Viele Legenden ranken sich um das barocke Hofballett. Durch Kostümfilme wurde auch ein teilweise eher suspektes Bild dieser großen Veranstaltungen vermittelt. Auch haben immens viele Vorurteile dazu geführt, dass man das gesamte Genre vernachlässigte, die Werke schlecht redete, ohne sich je ernsthaft damit beschäftigt zu haben. Erst in den letzten 10 Jahren wurde der Barocktanz wiederbelebt, dann folgte die Zusammenarbeit mit den Spezialensembles und schließlich gab es auch die ersten Aufnahmen.
Das Ballet de Cour lässt sich bereits unter der Regentschaft Francois I. (1494-1547) feststellen. Die frühesten überlieferten Ballettsätze, die sich in der Sammlung Philidor zu Versailles finden, stammen aus dieser Zeit. Jedoch sind es nur vereinzelte Sätze, die aber mal zu größeren Ballettveranstaltungen gehörten. Die Musikwissenschaft bezeichnet das 1581 inszenierte „Ballet Royal de la Royne“ als Beginn der Ballett-Tradition am französischen Hofe.
Dem kann man so nicht direkt zustimmen, denn das Ballett war zu dieser Zeit bereits fester Bestandteil des kulturellen Lebens, was ja die erhaltenen Partituren beweisen. Leider sind die musikalischen Quellen sehr dürftig und - wie bereits erwähnt - meist ausschließlich als Einzelsätze in der Sammlung Philidor auszumachen. Das Ballet de la Royne ist jedoch eines der am vollständigsten erhaltenen Werke. Zudem ist es wohl auch eines der prachtvollsten Ballette die am französischen Hofe je gegeben wurden.
Unter der Regentschaft Henri IV. wurde das Ballet de Cour zur wichtigsten Form der musikalischen Repräsentation. Dies sollte auch unter Louis XIII. und Louis XIV. vorerst so bleiben, bis das Genre von der frz. Form der Oper abgelöst wurde.
Doch wie muss man sich diese Ballette vorstellen? Sie bestanden mit Nichten nur aus Instrumentalmusik, sondern waren ein Zusammenschluss verschiedener Kunstformen:
Der Tanz im Barock
Die Tänze wurden meist instrumental ausgeführt, aber auch vokal. Die Tänzer waren jedoch keine Ballettstars, sondern die Mitglieder des Hofes, die Kirchenfürsten, Könige und Kaiser!
Leopold I. im Ballettkostüm, als Schäfer (Gemälde von Jan Thomas um 1667)
Louis XIV. im Ballettkostüm, als aufgehende Sonne im Ballet de la Nuit 1653
Die hohen Würdenträger hatten die Hauptrollen, während die übrigen Rollen von dem niederen Adel oder sogar Bediensteten und Musikern ausgefüllt wurden. Für viele heutige Menschen ist die Vorstellung, dass Staatoberhäupter Ballett tanzen, grotesk. Doch im 17. und 18. Jahrhundert war das Ballett eine äußerst beliebte Möglichkeit, sich in Szene zu setzen und zu repräsentieren. Bis in die 1670er Jahre hinein war es übrigens Frauen verboten, auf der Bühne zu tanzen, da man ihnen nicht zutraute, die Eleganz der Männer zu erreichen. Natürlich traten Frauen, besser gesagt die Fürstinnen, in den Hofballetten ganz selbstverständlich auf. Gemeint sind hier Ballettveranstaltungen, die zur reinen Aufführung dienten. Es war ja seit langem üblich, in den frühen Opern oder Theaterstücken Ballettmusik einzuflechten. Hier tanzten ausschließlich Männer und stets mit Masken. Denn so seltsam es klingen mag, wurde das öffentliche Auftreten als Sänger oder Tänzer scheinbar als unehrenhaft angesehen – am Hofe gehörte diese Betätigung zur festen Ausbildung eines Adligen. Aber solche Widersprüche ziehen sich durch fast alle Gebiete der barocken Gesellschaft.
Die Instrumentalmusik wurde meist von den Ballettmeistern am Hofe komponiert – nicht von den Hofmusikern! Denn auch damals wusste man schon die reine Kunstmusik der Lautenisten und Clavecinisten von den Tanzweisen zu trennen und ähnlich wie in der Malerei gab es bestimmte Genres, die besondere Geltung verlangten. Dies mag auch der Grund sein, warum die Ballette des frühen Barock so dürftig erhalten sind. Die wichtigsten Meister dieses Bereichs waren François Caroubel, Jacques de Belleville, Jacques Cordier, Guillaume Dumanoir, Jean de Cambefort und schließlich Jean Baptiste Lully. All diese Männer, die heute freilich als Komponisten bekannt sind, waren ausgebildete Ballett-Tänzer und/oder Ballettmeister am französischen Hof.
Heute erlebt dieser Tanz, „La belle Danse“ genannt eine wahre Renaissance: viele Gruppen erlernen diese alten Tänze und erarbeiten so mit den Musikern, die ja bereits seit Jahrzehnten die historisch informierte Aufführungspraxis ausüben, völlig neue Ansätze.