Eschenbach, Christoph (*1940)

  • Eschenbach dirigiert Licht und Schatten

    Eschenbach ist Jahrgang 1940, sein Expartner Justus Franz, Jahrgang 1944 (und ich selbst übrigens auch)...

    JA, es gibt ein paar Gemeinsamkeiten und Überschneidungen in jungen Jahren, - aus meiner Sicht - : zur gleichen Zeit zufälligerweise am selben Ort...u nd so werden meine Erinnerungen und insbesondere mein Interesse an Beider künstlerischen Laufbahnen, bis heute wach gehalten. Die entscheidenden Kriterien, WARUM die beiden Herren berühmt geworden sind und ich zu keinem Zeitpunkt ?(:D*yes* hängt vorallem damit zusammen, daß ich nach gut drei Jahren musikalischer Ausbildung, (wie Eschenbach auch in Hamburg)... am Ende meiner Träume angekommen war... denn mein Talent, (wie bei ca 80 % der Musikstudenten) war in vielerlei Hinsicht NICHT ausreichend, um ein guter Sänger zu werden.

    Eschenbach habe ich in den Sechzigern des Öfteren gehört, war bei seinem Examen dabei (kleine Musikhalle / Ernst Laisz-Halle). Bei seinem Lebens(abschnitts)partner war ich in Kiel ebenfalls dabei, als dieser im Edo-Osterloh-Haus den neuen Flügel einweihte (1968). Genug von Justus, er hat sich insgesamt (künstlerisch) in eine Richtung entwickelt, die es mir nicht schwer macht, ihn weder als Pianisten, noch als Dirigenten, auf diesem Forum weiterhin zu erwähnen.

    ABER Eschenbach: Klasse Eliza Hansen (DIE Klavierpädagogin in Hamburg) ab 1950, da war er 10 Jahre alt! Als er sein Examen machte, wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, dass er auch einmal ein sehr bekannter und wichtiger Dirigent werden könnte /würde. Später erfuhr ich von frühem Dirigierunterricht bei Brüggner-Rüggeberg. Dieser ausgezeichnete Musiker hat auch meine Gesangslehrerin bei Liederabenden begleitet und daher kannte ich ihn; auch weil er außerdem gelegentlich dirigierte,(in Oper u. Konzert) und zwar das Orchester der Staatsoper.

    Damals war Eschenbach NUR Pianist....und zwar ein absolutes Ausnahmetalent. Sein Examen (1965) mit der E-Dur Sonate op.109 (Nr 30) werde ich niemals vergessen...das war einzigartig. Ähnlich gut habe ich dieses Werk (LIVE) nur mit Gilels und Gulda gehört. Knapp zehn Jahre später kriegte ich –zu meiner großen Überraschung- mit, dass Eschenbach das RSO des NDR im Kieler Schloß (Konzerthalle) dirigieren würde. Ich konnte DAS damals noch nicht einordnen, zumal ich ihn nur als Ausnahmepianist kennen- und schätzen gelernt hatte.

    Um etwas vorzugreifen: bis heute nehmen für mich die pianistischen Taten (Platteneinspielungen) dieses Künstlers einen Ausnahmerang ein, den ich in dieser Qualität bei seinen Dirigaten nicht so durchgängig sehe, zumindest aber etwas kritischer/skeptischer. Eigentlich hoffe ich sehr, dass der Pianist Eschenbach, mit seinen Interpretationen recht bald eine Renaissance auf dem CD-Markt erleben wird. Zur Zeit gibt es nur wenige Einspielungen von ihm zu kaufen.

    Nach seinem 1. Dirigat in Kiel (3. Bruckner) ging ich sehr unzufrieden nach Hause, da war viel Getute und Geblase aber wenig Struktur. (ca 1972). Natürlich ist er auch als Dirigent ein Ausnahme-Könner geworden. Er wäre sonst wohl kaum 10 Jahre Chef des Opernhauses in Houston (Texas) von 1988 bis 1998 gewesen. Das Publikum dort hat ihn geliebt; er war auch geeignet, - der amerikanischen Art entsprechend - sich in der Mäzenen-Szene zu bewegen. Seine Lehrmeister waren Dirigenten, wie vor allem George Szell (Cleveland ab 1967), dann auch William Steinberg (Pittsburgh) und Erich Leinsdorf (Chicago). Die kamen alle Drei vor dem Krieg in die USA und hatten jahrelange Erfahrungen mit den kulturspezifischen Amerikanischen Eigenheiten. Eschenbach konnte also nicht nur musikalisch von den 3 Altmeistern profitieren. Es ist bekannt, dass er sich in der „Neuen Welt“ sehr wohl fühlt.

    Aus seiner Texas-Zeit habe ich einige sehr guten Radio-Aufnahmen. Mein Gradmesser für die Qualitäten eines Dirigenten, ist oft das Dirigat einer TRISTAN-Aufführung. Eschenbachs TRISTAN in Houston(1996) war erstklassig. Bei seinem Bayreuther PARSIFAL-Dirigat dagegen, bin ich eingeschlafen.(!) Er hat dort wohl auch nicht wieder dirigiert (dirigieren dürfen?). Es ist mir etliche Male bei diesem Dirigenten so ergangen, dass ein vorher nicht zu kalkulierender Faktor das Konzerterlebnis in die eine oder andere Richtung bringen konnte. Mir fallen zwei Negativbeispiele ein: recht schwunglose Interpretationen der Dvorak –Sinfonien (d-moll + G-Dur, die Nr 7 + 8). In den letzten Wochen habe ich aber auch eine exzellente Mahler 4 gehört (die am. 9.5. auf NDR Kultur gesendet wurde).

    Nach Houston war er sechs Jahre Chef in seiner Heimatstadt (NDR RSO), leitete ab dem Jahre 2000 das Schlesw.-Holst.-Musikfestival, wie auch das Orch. de Paris. 2004 kehrte er in die USA zurück, wurde der Nachfolger von Sawallisch beim traditionsreichen Philadelphia Orchester. Viele Musiker, vor allem Sänger, schwärmen von seiner Könnerschaft, seiner großen Offenheit und humanistischen Kultur. Ich frage mich oft, WARUM dieser Dirigent eine so beträchtliche Schwankungsbreite hat. Mittelmaß liegt ganz dicht neben Sternstunden mustergültiger Aufführungen. Sein Repertoire ist wunderbar weit gefächert, in Konzert und Oper.

    Das Exacte, Feinfühlige und Reizbare seiner Dirigierkunst strahlt wenn er selbst strahlt. Es scheint einen Bezug zwischen seiner prallen, lebensfreudigen- und -bejahenden Seite zu geben und etlichen Sternstunden, da er dann einzigartig die Partituren zum Glühen und Leuchten bringt. Eschenbachs Trauma am Beginn seines Lebens, als er 1940 in Breslau geboren, als Kleinkind die Eltern im Krieg verlor ist natürlich ebenfalls ein Kernpunkt seines Lebensschicksals. Ich habe ihn erlebt, wenn er >wie verdunkelt im Gemüte< das Pult betrat und die Saat nicht aufgehen wollte, die jungen Keime zu ersticken drohten und eine Art grauer Schleier über der Musik lag.

    Arnulfus