Immerseel, Jos van (*1945): Clavier

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    Gewohnt unorthodox beginne ich einen Solistenthread mit einem Konzertbericht:

    ~ Schloßkonzerte Bad Krozingen ~

    Konzert vom 11. Dezember 2010

    Part I

    Wolfgang Amadé Mozart (1756-1791)

    Sechs Variationen g-moll KV 374b (ex 360) über Au bord d'une fontaine
    (auch: Hélas, j'ai perdu mon amant)

    Sonatensatz für Clavier und Violine c-moll KV 385f (ex 396)
    in der durch Maximilian Stadler (1748-1833) ergänzten Fassung als Fantasie für Clavier solo

    Sonate G-Dur für Clavier und Violine op. II Nr. 5 KV 373a (ex 379)

    Midori Seiler, Barockvioline (Barockbogen)
    Jos van Immerseel, Hammerflügel von Johann André Stein (Augsburg, c1780/1790)

    Part II

    Franz Peter Seraph Schubert (1797-1828)

    Sonate für Clavier und Violine g-moll op. post. 137, 3 D 408

    Scherzo B-Dur D 593, 1
    Ungarische Melodie h-moll D 817
    Sechszehn Deutsche Tänze op. 33 D 783

    Ludwig van Beethoven (1770-1827)

    Sonate für Clavier und Violine a-moll op. 23

    Midori Seiler, Barockvioline (romantischer Bogen englischer Herstellung / Nachbau)
    Jos van Immerseel, Hammerflügel Michael Rosenberger (Wien, c1810)

    ~ ~ ~

    Dieses gnadenlos herrliche und wie auf mich abgestimmte Programm wurde mir erst etwa eine Stunde vor Konzertbeginn bekannt gegeben; zuvor wusste ich lediglich um die Interpreten und die zu interpretierenden Komponisten. Die Zeit vor dem Konzert nutze ich im Beisein meiner mich eingeladen habenden Tante zur Besichtigung der recht ansehnlichen Sammlung historischer Tasteninstrumente, derer es geschätze 25 bis 30 an der Zahl waren.

    Teil I des Konzertes war sehr intensiv und ich amüsierte mich köstlich über den Tatbestand, daß Immerseel offenbar an den gleichen Stellen Schwierigkeiten wie ich sie beim Spielen der betreffenden Werke hatte, z.B. die unsäglichen Es-Dur-Terzparallelen in KV 385f. Meine Nachsicht war daher groß. Möglicherweise war er aber auch noch nicht eingespielt und die imo unzureichende technische Reife resp. der aufgrund des Alters nicht mehr ganz taufrische Zustand des Johann André Steinschen Hammerflügels, der ja aus der Stein-Zeit stammt, wird das übrige dazu beigetragen haben. Das Instrument verfügte über sogenannte Kniedämpfer, die eine relativ farbenreiche Interpretation ermöglichten. Insgesamt muß ich zugeben, daß Mozarts Werke trotz etlicher Vorbehalte auf einem Stein doch – zumindest live – wirklich sehr viel besser zur Geltung kommen als auf einem Mein-Gott-Walter. Midori Seiler spielte ebenfalls den Umständen entsprechend (eigentlich gaben die Interpreten schon beinahe ein Klaviertrio ab, aber eben nur fast...) sehr sinnlich und werkgerecht mit wohldosiertem Vibratoeinsatz und tief atmend.

    Während der Pause wurde das Steinsche Instrument in die Ecke geschoben und wirkte dann im zweiten Teil auch abgeschoben und sehr klein gegenüber dem nun zur Verwendung kommenden Rosenbergerinstrument, das vergleichsweise kernig und irden im Klang war. Auch Mozarts Musik verblasste durch die nachfolgenden Programminhalte zu meiner Überraschung deutlich – Mozarts Musik wirkte lediglich während ihrer Präsenz großartig und intim und war – wie ein flüchtiger Glücksmoment – schnell verflogen und nur noch traurige Erinnerung. Das nun verwendete Instrument verfügte neben dem, was heute als 'Pedal' gilt (also Aufhebung der Dämpfung), über fünf weitere durch jeweils ein Pedal zu bedienende Gimmicks, die auch alle zur Anwendung kamen: Im Menuett der von mir sogenannten Maditasonate (wegen der im Finale anklingenden Ähnlichkeit zur Titelmusik ('

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    ') der Verfilmung des Lindgrentextes) sowie bei der Ungarischen Melodie kamen jeweils der Fagottzug zum Einsatz. Das Scherzo endete mit einem Knalleffekt durch Betätigung des Janitscharenzugs und immer wieder wurde die Interpretation durch Moderator I und II sowie durch Una-corda-Spiel sehr passend verfeinert. Immerseel scheint mir der ideale Schubertinterpret zu sein und ich hoffe, daß es hier bald eine Platte mit Tänzen und/oder Sonaten geben wird, die auf dem ebenso dafür gemachten Rosenbergerinstrument gespielt werden. Immerseel lebte bei Schubert richtig auf und war ganz in seinem Element. Beethovens Violin-Sonate, die im Anschluß folgte, wurde sehr schnörkelfrei, transparent und ohne Gimmicks dargeboten und der Kreis schloss sich für mich durch eine gewisse innere Verbundenheit der des Finales der Sonate op. 23 mit Mozarts KV 373a, Satz 1.

    Zugaben wurden nicht gegeben, waren aber auch ob der vielen gehörten Töne überhaupt nicht notwendig.

    :wink:

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    Wolfgang Amadé Mozart (1756-1791)
    Clavierwerke

    Fantasie c-moll KV 475
    Sonmate c-moll KV 457
    Fantasie d-moll KV 397
    12 Variationen C-Dur KV 265
    Rondo a-moll KV 511

    Hammerflügel Claude Kelecom, Brüssel 1978, after J. A. Stein, Augsburg 1788

    Bei Mozart bin ich persönlich stets extrem kritisch und mir gefällt Immerseels solisitscher Mozart auch nicht einhundertprozentig, dafür mit Orchester umso mehr. Dennoch ist diese CD ganz wunderbar, besonders wegen des a-moll-Rondos, welches eins von Mozarts intimsten Werken überhaupt ist (neben dem leider nicht inkludierten h-moll-Rondo KV 540) - und damit auch eins meiner liebsten Clavierwerke (solo) von Mozart. Dazu gehören auch die kleine Gigue KV 574, die ebenfalls nicht enthalten ist.

    Clementi gelingt Immerseel nach meinen Geschmacksnerven zu urteilen deutlich besser:

    Muzio Clementi (1752-1832)

    Claviersonate B-Dur op. 24 Nr. 2
    Claviersonate fis-moll op. 25 Nr. 5
    Claviersonate G-Dur op. 37 Nr. 2
    Claviersonate f-moll op. 13 Nr. 6

    Hammerflügel Michael Rosenberger, Wien c1795

    Das hier verwendete Instrument ist (natürlich) wiederum eines meiner klangliebsten, unabhängig von der Epoche. Von besonderem Interesse ist hier zunächst die Sonate B-Dur, aus welcher Mozart später das Kopfthema für seine Zauberflötenouvertüre entwendete (schön, daß Immerseel es der Sonate zurückgab ^^ ). Zu den beeindruckendsten Werken gehören jedoch die beiden Sonaten in fis- und f-moll.

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    Eigentlich war ich gegenüber HIP immer skeptisch, gerade bei Klavierkonzerten. So ein Hammerklavier klingt viel zu dünn, kommt nicht gegen das Orchester an, das waren so meine Meinungen. Und dann empfahl mir der CD-Verkäufer meines Vertrauens im Düsseldorfer Saturn (möge es uns im Herbst wieder erfreuen) die Immerseel Aufnahme. Ich möge sie mir anhören, notfalls könne ich sie ja zurückbringen. Die Klangbeispiele der Saturn-Datenbank taugen mal wieder nichts, meistens enden sie nach dem Orchesterritornell.

    Ok, dachte ich halbherzig, versuchs mal.

    Klar: ich habe die Box nicht mehr zurückgebracht. Die gebe ich nicht mehr her. Immerseel hat mich verzaubert. Diese Spielfreude, diese Klangschönheit im alten Instrument, dieser feine, präzise und doch kraftvolle Anschlag.

    Jetzt bin ich neugierig, leider sind seine Aufnahmen meistens nicht ganz preiswert. Wenn das Budget es mal wieder hergibt, schlage ich dann wieder mal zu...

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    Diese unvollständige Box mußt Du noch ergänzen:

    Hier ist das Doppelkonzert für 2 Hammerclaviere Es-Dur KV 365 enthalten. Immerseel spielt hier zusammen mit Yoko Kaneko die Fassung mit Trompeten und Pauken. Von der Aufnahmetechnik her ist diese bei zigzac erschienene CD wesentlich besser gelungen als der Channel-Karton, bei dem man schon teilweise die Ohren spitzen muß, um das Instrument überhaupt wahrnehmen zu können. Das ist natürlich auf HIP/OPI bezogen erstklassig, die Instrumente waren einfach so leise, wie mir die Livekonzerterfahrung zeigte. Aber auch im Livekonzert gibt es Möglichkeiten, an den richtigen Sound heranzukommen, warum sollte also eine moderne Aufnahmetechnik dies nicht ermöglichen dürfen?

    Ich schätze, für Immerseel als Dirigenten benötigen wir in Kürze noch einen Extrathread im Dirigentenforum. Ich denke da an die Gesamteinspielung der Beethoven-Sinfonien, an die Liszt-Platte, Mozart-Sinfonien und Nichtclavierkonzerte...

    *hmmm*

    Der 365er-Platte gehört auf jeden Fall dazu. Wer A sagt, muß auch Belimente zahlen.

    :wink:

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    Eulen nach Athen, lieber Ulli. :D :P

    Allerdings gebe ich zu, dass ich die Sammlung via Download ergänzte. iTunes und amazon.de bieten mittlerweile ja auch vieles an!

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    Jos van Immerseel ist auch mal wieder pianistisch unterwegs:

    Ludwig van Beethoven (1770-1827)
    An die ferne Geliebte op. 98

    Franz Schubert (1797-1828)
    Schwanengesang D957

    Thomas E. Bauer, Bariton
    Jos van Immerseel, Hammerflügel

    ^^

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    Am 3.06.2020 in Deutschland erschienen:

    Jos van Immerseel bespielt einen Christopher Clarke, Cluny 1988 nach Anton Walter, Wien ca. 1800.

    Alpha (3 CD), ℗2020

    Merkwürdige Auswahl von Beethoven Sonaten bis op.31:

    • Sonate c-moll op.10/1
    • Sonate D-dur, op.10/3
    • Alla ingharese G-dur, op.129 (auch bekannt als die "Wut über den verlorenen Groschen")
    • Sonate c-moll, op.13 "Pathétique"
    • Sonate E-dur, op.14/1
    • Sonate G-dur, op.14/2
    • Sonate As-dur, op.26 (nur 2.Satz Marcia funebre)
    • Sonate cis-moll, op.27/2
    • Sonate D-dur, op.28 "Pastorale"
    • Rondo G-dur, op.51/2
    • Sonate Es-dur, op.31/3
    • Andante F-dur, WoO 57 "Andante favori"

    Im Booklet schreibt Immerseel, dass er fand, die Sonaten dieser Zeit klängen für ihn am besten auf seinem geliebten Walter-Nachbau.

    Zur Musikauswahl selbst sagt er nichts. Warum nicht op.2? Wie passt op.31 da hinein? Warum nur ein Teil aus op.26? Warum ausgerechnet das Rondo?

    Das erfährt der Leser und Hörer nicht.

    Bisher nur einmal durchgehört, zu mehr bin ich nicht gekommen.

    Der erste Eindruck: Flügel klingt prima. Aber: ist Herr Immerseel sediert oder liegt das am Alter? (Ich bitte um Verzeihung, das war unsachlich, gibt aber meinen ersten Eindruck wieder).

    op.10/1 hat mich nachgerade geschockt: wer (auf modernem Geflügel) Igor Levit oder Michael Korstick schätzt, hat das Gefühl, er höre in Zeitlupe und sucht den Schalter, um von 33 auf 45 umzuschalten (das war einer für die Älteren hier…)

    Also — an Prestissimo erinnert der Finalsatz nicht, eher ein nettes Allegro; auch das übergriffige c-moll zum Beginn der Sonate wirkt irgendwie… zahnlos.

    Bin noch nicht sicher, ob ich damit warm werde.

    Eure Eindrücke würden mich interessieren.

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    Zur Musikauswahl selbst sagt er nichts. Warum nicht op.2? Wie passt op.31 da hinein? Warum nur ein Teil aus op.26? Warum ausgerechnet das Rondo?

    Das erfährt der Leser und Hörer nicht.

    Nunja, zumindest das (überarbeitete, jedenfalls von jpc abweichende) Amazon-Cover impliziert „Piano Works of the young“ (Beethoven). Das trifft mehr oder minder zu. Schade lediglich, daß der Rest von WoO57 nicht mit dabei ist ...


    Im Booklet schreibt Immerseel, dass er fand, die Sonaten dieser Zeit klängen für ihn am besten auf seinem geliebten Walter-Nachbau.

    Was ja auch kein Wunder ist ...