DER SCHÖPFUNG aufsetzte. Welche eselsohrige Herrschsucht! Dieser Tollität hilft kein Aschermittwoch mehr. Und Vorsicht: Umgang mit solchem Kronvieh meide! Denn das Szepter, das da geschwungen (und auch mal um die Ohren gehauen) wird, eine kolossale metaphysische Extrawurst (wie man angeben hört, den hinteren Milchstraßlern vom allgemächtigen Universalnobodaddy ausgehändigt), erweist sich bei näherer Bekanntschaft als eine riesige vergoldete Blutwurst. Nein, zu dem Regierungsgesindel unterhalte ich keine depplomatischen Beziehungen. Lieber träume ich mich, ein Überläufer ins Lager der Kreatur, auf den Salamanderberg. Wie denn in den meisten Fällen tierische Gesellschaft weniger verdirbt als menschliche. ( Jean Paul, kenn ich inwendig.)


    Alsdann: Alaaf! Oans-zwoa-gsuffa! Die Masken, die ihr tragt, Suppendiener, Reptilien, Knollfinken, Heringsnasen, Spinnen-stecher, Gschwoikepf, Schnauzhahne, Grußsauger, Hosenbutze, Neumondgelehrte, Collazbäuch, Plackscheißer, Harnpropheten, Circen, Zoberl und Gezinkte, die seid ihr!


    Arm oder reich, Blödsinn macht alle gleich. Somit wäre im-merhin die klassenlose Gesellschaft ... Nix da! Notfaschingsverein gestern, Überflußdeppokratie heute, Untertanen bleibt ihr! 365 Tag im Jahr. Denn Kleider (Lumpen, wer will hadern?!) sind euch Leute. Dort, den nackten Drüsensklaven, den Exhibitionisten am Stadtrand, packt die Polizei. Den Nadelstreifenanzug aber, der da Staat macht, den Präsenzpfleger, der gerade wieder einmal Schmiergeld einstreicht mit der Schwurhand, den Pastoralschwätzer höherer Summen, ä, ä, ä, Werte vielmehr, den Leichenbitterkomödianten, der entblößt nieder-kniet, vor surrenden Kameras und Fotoblitzen zu beten, öffentlich, obszön, perverser als alle Pornografen und Gräfinnen, den packt ihr nicht! Pack, welch ein Fasching! Es ist zum Gaudiwürmer kriegen. Wahrlich, alle Negierungsgewalt geht vom Volke aus. Welch ein Karneval, pfuiTeufelTodMinisterund-Philister!"


    Kann man den Irrsinn von Fasching und Karneval besser im Deutschen ad absurdem führen?

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    Die ungeheure Diskrepanz zwischen der eigenen Selbstwahrnehmung unserer Außenministerin und ihrer unglaublichen Unbildung auf den Feldern der Geistes-, Gesellschafts-, Kultur-, Sozial- und Naturwissenschaften; ihrer mangelhaften Sprachenkenntnis, ihrem Ungeschick auf dem diplomatischen Parkett und ihrer mithin in jedem Aspekt ihrer Arbeit sich offenbarende Überforderung; die sie im richtigen Leben wahrscheinlich in keiner Firma Karriere machen lassen würde und wahrscheinlich schon an der Supermarktkasse problematisch wäre, ist ja nun schon lange vor aller Augen offenkundig und muss nicht weiter thematisiert werden.


    Was mich psychologisch fasziniert, ist aber diese Eigenart, aber auch in jedes Fettnäpfchen zu treten, ohne dass die Frau richtig vorbereitet wäre oder sich im Nachgang so schämte, dass sie niemals wieder öffentlich aufträte und spräche. Jüngst fordert sie also den russischen Präsidenten auf, eine Kehrtwende um 360 Graf in seiner Politik zu vollziehen und man weiß nicht, wie man aus dem Kopfschütteln wieder herauskommen soll. Es gibt sehr bekannte Klippen in der mündlichen und schriftlichen Kommunikation und die geometrische mit dem Kreisumfang gehört dazu. Ich vergleiche das für mich persönlich mit den Wörtern „wiedergeben“ und „widerspiegeln“; die viele falsch schreiben im jeweiligen Kontext. Und auch ich als Deutschlehrer stocke hier innerlich immer noch, bevor ich es niederschreibe; vergewissere mich notfalls noch einmal, obwohl ich es eigentlich sicher weiß.


    Bei Annalena Baerbock ist in dieser Hinsicht keinerlei Zögern oder Überlegen zu erkennen; was auf eine bestimmte psychische Konstitution schließen lässt und auf ein Selbstwertgefühl, das durch nichts und niemand und keine Peinlichkeit erschüttert werden kann. So verwundert auch ihr Vorpreschen heute nicht, da sie eine „Botschafter*in für feministische Außenpolitik" ernennen will, um im Auswärtigen Amt die Genderkompetenz zu stärken, den "feministischen Reflex" auszubilden und einen "Kulturwandel" herbeizuführen. Wie Weltlage schreit nach vernünftiger Interessenpolitik und sie bastelt weiter an ihren Hirngespinsten. Rüdiger Safranski schrieb einmal von der verhängnisvollen politischen Romantik in der ersten Hälfte des 20. jahrhunderts; es scheint, wir schlagen diesbezüglich ein neues Kapitel auf.

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    Mein Bruder steht auf dem Standpunkt, dass die Politiker früher auch nicht besser oder schlechter waren als heute, weshalb er das Bashing etwa unserer Außenministerin nicht gutheißt. Darüber wäre nachzudenken und das ließe sich freilich nur in genaueren historischen Studien verifizieren und falsifizieren. Ich möchte an dieser Stelle nur betonen, dass ich im Gegensatz zur landläufigen Meinung den Beruf des Politikers für einen der wichtigsten überhaupt halte und auf keinen Fall glaube, dass alle Politiker dumm, faul und korrupt sind. Natürlich steigen mit dem Aufstieg in der politischen Hierarchie und der gewonnenen Machtfülle die Gefahren. Der Satz „Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut“ versinnbildlicht das sehr deutlich.


    Nichtsdestoweniger stehe ich auf dem Standpunkt, dass es gerade in demokratischen Gesellschaften ohne Politiker, die sich als Repräsentanten des Souveräns verstehen, als Diener des Staates und der Gemeinschaft, nicht geht. Wie aus besonderer Begabung größere Verantwortung erwächst im Persönlichen, erwächst aus Machtfülle eine größere Verantwortung für das Gemeinwesen. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Beruf, der zu 100 Prozent in der Öffentlichkeit ausgeübt zu werden scheint wie der des Fußballtrainers oder Wettervorhersager im Fernsehen, bei 80 Millionen Bürgern in Deutschland zu 81 Millionen Meinungen und Urteilen führt. Das ist aber Teil der Jobbeschreibung und sollte einkalkuliert werden.


    Volker Pispers meinte einmal mit Blick auf die Lehrer, dass das Beste von den Akademikern, das wir kriegen können, gerade gut genug ist für die Ausbildung unserer Kinder. Genauso sehe ich das bei den Politikern auch und da steckt das Problem: Es werden eben nicht (mehr) die Besten unsere mächtigsten Politiker, sondern viel zu viele mittelmäßige Menschen mit geringer bis nicht vorhandener Bildung und sehr schwachem Rückgrat. Das darf nicht sein, denn natürlich hätten wir auch in unseren aktuellen Generationen genug Potenzial und fähige Leute; aber die wollen entweder gar nicht erst in die Politik und machen ihren Weg in der Wirtschaft, der Selbstständigkeit oder meinetwegen auch im Staatsdienst; oder aber sie werden vom Mittelmaß beizeiten ausgebootet und desillusioniert. Die Personalpolitik unserer etablierten Parteien der letzten dreißig Jahre spricht da eine deutliche Sprache.

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    Vielleicht lässt sich der Verfall der deutschen Populärkultur an einem Wort verdeutlichen: 1975 schenkte die DEFA mir Knirps "Blutsbrüder" mit Dean Reed als Harmonika und Gojko Mitić als Harter Felsen. 2011 mutet uns Özgür Yıldırım "Blutzbrüdaz" mit unter anderem Sido zu. Man schaue sich die Titel an und auch die Filme, mehr braucht es nicht für einen deprimierenden Befund.

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    Irgendwo habe ich hier behauptet, ich hätte mich als Erwachsener noch nie gelangweilt. Das stimmt natürlich nicht. Nichts ist langweiliger, als stundenlang am Strand zu liegen mit hunderten anderen Menschen. Die Hitze, der Sand, der Lärm, der Geruch nach Sonnencreme - das alles ist unerträglich. Da man nicht ständig ins Wasser und ich auch am Strand nicht lesen kann, gerät jede Minute dort für mich zur Höllenfahrt, weshalb ich auch seit vielen Jahrzehnten jeden Strandurlaub vermeide. Mit dem Hund ein paar Stunden ganz früh am Morgen am Wasser laufen, das ist herrlich; aber so dazuliegen; nein, das ist so langweilig, dass die Zeit sich zurückkrümmt. Nicht einmal schöne Frauen im Bikini können diese Langeweile aufbrechen. Gleiches gilt auch für Spaß- oder Thermalbäder; wo ein Sportbecken fehlt und man nicht eisern seine Bahnen ziehen kann: Nur im Sprudelbecken, unter einem harten Wasserstrahl oder sonstwie am Beckenrand abhängen, das ist mir nach einer halben Stunde über und dann langweile ich mich den Rest der zwei oder drei Stunden.

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    Michael Hampes Buch "Das vollkommene Leben. Vier Meditationen über das Glück" (2009) ist so gut, dass es meine Frau auch lesen möchte. Da sie aber Unterstreichungen vornimmt, kaufte ich ihr ein eigenes Exemplar. Sie wollte daher mein altes, damit sie das neue nicht beschmutze; aber ich lehnte ab, denn auch wenn ich in dieser Ausgabe keine Bemerkungen hineingeschrieben habe, so ist es doch die, die ich zuerst und mehrfach gelesen habe, meine Blicke haften auf den Seiten und die Buchstaben sind alle gescannt durch mein Brain. Da bin ich eigen. Nun lesen wir parallel die einzelnen Kapitel, fertigen Konspekte an und diskutieren im Anschluss. Das Leben ist schön.

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    Kamera an: Die örtliche Sparkassenfiliale hat ihr Service - und BeratungsCenter nur noch von 9-12 Uhr auf an nicht allen Werktagen. Von den drei Schaltern ist dann trotzdem nur noch einer besetzt. Dort stehen zwei der deutschen Sprache unkundige Bürger mit Migrationshintergrund etwa eine Stunde, weil die Kommunikation sich äußerst schwierig gestaltet. Die lange Schlange aus Biodeutschen, vor allem Rentner, und anderen Migranten staut sich bis auf die Straße hinaus. Alle werden wohl nicht mehr drankommen heute: Kamera aus.

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    Kamera an: Mitteldeutsche Kleinstadt. Marktplatz am späten Vormittag. Das Stadtbild wird dominiert von Migranten (80 Prozent), biodeutschem Prekariat ("Stadtadel") und Rentnern sämtlicher Ethnien. Eine erstaunte Stimme aus dem Off: "Wo sind denn die ganzen "normalen" Leute?" Jemand antwortet: "Na die arbeiten doch alle!": Kamera aus.

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    Kamera an: Mitteldeutsche Kleinstadt. Die örtliche Sparkassenfiliale. Der letzte Tag des Monats. An den Geldautomaten drängeln sich hunderte Migranten und wie es früher hieß Hartzer. Eine erstaunte Stimme aus dem Off: "Wo kommt denn das ganze Geld her, dass die Leute sich da ziehen?" Jemand antwortet: "Na von denen, die jahrzehntelang arbeiten und den Sozialstaat ermöglichen!": Kamera aus.

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    Ich bin ja ein Mann des Volkes und nichts Menschliches ist mir fremd. Aber was ich in den letzten Wochen hier an einem Bratwurststand im Zentrum einer mitteldeutschen Kleinstadt erlebt habe, ließ selbst mir die Haare zu Berge stehen, bevor sie grau wurden. Eine bunte Mischung aus offenkundig sehr einfachen Jobs nachgehenden Männern und Frauen; Arbeitssuchenden, Bürgergeldlern und Asozialen, allesamt Biodeutsche, macht ihrem Unmut nachdrücklich und lautstark Luft. Beschimpfung der Regierung und ihrer Mitglieder in der unflätigsten Art und Weise, purer Hass in den Augen und in den Kehlen; ein mordlüsterner Mob, wenn er nur könnte und sich die Gelegenheit böte. Einige sind Nazis, andere nur Pack; aber zusammen derart widerlich und ekelhaft, dass ich meine Wurscht kaum runterkriege. Und ich bin wütend, zornig; natürlich auf diese Vollidioten; aber auch auf eine Gesellschaft, deren Zeitgeist samt daraus folgender Politik solchen Abschaum aus der Gosse auf die Marktplätze spült.

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    Wie lange schon und wie oft und wie heftig ich den Aschermittwoch begrüßt habe, weiß ich gar nicht mehr zu sagen. Zweiundfünfzig Jahre sind es vielleicht noch nicht, aber mindestens fünfunddreißig, dass ich ihn herbeisehne, ihm ein Loblied singe, ihn preise, segne, anbete und liebe. Seinetwegen allein möchte ich vielleicht schon Christ werden. Schade nur, dass er nur das närrische Treiben nach Fasching und Karneval beendet und die Fastenzeit in Richtung Kreuz und Auferstehung einläutet. Es bräuchte noch einen sozusagen gesamtgesellschaftlichen Aschermittwoch, einen globalen und säkularen oder wenigstens überkonfessionellen; der die Narretei, Dummheit und den Irrsinn des „Normalen“ beendet und eine Zeit der Vernunft, der Selbstlosigkeit und Liebe einleitet. Das wünscht sich Yorick, dein Knecht, ein Narr sein Leben lang, nur nicht in Zeiten von Fasching und Karneval, sozusagen beim Barte des Propheten.

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    Sinn und Ziel jeder Philosophie ist nicht die Suche nach der Wahrheit, nach dem richtigen Leben oder die Beantwortung der Frage, wie man glücklich wird und Unglück vermeidet. Die zentralen Bemühungen aller Weisheitslehre entspringen wie die aller Religion dem Befund, dass wir Menschen sterben müssen, also sterblich sind und nicht unendlich leben. Diese niemals und nie zu begreifende Tatsache, die wir rational zu verstehen und anzunehmen meinen, setzt uns viel mehr zu, als wir in der Regel zuzugeben bereit sind. Niemand glaubt wirklich ernsthaft daran, dass er selbst auch sterben muss; den Tod sich vorzustellen, besonderes den eigenen, ist dem Menschen unmöglich. An diesem Problem arbeitet er sich buchstäblich ab ein Leben lang, von der Wiege bis zur Bahre. Durch die Ignoranz von Kindheit und Jugend, da der junge Mensch weder von Verfall noch Tod weiß noch etwas davon wissen kann, schreiten Mann und Frau durch ein geschäftiges Erwachsenenalter ohne Zeit und Sinn für die letzten Dinge und erst, wenn sich die Einschläge im persönlichen Umfeld mehren und der eigene Leib und die eigene Seele sich aufzulösen beginnen, wächst die Erkenntnis, dass man auch selbst dem Tod vielleicht nicht wird entrinnen können. Wir Menschen sind Weltmeister im Ausblenden des Todes und des Sterbens, aber es gibt Menschen, die seit frühester Kindheit mit ihm umgehen und das sind, sofern sie nicht im Glauben eine Heimstatt finden, die wirklichen Philosophen. Leben bedeutet nicht, sich auf den Tod vorzubereiten; und Philosophie bedeutet nicht, sterben zu lernen; denn das vermag niemand. Aber es bedeutet, zu begreifen, dass man nichts begreift und trotzdem darüber nachdenken muss, ohne zu verzweifeln.

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    Natürlich bedeuten meine Ausführungen zur nicht vorhandenen Selbstreflexion der meisten Menschen bezüglich ihrer Prägung und Formung durch Genetik und Sozialisation nicht, dass es überhaupt keine Freiheit gibt, keine Möglichkeiten der Entscheidung, zur Lenkung, Steuerung und Akzentuierung des eigenen Lebens und der Leben von anderen Menschen und der Welt im Detail wie im Ganzen. Ganz im Gegenteil gewinnt die Freiheit innerhalb der gesteckten Grenzen und determinierten Gleisen erst recht an Bedeutung. Philosophen und Menschen haben die Freiheit nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, ihr Maß in der Beschränkung zu erkennen und dieses auszufüllen.

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    Bleiben wir bei den Prägungen durch die biografischen Erfahrungen und gesellschaftlichen Umstände. Für mich persönlich kann ich recht klar drei Aspekte ausmachen:


    Hätte ich wie viel andere Männer auch mit Mitte oder Ende 20 eine Frau gefunden, die bereit gewesen wäre, mit mir eine Familie zu gründen, sähe mein Leben natürlich ganz anders aus. Es wäre dabei völlig gleichgültig, ob ich jetzt dennoch geschieden und meiner Frau gleichgültig wäre, meine Kinder mich hassen, verachten oder bemitleiden würden. In der entscheidenden Phase des Erwachsenseins und des besten Mannesalters hätte ich eine ganz andere Entwicklung genommen als die, die ich als Junggeselle ohne jede Chance auf eine Beziehung oder gar eine Familie tatsächlich durchlebte.


    Hätte ich von Beginn an in meiner beruflichen Laufbahn Wertschätzung und Erfolg erfahren können, wäre auch mein Weg an den verschiedenen Schulen ein ganz anderer gewesen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich in Verknüpfung mit einer gedachten Familie als Lehrer eine ganz andere Persönlichkeitsstruktur entwickelt hätte, stellt sich mein schulischer Werdegang als Gymnasiallehrer und Studienrat von Beginn an als Leidensweg dar und als ein permanentes Scheitern. Auf der einen Seite die desaströse Bildungspolitik in der Nachfolge der 68er mit der völligen Abkehr vom Leistungsprinzip, vom Konzept klassischer Bildung und Vermittlung von Hochkultur und einhergehend mit von Jahr zu Jahr schlimmerer Geistlosigkeit und Unbildung; auf der anderen die überbordende Bürokratie, die administrative Gängelei, die Überforderung seitens der Ansprüche von Schülern, Eltern und Gesellschaft. Dazu die persönliche Erfahrung dessen, dass aber auch rein gar nichts an persönlichen Vorstellungen innerhalb und außerhalb des Systems möglich schien; keine Hochstufung zum Oberstudienrat, keine Beförderung, kein Fachberater, kein Auslandsschuldienst, kein Sabbatjahr. Egal wie gut man war, man hatte nichts davon außer sozialer Sicherheit.


    Würde sich die gesellschaftspolitische Lage seit der Kanzlerschaft Merkels 2005 nicht derart verschlechtert haben, sähe das eigene Befinden wie das der anderen Bürger natürlich auch ganz anders aus. Das des Näheren auseinanderzusetzen kann ich mir und den Lesern ersparen, die Blätter der letzten Jahre sind leider überreichlich voll davon.


    Es bleibt die Frage, was man mit diesen Befunden macht? Entscheidend meiner Meinung bleibt allein die Erkenntnis, dass es so ist und aus dem und dem Grund so gekommen ist, wie es kam. Nicht als Entschuldigung für persönliche „Fehlentwicklungen“ und „Versäumnisse“, sondern als nüchternen Blick auf das eigene Werden. Für das Künftige mag das durchaus von Belang sein.

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    Die Welterfahrung ist ein gar eigen Ding! Was weiß der Mensch aus erster Hand, was weiß er aus eigener Erfahrung und was „nur“ über Geschichte, Kultur, Vermittlung und Autorität? Wir schaffen es doch gerade einmal, die Hand von der heißen Herdplatte fernzuhalten, wenn wir uns verbrannt haben; die Schwerkraft zu akzeptieren, wenn ein Apfel vom Baum fällt und unsere Eltern zu erkennen, weil sie uns so verdammt ähnlich sehen. Wie viele von uns sind einmal rund um den Globus gesegelt oder haben die Kugelgestalt der Erde aus dem Weltall gesehen? Wer war dabei, als Napoleon am 5. Mai 1821 auf St. Helena starb? Wer hat je ein Virus gesehen mit eigenen Augen? Wer das Innere einer Wolke, wenn es regnet? Wenn wir uns auf das beschränken würden, was wir wirklich selbst als Säugetier und Hominide mit unseren Sinnesorganen wahrgenommen und mit unserem Gehirn verarbeitet haben, bleibt nicht viel übrig als das, was unmittelbar vor uns liegt oder in Sichtweite bis zum Horizont. Das mag zum Überleben in Horde und Sippe reichen, wenn man Glück hat und die Umstände stimmen; in Hochkultur und Zivilisation kommt man damit nicht weit. Um so erstaunlicher, wie wenig man heutzutage der Geschichte und Kultur zutraut und zubilligt; wie wenig kritisch man aber auch auf der anderen Seite bezüglich jeder Art von kultureller Vermittlung gegenübersteht. Wie es keine Erkenntnis an sich gibt (gepriesen seiest du, Immanuel), so gibt es auch keine Nicht-Vermittlung. Oder planer gesprochen: Wie man nicht nicht kommunizieren kann (gepriesen seiest du, Paul), kann man auch nicht nicht vermitteln. Die Kultur, nicht die Natur, ist unser aller Lehrmeister.

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    Wenn man wie ich die Tage mit dem Hund zwei Stunden spazieren geht und es genau am Scheitelpunkt der Strecke, da man es genauso weit zurück hat wie zum Ziel; aus Eimern junge Hunde zu schütten beginnt und genau dann wieder aufhört, wenn man bis auf die Knochen durchnässt daheim angekommen ist, kann man das doch unmöglich mit Murphys Gesetz erklären. So ein kleines Licht ist doch bestenfalls für das klingelnde Telefon zuständig, wenn man gerade in die Badewanne gestiegen ist oder für das auf die obere Seite fallende Leberwurstbrot in der Küche. Und der Teufel drunten in der Hölle gibt sich mit solchen Lappalien nicht ab; da müssen schon Kriege, Krisen, Pest und Cholera her. Wer also macht solche bösen Scherze und klatscht sich prustend und nach Luft schnappend die Schenkel? Dreimal dürft ihr raten ...

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    Seit der Corona-Infektion im letzten Frühsommer gibt es diese Tage, da gehe ich wie immer mit dem Hund los und spüre sofort, dass etwas anders ist. Keine Probleme mit dem Herzen, keine Luftnot, keine Schmerzen; aber alle Glieder scheinen wie mit Blei ausgefüllt, Arme, Beine, Nacken; es fällt unheimlich schwer, den einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Weg dauert doppelt so lange wie sonst, Pausen inklusive, und schließlich fällt man daheim aufs Sofa, als hätte man tagelang im Steinbruch geschuftet mit Hacke und Schaufel.