Il Bellerofonte (Napoli, 1767)

    • Offizieller Beitrag

    Opera seria in drei Akten

    Libretto von Giuseppe Bonecchi

    Uraufführung am 20. Januar 1767 in Neapel

    Ort: Die Handlung spielt in der griechischen Mythologie

    Personen

    Bellerofonte, Prinz von Korinth (Sopran)
    Ariobate, König von Lykien (Tenor)
    Argene, dessen Tochter (Sopran)
    Atamante, Vertrauter des Königs (Tenor)
    Diomede, ein Krieger (Tenor)
    Briseide, dessen Verlobte (Mezzosopran)

    ERSTER AKT

    Der Chor des lykischen Volkes huldigt dem Gott des Tageslichts, als Bellerofonte, Sohn des Glaukos, als Bote den lykischen König Ariobates erreicht, um dem König einen Brief, dessen Inhalt der Überbringer der Botschaft nicht kennt, zu überreichen. Bellerofonte ist im Königreich herzlich willkommen, denn den regierenden König verband eine enge Freundschaft mit Bellerofontes Vater sowie dessen Nachfolger. Bellerofonte ist – natürlich! – sogleich verliebt in die königliche Tochter Argene. Doch wird der Prinz aus Korinth bitter enttäuscht, denn über die schöne Königstochter hat der Vater bereits anderweitig verfügt: Sie ist bereits dem Fürsten von Megara namens Archemoro versprochen.

    Der königliche Vertraute, Atamantes, kommt herbei und verkündet, dass die Zeit für den alljährlichen Brauch gekommen sei, der grausamen Chimäre, einem Fabelwesen, das vorne einem Löwen, hinten einer Schlange und in der Mitte einer Ziege gleicht und Feuer speit, ein Opfer darzubringen. Die Auslosung habe ergeben, dass die Kretanerin Briseide dem Rachen des Untiers preisgegeben werden solle. Bellerofonte, der von dem Opferbrauch keine Ahnung hatte, zeigt sich interessiert und wird sogleich vom König über das grausame alljährliche Schicksal aufgeklärt. Bellerofonte fragt, warum noch niemand auf die Idee kam, das Land von diesem Ungeziefer zu befreien. Die Königstochter belehrt ihn, dass es wohl niemanden auf der ganzen Welt gäbe, ein so gefährliches und bedrohliches Unterfangen in die Hand zu nehmen.

    Ariobates wünscht nun die Übergabe der Botschaft aus dem befreundeten Land, Bellerofonte überreicht den Brief und hat seine Aufgabe damit erfolgreich erfüllt. Während Ariobates mit dem Studium der Botschaft beschäftigt ist, ringt Bellerofonte um die Gunst Argenes. Diese aber zeigt sich standhaft gegenüber dem väterlichen Befehl. Der König unterbricht das Zwiegespräch und verkündet brummelnd etwas davon, dass er sich wohl in kürze der Heuchelei zu bedienen habe und der Ankömmling in höhere Regionen befördert werde. Den wahren Inhalt des Briefes jedoch verschweigt er diplomatisch und verschiebt die Offenbarung geheimnisvoll auf einen späteren Zeitpunkt.

    Hoffnung keimt in Bellerofonte, doch noch die Königstochter zur Gemahlin erhalten zu können und lässt in einer Arie ertönen:

    Splende cosí talora
    d’oscura notte in seno
    insolito baleno sul ciglio al passaggier;
    che all’impensato lume
    s’arma di nuova speme,
    e più smarrir non teme,
    Il primo suo sentir.

    So strahlt manchmal
    in dunkelster Nacht
    ein jäher Blitz ins Auge des Wanderers,
    der im unverhofften Licht
    neue Hoffnung fasst
    und sich nicht mehr fürchtet,
    vom richtigen Wege abzugehen.

    Als Argene mit ihrem Vater allein ist, ersucht sie ihn um Erbarmen mit ihrer neuen Liebe zu Bellerofonte. Doch der Vater bleibt hart – er könne sein Versprechen nicht widerrufen. Sie solle den Prinzen aus Korinth besser schnell vergessen. Argene bittet den Vater, den Aufenthalt des Prinzen so lange wie möglich zu gestalten, was den König in Entsetzen über die plötzliche Schwäche seiner Tochter versetzt. In einer Arie [Giusti dei che ben vedete la virtù] bittet Argene um den Beistand der Götter in ihrer misslichen Lage. Voller Gram verlässt sie ihren Vater, der königliche Vertraute kommt zum König und bedauert die arme Tochter verständnisvoll. Der König ersucht um das Vertrauen Atamantes und gesteht ihm den wahren Inhalt der Botschaft, die ihm von Bellerofonte überbracht wurde – ein böses Spiel: Clearcos Gemahlin begehrte Bellerofonte, der sie verschmähte. Aus lauter Ekelhaftigkeit schwärzte sie den Geliebten bei ihrem Manne an, Bellerofonte habe versucht, sie zu verführen. Dies brachte König Clearcos so in Rage, dass er nun den Kollegen Ariobates durch den Brief damit beauftragt, Bellerofonte zu vernichten. Das Üble an der Angelegenheit ist, Clearcos würde sich im Falle einer Absage auf fürchterliche Weise rächen – darin sind sich Ariobates und sein Vertrauter einig. Man beschließt, den Fall einer genauesten Überprüfung zu unterziehen und dann – so die Götter mögen - eine weise Entscheidung zu finden. Nach einer Arie, in welcher der König seine Verzweiflung zum Ausdruck bringt, zieht er sich mit seinem Vertrauten zur Beratung zurück.

    Während eines Spaziergangs trifft Bellerofonte auf den Verlobten der zum Opfer erkorenen Briseide: Es ist Diomedes, der um Errettung vor dem unglaublichen Schicksal betet. Bellerofonte zeigt sich verständnisvoll und bemitleidend. Während sich Briseide den beiden nähert, verspricht der Prinz, das grausame Urteil der Lostrommel zunichte zu machen. Briseide kommt herbei und versucht, ihren Geliebten zu trösten. Da kommt schon Atamantes mit der unschönen Aufgabe, die Opfergabe einzusammeln. Er weist daraufhin, dass alles Hoffen auf eine Wendung vergebens ist. Diomedes ist jedoch überzeugt: „Solange ich atme und lebe, wirst Du das niederträchtige Vorhaben nicht ausführen!“ Briseide erkennt die prekäre Situation, in die sich ihr Geliebter bringt und gibt ihm zu bedenken, dass sein Ansinnen aussichtslos sei und sie lieber ohne den Gedanken an zusätzliche Qualen ihres Geliebten sterben würde. Sie verabschiedet sich mit einer schmerzlichen Arie:

    Non è la marte per me d’orrore,
    Quell tuo dolore tremar mi fà.
    Mi squarci il seno, l’irata sorte,
    Non abbia almeno la mia viltà.

    Der Tod ist für mich kein Schrecknis,
    dein Schmerz macht mich jedoch erbeben.
    Du zerreißt mir das Herz, böses Los,
    doch wenigstens meine Feigheit sollst du nicht bekommen.

    Sie wird abgeführt und Diomedes ist allein. Er beschließt, die Götter zu besänftigen und ihre Opferforderung zu revidieren. Er singt sich Mut an und wird dann von König Ariobates verscheucht, der mit seiner Tochter ein Vieraugengespräch zu führen begehrt.

    Als Ariobate und Argene alleine sind, offenbart der König seiner Tochter, dass Bellerofonte von ihm die Rettung Briseidens verlangt. Er habe aber noch nicht zugesagt – dazu habe er folgenden Plan: Sie solle Bellerofonte davon überzeugen, dass er allein der einzige sei, der das Ungeheuer vernichten kann. Dabei werde der Prinz sterben, denn er sei zu schwach. Damit will sich der König der ihm aufgetragenen Untat entziehen. Die Königstochter ist entsetzt von diesem Plan und von der Vorstellung, sie sollte als Werkzeug missbraucht werden. Nein, diesen Befehl kann sie keinesfalls befolgen! Der König bezichtigt seine Tochter und fordert sie auf, ihre Treue in der vorgeschlagenen Form zu beweisen – kein Wenn und Aber! Er werde Bellerofonte in Kürze zu ihr schicken und sie werde gehorchen! Es folgt eine Liebesarie an ihren Bellerofonte mit den schönsten wählbaren Worten:

    Di due pupille amabili
    al tremolo splendo,
    vedrai, che di resitere,
    non è capace un cor.

    Dem zitternden Glanz
    zweier lieblicher Augen
    vermag, du wirst sehen,
    kein Herz zu widerstehen.

    Und schon kommt Bellerofonte freudig herbei und möchte von ihr den mutigen Auftrag erfahren, den zu erhalten ihn der König zu ihr schickte. Argene ist bei dem Gedanken daran speiübel… Der Prinz glaubt noch immer, von der bevorstehenden Hochzeit mit ihr zu erfahren. Herb enttäuscht nimmt er den tödlichen Befehl auf und gibt zu verstehen, dass er den verruchten Plan genau verstehe. Argene beteuert ihm, dass der Plan von ihr alleine stamme und verrät ihm nicht ihre Qual. Jetzt ist Bellerofonte in seiner Eitelkeit gekränkt und in seinem Mut bestärkt! Er wird das Ungeheuer besiegen! Der erste Akt endet in einem verzwickten Duett, in welchem der Prinz den Grund für ihre Entscheidung zu wissen fordert, die Königstochter diesen jedoch nicht nennen mag, um ihm die größte Qual zu ersparen.

    ZWEITER AKT

    Diomedes, der von der geplanten [vorgeschobenen] Befreiungsaktion seiner Geliebten durch Bellerofonte in Kenntnis ist, duldet es nicht, dass der Prinz sein Leben auch noch aufs Spiel setzen soll. In einer Unterredung mit dem Vertrauten des Königs macht er deutlich, dass er auf eine weisere und annehmbarere königliche Entscheidung gehofft hatte. Atamantes verteidigt den König und weist auf wichtige politische Interessen hin. Diomedes erkennt, dass er sich unter diesen Umständen von seiner einstigen Anerkennung für den König trennen müsse. Atamantes beteuert jedoch gesehen zu haben, dass Bellerofonte von einem sonderbaren Lichtstrahl begleitet zur Tötung des Ungeheuers aufgebrochen ist und dass er sich sicher schätzt, der Prinz werde Erlösung bringen. In einer Arie beschreibt er den bereits siegreich zurückkehrenden Prinzen.

    Die Opferdarbietung wird vorbereitet. Während die blumengeschmückte Briseide vorgeführt wird, verlangt Diomedes noch einmal von König Ariobates die Herausgabe seiner Geliebten als Anerkennung für seine untertänigen und langjährigen treuen Dienste. Der König ist erbost über so viel Überheblichkeit! Das für das Vaterland vergossene Blut sei schließlich seine Pflicht gewesen – eine Entlohnung stünde ihm nicht zu. Als Diomedes aufbegehrt, befiehlt der König, ihn in den dunkelsten aller Kerker zu sperren. Haßerfüllt – und in Begleitung einer obligatorischen Arie – wird Diomedes abgeführt.

    Come portai, tiranno,
    Fissarmi in volto in lumi? […]

    Wie wirst du mir, du Tyrann,
    ins Antlitz sehen können? [..]

    Bellerofonte kommt bewaffnet und in Rüstung herbei. Heuchelnd fragt Ariobates nach dem Grund dieses ungewöhnlichen Auftrittes? Spitz antwortet der Prinz, dass diese Anweisung allein auf Weisung seiner Tochter erfolge. Als Argene dazu stößt, schickt der Vater sie – weiterhin heuchelnd – fort. Gerade, als sie sich abzuwenden im Begriff ist, gebietet Bellerofonte Einhalt! Wenn der König seine durch sie verursachten Ambitionen so unsachgemäß findet, so will er gerne auf den Kampf mit dem Untier verzichten und seine Waffen ablegen. Der König ist fingernägelkauend und schweißbeperlt seiner Verzweiflung ausgeliefert und hält die Luft an – noch flüstert er der Tochter ins Ohr, der Prinz solle sich endlich vom Acker machen, doch diese verkündet lauthals: „Geh, um als Sieger wiederzukehren!“ In einer „Henkersarie“ appelliert der Prinz noch einmal an die erhoffte Loyalität… und bricht auf zum Kampfe.

    Der König atmet aus. Erzürnt über die verräterische Tochter poltert er von dannen.

    Argene ist allein und verklagt die Götter. Sie jedenfalls wird niemals einen anderen als Bellerofonte lieben, da können sie machen, was sie wollen. Atamantes kommt mit den Wachen und der gefesselten Briseide herbei. Die Königstochter befiehlt den Wachen, das Opfergut von den Fesseln zu befreien. Briseide und Atamantes sind beide etwas ungläubig über diesen angeblichen Befehl des Königs. Sie befiehlt Briseide an ihre Seite und schickt Atamantes fort. Auch Diomedes hat die Königstochter freigelassen. Dieser kommt ganz erstaunt herbei und setzt gerade an, sich bei seiner Retterin zu bedanken, als diese ihn mit kurzen Worten auffordert, zu fliehen: Er sollte seine Teure in Sicherheit bringen und dann zu Bellerofonte eilen, ihm mitzuteilen, dass sie den Befehl unter Zwang erteilt habe und gegen die Stimme ihres Herzens. Diomedes klemmt die Beine unter die Arme und eilt fort. Schon kommt der empörte König herbei. Entrüstet befielht er umgehend den Vollzug der Hochzeit zwischen seiner Tochter und Archemoro, dem Fürsten von Megara. Noch in dieser Stunde! Doch Atamantes muß dem König leider den Wind aus den Segeln nehmen: Archemoro sei bedauerlicher Weise seit einigen Minuten nicht mehr unter den Lebenden. Der Fürst habe unterwegs einen Hinterhalt gegen Bellerofonte geplant und sei über den Prinzen hergefallen – der Fürst aber zog den Kürzeren. Argenes Herz Pocht vor freudiger Aufregung, Ariobates hingegen vor unsäglicher Wut! Der König befiehlt alsdann, den geflohenen Aufmüpfigen wieder einzusammeln und einzusperren. Es erfolgt eine schöne hässliche Arie des Königs auf den Undank der Tochter, wonach das Staatsoberhaupt wutschnaubend und unter Staubwirbeln die Szene verlässt. Argene fühlt sich unübertroffen stark, besingt dies in einer Arie; Briseide ist gerührt vor soviel Tapferkeit [Arie] und Bellerofonte macht sich nun endlich auf den Weg, das Ungeheuer zu plätten:

    Di quei sassi dal concavo seno
    Rauco suono si sparge d’intorno. […]

    Dumpfes Getöse dringt
    Aus der Höhle des Felsens. […]

    DRITTER AKT

    Von dem schrecklichen Kampfe Bellerofontes mit der grausamen Chimäre bleibt das verehrungswürdige Publikum verschont. Aufgeregt berichtet Atamantes dem König, dass man Bellerofonte unversehrt gesehen habe und dass dieser das Wesen ins Reich der Fabel zurückgeschickt habe. Ariobates will dies nicht glauben: Ein sterblicher Arm kann solches nicht vollbringen. Ariobates ärgert sich über sich selbst – hätte er das gewusst, wäre sein Deal mit Clearcos von vorneherein zum Scheitern verurteilt gewesen: Ein unauffälliger Schwertstoß soll das Versäumte nachholen. Atamantes soll alles arrangieren. Die verschonte Briseide soll im Kerker schmoren, um Diomedes das Leben schwer zu machen.

    Auf dem Weg trifft Atamantes Argene und Briseide, beide fragen sogleich, ob die Neuigkeiten stimmen. Der königliche Berater dementiert nicht, meint aber nur: „So sagt man.“ Und sogleich betrübt er die Stimmung: „Die Zeit der Freude ist noch nicht reif.“ Doch auch mehrfaches Bohren der beiden Damen bringt die Wahrheit nicht ans Tageslicht. „Mit neuen Stürmen droht der zürnende Himmel“, singt Atamantes da – das reicht fürs erste als Hinweis für die neugierige Damenwelt. Argene und Briseide sind schwer geknickt, doch geben sie die Hoffnung nicht endgültig auf. Briseide wird auftragsgemäß abgeführt.

    Argene trifft Diomedes. Jetzt ist es gewiss: Der Prinz hat gesiegt, verkündet Diomedes. Und sogleich stolziert Bellerofonte herein! Die Freunde ist groß! Und der tapfere Krieger weiß auch bereits, dass man hinter seinem Leben her ist. Diomedes kann das nicht glauben, wo doch dieser Prinz eine so wundervolle Tat vollbracht hat. König Ariobates fährt volles Geschütz auf und umzingelt Bellerofonte mit seinen Wachen. Argene ist verzweifelt, der Vater bestätigt ihren Verdacht, dass alle Hoffnung vergebens ist: Er muß sterben! Aribates bläst zum Angriff, Bellerofonte geht in Verteidigungsposition, Diomedes nimmt Position für Bellerofonte ein und fordert die Wachen auf, dem Befreier Bellerofonte zu folgen. Der Trick gelingt, der König ist besiegt! Er will sich sogleich seines unwerten Lebens entledigen, wird daran jedoch von Argene und Bellerofonte gehindert. Nun kommt die Wahrheit ans Tageslicht: Der Vater war nur Opfer der verräterischen Ausgeburt eines angeblichen Freundes, eines Schändlichen! Ganz so leicht nimmt das der Prinz jedoch nicht – sonst gäbe es ja auch kein Terzett.

    Nun aber kommt Atamantes und überbringt eine neue Botschaft: Der König von Korinth, Cleacros, wurde von seinem unlauter erworbenen Thron gestoßen und ermordet! Oh grand’ evento! Bellerofonte ist nun der König von Korinth! Schließlich schafft es Argene, Bellerofonte von der grundsätzlichen Gütigkeit ihres Vaters zu überzeugen. Der Vater schämt sich für alles und bietet nicht nur die Hand seiner Tochter – nein, Bellerofonte soll auch König von Lykien werden. Da stimmt auch wieder das Volk in den Huldgesang ein:

    Se dei numi a questo segno,
    grand’ Eroe, l’amor tu sei,
    quanto mai felice è il regno,
    che d ate le leggi avrà.

    Da du, großer Held, nach diesen Zeichen
    der Liebling der Götter bist,
    wie glücklich ist das Königreich,
    über welches du herrschen wirst.

    Bach wasn't Abel. *rain*