Das Ensemble Cristofori ist ein noch recht junges, im Jahre 1995 gegründetes Klein-Orchester der ganz besonderen Art. Der Name Cristofori ehrt und erinnert nicht nur an den "Erfinder" des Hammerflügels - Bartolomeo Cristofori (4. Mai 1655, Padua - † 27. Januar 1731, Florenz) - sondern versteht sich gleichzeitig als Hinweis auf den Gründer und musikalischen Leiter des Ensembles: Den großartigen Pianisten und Experten der historisch informierten Aufführungspraxis Arthur Schoonderwoerd, welcher zumeist auch als Dirigent und Solist fungiert.
Das Besetzung des Ensembles ist nicht starr, sondern dynamisch wechselnd aus Schülern von Schoonderwoerd selbst (er unterrichtet insbesondere an der Escola Superior de Música de Barcelona) mit Unterstützung und Ergänzung von (anderen) professionellen HIP-Musikern zusammengesetzt.
Nach der Intention von Mr. Schoonderwoerd ist das Ensemble eines der HIP-Orchester par excellence. Dabei wird nicht nur nach historischer Praxis interpretiert, sondern auch auf der Zeit entsprechenden Instrumenten (oder Nachbauten davon) gespielt (HIP und OPI). Das gilt selbstverständlich auch für die bespielten Claviere, respektive Hammerflügel: Es befinden sich unschätzbarer Weise gleich mehrere verschiedene Modelle solcher Instrumente im persönlichen Besitz von Mr. Schoonderwoerd, die er (mit Unterstützung von ihm ausgewählter Clavierbauer) großen Anteils selbst wartet und (!) klanglich für das jeweils zu spielende Werk richtig 'einzustellen' in der Lage ist.
Neben dieser umfassenden Umsetzung der historischen Musikpraktiken zeichnet das Ensemble jene oben erwähnte 'ganz besondere Art' aus:
Experimentell - inspiriert durch originale Berichte vom Tag der Uraufführung des vierten Clavierconcertes (Op. 58, G-Dur) von Ludwig van Beethoven, aus denen sich exakt die Anzahl der ausführenden Musiker ersehen lässt - ist die Größe des Orchesters reduziert auf eine solistische Besetzung jeder Stimme.
Während das die Blasinstrumente betreffend auch für andere HIP-Orchester nicht ungewöhnlich ist, führt die solistische Besetzung auch der Streicher zu einem ganz besonderen Klang. Dieser ist im Sinne von Durchhörbarkeit und musikalischer Transparenz unheimlich fein und differenziert, ermöglicht im Verhältnis zu Bläsern und Pauken nichtsdestotrotz erhebliche dynamische Contraste, die wiederum der 'spröden' Seite des OPI-Klanges alle Ehre machen. Charakterlich spielt das Ensemble sehr warm und lebendig, mit einer Prise von ganz eigener Verve und Witz.
Gleichzeitig zeigen die Lautstärke-Probleme im Zusammenspiel mit den nicht sehr klangstarken, frühen Hammerflügel-Modellen auf, dass es zu früheren Zeiten durchaus üblich gewesen sein könnte, die Solo-Passagen in Concerten mit reduzierter (Streicher-)Anzahl zu 'begleiten'. Daneben mag man durchaus aber darauf hinweisen, dass in den Tutti-Passagen, bzw. ganz allgemein mit der solistischen Besetzung nicht unbedingt der Intention der Componisten Rechnung getragen wird. Allerdings könnte diese Constellation in der damaligen Zeit durchaus beim Musizieren 'im kleinen Kreise' vorgekommen sein. Einzelne Zeugnisse, wie jener Tag der Uraufführung von Beethovens Clavierconcert Nr. 4 (Op. 58, G-Dur) gibt es sogar! Jedenfalls: realistischer als der Apparat moderner Orchester (mit ihren zudem noch sehr viel klangstärkeren Instrumenten) erscheint die solistische Variante durchaus!
Selbst bei groß besetzten Werke wächst die Anzahl also auf maximal 15-20 Musizierende an. Etwa für Wolfgang Amadé Mozarts am größten besetztes Clavierconcert (KV 491, c-moll):
2 Violinen, 2 Bratschen, Violoncello, Contrabass, 1 Flöte, 2 Clarinetten, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner, 1 Trompete , Pauken - gerade einmal 17 Musiker!
Man kann jedem Liebhaber der Musique nur herzlich wünschen einmal eine Hörbegegnung mit diesem wunderbaren Klang machen zu können. Wenigsten durch eine der inzwischen mehreren vorliegenden CDs (siehe unten), am eindrücklichsten natürlich aber 'in concert'! Ein garantiert unvergessliches Erlebnis mit einem sehr starken "ich will nichts anderes mehr hören" 'Sucht'-Faktor.
Einspielungen (Auswahl):
Bei dem angesprochenen klanglichen Unterschied wird sicherlich einiges in neuem Hörgewand erscheinen. Ganz in diesem Sinne darf man die Einspielungen der sechs Clavierconcerte Ludwig van Beethovens durch das Ensemble Cristofori im Vergleich zu den wuchtig-klangstarken-(oft)breiigen modernen Aufnahmen durchaus als bahnbrechend bezeichnen:
CD 1: Ludwig van Beethoven - Clavierconcerte Nr. 1 & 2
CD 2: Ludwig van Beethoven - Clavierconcerte Nr. 3 & 6
CD 3: Ludwig van Beethoven - Clavierconcerte Nr. 4 & 5
Daneben sei exemplarisch noch eine CD mit Werken niederländischer Komponisten vorgestellt:
Johann Wilhelm Wilms (1772-1847) - Clavierconcert Op. 3, E-Dur
Joseph Schmitt (1734-1791) - Quatuor Op. 9 Nr. 1, C-Dur
Carolus Antonius Fodor (1768-1846) - Clavierconcert Op. 12, g-moll
Wie alle Aufnahmen, die bisher unter Schoonderwoerds Beteiligung für das Label alpha entstanden sind, sind die obigen CDs von superber Klang-Qualität (man achte etwa einmal auf den ersten Orchestereinsatz im dritten Satz von Wilms' Concert!). Da das Ensemble und Mr. Schoonderwoerd momentan an einer Aufnahme aller Clavierconcerte Mozarts arbeiten bleibt zu hoffen, dass auch das nun betreuende Label (pan-classics) dieses tolle Niveau hält. Aber, da der Meister natürlich persönlich ausführlich Probe hört, darf man sehr zuversichtlich sein!