- Offizieller Beitrag
Aus ganz persönlichen Gründen sind die drei genannten Serenaden für Bläserensembles unter meinen absoluten Lieblingsstücken. Als Jugendlicher war ich Fagottist in diversen Ensembles der Meerbuscher Musikschule (Meerbuch im Kreis Neuss, bei Düsseldorf gelegen). Wir waren stolz, dass insbesondere unser Bläserensemble ein bemerkenswertes Niveau erreichten, das uns über die Stadt- und Kreisgrenzen hinaus leidlich bekannt machte und uns immer wieder Auftritte in entfernteren Lokalitäten ermöglichte.
Deshalb habe ich für die Literatur für speziell größere Bläserensembles eine besondere Liebe entwickelt, namentlich Mozart, Strauss, Dvořák, Brahms (mit ein paar Streichern dabei...) und Lachner.
Genug der persönlichen Vorliebe, dieser Beitrag soll sich den meines Erachtens epochemachenden Werken des Genres vom Genie Wolfgang Amadeus Mozart widmen, ohne die wohl die Kompositionen der späteren, oben erwähnten Meister schwer vorstellbar gewesen wären.
Drei Werke hat Mozart in seiner Wiener Zeit erschaffen, die er Serenaden nannte, der Gattung auch einigen Tribut zollte, und dennoch weit über einfache Abend- und Partymusik hinausging und dafür höchst individuelle, persönliche Beiträge zur Gattung beisteuerte:
- Serenade B-dur, KV 361 für 13 Bläser (später "Gran Partita" genannt, aber nicht von Mozart)
- Serenade Es-dur, KV 375 für je zwei Oboen, Klarinetten, Hörner und Fagotte
- Serenade c-moll, KV 388 für je zwei Oboen, Klarinetten, Hörner und Fagotte
Die Gattung der 'Harmoniemusik' hat Mozart nicht erfunden. Von Haydn beispielsweise sind zahlreiche Harmoniemusiken für diese oder ähnliche Besetzungen überliefert; man verwendete sie gerne auch als Soundtrack für ein Fürstliches Picknick (deshalb nannte Haydn seine Werke häufiger "Feldparthie", wobei die "Partie" anders als dem heutigen Sinne gemeint ist und eher von der Partita, also der Form der Suite herstammen dürfte).
Auch Mozart schuf zahlreiche Serenaden und andere Unterhaltungsstückchen, bevor er die Gattung der Serenade, der Abendmusik, mit der der Harmoniemusik kreuzt und dennoch weder das eine noch das andere schafft, sondern etwas Drittes, bisher so noch nicht dagewesenes (zumindest meiner Ansicht nach).
Von den drei Werken ist m.E. die Es-dur Serenade KV 375 noch das traditionellste Werk. Das Werk ist symmetrisch gebaut: ein gewichtiger Kopfsatz und ein Kehraus-Finale rahmen zwei Menutte, im Zentrum steht ein typisch mozartisches Adagio. Die Besetzung entspricht einer eher herkömmlichen Harmoniemusik, wird aber deutlich individueller behandelt als bei vielen Zeitgenossen, viele Instrumente kommen zu quasi solistischen EInlagen, die Ansprüche an das Ensemble sind vergleichsweise hoch.
Bei der später so genannten Serenade B-dur KV 361 "Gran Partita" sprengt Mozart die Besetzung der Harmoniemusik: es treten zwei weitere Hörner, zwei Bassetthörner und ein Bass hinzu. Der Bass kann vom Kontrabass, m.E. aber noch passender vom Kontrafagott gespielt werden. Der Kontrabass wirkt in den Aufnahmen, die ich kenne, immer ein Wenig wie ein Fremdkörper im Klangcorpus, das Kontrafagott fügt sich ein.
Die Serenade beginnt mit einem grandiosen Kopfsatz, eine langsame Einleitung führt zu einem straffen, motivisch gearbeiteten Satz. Das Adagio, der dritte Satz, ist mein absoluter Liebling. Fast romantisch unterhalten sich die 1.Oboe, die 1.Klarinette und das 1.Bassetthorn über einem durchlaufenden Bass vom 2.Fagott und dem Bass gespielt, immer gebettet in rhythmische Begleitakkorde der restlichen Instrumente. Die Meldodien, die Mozart ausbreitet, sind von fast überirdischer Schönheit, die Instrumente nehmen die Gedanken der Gesprächspartner auf, führen sie weiter aus, fügen Gedanken hinzu. So schön kann Musik sein!
Der fünfte Satz ist eine Romanze, in einer großen ABA-Form gebaut. Der A-Teil ist ein cantables Adagio im 3/4-Takt, das einen eher choralartigen Eindruck bei mir hinterlässt, von einer ganz anderen Faktur als das erste Adagio. Dazwischen entfaltet sich ein munteres Allegretto von gänzlich kontrastierendem Charakter im 2/4-Takt. Ein merkwürdiger Satz. Zwischen den drei genannten Sätzen finden sich wieder zwei Menuette, am ehesten noch eine Konzession an die Form der Serenade, wie das Publikum sie erwartete. Beide Menuette sind verhältnismäßig lang, mit je zwei Trios, in denen unterschiedliche Teil-Ensembles musizieren, zum Beispiel das Klarinettenquartett im ersten Trio des ersten Menuetts.
Vor das Finale hat Mozart dann noch einen Satz gesetzt, der alleine schon fast ein eigenes Werk bildet: Tema con variazioni. Auf engstem Raum entwirft Mozart unterschiedlichste Charakterbilder, fast alle Instrumente werden solistisch behandelt. Selbst der Bass verdoppelt nicht nur das zweite Fagott, sondern hat eigene passagen, eigene Figuren, kommt auch mal ohne die Fagotte zum Einsatz. Spätestens hier wird meines Erachtens gerechtfertigt, wenn man sich für das Kontrafagott statt den Kontrabass entschieden hat. In einigen Variationen wird fröhlich musiziert, in anderen bettet Mozart melancholische Melodien auf fast wagnersche Klangteppiche. Was für ein Meister! Das Finale ist dann wieder ein echter Serenaden-Kehraus in Rondoform; weg mit allem Besinnlichen, alle dürfen noch mal ran, die ersten Bläser dürfen sich noch mal profilieren, das wars, nun spendet den Musikern reichlich Beifall. Diese Serenade hat den Weg geebnet zu der Art, wie später Brahms, Strauss und andere die Bläser behandelt haben.
Die Serenade in c-moll KV 388 ist von der Besetzung her wieder das klassische Oktett. Aber was für ein Werk! Die Stimmung ist so gar nicht heiter und gelassen, die Instrumente sind durchweg sehr individuell behandelt; aus eigener Erfahrung weiß ich um die Anforderungen, die das Finale an den Fagottisten stellt. Die Satzfolge nähert sich der Symphonie an: Allegro, in mozart-typischem c-moll-Gestus, gefolgt von einem ruhigen, langsamen Adagio, dann ein Menuett und ein Rondo-Finale. Aber das Menuett ist ein Kanon, durch und durch fugierend gearbeitet und kein Menuett, wie man es in einer Serenade erwartet, von Leichtigkeit spüre ich hier nichts. Und das Finale ist ähnlich, das Thema ist melodiös, der Satz bietet wieder allen Instrumentengruppen Soli und starke Momente. Erst kurz vor Schluss wird das Thema in Dur wiederholt, um das Werk noch zu einem freundlichen Abschluss zu führen. Aber ist das ein Happy-End? Nur weil es in Dur steht?
Mit dem zunehmenden Erstarken der Bürgerlichen Musikkultur, speziell im Wien des ausgehenden 18.Jahrhundert, hatte das Genre der Harmoniemusik seinen Zenith bereits überschritten, so dass den Werken zu Mozarts Lebzeiten wenig Erfolg beschieden war.
Heute erfahren die Stücke wieder eine größere Würdigung, Einspielungen gibt es viele. Aber werden diese Werke nur als Rennomierstücke der großen Bläserensembles betrachtet oder wird ihr Gewicht tatsächlich angemessen gewürdigt?