Knappertsbusch’s Dirigierkunst oder die Freiheit des dialogisierenden Monologs
Es >nußknackert<, während ich über einen außergewöhnlichen Dirigenten beginne zu schreiben, den manche in der Tat für einen >Nussknacker (Typ)< hielten, oder noch halten. Andere haben ihn als Eigenbrödler bezeichnet, knorrigen Kauz, Urgestein, K & K – Monarchist, oder vielleicht auch nur als DIE personifizerte eigentümlichste Musikernatur unter den Dirigenten schlechthin (neben Celibidache).
Fakt ist, dass ich von seiner wundersamen Interpretation der Nussknackersuite sehr begeistert bin (01.02.1950 LIVE Berliner Philharmoniker). Ich mag diesen zwar fast buchstabierten und zeitweise dreifach unterstrichenen Dirigier-Erzählstil der Märchenballettstory. Es dürfte zwar sehr schwer für einen Tänzer/in sein, zu KNA’s Tempi zu tanzen, ... es sei denn eine Parodie in Slow Motion würde zum choreographischen Konzept gehören. Fast lapidar fließt die Musik dahin, doch an fast jeder Partiturecke gibt es von einem Instrument / Instrumentengruppe einen Kommentar mit ganz unterschiedlichem Charakter: von flüsternd, säuselnd, grinsend bis kräftig draufhauend. SPIELWITZ , wenn auch von deutsch-derber Natur. Es tut diesem arg strapazierten Musikstück gut. Ich jedenfalls kann mich wie ein kleines Kind an diesem süffisanten Musizierstil ergötzen und erfreuen.
Der vermeintliche K & K – Monarchist ist 1888 in Wuppertal-Elberfeld geboren, so daß dieser unvergleichlich >kantige Kopf< in jedem Falle auch westfälische Dickschädelwurzeln aufweist. Folgendes Zitat schickte mir gestern ein Mitglied unseres EROICA-Forums: "Neulich haben Sie mich gegrüßt und ich habe sie leider nicht gleich erkannt. Das nächste Mal, wenn ich Sie wieder nicht erkenne, treten Sie mir in den Arsch. Großartiger Jochanaan übrigens, neulich." (Hans Knappertsbusch zu Hans Hotter)
Auf meiner mitlaufenden CD kommt nach 2maligem Hören des Tschaikowsky-Stückes jetzt die Ouvertüre zur Fledermaus. Ich, als gebrandmarktes Operettenkind, (denn von Leo Fall bis zum Schwarzwaldmädl dröhnte es fast täglich operettenschmachtend in meine Kinderohren) höre seit einigen Jahren mit zunehmender Begeisterung diese „leichte Musik“ in Interpretationen unverwechselbarer Art. Neben Furtwängler gehört Knappertsbusch eine Krone für die Veredelung von Walzern und Ouvertüren von Johann Strauss und Kollegen. Heutzutage sind es --in der Post-Carlos-Kleiber-Ära-- Größen wie Gielen, Hanoncourt und Abbado, die unorthodoxe Deutungen der Walzer-Ära (teilweise auch in Fassungen von Schönberg u.a.) zu besondere Hörerlebnissen veredeln.
Auch wenn mich KNA’s „Fledermaus“ manchmal an einen „Schuhplattler-Tanz erinnert hat, bin ich „ermust“... wie auch jetzt bei der burschikos-verschmitzten Pizzicato-Polka, mit Karacho... im Moment höre ich bereits die „Badner Madln“ mit einem >mit den Händen greifenden Schmelz<, das knallt und schmunzelt zugleich, wunderbar........und dirigieren tut der Mann, mit dem Ruf des >Wagner-Teutonen<.
Beim Abendessen habe ich mich mit KNA-Interpretationen der 8. Beethoven und dem 1. Satz der 3. Brahms-Sinfonie auf diesen Artikel eingestimmt. Der letzten Satz der Achten zeigt eine kapellMEISTERLICHE Hingabe, deren Ergebnis einer mit narrativem Schwung präsentierten variationsreichen Palette von kräftigen Farben gleichkommt. Ich kenne viele beeindruckende Wagner-Aufnahmen von ihm. RING, PARSIFAL, MEISTERSINGER etc. Die sind für jeden Sammler eine Bereicherung, zumindest Ergänzung. Mir geht es so, dass ich nach viel KNA-Einmaligkeit auch mal ein Wagner-Dirigat von ganz anderer Couleur, wie von Gielen, Boulez, Mitropoulos, Leinsdorf etc brauche.
Auf der 5 CD-Audite Box mit den Berliner Philharmonikern, kann man vor allem einen Bruckner (8 + 9) von beeindruckender Detaibesessenheit hören, die aber völlig unangestrengt rüberkommt.
Deshalb können die immensen Spannungsbögen so überzeugen und beeindrucken. Man wird nicht müde bei so viel Brucknerhöhenzügen, denn diese sind wunderbar differenziert ausmusiziert.
Mir ist aus einem Artikel über >das Deutschen Kapellmeister-Vorbild Knappertsbusch< folgender Satz in Erinnerung: „Der Begriff topographisch und inhaltlich fest umrissen, ist Resultat Deutscher Kultur- und Musikgeschichte.“ Dies gilt für KNA in exemplarischer Weise, denn seine Kunst fußte auf solchen Prinzipien, z.B. wenn er Haydn und Beethoven dirigierte, kamen solchen Gestaltungsmerkmalen ein besonderer Stellenwert zu. Die häufig breiten Tempi dienen bei ihm der Verständlichkeit... dazu gehören auch eine wuchtige Formengliederung, eine fast buchstabierte Phrasierung und eine unglaubliche Differenzierung dynamischer Kontraste.
Bei soooooooooo viel Begeisterung will ich nicht verhehlen, dass mir sein Brahms nicht gefällt, da dieser für mich eine abgrenzendere, strengere Struktur benötigt (Bsp. 2./3.Sinf.).
Ohne KNA wäre das Deutsche Repertoire in Sinfonik und Oper ÄRMER.
Arnulfus